Der Staat (eBook)
550 Seiten
Reclam Verlag
978-3-15-961304-8 (ISBN)
Platon (um 428 v. Chr. Athen - um 347 v. Chr. Athen) legte mit der Begründung der philosophischen Akademie in Athen einen Grundstein der systematischen abendländischen Philosophie. In seinen Schriften lässt Platon seinen Lehrer Sokrates zu Wort kommen. Die hierbei entstandenen, sehr charakteristischen Zwiegespräche sind als 'Sokratische Dialoge' bekannt und behandeln jeweils ein Thema. Berühmt ist beispielsweise Phaidon mit Argumenten für die Unsterblichkeit der Seele. Sein Symposion dreht sich in Gestalt einer berühmt besetzten Denkrunde um Liebe und Schönheit. Platons Themen sind heute noch Anknüpfungspunkte für die philosophische Diskussion: So befasst sich seine Ideenlehre im Kern mit dem Vorhandensein von gesichertem Wissen. In Politeia erdenkt er sich einen Idealstaat zur Schaffung von Gerechtigkeit.
Platon (um 428 v. Chr. Athen – um 347 v. Chr. Athen) legte mit der Begründung der philosophischen Akademie in Athen einen Grundstein der systematischen abendländischen Philosophie. In seinen Schriften lässt Platon seinen Lehrer Sokrates zu Wort kommen. Die hierbei entstandenen, sehr charakteristischen Zwiegespräche sind als "Sokratische Dialoge" bekannt und behandeln jeweils ein Thema. Berühmt ist beispielsweise Phaidon mit Argumenten für die Unsterblichkeit der Seele. Sein Symposion dreht sich in Gestalt einer berühmt besetzten Denkrunde um Liebe und Schönheit. Platons Themen sind heute noch Anknüpfungspunkte für die philosophische Diskussion: So befasst sich seine Ideenlehre im Kern mit dem Vorhandensein von gesichertem Wissen. In Politeia erdenkt er sich einen Idealstaat zur Schaffung von Gerechtigkeit.
Der Staat
Erstes Buch
Zweites Buch
Drittes Buch
Viertes Buch
Fünftes Buch
Sechstes Buch
Siebentes Buch
Achtes Buch
Neuntes Buch
Zehntes Buch
Anhang
Zu dieser Ausgabe
Abkürzungen
Anmerkungen
Literaturhinweise
Nachwort
[7]Erstes Buch
(Erzählt wird aus der Perspektive des Sokrates.) 1 [327a] Gestern ging ich mit Glaukon, dem Sohn des Ariston, in den Piräus hinunter, um zur Göttin zu beten; zugleich wollte ich mir den Ablauf des Festes anschauen, das man ja jetzt zum ersten Mal feierte. Der Festzug der Einheimischen gefiel mir wirklich gut, nicht weniger aber gefiel mir der, den die Thraker veranstalteten. [b] Nachdem wir unser Gebet verrichtet und die Feier angesehen hatten, wandten wir uns wieder der Stadt zu. Da sah uns nun, wie wir auf dem Heimweg waren, von Weitem Polemarchos, der Sohn des Kephalos, und befahl seinem Sklaven, uns nachzulaufen und uns aufzufordern, auf ihn zu warten. Der Sklave fasste mich von hinten am Gewand und sprach: »Polemarchos heißt euch, auf ihn zu warten.« Ich wendete mich um und fragte, wo denn sein Herr sei. »Dort hinten«, sagte er, »kommt er; wartet nur auf ihn.« »Nun gut, so wollen wir auf ihn warten«, sagte Glaukon.
[c] Und bald darauf kam Polemarchos und mit ihm Adeimantos, Glaukons Bruder, ferner Nikeratos, des Nikias Sohn, und einige andere, offenbar kamen auch sie gerade vom Festzug her.
Da sagte nun Polemarchos: »Wie mir scheint, Sokrates, seid ihr auf dem Rückweg zur Stadt.«
»Ganz richtig«, sagte ich.
»Siehst du«, sagte er, »wie viele wir sind?«
»Freilich.«
»Entweder, ihr seid stärker als wir oder ihr müsst hierbleiben.«
»Gibt es da nicht noch eine dritte Möglichkeit«, sagte ich, »nämlich dass wir euch überreden, uns gehen zu lassen?«
»Könntet ihr uns auch überreden«, meinte er, »wenn wir euch nicht zuhören?«
[8]»Gewiss nicht«, erwiderte Glaukon.
»So rechnet damit, dass wir euch nicht zuhören werden.«
[328a] Da sagte Adeimantos: »Ihr wisst womöglich nicht, dass am Abend zu Ehren der Göttin ein Fackellauf zu Pferde stattfinden soll?«
»Zu Pferde?«, sagte ich, »Das ist ja etwas ganz Neues. Sie halten Fackeln in den Händen und reichen sie während des Pferderennens untereinander weiter? Oder wie meinst du das?«
»Genau so«, erwiderte Polemarchos, »und außerdem wird es noch eine Nachtfeier geben, die sehenswert ist. Wir wollen also nach dem Abendessen aufbrechen und uns diese Nachtfeier anschauen. Dort werden wir auch mit vielen jungen Leuten zusammenkommen und uns mit ihnen unterhalten. Bleibt also [b] und kommt mit uns.«
Da sagte Glaukon: »Ich glaube, wir sollten doch bleiben.«
»Wenn du meinst«, sagte ich, »dann soll es so sein.«
2 Wir gingen also mit Polemarchos nach Hause und trafen dort seine beiden Brüder Lysias und Euthydemos, ferner auch Thrasymachos aus Chalkedon, Charmantides aus dem Demos Paiania und Kleitophon, den Sohn des Aristonymos. Im Haus war auch Polemarchos’ Vater Kephalos. Recht alt schien er mir geworden, hatte ich ihn doch lange Zeit nicht gesehen. [c] Er saß auf einem Stuhl mit Kopfpolster und war noch bekränzt, weil er eben im Hof ein Opfer dargebracht hatte. Wir setzten uns also zu ihm, denn es standen dort einige Stühle im Kreis herum.
Kaum hatte mich Kephalos erblickt, begrüßte er mich und sprach: »Sokrates, du kommst aber auch gar nicht oft zu uns in den Piräus herunter; und doch solltest du es. Wäre ich noch kräftig genug, den Weg in die Stadt mühelos zurückzulegen, müsstest du nicht hierherkommen; [d] dann kämen wir zu dir. So aber solltest du öfter hierherkommen. Denn wisse wohl: Je mehr mir sonst die leiblichen Genüsse dahinschwinden, umso [9]größer wird mein Verlangen nach und die Lust an Gesprächen. Darum tu uns doch den Gefallen und pflege nicht nur den Umgang mit diesen jungen Leuten, sondern geh auch hier bei uns ein und aus, wie bei Freunden und guten Bekannten.«
»Auch ich, Kephalos, unterhalte mich gern mit hochbetagten Männern«, entgegnete ich. [e] »Denn ich meine, man sollte sie, die uns gewissermaßen einen Weg vorausgegangen sind, den auch wir vielleicht noch zu gehen haben, fragen, wie dieser Weg ist, rau und beschwerlich oder leicht und bequem. Und da du ja schon in dem Alter bist, möchte ich dich gern fragen, was du von dem hältst, was die Dichter ›an der Schwelle des Greisenalters‹ nennen, ob das der beschwerliche Teil des Lebens ist, oder wie du es sonst bezeichnen möchtest.«
3 [329a] »Beim Zeus, Sokrates«, erwiderte er, »ich will dir sagen, was ich davon halte. Oft treffen wir uns, einige in etwa gleichem Alter, getreu dem alten Sprichwort. Bei diesen Treffen jammern dann die meisten von uns und sehnen sich zurück nach den Freuden der Jugend; sie denken dabei an ihre Liebesabenteuer, ans Zechen und an die Gastmähler und was sonst noch dazugehört, und sind verdrießlich, als hätten sie weiß Gott was verloren; damals hätten sie ein herrliches Leben geführt, heute aber sei das kein Leben mehr. [b] Einige beschweren sich auch über die Kränkungen seitens ihrer Angehörigen wegen ihres hohen Alters und stimmen deshalb ein Klagelied darüber an, welche Leiden das Alter für sie mit sich bringe. Und doch, Sokrates, treffen sie mit ihren Anschuldigungen, wie mir scheint, nicht die eigentliche Ursache. Denn läge es wirklich am Alter, so hätte es ja auch mir und all den anderen in diesem Alter so ergehen müssen. Nun habe ich aber auch andere getroffen, denen es nicht so erging; vor allem war ich einmal mit dem Dichter Sophokles beisammen, als jemand ihn fragte: ›Sophokles, wie [c] steht es bei dir mit der Liebe? [10]Kannst du noch mit einer Frau schlafen?‹ Da sagte jener: ›Gott bewahre, Mensch! Ich bin herzlich froh, dass ich davon erlöst bin, wie ein Sklave, der seinem tollen und wilden Herrn entsprungen ist.‹ Schon damals schien mir das eine treffliche Antwort und heute nicht weniger. Denn diesbezüglich hat man im Alter wenigstens gänzlich Frieden und volle Freiheit. Wenn die Begierden aufhören, heftig zu sein, und nachlassen, dann bewahrheitet sich vollends das Wort des Sophokles: [d] Man ist von gar vielen rasenden Gebietern befreit. Aber daran und auch an den Schwierigkeiten mit den Angehörigen ist nur eines schuld, und das ist nicht das Alter, Sokrates, sondern der Charakter der Menschen. Sind sie nämlich maßvoll und zufrieden, dann ist auch das Alter keine schwere Last; andernfalls, Sokrates, ist für einen solchen Menschen das Alter gleich wie die Jugend beschwerlich.«
4 Ich freute mich über seine Worte und wollte [e] von ihm noch Weiteres hören; daher sagte ich, um ihn dazu zu bewegen: »Kephalos, ich glaube, die meisten werden mit dem, was du da sagst, nicht einverstanden sein; sie glauben vielmehr, dass du das Alter nicht wegen deines Charakters so leicht erträgst, sondern weil du im Besitz eines großen Vermögens bist. Denn die Reichen, so sagen sie, können sich über vieles hinwegtrösten.«
»Da hast du recht«, sagte er, »sie sind in der Tat nicht einverstanden. An dem, was sie sagen, ist auch etwas dran, freilich nicht so viel, wie sie glauben. Da ist nun das Wort des Themistokles am Platze: Als ihn jener Mann aus Seriphos schmähte und sagte, [330a] er verdanke seinen guten Ruf nicht sich selbst, sondern seiner Heimatstadt, antwortete er, gewiss wäre er, wenn er aus Seriphos käme, nicht berühmt geworden, jener aber wäre es auch nicht, wenn er Athener wäre. Dieser Ausspruch passt auch gut auf Leute, die nicht reich sind und das Alter schwer ertragen; denn weder wird der Vernünftige das [11]Alter in Armut ganz leicht ertragen, noch wird der Unvernünftige, wenn er auch reich ist, mit sich je zufrieden sein.«
»Hast du, Kephalos«, sagte ich, »den Großteil deines Vermögens geerbt oder hast du es selbst erworben?«
[b] »Was ich erworben habe, Sokrates?«, erwiderte er. »Mit meinem Vermögen halte ich etwa die Mitte zwischen meinem Großvater und meinem Vater. Mein Großvater, der wie ich Kephalos hieß, erbte etwa so viel, wie ich jetzt besitze, und vermehrte seinen Besitz um ein Vielfaches; mein Vater Lysanias verringerte das Vermögen, bis es zuletzt weniger war als heute. Ich aber bin zufrieden, wenn ich meinen Söhnen hier nicht weniger hinterlasse, sondern etwas mehr, als ich geerbt habe.«
»Ich fragte dich deshalb«, sagte ich, »weil ich den Eindruck hatte, dass du keinen [c] besonderen Wert auf Geld legst, das aber tun meistens die, die es nicht selbst erworben haben. Wer es selbst erworben hat, liebt es zweimal mehr als die anderen. Wie die Dichter ihre Werke und wie die Väter ihre Söhne lieben, so kümmern sich die, die ein Vermögen gemacht haben, ernsthaft um dasselbe, weil es ja ihr Werk ist; sie tun dies aber auch, wie die anderen, weil es nützlich ist. Daher ist auch der Umgang mit ihnen schwierig, weil sie nichts billigen wollen als den Reichtum.«
»Wie wahr«, entgegnete er.
5 [d] »Gewiss«, erwiderte ich, »doch sage...
Erscheint lt. Verlag | 15.11.2017 |
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Reihe/Serie | Reclams Universal-Bibliothek | Reclams Universal-Bibliothek |
Übersetzer | Gernot Krapinger |
Verlagsort | Ditzingen |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Geisteswissenschaften ► Philosophie ► Philosophie Altertum / Antike |
Schlagworte | Antike • Basiswissen • der Staat • Einführung • Erläuterungen • gelb • gelbe bücher • Gerechte Gesellschaft • Geschichte • Gesellschaft • Grundlagen • Höhlengleichnis • Idealstaat • Kulturgeschichte • Lektüre • Partei • Philosophie • Platon • Politeia • Politik • Politikwissenschaft • Politischer Widerstand • Politische Systeme • Politische Wissenschaft • Reclam Hefte • Reclams Universal Bibliothek • Studenten • Studentinnen • Studierende • universalbibliothek • Universität • Vorlesungen • Wissen • Wissenschaft • Wissenschaftliche Abhandlung |
ISBN-10 | 3-15-961304-6 / 3159613046 |
ISBN-13 | 978-3-15-961304-8 / 9783159613048 |
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