Von ost-westlichen Runen-Mysterien (eBook)
344 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7481-9642-6 (ISBN)
Der Autor war Schüler von Anion und Ariane, welche ihn beide auf dem "Weg zum wahren Adepten" von Franz Bardon meisterlich weiterhalfen. Die beiden Meister gaben ihm den Auftrag, sein Wissen und seine Erfahrungen niederzuschreiben, um sie so der Öffentlichkeit preiszugeben.
4. Runen als Sprach-Ur-Quell
W. v. Bülow
Das Zeitwort „raunen“ bedeutet eine geheimnisvolle Mitteilung, wie wenn rinnendes Wasser, dem Gesetz der Schwere folgend und der mütterlichen Tiefe des Meeres zustrebend im plätschernden Klang, der das Ohr der am Ufer Stehenden trifft, etwas ausdrückt von der frischen Lebendigkeit, die wir beim Zwange der Talfahrt des Wassers empfinden. Raunen, rinnen und rennen sind aus der gleichen Wurzel erwachsen und haben von den Runen ryt und naut ihr Sinngepräge erhalten. Ryt bedeutet Rhythmus in wiederholter Regelmäßigkeit und naut der Zwang. Wer kann aber im Zweifel sein, ob der Zwang aus innerer oder äußerer Notwendigkeit stammt, seelisch oder mechanisch ist. Der Renner, der durch die Bahn stürmt, tut dies aus angeborener Lust am Laufen und nur, wenn er zu ermüden anfängt, treiben ihn Peitsche oder Sporn vorwärts. Der E-Laut drückt im „rennen“ das Erdhafte aus, das doch zu überwinden das Ross durch das Gesetz seiner Art getrieben wird, sei es, um den gierigen Zugriff durch Pranken und Zähne der Raubtiere zu entgehen, sei es der Glut der brennenden Steppen oder Wälder zu entrinnen. Der I-Laut im „rinnen“ ist innerlich. Empfinden die Nixen, die Naturgeister des Wassers nach deutschem Volksglauben, das Gewoge der plätschernden Wellen als lustiges Spiel, sich nicht greifen lassen, oft heilkräftig, immer belebend und erfrischend, die Quellen hervor und, solange das Wasser springlebendig bleibt, belebt es mit saftigen Grün die Wiesen, die es bewässert. Erst wenn es sich staut, träge und faul wird, wird die Wiese zu Moor oder Torf, in denen Unheil zu brüten scheint. Wenn das Verirrten Fuß auf die Blüten tritt, steigen schmutzige Blasen aus dem fauligen Grund. Anders das rinnende Wasser. Es spült ab und reinigt, dass die Wäsche weiß wird wie das Häutchen unter der Schale des Eies. In dem Ei wird ein Ich (I) erdhaft gebunden (E). Dieser Doppelselbstlaut Ei beherrscht auch das Eigenschaftswort „rein“. Auf den Grundsatz der biologischen Selbst-Reinigung des Wassers sind Abwässerkläranlagen aufgebaut. Kleinlebewesen nähren sich von dem, was sonst zu Unrat würde.
Im Wort „Rune“ verbindet sich das dumpfe urgründige U mit dem ryt und naut. Reden die Runen doch von der Ur-Gewalt des Rhythmus.
Ruft man in eine größere Muschel hinein, so wird der Ton dumpf-u-haft zurückgeworfen, wie auch der Höhle des Berges, in der die dort wohnenden Erdgeister geweckt werden. Der U-Laut entsteht durch Höhlenbildung des fast geschlossenen Mundes, vor der die Lippen nur einen kleinen Ausweg lassen, wie das U durch den befreienden Atemstoß des weit geöffneten Mundes.
Das Wort „Muschel“ erhält als Kind der Wassertiefe, das erst auf Erden seine Formenschönheit sichtbar werden lässt, durch die beiden Selbstlaute U und E sein tonmalerisches Gepräge. Aber dem Sinn nach entstand es aus dem Begriff des Zusammentreffens (muot, engl. Meet) zweier Schalen. An dem Hute der Pilger war die Muschel zum Wahrzeichen der sich nach außen abschließenden Selbstbescheidenheit, die doch mit der Unrast rinnenden Wassers sich verströmte in dem einen Gedanken der Pilgerfahrt zu geweihten Stätten.
Ich glaube, dass bevor sich aus den Lauten klare geistige Begriffe herausschälten, nach der Überlieferung der Asageschlechter, sie mit den Gedächtnis-(Mimir)-Kräften des Hinterhauptes gefühlsmäßig – musikalisch – klangmagisch empfunden wurden. Das Gefühl machte sich in den Lauten Luft, bekam so eine bestimmte Richtung des befreienden Antriebes (A), der erdhaften Bindung (E), der Verinnerlichung (I), der sich offenbarenden Rundung (O), des dumpf Umhüllenden (U). Durch diese fünf Selbstlaute entstand das Raumgerüst als Rahmen für alle äußeren Dinge: das Gegenständliche, als dessen Zeichen die Mitlauter empfunden wurden. Wie man die fünf Selbstlaute Fimbultyrs, des Mysteriensprechers Fimbul-tulers, in das Kreuz gliedert, ist zunächst nebensächlich. Wirth ordnet die Selbstlaute alle in den Umkreis jahreszeitlich ein: I oben in den Mitsommer, E rechts nach Osten in den Osterpunkt, A nach Süd-Südost in des Winters Ende, U nach Süd-Südwest in seinen Beginn, O nach Westen in den Herbstgleicher.
Eine andere Zuteilung setzt E als organischen Kern in die Mitte, das A nach oben als aufwärts strebenden Verstand, I nach rechts als Phantasie-Quell, U nach unten als erdhaften Laut und das O nach links als natürliches Gefühl, das uns mit den Dingen verbindet. Hier ist nicht der Gesichtskreis gemeint, den die Sonne durchläuft, wie bei Wirth, sondern das Seelenkraftfeld als selbstständiges Gebilde. Bei dieser Zuteilung würden die Germanen (A-I) Willensmenschen gekennzeichnet sein, deren Wille (I) den Lauf der Erden-Ereignisse (U) zu bestimmen sucht, die gallischen Druiden (I) als Vorstellungsmenschen, deren Phantasie (O) den Intellekt (A) bestimmt, sich dem Natürlichen zuzuwenden.
Unter Menschen war das lebendige Wort von jeher das Haupt-Beeinflussungsmittel. Jede Rede, die in einem anderen, fast zwangsläufig, Vorstellungen wachruft, ist schon eine magische Tat, die seelische Kräfte erweckt, die verborgen ruhten, den Anstoß zu Entschlüssen willensbestimmend gibt.
Spreche ich ein Wort aus, so nötige ich die Einbildungskraft des Hörers, die Dinge oder Begriffe sich vorzustellen, die dem Worte entsprechen. Die Leidenschaft, die Erregung, die als Geburtswehen die Entstehung des Wortes begleiten, pflanzen sich gleichsam als Ätherwellen fort und reißen andere in ihrem Strudel mit. Dem Grafen von Habsburg legt Schiller die Worte in den Mund:
„Wie in den Lüften der Sturmwind saust,
Man weiß nicht, von wannen er kommt und braust,
Wie der Quell aus verborgenen Tiefen,
So des Sängers Lied aus dem Innern schallt
Und weckt der dunklen Gefühle Gewalt,
Die im Herzen wunderbar schliefen.“
Durch den Rhythmus, dem das Lied im Stab- oder Endreim oder im Tone der Silben sich eingliederte, ward der innere Schwung verstärkt. Weniger Gedanken als Gemütsbewegungen und Empfindungen wurden so übertragen. Heute glaubt mancher ein Dichter zu sein, der – statt in ungebundener Rede flüssig und leicht – durch Rhythmus oder Reim seine Worte zu binden weiß, um „Gedanken“ auszudrücken. Er verkennt die magische Gewalt des Wortes, die aus verborgenen Tiefen strömen muss und die technische Handhabung nicht verträgt. Er verkennt auch die Grundrichtung unserer Zeit, die noch viel zu sehr den Außendingen verhaftet ist und nur selten Raum und Sinn lässt für das Wirken des Urgewaltigen.
Aber der Magie des Wortes lag noch eine andere Vorstellung der All-Beseeltheit zugrunde. Gibt es nichts Totes, sind die treibenden Kräfte aller Naturerscheinungen selber beseelt, so müssen sie sich auch durch Worte oder Gaben bestimmen und so nach der Menschen Willen lenken lassen. Man gewinnt Gewalt über ein Wesen, dessen Namen man nennt, dessen Bild man vor sich hinzustellen weiß. Die Forscher sind sich jetzt einig darüber, dass die künstlerisch so vollendeten Höhlenzeichnungen der Aurignac-Menschen einem Jagdzauber gedient haben. Auch gegen Krankheiten und Gift wurden magische Mittel angewandt; zum Teil hört man noch heute von Besprechungen von Warzen oder Rose. Talisman, Amulette sind noch heute in Gebrauch. Man soll da nicht gleich von Teufelskult oder Dämonenfurcht, eher von Selbstsuggestion! Zuversicht, Willensstärkung, Glaube sind die sichersten inneren Voraussetzungen des Erfolges, der Genesung. Liebeszauber sind angewandt worden, so lange es Liebende gegeben hat. Ist nicht jedes Bild unserer Lieben, das uns vom Schreibtischrande grüßt, eine Brücke der Erinnerung zu ihnen, eine Art Liebeszauber? Minne bedeutet ursprünglich liebendes Gedenken nach dem schönen Spruche: „Du bist min und ich bin din“. Das Erinnerungsbild verblasst im Laufe der Jahre doch, wenn es nicht immer wieder aufgefrischt wird. Die Aufgabe des heutigen Lichtbildes hatte einst das Aussprechen des geliebten Namens. Nomen (lat. Nane) und numen (Wesen) sind sprachlich einander nahe verwandt. Spricht ein Strebender den Namen eins fernen Lieben aus, so übertragen Gedankenwellen drahtlos das Bild des Anrufenden auf den Angerufenen. Das ist durch zahlreiche Berichte belegt. Der Allesbezweifler (Skeptiker), der seines Herzens Stimme längst zum Schweigen brachte, wird freilich solches nie erfahren. Was weiß unsere Zeit noch von der Wunschgewalt, als deren Herr einst Odin als Oski galt, wenn er sich seiner Wunschsöhne (oskimögr) annahm.
Bei allen Völkern, die an Göttliches glauben, zieht das Anrufen göttlicher Namen himmlische Hilfe herbei. Der Glaube, dass dem göttlichen Namen eine besondere Kraft innewohnt, war nicht nur den alten Juden, die ihre kabbalitischen Regeln aufbauten, bekannt. In ihren Gebeten war ihnen bekannt, dass bestimmte Körperhaltungen, ja eine bestimmte Gebetshaltung, die eigentümliche Gedankensammlung verstärkt ausdrückt und erleichtert. Sollten nicht die Runen zunächst ebenfalls nicht solche Gebärden ausdrücken?...
Erscheint lt. Verlag | 7.2.2019 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Geisteswissenschaften |
ISBN-10 | 3-7481-9642-3 / 3748196423 |
ISBN-13 | 978-3-7481-9642-6 / 9783748196426 |
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