Grundlagen der Psychiatrie (eBook)
370 Seiten
UTB GmbH (Verlag)
978-3-8463-5247-2 (ISBN)
Dr. Paulitsch ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapeut und lehrt an der Sigmund Freud PrivatUniversität Wien.
Vorwort zur 2. Auflage 15
Vorwort17
Geleitwort19
I Einführung17
1 Begriffsbestimmung17
2 Historische Aspekte20
II Versorgungsstrukturen in der Psychiatrie26
1 Reformen in der Psychiatrie26
3 Zwangsmaßnahmen in der Psychiatrie und rechtliche Rahmenbedingungen34
III Therapieverfahren38
1 Psychopharmakotherapie38
2 Andere biologische Therapieverfahren51
3 Psychotherapie in der Psychiatrie54
4 Ergotherapie und Soziotherapie64
IV Ursachen von psychischen Störungen66
1 Begriffsdefinition66
2 Risikofaktoren und prädisponierende Faktoren68
3 Modelle psychischer Störungen71
V Grundlagen der psychiatrischen Diagnostik80
1 Einleitung80
2 Psychopathologie83
3 Grundlagen von modernen Diagnosesystemen (ICD-10, DSM-5)100
4 Krankheitsanamnese und Exploration105
5 Zusatzbefunde in der Psychiatrie109
VI Schizophrenie und sonstige psychotische Störungen115
1 Schizophrenie115
2 Schizoaffektive Störung130
3 Akute psychotische (schizophreniforme) Störung131
4 Schizotype Störung132
5 Wahnhafte Störung133
6 Puerperalpsychose (früher „Stillpsychose“)134
VII Affektive Störungen136
1 Depressionen136
2 Bipolare affektive Störungen152
VIII Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen163
1 Angststörungen164
2 Zwangsstörung178
3 Psychische Reaktionen auf Belastungen183
4 Dissoziative Störungen190
5 Somatoforme Störungen196
IX Essstörungen204
1 Einleitung204
2 Häufigkeit und Ursachen von Essstörungen204
3 Klinik und Klassifikation206
4 Früherkennung und Warnsignale211
5 Therapie212
6 Prävention214
X Schlafstörungen und sexuelle Störungen215
1 Schlafstörungen215
2 Sexuelle Störungen220
XI Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen230
1 Spezifische Persönlichkeitsstörungen230
2 Sonstige Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen244
3 ADHS bei Erwachsenen248
XII Suizidalität250
1 Begriffsbestimmung250
2 Häufigkeit251
3 Ursächliche Faktoren von Suizidalität252
4 Beurteilung der Suizidalität256
5 Therapie257
XIII Alkohol-, Drogen- und Medikamentenabhängigkeit260
1 Begriffe und Klassifikation260
2 Alkoholabhängigkeit263
3 Drogenabhängigkeit272
4 Benzodiazepinabhängigkeit283
5 Nikotinabhängigkeit285
XIV Organische psychische Störungen288
1 Demenz288
2 Delir (Akute organische Störung)298
3 Organisches Psychosyndrom (OPS)302
XV Intelligenzminderung305
1 Einleitung305
2 Häufigkeit und Ursachen von Intelligenzminderung305
3 Klassifikation und Klinik307
4 Abgrenzung zu anderen Störungen308
5 Therapie309
XVI Kinder- und Jugendpsychiatrie311
1 Einleitung311
2 Ursachen kinderpsychiatrischer Störungen312
3 Diagnostik und Klassifikation von Störungen in der Kinderund Jugendpsychiatrie315
4 Therapeutische Prinzipien318
5 Psychische Krankheiten und Störungen des Kindes- und Jugendalters319
Literatur343
Sach- und Personenregister357
IEinführung
K. Paulitsch
1Begriffsbestimmung
Als Psychiatrie, abstammend von Seele (griech. psyche) und ärztliche Heilkunde (griech. iatreia), bezeichnet man die Lehre vom Erforschen, Diagnostizieren und Behandeln psychischer Störungen und Erkrankungen. Das früher auch als Seelenheilkunde bezeichnete medizinische Fach wird von ÄrztInnen praktiziert und steht in Beziehung zu anderen Disziplinen, wie Neurologie, Biologie, Genetik, Psychologie, Soziologie, Verhaltensforschung, Psychotherapie, Pflegewissenschaften etc. Die Berücksichtigung sowohl von biologischen als auch von psychosozialen Faktoren ist für das Wesen der Psychiatrie kennzeichnend. Dieser Ansatz wird u. a. als „mehrdimensional“, „biopsychosozial“ oder „pluridimensional“ bezeichnet. Jede „unidimensionale“ Arbeitsweise hat dennoch ihre Berechtigung und dient dazu, die verschiedenen Dimensionen und deren Beziehungen zueinander zu erfassen, statt sie zu verleugnen.
Folgende methodische Ansätze, Teilbereiche und Forschungsgegenstände können differenziert werden:
Die Psychopathologie ist die Lehre von der Beschreibung des gestörten Erlebens, Befindens und Verhaltens. Ihre Aufgaben sind das Erkennen, Ordnen und Beschreiben von psychischen Erkrankungen (deskriptive Psychopathologie), bezogen auf die inneren Zusammenhänge und zwischenmenschlichen Vorgänge (verstehende, dynamische Psychopathologie). Methoden der Psychopathologie sind das fachliche Gespräch und die genaue Verhaltensbeobachtung von Personen mit psychischen Störungen.
Die biologische Psychiatrie beschäftigt sich mit den biologischen Grundlagen von psychischen Störungen und bedient sich u. a. biochemischer, anatomischer, neurophysiologischer, psychophysiologischer, genetischer und chronobiologischer Ansätze. Dieser Teilbereich der Psychiatrie hat durch die Entdeckung der Neurotransmitter, die Entwicklung von Psychopharmaka und durch neue radiologische Darstellungen des Zentralnervensystems außerordentliche Fortschritte erzielt und gilt derzeit als größter psychiatrischer Forschungsbereich.
Die Sozialpsychiatrie befasst sich mit der Häufigkeit psychischer Störungen sowie deren soziokulturellen Bedingungen und richtet ihr Augenmerk auf die Beziehung zwischen Krankheit und Gesellschaft. Im besonderen Blickfeld des Interesses stehen die Auswirkungen von Familienstrukturen, Gewalt oder sozioökonomischen Verhältnissen auf die seelische Entwicklung.
Die Kinder- und Jugendpsychiatrie ist mit der Erforschung und Therapie von psychischen Störungen von Säuglingen, Kindern und Jugendlichen befasst und unterscheidet sich in deren Ansätzen nicht von jenen der übrigen Psychiatrie. Als mittlerweile selbstständiges medizinisches Fachgebiet wird sie in einem eigenen Kapitel dargestellt (siehe Kapitel XVI).
Die Gerontopsychiatrie (Alterspsychiatrie) ist die ärztliche Seelenheilkunde des höheren Lebensalters und beschäftigt sich mit den in diesem Alter besonders häufig auftretenden psychischen Krankheiten, wie demenzielle und delirante Syndrome oder depressive Störungen. Durch die gesteigerte Lebenserwartung des Menschen ist die Bedeutung dieses Teilbereichs in den letzten Jahren gestiegen.
Die forensische Psychiatrie gilt als Grenzgebiet zwischen Psychiatrie und Rechtsfragen und befasst sich mit juristischen Aspekten psychischer Erkrankungen. Im Zentrum stehen Fragen der strafrechtlichen Verantwortlichkeit, Geschäfts- und Testierfähigkeit, freien Willensbestimmung (Erwachsenenvertretung, Vollsorgevollmacht, Sachwalterschaft) und der Unterbringung in eine psychiatrische Abteilung ohne Zustimmung des Betroffenen.
Die Neurologie ist die Lehre von organisch fassbaren Erkrankungen des Nervensystems, wie beispielsweise Schlaganfälle, Tumore des Gehirns, Multiple Sklerose oder Wurzelkompressionssyndrome nach Bandscheibenvorfällen. Neurologie und Psychiatrie fasste man bis vor wenigen Jahren als „Nervenheilkunde“ zusammen, da das Nervensystem des Menschen als der wesentliche Forschungsgegenstand verstanden wurde. Durch die Fülle der neuen Erkenntnisse und anderer Zugänge wurden die Fächer voneinander differenziert und zu eigenen medizinischen Bereichen.
Die Psychosomatik ist kein selbstständiges Fach, sondern eine ganzheitliche Betrachtungsweise, welche die körperlichen und seelischen Faktoren aller Erkrankungen des Patienten in ihrer Entstehung, Aufrechterhaltung und Behandlung umfasst. Neuere Erkenntnisse haben die Vorstellung von „psychosomatischen“ Erkrankungen relativiert, da seelische und biologische Faktoren bei allen Erkrankungen untrennbar miteinander verbunden sind.
Die Psychologie ist die Lehre von normalen seelischen Vorgängen, wie dem Erleben und Handeln des Menschen unter unterschiedlichen körperlichen, biografischen, soziologischen, ökologischen und kulturellen Bedingungen. Für die Psychiatrie sind Entwicklungspsychologie, Tiefenpsychologie und Psychodiagnostik von besonderem Interesse. Der Beruf der Psychologin/des Psychologen erfordert ein eigenes akademisches Studium.
Die Psychotherapie kann als Teilbereich der psychiatrischen Behandlung betrachtet werden und stellt eine Therapie von psychischen Störungen mit psychologischen Mitteln dar. Als ein bewusster und geplanter interaktiver Prozess zur Beeinflussung von Verhaltensstörungen oder Leidenszuständen aller Art hat sich die Psychotherapie in vielen Bereichen des Gesundheitswesens als wichtige Behandlungsform etabliert. Die Ausübung ist an eine spezielle Ausbildung gebunden und gesetzlich geregelt. Zu den einzelnen Verfahren und Schulen zählt man u. a. die Psychoanalyse, die Verhaltenstherapie oder die systemische Familientherapie (siehe Kapitel III, 3).
Die Epidemiologie beschäftigt sich als Grundlagenwissenschaft mit der Häufigkeit und den soziologischen Bedingungen von psychischen Störungen. Unter Prävalenz versteht man die Gesamtzahl aller Krankheiten oder Störungen einer definierten Gruppe zu einem bestimmten Zeitpunkt. Inzidenz definiert die Häufigkeit von neu aufgetretenen Krankheiten innerhalb eines bestimmten Zeitraums. Moderne Epidemiologie versucht, Untersuchungsergebnisse und Ansätze aus unterschiedlichen Forschungsgebieten zu integrieren.
2Historische Aspekte
Die ersten Aufzeichnungen über psychische Krankheiten reichen bis in die Antike zurück. Der griechische Arzt Hippokrates (460–370 v. Chr.) beschrieb bereits Krankheitsbilder, die mit heutigen psychischen Störungen vergleichbar sind, und gilt als Begründer der Vier-Säfte-Lehre. Diese humoralpathologische Vorstellung beschreibt beispielsweise bei Depressionen ein Überwiegen der „schwarzen Galle“. Die damaligen therapeutischen Maßnahmen beschränkten sich auf Diätvorschläge, Veränderung der Lebensgestaltung, Massagen etc., was einer materialistisch-biologischen Sichtweise von psychischen Störungen entspricht. Obwohl wenige Aufzeichnungen über die anschließenden Jahrhunderte vorliegen, geht man davon aus, dass psychische Krankheit häufig als Folgeerscheinung von Sünde oder Besessenheit von Teufeln, Hexen oder bösen Geistern angesehen wurde. Diese religiöse oder mystische Sichtweise bestimmte im Mittelalter die Vorstellung über psychische Auffälligkeiten und erforderte entsprechende Behandlungsformen. Exorzismus oder schwarze Magie waren bis in die Zeit der Aufklärung Bestandteil der „Therapie“ von psychiatrischen Krankheitsbildern, wobei die katholische Tradition in Hinblick auf Exorzismus in manchen Regionen Europas bis heute noch lebendig ist. Obgleich schon Paracelsus (1493–1541) biologische Ursachen von psychischen Krankheiten vermutete, wurden noch im 17. und 18. Jahrhundert psychisch auffällige Menschen weder als „krank“ angesehen noch ärztlich behandelt, sondern Verbrechern, Landstreichern und Prostituierten gleichgestellt, um sie in Zuchthäusern und Gefängnissen zu verwahren. Eine humanisierte Behandlung entwickelte sich vermutlich erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts durch die Aufklärung und eine veränderte christliche Haltung, die zunehmend durch Nächstenliebe bestimmt war. Philippe Pinel (1745–1826) und Jean-Etienne Esquirol (1772–1840) gelten als Begründer der klinischen europäisch orientierten Psychiatrie, die sich damals vorwiegend mit der Schilderung und Beschreibung von psychischen Auffälligkeiten befasste. Pinel gilt auch als „Befreier der Irren von ihren Ketten“, da er für humane Formen der psychiatrischen Unterbringung kämpfte, sein Schüler Esquirol begründete die französische Psychiatrie, gekennzeichnet durch psychohygienische Ideen. Angewendet wurden beispielsweise Kuren, Heilbäder, die Verabreichung von Kampfer oder Opium. Die bis dahin übliche Praxis der körperlichen Züchtigung,...
Erscheint lt. Verlag | 11.6.2019 |
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Verlagsort | Stuttgart |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Geisteswissenschaften |
Medizin / Pharmazie ► Medizinische Fachgebiete ► Psychiatrie / Psychotherapie | |
Schlagworte | Angst • Angststörung • Bipolare Störung • Bulimie • Burnout- Syndrom • Demenz • Depression • Diagnose • Einführung • Ergotherapie • Essstörung • Genetik • Gesundheitssystem • Lehrbuch • Lehrbuch Psychiatrie • Lichttherapie • Neurobiologie • Persönlichkeitsstörung • Psychiatrie • psychiatrische Einrichtungen • Psychische Erkrankungen • Psychopathologie • Psychopharmaka • Psychopharmakotherapie • Psychotherapie • Schizophrenie • Schlafentzugstherapie • Schlafstörung • Sexuelle Störung • Soziotherapie • Therapie • Therapieverfahren • Tranquilizer • UTB • Verhaltenstherapie • Zwangsstörung |
ISBN-10 | 3-8463-5247-0 / 3846352470 |
ISBN-13 | 978-3-8463-5247-2 / 9783846352472 |
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