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Kirche gestalten (eBook)

Wie die Zukunft von Kirche gelingen kann
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
256 Seiten
Gütersloher Verlagshaus
978-3-641-25955-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Kirche gestalten -  Uta Pohl-Patalong
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Kirche im Umbruch
Die Kirche ist im Umbruch. In fast allen kirchlichen Gremien müssen weitreichende Entscheidungen über ihre Zukunft getroffen werden. Dafür bietet dieses Buch Unterstützung mit Orientierung und Entscheidungshilfen bei der Suche nach der künftigen Gestalt von Kirche und Gemeinden.
Für acht zentrale Themen - wie z.B. die Rolle des Ehrenamtes, die künftigen Formen von Gemeinde oder die Bedeutung des Pfarrberufs - wird anhand von Szenarien aus der Praxis wichtiges historisches und theologisches Hintergrundwissen vermittelt. Verschiedene Möglichkeiten, in welche Richtung es gehen kann, werden mit ihren Vor- und Nachteilen aufgezeigt. Konkrete Fragen helfen bei einer Entscheidungsfindung vor Ort und werden um Ideen, wie man damit in den Gremien weiterarbeiten kann, ergänzt. Ein biblischer Impuls rundet jedes Kapitel ab.
  • Gegen die Angst vor radikalen Veränderungen in der Kirche
  • Ermutigung und Hilfen, neue Wege zu gehen
  • Konkrete Anregungen für eine aktive Praxis der Veränderung


Uta Pohl-Patalong, Dr. theol., geboren 1965, ist Professorin für Praktische Theologie an der Uni Kiel. Sie beschäftigt sich intensiv mit Zukunftsfragen der Kirche und ist eine viel gefragte Referentin zu diesem Thema in kirchlichen und wissenschaftlichen Kontexten.

Prolog:
»Kommunikation des Evangeliums« – die Kirche und ihr Auftrag

Wenn es in den folgenden Kapiteln um die künftige Gestalt der Kirche geht, dann muss vorweg die Frage gestellt werden, auf welcher theologischen Basis diese Überlegungen erfolgen. Denn jedem Nachdenken über die Kirche liegt eine Vorstellung zugrunde, was Kirche ist, wozu sie da ist und an welchen Kriterien sich ihre Gestalt orientieren sollte. Für dieses Buch ist die zentrale Leitidee die Überzeugung, dass sich der Sinn und der grundlegende Auftrag der Kirche als »Kommunikation des Evangeliums« beschreiben lassen. Was ist damit gemeint?

Die Kirche entstand in der zweiten und dritten Generation der Christenheit, als deutlich wurde, dass das Reich Gottes vermutlich doch noch eine Weile auf sich warten lassen würde. Viele der ersten Christ*innen waren aller Wahrscheinlichkeit nach davon ausgegangen, dass sie die Durchsetzung der Gottesherrschaft noch selbst erleben würden. Die Enttäuschung über das Ausbleiben des Reiches Gottes wurde dann zur Chance: Die geschenkte Zeit ließ sich nutzen, um die gute Nachricht, die frohe Botschaft – griechisch euangelion, Evangelium – an Menschen weiterzugeben, die Jesus von Nazareth nicht selbst erlebt hatten: die unermessliche und bedingungslose Liebe Gottes zu seiner Schöpfung und zu jedem einzelnen Menschen. Wenn wir dies als »Evangelium« verstehen, beruht dies bereits selbst schon auf Kommunikationsprozessen: Diese Überzeugung hat Jesus von Nazareth auf dem Boden seiner jüdischen Tradition und den Schriften der Hebräischen Bibel vertreten. Galt die Liebe Gottes hier zunächst in besonderem Maße seinem Volk Israel, so gibt es doch schon in der Hebräischen Bibel Ansätze dazu, die gesamte Menschheit in dieses besondere Gottesverhältnis einzuschließen. (Deswegen spreche ich auch nicht gerne vom »Alten Testament«, weil der Ausdruck ein Überholtsein durch das so genannte »Neue Testament« suggerieren kann). In den vier Evangelien und vor allem in den Briefen des Paulus wird die universale Reichweite der Liebe Gottes mit Jesus von Nazareth als dem Messias verbunden. Dies war die Wurzel des entstehenden Christentums und einer der wesentlichen Aspekte, an denen die allmähliche Abgrenzung zwischen Juden- und Christentum manifest wurde. Nach allem, was wir wissen, hat Jesus von dieser Liebe in Gleichnissen und Reden erzählt, sie gelebt und in seinen Heilungen, Dämonenaustreibungen und Totenauferweckungen symbolisch gezeigt. Als er in der politischen Konstellation seiner Zeit für sein Reden und Handeln gekreuzigt wurde, schien diese Botschaft an den Maßstäben und Regeln der Welt gescheitert. Die Erfahrung seiner Auferstehung zeigte jedoch, dass die Liebe Gottes stärker ist als Gewalt und Hass – und sogar stärker als der Tod. Sie veränderte das Lebensgefühl von Menschen, indem Leiden und Gewalt nicht das letzte Wort behielten und neue Perspektiven auf Leben und Tod deutlich wurden.

Nachdem seine Anhänger*innen dies erlebt hatten, waren sie überzeugt davon, dass diese frohe Botschaft und ihre Wirkung lebendig gehalten werden und möglichst viele Menschen erreichen sollte. Sie verbreiteten sie daher in ihrem persönlichen Umfeld und manche – wie der Apostel Paulus – taten dies auch weit darüber hinaus, indem sie in der damals bekannten Welt umherreisten und davon erzählten. Dabei entstand die Kirche, die (wie in der Pfingstgeschichte Apg 2 erzählt wird) als Wirken des Geistes verstanden wird. Sie wurde zu einem Raum, in dem Menschen die Wirkungen des Evangeliums erleben können, wie sich in den ersten Gemeinden zeigte. Gleichzeitig wurde die Kirche zur Unterstützerin der persönlichen Initiative und der individuellen Möglichkeiten der einzelnen Christ*innen, die Botschaft von der Liebe Gottes für alle Welt zu kommunizieren.

Damit ist auch gleichzeitig ihr Auftrag, ihre Funktion benannt: Kirche unterstützt die Kommunikation des Evangeliums. Um diesen Auftrag zu erfüllen, bildete sie Strukturen aus und schaffte organisatorische Rahmenbedingungen. Daraus entstanden im Laufe der Geschichte konkrete Kirchengestalten, heute z. B. die Landeskirchen, die Ortsgemeinden oder Formen wie Krankenhausseelsorge und Akademien. Das Evangelium würde es auch ohne diese kirchlichen Strukturen geben, und es würde sicher auch im persönlichen Leben erfahren und zwischen Menschen kommuniziert. Es wäre jedoch sehr viel mühsamer, sehr viel anstrengender und in der Wirkung ganz sicher nicht so weitreichend, wenn es diese Strukturen nicht gäbe. Dieser Kirche stehen ganz andere Möglichkeiten zur Verfügung, dass Menschen der unbedingten Liebe Gottes begegnen und sich damit Evangelium ereignet – weil sie Gebäude unterhält, in denen sich Menschen zur Kommunikation des Evangeliums versammeln, weil sie Sozialformen dafür anbietet, weil sie Menschen hauptberuflich dafür anstellt, weil sie Strukturen für ein ehrenamtliches Engagement zur Verfügung stellt etc. Man stelle sich vor, es gäbe diese Kirche nicht und wir seien rein auf unsere individuellen Möglichkeiten, die Wirkungen des Evangeliums zu erleben und sie anderen zu eröffnen, angewiesen: Die Kommunikation des Evangeliums bliebe weit hinter dem zurück, was mit der Kirche möglich ist.

Gilt der Auftrag zur »Kommunikation des Evangeliums« also von Anbeginn der Kirche an, ist die Formulierung erst wenige Jahrzehnte alt. Sie wurde von dem Praktischen Theologen Ernst Lange in den 1960er Jahren geprägt, wird aber erst in jüngster Zeit in der Praktischen Theologie häufig verwendet. Sie ist deshalb im Moment so beliebt, weil mit dieser Formulierung eine bestimmte Ausrichtung, wie die Kirche ihren Auftrag erfüllt, verbunden ist:

Während die früher oft gebrauchten Formulierung »Verkündigung des Evangeliums« stärker die Assoziation weckt, dass von einer Amtsperson das Wort »ausgerichtet« oder »weitergegeben« wird, sind bei dem Wort »Kommunikation« alle Beteiligten gleichberechtigt im Blick. Bei einem Kommunikationsvorgang ist es im Ergebnis ja nicht entscheidend, was jemand eigentlich sagen wollte, sondern was ankommt und was dies bewirkt. Diese Haltung kann sich auf reformatorische Wurzeln berufen. Martin Luther hat formuliert: »Denn auch wenn sich Christus tausendmal für uns gegeben hätte und gekreuzigt worden wäre, es wäre doch alles umsonst, wenn nicht das Wort Gottes käme, es austeilen und mir schenken würde und spräche: das soll dein sein, nimm hin und habe es als deines« (in der Schrift »Wider die himmlischen Propheten« von 1525, Weimarer Ausgabe 18, 62–214, hier 202,37–203,2). Das meint: Das Evangelium ist erst dann an seinem Ziel, wenn es bei den Menschen und in ihrem Leben angekommen ist.

Ein zweiter Vorteil des Kommunikationsbegriffs ist seine Weite. Kommuniziert wird mit Worten, mit Taten, mit Gesten, mit Symbolen oder mit Ritualen. Kommuniziert wird bewusst und unbewusst, absichtlich und nebenbei. »Kommunikation des Evangeliums« ist also nicht auf die Predigt und den Gottesdienst zu beschränken. Das Evangelium wird also auf ganz unterschiedlichen Wegen kommuniziert. Dies kann beispielsweise in der Zuwendung und der selbstlosen Hilfe in der Seelsorge und der Diakonie geschehen, in dem spirituellen Erleben bei einem Konfi-Camp, in einem Jugendevent, einer Meditation, im Morgenkreis der evangelischen Kita oder einem Kirchentagsgottesdienst, in dem gegenseitigen Verstehen Verschiedener im interreligiösen Dialog oder in der Versöhnung von Feind*innen, in Gemeinschaftserfahrungen im Senior*innenkreis, auf der Paddelfreizeit oder auf einer Akademietagung, beim Gottesdienst anlässlich einer Katastrophenerfahrung, zum Schulanfang oder an einem normalen Sonntag … In allen diesen Formen können Menschen etwas von der bedingungslosen Liebe Gottes und damit dem Evangelium erleben. Dies kann sie berühren und etwas bei ihnen verändern: Es kann beispielsweise Hoffnung wecken entgegen den derzeitigen Umständen, Vergebung erfahren lassen oder eigene Vergebung ermöglichen, motivieren zum Einstehen gegen Unrecht oder zu einem anderen Umgang mit Menschen sowie der Umwelt und vielleicht das Wesentliche neu sehen lassen.

Dies darf allerdings nicht so missverstanden werden, als wäre das Evangelium so etwas wie eine Medizin, die verabreicht wird und dann ihre Wirkung quasi automatisch entfaltet. Die Begegnung zwischen Mensch und Evangelium ist ein komplexes Geschehen, in dem nach christlicher Überzeugung Gott selbst wirkt – traditionell beschrieben als Wehen des Geistes. Der weht jedoch, wie es im Johannesevangelium (Joh 3,8) heißt, wo er will. Das Bild macht deutlich, dass eine solche »Wirkung« der Kommunikation des Evangeliums nicht »gemacht« werden kann, sondern sie bleibt immer unverfügbar und auch unberechenbar. Kommunikation ist ein offenes Begegnungsangebot mit vielen möglichen Ausgängen. Oft genug ist diese auch nicht spürbar oder nur als ganz leise Ahnung. Nur ganz selten hat dies eine lebensverändernde »Bekehrung« zur Folge. Daher kann nicht von außen beurteilt werden, wo, wann und wie Menschen »Evangelium« erleben. Und wenn jemand von »Evangelium« spricht, ist das kein objektives Ereignis, sondern immer schon eine Deutung einer Erfahrung göttlicher Liebe und Annahme, die jemand anderes anders (oder auch gar nicht) erleben kann.

Dabei wird es natürlich auch von den Formen der Kommunikation geprägt, welche Erfahrungen gemacht werden, denn sie bieten ja bestimmte Möglichkeiten der Deutung und der Gemeinschaft an. Was Menschen genau erleben und was damit bei ihnen geschieht, ist bei den Einzelnen jedoch sehr unterschiedlich. Erst recht ist es unterschiedlich, ob und wie sie dies benennen können und wollen. Zumindest in den evangelischen Landeskirchen sind wir es...

Erscheint lt. Verlag 26.4.2021
Verlagsort Gütersloh
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Religion / Theologie Christentum
Schlagworte eBooks • Gemeindebildung • Kirche auf gutem Grund • Kirche der Freiheit • Kirchenreform • Pfarrermangel • Zusammenlegung von Kirchengemeinden
ISBN-10 3-641-25955-X / 364125955X
ISBN-13 978-3-641-25955-6 / 9783641259556
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