Ängste bei Kindern und Jugendlichen - verstehen und handeln (Komplexe Krisen und Störungen, Bd. 4) (eBook)
256 Seiten
Klett-Cotta (Verlag)
978-3-608-11613-7 (ISBN)
Lydia Kruska, M.A., Psychologin und Dipl.-Pädagogin (Rehab.), wissenschaftliche Mitarbeiterin an der IPU Berlin im Bereich Psychotherapieforschung, psychoanalytische Entwicklungspsychologie und Diagnostik, Mitglied Arbeitskreis OPD-KJ, zurzeit in Ausbildung zur psychologischen Psychotherapeutin.
Lydia Kruska, M.A., Psychologin und Dipl.-Pädagogin (Rehab.), wissenschaftliche Mitarbeiterin an der IPU Berlin im Bereich Psychotherapieforschung, psychoanalytische Entwicklungspsychologie und Diagnostik, Mitglied Arbeitskreis OPD-KJ, zurzeit in Ausbildung zur psychologischen Psychotherapeutin.
Einleitung
»Die größte Gefahr im Leben ist, dass man zu vorsichtig wird.«
Alfred Adler
Angststörungen bei Kindern und Jugendlichen1 sind mit einem hohen Leidensdruck verknüpft und gehen mit starken psychosozialen Beeinträchtigungen für die Betreffenden sowie ihre Familien einher. Wie Depressionen, Zwangserkrankungen und somatische Erkrankungen gehören auch die Angststörungen zu den sogenannten internalisierenden Störungen, d. h., die Symptome sind nicht wie bei Aggressivität und Hyperaktivität auf die Umwelt gerichtet, sondern liegen eher innerhalb der Person (Bilz 2008). Als »stille Störungen« stellen sie besondere Anforderungen an die psychologische Diagnostik und psychotherapeutische Behandlung, da der Leidensdruck und die Beeinträchtigungen dieser Kinder und Jugendlichen oft sehr groß sind, aber nicht erkannt werden. Obwohl Angststörungen die häufigsten psychischen Störungen bei Kindern im schulpflichtigen Alter sind, werden die Betreffenden seltener in Behandlungseinrichtungen und psychotherapeutischen Praxen vorgestellt. Langfristig begünstigt dies eine Chronifizierung und erhöht das Risiko, im Erwachsenenalter an einer psychischen Störung zu erkranken. Es bedarf also wirksamer Behandlungsverfahren, die den besonderen Bedürfnissen von ängstlichen Kindern und Jugendlichen entsprechen. Unerkannt gehen Angststörungen mit einer deutlich schlechteren Prognose einher.
Lange Zeit galten verhaltenstherapeutische Verfahren, v. a. die kognitive Verhaltenstherapie, als Mittel der Wahl bei Angststörungen im Kindes- und Jugendalter mit großen Therapieeffekten und einer langfristigen Stabilität der Therapieerfolge (Schneider 2010). Es gibt daher inzwischen eine Reihe von Lehrbüchern, die sich ausführlich mit behavioristischen Erklärungsansätzen und Verfahren auseinandersetzen (Schneider 2004a; In-Albon 2011; Essau 2014). Im Bereich der Psychopharmakotherapie profitierte die Mehrzahl der Kinder und Jugendlichen von einer Behandlung mit selektiven Serotoninwiederaufnahmehemmern (SSRI), allerdings sind hier noch keine Langzeitwirkungen (zu Wirksamkeit und potenzieller Schädigung durch Nebenwirkungen) bekannt (Schneider 2010). Im psychodynamischen Bereich gibt es weitaus weniger Wirksamkeitsstudien und störungsspezifische Behandlungsverfahren (Kronmüller et al. 2005; Hopf 2009). Dennoch zeigt sich bereits auch hier, dass ein breites klinisches Erfahrungswissen existiert. In den vergangenen Jahren gab es vermehrt Forschungsbemühungen, dieses Wissen operationalisiert und/oder manualisiert im Rahmen von kontrollierten Psychotherapiestudien zugänglich zu machen (siehe dafür exemplarisch Muratori et al. 2003 und Weitkamp et al. 2019).
Das vorliegende Buch soll die Leser für die besonders gefährdete Personengruppe der Kinder und Jugendlichen mit Angststörungen sensibilisieren und zu einem tieferen Verständnis beitragen, wie sich ängstliche Kinder und Jugendliche fühlen. In diesem Band wird praxisnah beschrieben, wie sich Ängste entwicklungsbedingt im Kindes- und Jugendalter überhaupt zeigen und wie sie sich im Kontakt zu anderen Menschen ausgestalten und regulieren. Die Leser können anhand von Fallbeispielen nachvollziehen, wie Ängste zu Angststörungen und damit zu einem Hemmnis für die Entwicklung werden können. Das Buch stellt Angststörungen in ihrer komplexen Psychodynamik dar und schildert, wie sich Ängste im Verlauf einer psychotherapeutischen Behandlung innerlich und in Beziehung zu anderen ausdrücken und verändern lassen. Dabei geht es nicht darum, eine Anleitung für eine angststörungsspezifische Psychotherapie zu geben, sondern vielmehr, das Typische in den Beziehungen von ängstlichen Kindern und Jugendlichen mit ihrer Umwelt im Allgemeinen und dem Therapeuten im Speziellen herauszuarbeiten und als Wissen nutzbar zu machen.
Dieses Praxisbuch besteht aus drei Teilen. Im ersten Teil wird auf Angst als Phänomen in seiner Bedeutung für die kindliche Entwicklung eingegangen. Danach wird gesunde Angst von pathologischer Angst bzw. Angststörungen unterschieden. Im Anschluss werden die Angststörungen des Kindes- und Jugendalters nach den gängigen Klassifikationssystemen, v. a. nach ICD-10, vorgestellt. Das besondere Augenmerk hierbei liegt auf der Unterscheidung zwischen ungerichteter und gerichteter Angst, und es werden differentialdiagnostische Überlegungen angestellt.
Der zweite Teil widmet sich den psychodynamischen Angsttheorien aus der Entwicklungsperspektive. Hier geht es v. a. um entwicklungsorientierte und konfliktbezogene Anteile von Angststörungen. Von Freuds Angsttheorien über die Objektbeziehungstheorien bis hin zu modernen psychoanalytischen Beiträgen wird nachvollzogen, welche psychoanalytischen Autoren welche Beiträge zum Verständnis von Angst und Angststörungen im Kindes- und Jugendalter geliefert haben und inwieweit das Verständnis der verschiedenen Angstarten in der Diagnostik für Kliniker hilfreich sein kann. Hierbei bildet die Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik im Kindes- und Jugendalter (OPD-KJ-2) (Arbeitskreis OPD-KJ-2 2013) den Referenzpunkt, da mit der OPD-KJ-2 eine störungsübergreifende, gut verständliche Matrix für eine Operationalisierung, v. a. in den Bereichen Struktur, Konflikt und Beziehung vorliegt. Eine abschließende Synopse verbindet die verschiedenen Teile im Hinblick auf die Anforderungen an Kind und Bezugspersonen im Entwicklungskontext miteinander und gibt dem Leser eine Orientierung zur Einordnung von klinischen Fällen.
Der dritte Teil beschäftigt sich mit unterschiedlichen Aspekten vor, in und zum Abschluss der psychodynamischen Behandlung von Angststörungen im Kindes- und Jugendalter. Grundlegend dafür ist die Annahme, dass Beziehungserfahrungen mit den engen Bezugspersonen für Kinder und Jugendliche maßgeblich für die Ausbildung der Persönlichkeit sind, sich auch in der therapeutischen Beziehung abbilden und in ihr als Interaktionsmuster erkannt und verändert werden können (Albani et al. 2008). Für pädagogische Arbeitsfelder können Interventionen entsprechend entlehnt werden, auch, wenn auf diese Kontexte nicht extra eingegangen wird. Dieser Teil soll v. a. praktisches Erfahrungswissen vermitteln und ist mit dem zweiten Teil des Buches insofern verknüpft, dass Verweise zu den theoretischen Hintergründen jeweils mit aufgeführt sind.
Das Praxisbuch versteht sich als Überblick und Hilfestellung für (angehende) professionelle Helfer psychologischer, medizinischer und pädagogischer Fachbereiche in ihrer (psychotherapeutischen) Arbeit mit ängstlichen Kindern und Jugendlichen. Es soll vor allem eine verstehende Haltung vermitteln, um die Ängste der Kinder und Jugendlichen gemeinsam mit ihnen aushalten und bewältigen zu können.
Danken möchte ich an dieser Stelle den Herausgebern, Prof. Dr. Günter H. Seidler, Dr. Jonas Tesarz und Prof. Dr. Annette Streeck-Fischer, für die Möglichkeit, meine Erfahrungen mit Kindern und Jugendlichen mit Angststörungen durch dieses Buch an den Leserkreis weiterzugeben, Dr. Heinz Beyer von Klett-Cotta für die kompetente und immer freundliche Zusammenarbeit sowie Dr. Petra Kunzelmann für das Lektorat. Insbesondere von Frau Prof. Streeck-Fischer habe ich in den vergangenen Jahren viel über Angststörungen gelernt. Als ihre wissenschaftliche Mitarbeiterin im Team des Berliner Studienzentrums der Angststudie für Kinder an der IPU Berlin hatte ich die Möglichkeit, viele Kinder und Jugendliche und ihre Eltern zu begleiten. Die Kinder und Jugendlichen haben mir in vielen Gesprächen einen tiefen Einblick in ihre Welt gegeben und ein ums andere Mal sehr berührend beschrieben, wie sie Ängste empfinden und inwieweit diese sie in den verschiedenen Bereichen ihres Lebens einschränken. Für ihre Offenheit und ihr Vertrauen möchte ich mich von Herzen bedanken. Die Namen und Umstände wurden verändert und die Fallbeispiele auf diese Weise anonymisiert und verfremdet. Auch die behandelnden Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten der Hochschulambulanz haben mir vor allem im vergangenen Jahr immer wieder wertvolle Anregungen und Rückmeldungen in persönlichen Gesprächen gegeben: Carmen Eger, Dr. Jan van Loh, Andreas Klöcker, Nina Buchholtz, Anna Paulitschek u. a....
Erscheint lt. Verlag | 15.5.2020 |
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Reihe/Serie | Komplexe Krisen und Störungen | Komplexe Krisen und Störungen |
Zusatzinfo | mit zahlreichen Tabellen |
Verlagsort | Stuttgart |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Geisteswissenschaften ► Psychologie ► Allgemeine Psychologie |
Geisteswissenschaften ► Psychologie ► Angst / Depression / Zwang | |
Medizin / Pharmazie ► Medizinische Fachgebiete ► Psychiatrie / Psychotherapie | |
Schlagworte | Angst • Ängste • Angststörung • Angststörungen • Betreuung • Erzieher • Familienberatung • IPU Berlin • Jugendamt • Kinderheim • Kinder- und Jugendlichen Psychologie • Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapie • Mentalisation • Mentalisieren • Mentalisierung • mentalisierungsbasiert • mentalisierungsbasierte Paartherapie • mentalisierungsgestützte Therapie • Panik • Panikattacke • phobische Angst • Prüfungsangst • Prüfungsängste • Psychiatrie • Psychische Störung • Psychoanalyse • Psychodynamische Therapie • Psychologie • Psychologische Beratung • Psychotherapie • Ressourcen • soziale Angst • Tiefenpsychologie |
ISBN-10 | 3-608-11613-3 / 3608116133 |
ISBN-13 | 978-3-608-11613-7 / 9783608116137 |
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