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Russland – Ukrainekrieg und Weltmachtträume (eBook)

(Autor)

eBook Download: EPUB
2020 | 1. Auflage
280 Seiten
Ch. Links Verlag
978-3-86284-473-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Russland – Ukrainekrieg und Weltmachtträume - Manfred Quiring
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Russland will wieder Global Player werden.

Das militärische Vorgehen in Syrien an der Seite von Diktator Assad und die Unterstützung des aufständischen Generals Haftar in Libyen haben dies der Welt vor Augen geführt. Was zunächst im nahen Umfeld stattfand - von Georgien über die Krim bis zur Ostukraine -, geschieht inzwischen auch in Afrika und Lateinamerika. Russland rüstet seine Verbündeten auf, exportiert Waffen und schickt (angeblich nichtstaatliche) Militärverbände in den Einsatz. Präsident Putin will sein Land zu alter Weltmachtstärke zurückführen.
Manfred Quiring, der mehr als zwei Jahrzehnte als Korrespondent in Moskau gearbeitet hat und die Machtverhältnisse im Land so gut wie kaum ein anderer kennt, zeichnet diese Entwicklung minutiös nach, benennt die Verantwortlichen, schildert ihre Methoden, zeigt die Gefährdungen der internationalen Politik und die Grenzen des Moskauer Einflusses auf.



Manfred Quiring, Jahrgang 1948, aufgewachsen in Berlin, nach kurzem Zwischenspiel als Eishockeyspieler Journalistik-Studium in Leipzig, ab 1973 Redakteur der »Berliner Zeitung« und zweimal deren Korrespondent in Moskau (1982-1987 und 1991-1995). Er bereiste die ehemalige Sowjetunion von Kaliningrad bis nach Kamtschatka, von Norilsk bis nach Turkmenien, und erlebte alle Wechsel im obersten Staatsamt live in Moskau, 1989/90 ein Jahr Korrespondent der Nachrichtenagentur ADN in Athen, Korrespondent der »Welt« von 1998 bis 2010 in Moskau

Jahrgang 1948; aufgewachsen in Berlin; nach kurzem Zwischenspiel als Eishockeyspieler Journalistik-Studium in Leipzig, ab 1973 Redakteur der "Berliner Zeitung" und zweimal deren Korrespondent in Moskau (1982–1987 und 1991–1995); er bereiste die ehemalige Sowjetunion von Kaliningrad bis nach Kamtschatka, von Norilsk bis nach Turkmenien, und erlebte alle Wechsel im obersten Staatsamt live in Moskau; 1989/90 ein Jahr Korrespondent der Nachrichtenagentur ADN in Athen, Korrespondent der "Welt" von 1998 bis 2010 in Moskau; Autor zahlreicher Sachbücher:

PUTINS SÄULEN DER KLEPTOKRATIE


Putinismus – das ist die Verachtung des Menschen und seiner Würde, die Unterdrückung der Freiheit, die Implantation von Angst, die Käuflichkeit, die Ignoranz gegenüber dem Völkerrecht und die wachsende Konfrontation mit den entwickelten Ländern der Welt.

Grigorij Jawlinskij,
Gründer der liberalen Jabloko-Partei

Silvester 1999. Der türkische Supermarkt am Moskauer Stadtrand war an diesem Tag besonders frequentiert. Die Moskauer wollten am letzten Tag des Jahres 1999 noch die letzten Einkäufe erledigen, ehe in der Nacht die Feierlichkeiten zur Begrüßung des neuen Jahres beginnen konnten. Das Wort Silvester und die damit verbundene Tradition, das alte Jahr zu verabschieden, ist eher in Westeuropa bekannt. Aber egal, woher die Kunden auch kommen mochten, gefeiert würde in jedem Fall. Die Einkaufswagen wurden noch einmal vollgepackt mit Lebensmitteln und diversen Getränken, als gäbe es kein Morgen. Acht Jahre nach dem Ende der Sowjetunion gehörten die permanenten Versorgungsmängel der Vergangenheit an. Vergessen waren sie freilich nicht. Saß man mit Freunden zusammen, warf bestimmt irgendjemand ein »Wisst ihr noch?« in die Runde, und es wurde in Erinnerungen gekramt, Geschichten über besonders pfiffige Lebensmittel-Beschaffungsaktionen wurden zum Besten gegeben.

Meine Frau und ich hatten uns ebenfalls ins Einkaufsgewühl gestürzt und kräftig eingekauft. Zufrieden fuhren wir zurück in unsere Wohnung am Kutusow-Prospekt. Der kleine Škoda Felicia, kürzlich erst erworben bei einer Firma, die ihren Sitz auf den British Virgin Islands und ihr Bankkonto in Amsterdam hatte, war beladen mit allerlei Festtagsköstlichkeiten.

Dieser Jahreswechsel stand unter einem besonderen Stern. Über allem lag eine leichte, kaum merkliche Spannung. Schlag Mitternacht würde das Jahr 2000 beginnen, über das in den Monaten und Wochen zuvor schon viel geschrieben und gesprochen worden war. Es drohte, wie manche glaubten, das »Jahr-2000-Syndrom«. Viele argwöhnten, die Computersysteme würden verrücktspielen, weil sie diesen Sprung ins nächste Jahrtausend nicht bewältigen könnten. Das warf auch die Frage auf, was mit den russischen Atomraketen werden würde, die in ihren Bunkern tagein, tagaus auf ihren Startbefehl warteten. Würden die Raketen brav in ihren Silos bleiben? Die gleiche Frage richtete sich natürlich auch an die Amerikaner, aber damit sollten sich ruhig meine Kollegen in New York und Washington beschäftigen.

Hier in Moskau hatte der Chef der russischen strategischen Raketenabwehr, General Sergej Martynow, schon Wochen vor dem Jahreswechsel auf einer Pressekonferenz beschwichtigende Worte gefunden. Es drohe keine Gefahr, und wer daran zweifle, könne ja die Neujahrsnacht mit ihm zusammen im zentralen Kommandostab in Odinzowo bei Moskau verbringen. Das war als leutseliger Scherz gedacht, aber ich beschloss, den Mann beim Wort zu nehmen. Ich dankte per Fax an die Raketentruppen für die freundliche Einladung, ich würde sie gern annehmen, schrieb ich ihm.

Es geschah ein kleines Wunder. Ich bekam einen Brief, unterschrieben vom Chef der strategischen Raketenabwehr. Er freue sich über den Humor des Korrespondenten, natürlich sei das mit der gemeinsamen Feier nicht ganz ernst gemeint gewesen. Aber ich würde die Telefonnummer des Diensthabenden bekommen, den ich in der Neujahrsnacht anrufen könne. Der Offizier würde mir alle meine Fragen beantworten. Die Telefonnummer erhielt ich tatsächlich, der spannende Anruf in der Neujahrsnacht war gesichert. Ich hatte ein »heißes« Thema, das mir die Heimatredaktionen am kommenden Tag ganz sicher freudig aus den Händen reißen würden. Es sollte anders kommen.

Wir fuhren in Richtung Stadtzentrum und näherten uns dem Triumphbogen, der an den Sieg General Kutusows über das napoleonische Heer im Jahr 1812 erinnert. Da drangen Nachrichtenfetzen des beliebten Moskauer Radiosenders Echo Moskwy an mein Ohr. Überrascht schaute ich meine Frau an. Hatte sie das auch gehört? Tatsächlich, kein Zweifel war möglich! Der Sender berichtete, dass Boris Jelzin, der erste Präsident der Russischen Föderation, die er mit seinem Sturz des sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow 1991 ins Leben gerufen hatte, gerade zurückgetreten sei. Noch am gleichen Tag sollten wir im Fernsehen die permanent wiederholte Abschiedsrede mehrfach sehen. Darin verkündete Jelzin mit zittriger Stimme »Ja uchoschu. Ich trete zurück«.

Zum amtierenden Präsidenten wurde, wie es die Verfassung vorsah, zur gleichen Stunde der Premierminister der Russischen Föderation ernannt: Wladimir Wladimirowitsch Putin. Er war erst im Sommer 1999 vom Chefposten des Inlandsgeheimdienstes FSB auf den Sessel des Premiers gewechselt. Die Popularitätskurve des zunächst blassen Putin war innerhalb weniger Monate steil nach oben gestiegen. Der neue, weitgehend unbekannte Regierungschef hatte einen zweiten Tschetschenien-Krieg entfacht und dabei eine Art von Entschlossenheit bewiesen, wie es die Hardliner in Moskau gern sahen. Tschetschenische Opfer zählten nicht.

Putins erste Amtshandlung nach seiner Ernennung zum amtierenden Präsidenten bestand in der Unterzeichnung eines Dekrets, das dem scheidenden Boris Jelzin und seiner Familie Straffreiheit auf Lebenszeit garantierte. Damit erfüllte er ein zuvor gegebenes Versprechen. Mit seiner zweiten Unterschrift übernahm er den »Atomkoffer« und ein Land, zerrissen von Widersprüchen.

20 Jahre später


20 Jahre später. Entspannt sitze ich im Schatten einer Weide auf der Datscha meiner Freunde in Alatschkowo bei Moskau. Als wir die Weide vor vielen Jahren pflanzten, war sie klein und mickrig. Jetzt ist sie groß genug, uns vor der knalligen Sonne zu schützen. Mein Gegenüber, ein Nachbar meiner Gastgeber, streichelt seinen winzigen Schoßhund und gießt Wodka nach. »Aber ja«, sagt er leutselig, »wir befinden uns im dritten Weltkrieg mit euch, schon lange.« Und in dem werde eines Tages unzweifelhaft Russland obsiegen.

Ljoscha Pankin, der Sohn eines ehemaligen russischen Außenministers, kämpft in diesem »Krieg«, indem er in der staatlichen TV-Dachorganisation WGTRK jeden Tag russische national-patriotische Videos auswählt, die dann bei YouTube veröffentlicht werden. »Putinversteher« in Deutschland halten die Videos dann für eine empfehlenswerte alternative Informationsquelle, für den »fehlenden Part«, der ihnen angeblich vom deutschen »Mainstream« vorenthalten wird. Ljoschas Töchter leben derweil in dem Ausland, mit dem ihr Vater gerade »Krieg« führt. Die eine ist in Deutschland verheiratet, die andere studiert in den USA, wo sich auch Ljoschas Gattin gerade auf einer Dienstreise befindet. Sie ist Journalistin bei Radio Free Europe. Zoff in der heimatlichen Wohnung ist da nicht selten. Ljoschas Vater Boris Pankin, der zur Zeit Gorbatschows für ein paar Monate dem Außenministerium vorstand, verbringt seinen Lebensabend in Schweden. Er ist Rentner und akkreditiert als politscher Beobachter der russischen Regierungszeitung Rossijskaja Gaseta. Sieht da jemand Widersprüche? Ljoscha nicht.

Oleg, ein alter Bekannter, Ingenieur, Ende 40, schaut mit seiner Familie vorbei. Er fühlt sich verpflichtet, dem Ausländer die russische Politik nahezubringen. Selbst mein Einwand, dass ich dieses Mal nur Urlaub in Russland mache, kann seinen Eifer nicht bremsen. Es sind die üblichen Versatzstücke der russischen Propaganda: Die Krim gehört uns (Krim nasch!), sie ist schon immer russisch gewesen. Russen, die diese Meinung nicht teilen, eine Minderheit, nennen Leute wie ihn übrigens »Krimnaschisten«.

Nach dem Anschluss, so agitiert Oleg, seien die Menschen dort jetzt alle glücklich. Sie wollten nie zur Ukraine gehören, man habe sie sogar gezwungen, Ukrainisch zu sprechen. Was nicht stimmt. Der Westen bedrohe Russland, die Sanktionen sollen es in die Knie zwingen. Das habe aber nur dazu geführt, dass Russland sich auf die eigenen Stärken besonnen habe. Viele Lebensmittel, die nicht mehr importiert werden dürfen – übrigens wegen der »Kontersanktionen«, die Moskau selbst gegenüber dem Westen verfügte –, würden inzwischen durch einheimische Produktion ersetzt. »Wir stellen jetzt schon sehr ordentlichen Parmesan her!« Der Hausherr hat es längst aufgegeben, mit diesem Gast zu diskutieren. Ihre Begegnungen sind seltener geworden. Ihm ist es peinlich, dass ich diese, wie er sagt, primitiven patriotischen Sprüche hören muss.

Die haben nach der zur Fußball-Weltmeisterschaft verordneten freundlichen Weltoffenheit wieder die alte Schärfe gewonnen. Statt der weltumspannenden Freundschaftsrhetorik tauchten erneut markige Drohungen auf, die es auch vor der WM schon gegeben hatte: Moschno powtoritj! »Wir können das wiederholen«, sagen Leute wie Schirinowskij unter Anspielung auf den Zweiten Weltkrieg, wenn sich vor allem die Deutschen nach Meinung russischer Politiker Dinge...

Erscheint lt. Verlag 8.4.2020
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Maße 130 x 130 mm
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Geisteswissenschaften Geschichte Regional- / Ländergeschichte
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Abchasien • Assad • Castro • Georgien • Großmachtpolitik • Krim • Kuba • Lateinamerika • Libyen • Madagaskar • Maduro • Militär • Russland • Syrien • Ukraine • Venezuela • Waffen • Wagner • Wladimir Putin • Wolodymyr Selenskij • Zentralafrika
ISBN-10 3-86284-473-0 / 3862844730
ISBN-13 978-3-86284-473-9 / 9783862844739
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