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Du bist anders, du bist gut (eBook)

Gefühlsstarke Kinder beim Großwerden begleiten. Ab 6 Jahren.

(Autor)

eBook Download: EPUB
2019
288 Seiten
Kösel-Verlag
978-3-641-24994-6 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Du bist anders, du bist gut - Nora Imlau
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Manche Kinder haben stärkere Emotionen als andere. Mehr Freude, mehr Wut, mehr Trauer ... Im Nachfolger ihres Bestsellers erforscht Nora Imlau die neuen Herausforderungen, wenn gefühlsstarke Kinder sich außerhalb der Familie in der Gesellschaft, der Schule und in den Medien bewegen.

Es geht für die Kinder dabei mehr denn je darum die Selbstregulationsfähigkeit zu stärken und mit dem Druck von außen zurechtzukommen, auch wenn im Inneren die Gefühlsstürme toben.

Nora Imlau gibt dazu viele Beispiele und hilfreiche Lösungsansätze für Alltagskonflikte und besondere Krisen. Sie bestärkt besonders die Eltern darin, auf ihre Kraftreserven zu achten und Selbstzweifel zu überwinden.

Alles, was wir brauchen, um unsere gefühlsstarken Kinder beim Großwerden zu unterstützen.

Nora Imlau, 1983 geboren, gilt hierzulande als eine der wichtigsten Expertinnen für Familienthemen. Als Journalistin und Fachautorin schreibt sie unter anderem für die Zeitschrift ELTERN und hat bereits mehrere erfolgreiche Elternratgeber veröffentlicht, darunter die Bestseller »So viel Freude, so viel Wut« und »Du bist anders, du bist gut«. In Vorträgen und Workshops macht sie sich für ein bindungs- und beziehungsreiches Familienleben stark. Durch ihren konsequent bedürfnisorientierten Blick auf Kinder und Eltern hat sie eine große Fangemeinde. Nora Imlau hat selbst vier Kinder und lebt in Süddeutschland.

Die Schaltzentrale verändert sich


Gefühlsstarke Kinder sind Wirbelwinde von Kopf bis Fuß. Doch die Wurzeln ihrer überschießenden Emotionen, ihrer Rastlosigkeit, ihres Bewegungsdrangs, ihres unbändigen Gerechtigkeitssinns und auch ihrer nachdenklichen, grüblerischen Seite liegen in ihrem Gehirn, der Schaltzentrale alles menschlichen Fühlens und Tuns. Dank der modernen Hirnforschung wissen wir heute mehr darüber als je zuvor, wie unsere neuronalen Strukturen unser Temperament und unsere Persönlichkeit prägen. Diese Erkenntnisse können uns helfen, unsere Kinder besser zu verstehen und zu lernen, was sie wirklich von uns brauchen.

Besonders bedeutsam sind dabei die Erkenntnisse über die Plastizität des menschlichen Gehirns, also über dessen ungeheure Wandlungsfähigkeit gerade in der Kindheit. Sind die Veränderungen im Gehirn in den ersten Lebensjahren ausschließlich Reaktionen auf unmittelbare Erfahrungen mit der eigenen Umwelt und insbesondere den engsten Bezugspersonen, kommt ab dem siebten Lebensjahr eine neue Dimension der Persönlichkeitsentwicklung hinzu: Nun haben Kinder die intellektuelle Reife, selbst zu beschließen, was sie lernen und welche Fähigkeiten sie vertiefen wollen. Das heißt: Sie nehmen nun die Entwicklung ihrer eigenen Persönlichkeit zusehends selbst in die Hand. Dabei erfahren sie zwar immer noch Prägungen durch ihr Umfeld, können diese aber aufgrund ihres nun immer besser arbeitenden Neokortex zusehends auch reflektieren und gegebenenfalls als nicht hilfreich ablehnen. Wie bedeutsam diese Entscheidungen sind, welchen Input Kinder für sich annehmen und welchem sie sich verschließen, wird umso deutlicher, wenn wir uns klarmachen, dass das Gehirn unserer Kinder, je älter sie werden, immer stärker nach dem Use-it-or-loose-it-Prinzip arbeitet. Das heißt: Das Gehirn befindet sich nun in einem permanenten Optimierungsprozess, im Zuge dessen nicht oder nur wenig gebrauchte Gehirnverbindungen kurzerhand gekappt und abgeschafft werden, um die ganze Energie in die Stärkung jener Synapsen zu stecken, die am intensivsten genutzt werden. Das Gehirn des Kindes spiegelt nun also immer weniger seine angeborenen Grundeinstellungen und immer stärker seine individuellen Interessen, Verhaltensweisen und Aktivitätsmuster wider. Die Hirnstrukturen, die auf diese Weise entstehen und sich verfestigen, prägen Persönlichkeit und Charakter eines Menschen oft ein Leben lang – und zwar deutlich stärker als sein angeborenes Grundtemperament. Denn auch wenn das Gehirn lebenslang formbar und veränderbar bleibt: Neue Synapsenverbindungen zu etablieren, wird mit zunehmendem Lebensalter immer schwieriger. Deshalb ist es so wichtig, welche Wege Kinder und Jugendliche an der Schwelle zum Erwachsenwerden einschlagen und wie sie dabei unterstützt werden – denn die Lern- und Lebenserfahrungen dieser Zeit bestimmen maßgeblich, wie ihr Gehirn später arbeitet und funktioniert.

Einmal alles neu programmieren:
Was in der späten Kindheit passiert


Das menschliche Gehirn ist niemals »fertig« – es verändert sich stetig und passt sich so den Herausforderungen der jeweiligen Lebensphase an. Doch die größte Umbaumaßnahme im Gehirn passiert während der späten Kindheit und der frühen Jugend – jetzt wird es nämlich von einem primär reagierenden zu einem aktiv steuernden und planenden Organ. Grund dafür ist, dass die neuronalen Verbindungen im menschlichen Gehirn, wie es die US-amerikanische Neurologie-Professorin Frances E. Jensen plastisch ausdrückt, »von hinten nach vorne«[3] ausreift. Das heißt: Spielen in der Hirnentwicklung der ersten Lebensjahre vor allem das Stammhirn sowie die zunehmende Ausreifung und Verknüpfung der linken und rechten Gehirnhälften die Hauptrolle, sind der direkt hinter der Stirn sitzende Frontallappen sowie der präfrontale Kortex als letztes an der Reihe. Das heißt: Kinder können viel früher Emotionen spüren und sich in ihrem Verhalten von ihnen leiten lassen, als sie die kognitive Fähigkeit haben, diese Emotionen rational zu bewerten und zu kontrollieren. Für gefühlsstarke Kinder gilt das ganz besonders, da ihr »Draht« zur Amygdala, dem Teil des Gehirns, der Gefahrenfrüherkennung betreibt, so stark ist – sie rasten schneller aus, als sie gucken können. Und der Hirnbereich, der dieses Reaktionsmuster am effektivsten stoppen könnte – der frontale und präfrontale Kortex, der fürs Ruhigbleiben und Nachdenken, Reflektieren und Überlegen zuständig ist –, hat bis ins sechste, siebte Lebensjahr hinein noch kaum seine Arbeit aufgenommen. Und zwar bei allen Jugendlichen, nicht nur bei gefühlsstarken.

Dazu kommt, dass in der Übergangszeit zwischen früher Kindheit und spätem Jugendalter sich der gesamte Aufbau des Gehirns noch einmal verändert – allerdings nicht in allen Hirnarealen gleichzeitig, sondern Stück für Stück. So nimmt bereits vor Beginn der Pubertät der Anteil an sogenannter grauer Hirnmasse, also jenen Zellen, die Informationen, Wahrnehmungen und Bewegungsmuster speichern können, zu. Gleichzeitig ist in diesem Alter signifikant zu wenig weiße Hirnmasse vorhanden, um all diese Informationen auch sinnvoll zwischen den verschiedenen Hirnarealen hin und her zu transportieren und so zu verarbeiten. Frances E. Jensen vergleicht das Gehirn junger Jugendlicher deshalb mit einem brandneuen Ferrari in den Händen eines Fahranfängers: Es hat bereits ungeheuer viele PS, aber noch wenig Straßensicherheit. Das liegt daran, dass die Verbindung zwischen dem limbischen System, in dem Gefühle verarbeitet werden, und dem vorn im Gehirn angesiedelten, steuernden und planenden Stirnlappen zwar schon angelegt ist, aber noch nicht besonders gut funktioniert. Stattdessen führt in der späten Kindheit und den frühen Jugendjahren die Amygdala das Ruder, die als empfindliche, überaus kraftvolle Alarmanlage des Gehirns bereits sehr, sehr gut mit dem limbischen System verknüpft ist. Die Psychologie-Professorin Marwa Azab beschreibt sie auch als die »Gerüchteküche unseres Körpers«[4], weil sie sich so begeistert auf alles potenziell Spannende und Abenteuerliche stürzt und jede Form von Drama liebt. Für gefühlsstarke Kinder und Jugendliche heißt das einerseits, dass mit steigendem Alter die Unterschiede zwischen ihnen und gleichaltrigen Jungen und Mädchen kleiner werden, weil alle Jugendlichen stark amygdalagesteuert sind. Andererseits sind sie mit ihrer überdurchschnittlich sensiblen Amygdala in dieser Zeit auch besonders herausgefordert, weil die hormonellen Begleiterscheinungen der Vorpubertät und Pubertät das Drama-Potenzial in ihrem Leben in ungeahnte Höhen schießen lassen.

Besonders spannend sind in diesem Zusammenhang die Forschungen des Entwicklungspsychologen und Kinderarztes Dr. W. Thomas Boyce, der mit seinem Team – anknüpfend an die Langzeit-Temperament-Studien Jerome Kagans – eine Gruppe gleichaltriger Kinder aus Wisconsin über viele Jahre wissenschaftlich begleitete und ihre Persönlichkeitsentwicklung untersuchte. Dabei stellte er ebenso wie Kagan fest, dass der überwiegende Anteil der Kinder eine deutlich höhere Selbstregulationsfähigkeit aufwies als eine kleine Minderheit der Jungen und Mädchen, die vom Kleinkindalter an als besonders sensibel und empfindlich, willensstark, aber sehr leicht frustriert auffiel. Boyce, der anders als der analytische Jerome Kagan einen Hang zur bildhaften, poetischen Sprache hat, teilte die kleinen Teilnehmerinnen und Teilnehmer an seiner Studie daraufhin in die große Gruppe der Löwenzähne und die kleine Gruppe der Orchideen ein. Denn die regulationsstarken Kinder erschienen ihm so stark, widerständig, unkompliziert und weit verbreitet wie Löwenzahnpflanzen, während gefühlsstarke und hochsensible Kinder ihn an Orchideen erinnerten – selten und verletzlich, anspruchsvoll und fragil, gleichzeitig besonders und wunderschön. Besonderes Augenmerk legte Boyce in seiner Untersuchung auf die späte Kindheit und die Pubertät der Orchideen-Kinder: Wie würde ihre besondere Veranlagung sich in dieser Zeit großer körperlicher und seelischer Veränderungen auswirken? Das verblüffende Ergebnis seiner Forschung: Während sich das elterliche Erziehungsverhalten auf den Verlauf der Pubertät von Löwenzahn-Kindern in der Studie kaum auswirkte, zeigten sich unter den Orchideen-Kindern signifikante Unterschiede zwischen den Jungen und Mädchen, die aus sehr liebevollen, unterstützenden Elternhäusern kamen, und denen, deren familiärer Hintergrund eher problematisch war. Die Löwenzahn-Kinder legten mit großer Mehrheit eine Pubertät hin, die sich – sowohl was die körperlichen Entwicklungen als auch die Verhaltensweisen anging – sehr nahe an den statistischen Durchschnittswerten bewegte. Die Orchideen hingegen blieben ihrem Hang zu den Extremen treu und sprengten das Feld in beide Richtungen auf: Kamen sie aus eher schwierigen Verhältnissen mit unsicheren Bindungserfahrungen, begannen sie signifikant früher und heftiger zu pubertieren als ihre Altersgenossen. Hatten sie hingegen ein unterstützendes Elternhaus im Rücken und starke Bindungserfahrungen im Gepäck, setzte die Pubertät bei ihnen ungewöhnlich spät ein und nahm einen überdurchschnittlich langsamen, milden Verlauf. Das heißt: Stärker als bei allen anderen Jugendlichen hing es bei gefühlsstarken und hochsensiblen Teenagern von ihrem familiären Hintergrund ab, ob sie eine weit überdurchschnittlich hohe Affinität zu riskanten Verhaltensweisen wie intensivem Alkohol- und Drogenkonsum, gefährlichen Mutproben sowie frühen sexuellen Aktivitäten zeigten. Oder ob sie eine...

Erscheint lt. Verlag 2.9.2019
Zusatzinfo Durchgehend vierfarbig
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften
Medizin / Pharmazie Medizinische Fachgebiete Psychiatrie / Psychotherapie
Schlagworte Attachment Parenting • Bedürfnisorientierte Erziehung • Bindung • bindungsorientierte Elternschaft • bindungsorientierte Erziehung • eBooks • Eltern • Emotionsregulation • Familie • Familienbildung • Gefühle • gefühlsstarke Kinder • Geschwisterstreit • Gesundheit • high need • Konflikte • Pädagogik • Schule • So viel Freude, so viel Wut • Trennung
ISBN-10 3-641-24994-5 / 3641249945
ISBN-13 978-3-641-24994-6 / 9783641249946
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