Es kommt darauf an, die Welt zu verändern (eBook)
464 Seiten
dtv Deutscher Taschenbuch Verlag
978-3-423-43405-8 (ISBN)
Klaus Körner, geboren 1939, ist Politikwissenschaftler und seit 1976 freier Publizist und Buchautor. Neben der Mitarbeit an zeitgeschichtlichen Ausstellungen zahlreiche Veröffentlichungen zu Karl Marx, zur jüngeren deutschen Geschichte und der politischen Kultur der Bundesrepublik.
Klaus Körner, geboren 1939, ist Politikwissenschaftler und seit 1976 freier Publizist und Buchautor. Neben der Mitarbeit an zeitgeschichtlichen Ausstellungen zahlreiche Veröffentlichungen zu Karl Marx, zur jüngeren deutschen Geschichte und der politischen Kultur der Bundesrepublik.
Das Werk
Marx’ Schriften lassen sich grob einteilen in sein journalistisches und essayistisches Werk und in sein ökonomisches Werk, das vor allem aus den drei Bänden ›Das Kapital‹ besteht. Seine aus aktuellem Anlass geschriebenen Aufsätze und Abhandlungen sind journalistische Glanzleistungen von seltener Wucht. Auch heute noch beeindrucken die klare Analyse und brillante Sprache. Marx war ein Polemiker von hohen Graden. Ein Zeitgenosse schrieb über ihn: »Er verbindet mit dem tiefsten philosophischen Ernst den schneidenden Witz; denke Dir Rousseau, Voltaire, Holbach, Lessing, Heine und Hegel in einer Person vereinigt, so hast Du Dr. Marx.«
Die längste Zeit hat Karl Marx an seinem Hauptwerk ›Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie‹ gearbeitet, von dem zu seinen Lebzeiten nur der erste Band erschien, die beiden Folgebände wurden von Friedrich Engels aus dem Nachlass herausgegeben.
Seine Grundkonzeption, den historischen Materialismus, hat Marx in der gemeinsam mit Friedrich Engels geschriebenen, unvollendet gebliebenen Schrift von 1845 ›Die Deutsche Ideologie‹ und im Vorwort zur ›Kritik der politischen Ideologie‹ von 1859 dargestellt. Danach ist es nicht das Bewusstsein, das das Sein der Menschen bestimmt, sondern umgekehrt ihr Sein bestimmt ihr Bewusstsein. Während ihres Lebens gehen die Menschen in der gesellschaftlichen Produktion bestimmte, von ihrem Willen unabhängige Verhältnisse ein, Produktionsverhältnisse. Über diese erhebt sich ein juristischer und politischer Überbau. Die Produktionsverhältnisse entsprechen einer bestimmten Entwicklungsstufe der materiellen Produktivkräfte. Die bürgerliche Gesellschaft bildet gleichsam die Brücke zwischen der ökonomischen Basis und dem politischen Überbau. Mit der Veränderung der ökonomischen Basis gerät auch der Überbau ins Wanken. Werden die Produktionsverhältnisse zur Fessel der Produktivkräfte, dann tritt eine Epoche der sozialen Revolution ein, der ganze Überbau wird umgewälzt. Marx versichert dazu, dass eine Gesellschaftsformation nie untergehe, bevor alle Produktivkräfte entwickelt seien, für die sie weit genug sei. Neue, höhere Produktionsverhältnisse träten nie an die Stelle der alten, bevor nicht die materiellen Existenzbedingungen im Schoß der alten Gesellschaft ausgebrütet worden seien.
Marx wollte mit seiner Analyse des Kapitalismus nachweisen, dass die bürgerliche Gesellschaftsformation, die sich in Deutschland gerade erst aus dem Feudalismus entwickelte, zum Untergang verurteilt sei. Dafür reichte ihm die moralische Verurteilung von Massenarmut, Elend und Ausbeutung, die er im England der 1850er- und 1860er-Jahre unmittelbar beobachten konnte, nicht aus. Er wollte den wissenschaftlichen Nachweis durch das Studium der gesamten wissenschaftlichen Literatur seiner Zeit sowie der Materialien zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte vorangegangener Epochen erbringen. Damit hat er sich an seine frühere Parole gehalten, es gebe keine Wissenschaft außer der Geschichte. Und sein Leitgedanke war der Satz von René Descartes: »De omnibus dubitandum est«, an allem ist zu zweifeln. So hat er immer neue Anläufe unternommen, um ein wissenschaftliches Werk zu schaffen, das seine Thesen umfassend beweisen sollte. Schließlich erschien 1867 der erste Band des ›Kapitals‹ in Hamburg.
Marx beginnt mit einem theoretischen Abschnitt, in dem er einen Eckstein seiner Theorie erläutert, die sogenannte Arbeitswertlehre. Mit den Klassikern der ökonomischen Theorie geht auch er davon aus, dass Waren einen Doppelcharakter haben, einerseits einen Gebrauchswert und dazu einen Tauschwert. Der Tauschwert ist mit der auf die Herstellung der Ware verwendeten Arbeitszeit verbunden. Während Ricardo den Arbeitsaufwand als Maß für den Tauschwert betrachtet, sieht Marx die Arbeit als Quelle des Wertes. Wert ist »geronnene menschliche Arbeit«. Mag die im Einzelfall verwendete Arbeit unterschiedlich hoch sein, so ist der Wert doch an der gesellschaftlich notwendigen Arbeit zur Herstellung der Ware zu messen, und zwar in Zeit. Im Kapitalismus wird alles zur Ware einschließlich der Arbeitskraft. Sein Antrieb ist das Profitstreben der Kapitalisten und nicht die Bedarfsdeckung. Während ursprünglich die Produzenten, Bauern und Handwerker, noch ihre eigenen Produktionsmittel besaßen, hat sich der Kapitalist im Lauf der Entwicklung (»ursprüngliche Akkumulation«) die Produktionsmittel angeeignet und die anderen zu Lohnarbeitern gemacht. Der Lohnarbeiter verkauft seine »Ware« auf dem Arbeitsmarkt, die Arbeitskraft. Der Wert der Arbeitskraft bemisst sich nach der zu ihrer Herstellung notwendigen Arbeitszeit. Da sie untrennbar verbunden ist mit der Reproduktion des Arbeiters, fällt der Wert zusammen mit dem der für die Erhaltung, Ausbildung, Fortpflanzung notwendigen Lebensmittel. Der Arbeiter bleibt also auf das Existenzminimum beschränkt.
Nun ist aber der Gebrauchswert der Arbeitskraft höher als ihr Tauschwert. Wenn das Produkt eine Arbeitszeit von zehn Stunden erfordert, der Kapitalist aber entsprechend dem Tauschwert nur fünf Stunden an den Arbeiter als Lohn bezahlt, dann eignet er sich den »Mehrwert« an. Die Produktionsmittel setzen dem Produkt neben der Arbeit keinen neuen Wert zu, sondern geben nur ihren Wert an das Produkt ab. Das in Produktionsmitteln angelegte Kapital wird von Marx als konstantes Kapital bezeichnet, im Gegensatz zu dem in Löhnen angelegten variablen Kapital. Das Verhältnis von konstantem und variablem Kapital bezeichnet er als die organische Zusammensetzung des Kapitals. Der Kapitalist bemüht sich stets, einen höheren Mehrwert aus seinem Arbeiter herauszupressen, entweder durch Verlängerung der Arbeitszeit oder durch Steigerung der Produktivität. Sinkt deshalb der Lohn oder droht die Entlassung, dann wird der Arbeiter sogar Opfer seines »Erfolges«. Die Konkurrenz unter den Betrieben fördert den Druck zur Erhöhung der organischen Zusammensetzung des Kapitals, zum Einsatz neuer arbeitssparender Maschinen. Der stärkere Kapitalist wird die schwächeren Kapitalisten niederkonkurrieren, Konzentration und Zentralisation der Kapitale sind die Folge.
Weitere Folgen sind die Tendenz zum allgemeinen »Fall der Profitrate« und die Bildung einer »industriellen Reserve-armee«. Marx geht es dabei nicht um den einzelnen Arbeiter oder den einzelnen Kapitalisten, sondern um die Beziehung zwischen Klassen. Wirtschaft hat es nicht mit Beziehungen von Dingen zu tun, die kühlen ewigen Sachgesetzen folgen, sondern mit zeitbedingten Beziehungen zwischen Menschen. Der Widerspruch zwischen dem gesellschaftlichen Charakter der Produktion und dem privaten der Aneignung löst periodisch Krisen aus. Diese Entwicklung führt dann zu einer zunehmenden Verelendung der Proletarier (»Verelendungstheorie«). Mag auch im Zuge der Entwicklung das absolute Lohnniveau steigen, der Profit des Kapitalisten steigt unverhältnismäßig stärker an (»relative Verelendung«). Die Gegensätze führen zur Polarisierung zwischen einer kleinen Zahl parasitärer Kapitalisten und der Mehrheit der protestierenden Proletarier, die dann die Revolution unvermeidbar machen.
Den theoretischen-analytischen Teilen folgen mehr historisch-deskriptive, etwa wenn Marx im 13. Kapitel Maschinerie und große Industrie oder im 23. Kapitel das allgemeine Gesetz der kapitalistischen Akkumulation abhandelt. Hier wird dem Leser eine Pionierdarstellung der Wirtschafts- und Sozialgeschichte des 19. Jahrhunderts geboten. Marx ist Wissenschaftler, aber sein Erkenntnisinteresse ist die Änderung der Lebensverhältnisse des Proletariats. Seine Geschichtsschreibung ist daher jeweils durchsetzt mit der moralischen Verurteilung der unmenschlichen Folgen der kapitalistischen Produktionsweise, die er allerdings als notwendig für die Entfaltung der Produktivkräfte hält. Das apokalyptische 24. Kapitel endet mit der Verkündung des Umsturzes der Verhältnisse.
In Band II und Band III wird geschildert, was außerhalb der Fabrik geschieht, die Entwicklung von Geldkapital und Bankkapital, der Kreislauf von Handel, Profit und Reinvestition. Der Hamburger Wirtschaftsprofessor Karl Schiller pflegte Marx deshalb in seinen Vorlesungen in die Reihe der Kreislauftheoretiker einzureihen. Band III hat schon wegen seines unfertigen Zustandes den Charakter eines Materialbandes. Die Frage nach dem Verhältnis von Wertgesetz, Angebot und Nachfrage sowie Marktpreis bleibt etwas in der Schwebe: »In welcher Weise immer die Preise der verschiedenen Waren zuerst gegeneinander festgesetzt oder geregelt sein mögen, das Wertgesetz beherrscht ihre Bewegung.« Schließlich ging es Marx zuerst darum, nachzuweisen, wie sich die eine Klasse der Kapitalisten den von der anderen Klasse der Proletarier geschaffenen Mehrwert aneignet. Marx spricht den Klassen zentrale Bedeutung zu, und in seinen Exzerpten unterscheidet er zwischen produktiven und unproduktiven Klassen. Er spricht die Frage des Klassenbewusstseins an, die »Klasse an sich« und die »Klasse für sich«. Dennoch bleibt die genaue Definition aus, das letzte, das 52. Kapitel des III. Bandes »Die Klassen« bricht nach einer Seite ab.
Der vorgesehene Band IV über die Geschichte der ökonomischen Lehrmeinungen ist noch stärker Materialsammlung. Eigentlich »lag« Marx das Exzerpieren und Kommentieren mehr als das Schreiben von eigenen Theorie-Kapiteln. Ursprünglich wollte er die Zitate in den vorangegangenen Text einbauen, bevor er seinen Plan änderte, um daraus...
Erscheint lt. Verlag | 9.3.2018 |
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Reihe/Serie | dtv bibliothek |
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Geschichte / Politik ► Allgemeines / Lexika |
Geisteswissenschaften ► Geschichte | |
Schlagworte | Anthologie • Das Kapital • Der Bürgerkrieg in Frankreich • Einführung • Gesellschaftskritik • Kapitalismuskritik • Klassiker • Kommunistisches Manifest • Makroökonomie • Philosophie • Religionskritik • Thesen zu Feuerbach • Zur Kritik der politischen Ökonomie |
ISBN-10 | 3-423-43405-8 / 3423434058 |
ISBN-13 | 978-3-423-43405-8 / 9783423434058 |
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