Autismus: Frühe Diagnose, Beratung und Therapie (eBook)
324 Seiten
Kohlhammer Verlag
978-3-17-035165-3 (ISBN)
Irmgard Döringer, Dipl.-Psychologin, Psychologische Psychotherapeutin, Familientherapeutin, Leiterin des Autismus-Therapieinstituts Langen, Gründungsmitglied der Fachgruppe Therapie im Bundesverband autismus Deutschland, Fortbildnerin und Dozentin im Bereich Autismus-Spektrum-Störungen. Barbara Rittmann, Dipl.-Psychologin, Psychologische Psychotherapeutin, Gesprächs- und systemische Paar- und Familientherapeutin, Geschäftsführerin und Leiterin des Hamburger Autismus Instituts, Gründungsmitglied der Fachgruppe Therapie im Bundesverband autismus Deutschland, Fortbildnerin und Dozentin im Bereich Autismus-Spektrum-Störungen. MIt Beiträgen von: Irmgard Döringer, Barbara Rittmann, Martina Andiel-Herche, Magdalena Aschermann, Volker Budach, Svantje Conev, Oliver Eberhardt, Deborah Hof-Klatt, Susanne Lamaye, Christine Preißmann, Wolfgang Rickert-Bolg, Christine Teune, Stefanie Trikojat-Klein, Bärbel Wohlleben und Lars-Lennart Zacher.
Irmgard Döringer, Dipl.-Psychologin, Psychologische Psychotherapeutin, Familientherapeutin, Leiterin des Autismus-Therapieinstituts Langen, Gründungsmitglied der Fachgruppe Therapie im Bundesverband autismus Deutschland, Fortbildnerin und Dozentin im Bereich Autismus-Spektrum-Störungen. Barbara Rittmann, Dipl.-Psychologin, Psychologische Psychotherapeutin, Gesprächs- und systemische Paar- und Familientherapeutin, Geschäftsführerin und Leiterin des Hamburger Autismus Instituts, Gründungsmitglied der Fachgruppe Therapie im Bundesverband autismus Deutschland, Fortbildnerin und Dozentin im Bereich Autismus-Spektrum-Störungen. MIt Beiträgen von: Irmgard Döringer, Barbara Rittmann, Martina Andiel-Herche, Magdalena Aschermann, Volker Budach, Svantje Conev, Oliver Eberhardt, Deborah Hof-Klatt, Susanne Lamaye, Christine Preißmann, Wolfgang Rickert-Bolg, Christine Teune, Stefanie Trikojat-Klein, Bärbel Wohlleben und Lars-Lennart Zacher.
2 »Das verwächst sich schon …!« Besonderheiten bei der Diagnosestellung
Christine Teune und Stefanie Trikojat-Klein
2.1 Einführung
2.2 Wege in die Praxis
2.3 Ablauf der Diagnostik
2.3.1 ADOS
2.3.2 ADI-R
2.3.3 Entwicklungsdiagnostik und kognitive Leistungsdiagnostik
2.4 Interpretation (Orientierung am verhaltens- und entwicklungsunauffälligen Kind)
2.5 Exkurs: Die Beziehung zu den Eltern – das Arbeitsbündnis
2.6 Schwierigkeiten und Grenzen früher Diagnosestellung
2.7 Fazit
Literatur
2.1 Einführung
Der 6-jährige Kuno16 steht vor dem Eintritt in die Schule. Bei der anstehenden Schuluntersuchung läuft er im Klassenzimmer herum und klopft an den Heizkörpern. Dabei scheint er sich sehr für den dabei entstehenden Klang zu interessieren. Er nimmt von sich aus keinen Kontakt zu den anderen Kindern oder den Lehrern auf und wendet sich nur nach mehrfachen Hinweisen den angebotenen Aufgaben zu. Hier sortiert er die Puzzleformen nach Größen und weigert sich energisch, sie in die vorliegenden Formen einzufügen. Als ein anderes Kind ihm näherkommt, beißt er rasch in den Arm des Kindes. Kuno wird in die erste Klasse eingeschult. Man hofft, dass er sich bei guter Erziehung eingewöhnen werde.
Im Verlauf der ersten Klasse werden Kunos Eltern fast täglich von der Schule informiert, dass Kuno in der Klasse kaum zu halten sei, häufig werden sie gebeten, das Kind abzuholen. Die Mutter hört auf zu arbeiten, da nur so gewährleistet werden kann, dass sie stets in der Lage ist, ihren Sohn zu holen und zu betreuen. Häufig ist er nach dem Schulmorgen sehr unruhig und kaum zu beruhigen. Er ist nicht bereit, mit der Mutter oder dem Vater die schulischen Aufgaben zu Hause nachzuarbeiten.
Dieser nur skizzenhaft beschriebene Weg ist unserer Erfahrung nach häufig zu beobachten und lässt die Frage aufkommen, ob der Familie und dem Kind durch frühe Diagnostik und Einschätzung seiner Problematik und den darauffolgenden entsprechenden Hilfestellungen so geholfen werden könnte, dass das Kind bei vermindertem Leidensdruck von allen Seiten seinen individuellen Platz in der Gesellschaft findet ( Kap. 24). In der Rückschau erscheint es so, dass eine frühere Diagnose und die damit verbundenen Maßnahmen dem betroffenen Kind und der Familie einerseits Entlastung geboten hätten. Andererseits hätten so auch im Schulumfeld adäquate individuelle pädagogische Unterstützungsangebote entwickelt werden können, und damit wäre für das Kind ein gelungener Schulbeginn möglich gewesen.
Wir, die Autorinnen, arbeiten seit vielen Jahren in einer Hamburger Gemeinschaftspraxis für Kinder-und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie als Autismustherapeutin, Musiktherapeutin und Heilpädagogin bzw. Ergotherapeutin, Diplompsychologin und Heilpraktikerin für Psychotherapie in den Bereichen Diagnostik, Beratung und Gruppenbehandlungen. Im Laufe unserer dortigen Tätigkeit haben wir viele Kinder und ihre Familien begleitet und sind der Meinung, dass eine frühe, fundierte Diagnosestellung sich sehr günstig auf die weitere Entwicklung der von Autismus-Spektrum-Störungen betroffenen Kinder auswirkt, da nur so eine frühe, spezifische Förderung installiert werden kann.
Eine gesicherte Diagnosestellung ist ab 2 Jahren möglich, je nach Schwere der Symptomatik. Dies betrifft vor allem Kinder mit einer ausgeprägten Symptomatik des sogenannten frühkindlichen Autismus. Hier ist eine frühe Diagnosestellung aus unserer Sicht möglich und unbedingt zu befürworten ( Kap. 1). Kinder mit Asperger-Syndrom oder weniger stark von Symptomen betroffene Kinder lassen sich unserer Einschätzung nach durchaus schon ab dem dritten Lebensjahr diagnostizieren. Frühdiagnostik bedeutet nach unserer Definition eine Diagnosestellung bis zum 5. Geburtstag des betroffenen Kindes.
2.2 Wege in die Praxis
Eltern, die ihr Kind schließlich in der Kinder- und Jugendpsychiatrischen Praxis zur Autismusdiagnostik vorstellen, haben meist einen langen Weg hinter sich. Hier zeigt sich eine individuelle Toleranz für unterschiedliche Entwicklungsgeschwindigkeiten und für Verhaltensvariationen: nicht nur der Eltern, sondern auch der des sozialen Umfeldes, der Freunde und Familie, der Pädiater und der Mitarbeiterinnen betreuender Einrichtungen wie Krippe oder Kindergarten. Familien werden aus unterschiedlichsten Gründen unruhig über die Entwicklung ihres Kindes und suchen, meist nach Gesprächen oder Hinweisen von Freunden und Verwandten, Fachleute zur Diagnostik auf.
Fallen Verhaltensauffälligkeiten oder Entwicklungsverzögerungen auf, ist es stets eine Gratwanderung zwischen Akzeptanz und Zuversicht oder der Sorge, das Kind zu pathologisieren. So kann es sein, dass das Umfeld des Kindes mit Besonderheiten denkt: »Das wird sich schon verwachsen …«.
Frühe Hinweise, die auf eine Autismus-Spektrum-Störung hindeuten können, werden von Bezugspersonen, wie Eltern, anderen Angehörigen oder Erzieherinnen und Erziehern in der Kindertageseinrichtung, häufig bemerkt, ohne dass an eine tiefgreifende Entwicklungsstörung wie Autismus gedacht wird. Diese Auffälligkeiten können u. a. sein:
• Verminderter modulierter Blickkontakt,
• starre Mimik,
• stereotypes Spiel/stereotype Interessen/Bewegungen/Verhaltensweisen,
• reduziertes Imitieren,
• Kontakt- und Interaktionsprobleme mit Gleichaltrigen,
• Auffälligkeiten in der taktilen Verarbeitung,
• kein prodeklaratives Zeigen,
• wenig Interesse, Aufmerksamkeit zu teilen,
• fehlendes soziales Lächeln,
• Regulationsstörungen (z. B. Schlaf-, Fütterstörungen),
• Auffälligkeiten in der Sprachentwicklung (Sprachentwicklungsknick),
• kein Reagieren, wenn der Name des Kindes gerufen wird.
Auch wenn das Kind in der Entwicklung Auffälligkeiten zeigt und z. B. dem Kinderarzt vorgestellt wird, werden teilweise unspezifischere Diagnosen wie z. B. Entwicklungsstörungen (ICD-10 F83) vergeben, da aus Sorge vor Fehldiagnosen der Mut oder die Expertise fehlt, den Verdacht auf eine Autismus-Spektrum-Störung zu äußern. Aus unserer Sicht stellt jedoch eine falsch positive Diagnose ein geringeres Entwicklungsrisiko dar als eine unerkannte Autismus-Spektrum-Störung ( Kap. 1).
Familie Klarno kommt mit ihrem fast dreijährigen Sohn in die Praxis, da die Eltern sich Sorgen machen, weil die Sprachentwicklung nicht altersentsprechend erscheint. Zudem haben sie beobachtet, dass er sich auf dem Tablet geschickt mit den Zahlen und Buchstaben beschäftigen kann, allerdings reagierte er bisher auf andere Angebote kaum positiv. Besonders auffallend sei, dass er andere Kinder ignoriere und auch nicht mit ihnen zusammen sein wolle. Die gemeinsamen Mahlzeiten gestalteten sich schwierig, da er nicht am Tisch sitzen bleiben und nur ausgewählte Nahrungsmittel zu sich nehmen wolle, alles andere verweigere er laut schreiend. Die Familie hat die Frage, ob ihr Kind hochbegabt sei und ausreichend gefördert werde.
Ein kleines Mädchen, die 2,5-jährige Sonja, wird von ihren Eltern vorgestellt, da sie kein Interesse an anderen Kindern zeige und sich kaum von der Mutter trennen könne. Sie sei hochgradig irritierbar und gerate dann in Erregungszustände, die über Stunden anhielten, schreie sehr viel, komme kaum zur Ruhe und sei schon bei kleinsten Änderungen des gewohnten Ablaufes nicht mehr zu beruhigen. Es habe noch keine erkennbare Sprachentwicklung begonnen. Die Eltern sind sehr erschöpft und wissen sich keinen Rat mehr.
Der 4-jährige Friedrich wird von seinen Eltern mit unterschiedlichen Entwicklungsverzögerungen vorgestellt, so sind die sprachlichen und motorischen Entwicklungen deutlich verzögert. Wenn er Sprache nutzte, dann war sie häufig von vielen Wiederholungen geprägt, die merkwürdig intoniert erschienen und wenig sozialen Charakter hatten. Den Eltern war zudem aufgefallen, dass er sich nicht für andere Kinder interessierte, auch bei Ansprache keinen Blickkontakt herstellte. In seinem Spielverhalten schilderten die Eltern ihn eigentümlich rigide, so mussten die immer wieder gleichen Abläufe ausgeführt werden, Störungen führten zu großer Unruhe und Aufregung.
Eine häufige...
Erscheint lt. Verlag | 4.3.2020 |
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Co-Autor | Martina Andiel-Herche, Magdalena Aschermann, Volker Budach, Swantje Conev, Oliver Eberhardt, Deborah Hof-Klatt, Susanne Lamaye, Christine Preißmann, Wolfgang Rickert-Bolg, Christine Teune, Stefanie Trikojat-Klein, Bärbel Wohlleben, Lars-Lennart Zacher |
Zusatzinfo | 15 Abb., 3 Tab. |
Verlagsort | Stuttgart |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Geisteswissenschaften ► Psychologie ► Klinische Psychologie |
Schlagworte | Autismus-Spektrum-Störung • Elternberatung • Frühförderung • Schule • Therapiemethode |
ISBN-10 | 3-17-035165-6 / 3170351656 |
ISBN-13 | 978-3-17-035165-3 / 9783170351653 |
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