Die Kategorien des Aristoteles (eBook)
204 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7412-6782-6 (ISBN)
Einleitung.
Das Buch der Kathegorien des Aristoteles ist unstreitig, bei seinem kleinen Umfang, eines der vorzüglichsten logischen Werke dieses großen Philosophen. Hier zeigt sich sein durchdringender allumfassender Geist auf eine bewundernswürdige Art. Die ersten Gründe der menschlichen Erkenntniß aufzusuchen, die unendliche Menge und Mannigfaltigkeit der menschlichen Gedanken und ihre Verhältnisse auf eine geringe Anzahl von Hauptbegriffen zu reduziren, und dadurch einen Uebergang von der bloß formellen zur reellen Erkenntniß zu verschaffen, ist eine Arbeit, welche nur ein Aristoteles unternehmen, und ein Kant vervollkommnen konnte. Der Unterschied | zwischen den von beiden gewählten Methoden in Aufsuchung der Kathegorien ist gar nicht so beträchtlich und der Vorzug der systematischen Ordnung des Letztern vor dem rhapsodistischen Vortrag des Erstern gar nicht so entschieden als man gemeiniglich vorgiebt.
Es ist wahr, daß Aristoteles nicht, so wie Kant, den Ursprung der Kathegorien nach einem Prinzip aus den in der Natur des Denkens überhaupt gegründeten logischen Formen herleitet, sondern sie erst durch Abstrakzion herauszubringen sucht. Aber hat Aristoteles hierinn so ganz Unrecht? Ich kann es nicht glauben. Wenn man hierüber reiflich nachdenken will, so wird man finden, daß weit entfernt die logischen Formen den Kathegorien zum Grunde zu legen, man vielmehr diese jenen zum Grunde legen müsse. Um dieses zu beweisen, lege ich den Philosophen die ganz simple Frage vor, was sie z. B. unter der logischen Bejahung und der logischen Verneinung (die allen Urtheilen zum Grunde liegt) verstehen? Müssen sie nicht, | wenn sie sich darüber deutlich erklären wollen, unter Bejahung eine Verbindung von Subjekt und Prädikat, und unter Verneinung eine Aufhebung dieser Verbindung denken? Was ist aber Verbindung und Trennung (wenn es nicht bloße Worte ohne alle Bedeutung seyn sollen) anders als reelle Setzung eines Gedankens und reelle Aufhebung desselben?
Also logische Bejahung ist ein gedachtes Verhältniß zwischen Subjekt und Prädikat wodurch ein reeller (einem Objekte entsprechender) Gedanke (den man aber in der Logik unbestimmt läßt) hervorgebracht wird, und logische Verneinung ein solches Verhältniß, wodurch die Hervorbringung eines reellen Gedankens unmöglich wird. Folglich setzt die logische Bejahung und Verneinung die absolute (metaphysische) voraus. Und eben so verhält es sich mit allen übrigen logischen Formen; wie ich dieses alles in meiner neuen Theorie des Denkens weitläuftig ausführen will.
Daher hat auch Aristoteles ganz Recht, wenn er (wie es aus der uns bekannten Ord|nung seiner Schriften zu erhellen scheint) das Buch der Kathegorien den andern logischen Schriften vorhergehen läßt.
Was die Vollzähligkeit der Kathegorien betrifft, so kann diese so gut nach der Aristotelischen als nach der Kantischen Methode bewerkstelligt werden. Man braucht hier keine Indukzion, so daß man erst alle Gegenstände des Denkens nach und nach aufsuchen, sie unter einander vergleichen, und also die, allen zum Grunde liegenden, Begriffe festsetzen müßte, sondern die bloße Reflexion über die ersten besten Gegenstände des Denkens, die sich uns darbieten, ist schon dazu hinreichend.
Sollte Aristoteles (wie Hr. Kant behauptet) dennoch hierinn einen Fehler begangen haben, so muß der Grund davon nicht in seiner Methode die Kathegorien aufzusuchen, sondern in einer Remission des Scharfsinns (welches einem jeden Sterblichen begegnen kann) gesucht werden. Kant konnte freilich, da er die Logik sammt ihren Formen vorgefunden hat, die Vollzähligkeit der Kathegorien durch diese Formen be|weisen. Aristoteles hingegen, der Schöpfer der Logik, mußte erst die Vollzähligkeit dieser Formen selbst durch Reflexion darthun.
Ich habe dieses Buch aus der lateinischen Uebersetzung, die der Hr. Prof. Buhle in der von ihm besorgten Ausgabe dem Texte beigefügt hat, ins Deutsche übertragen, und mit Anmerkungen erläutert, welches ich als eine Vorübung zu meiner neuen Theorie des Denkens anzusehen bitte.
Meine neue Theorie des Denkens unterscheidet sich von einer jeden andern seit Aristoteles bis auf Kant aufgestellten Theorie des Denkens, hauptsächlich darinn:
1) Wird in einer jeden Theorie des Denkens die Logik als eine für sich bestehende vollständige Wissenschaft behandelt, worinn bloß der Begriff des Denkens eines, sowohl durch empyrische als durch transzendentale Merkmale unbestimmten Objekts überhaupt zum Grunde gelegt wird, und also die Begriffe und Sätze der Logik in der gesammten reinen und angewandten Philosophie (weil alles was von einem un|bestimmten Objekt überhaupt gilt, auch von einem jeden bestimmten Objekt gelten muß) vorausgesetzt werden. Ich finde aber daß die Logik von der empyrischen, nicht aber von der transzendentalen Philosophie getrennt und als eine für sich bestehende Wissenschaft behandelt werden kann. Das logische Objekt kann und muß allerdings unbestimmt bleiben, die logischen Formen hingegen müssen bestimmt gedacht werden, weil sie sonst gar keine Bedeutung haben. Nun aber können die Formen nicht anders als durch transzendentale Merkmale bestimmt werden. Die Logik wird daher in dieser neuen Theorie des Denkens zwar abstrahirt von der Transzendentalphilosophie gedacht, aber dennoch in Verbindung mit derselben dargestellt.
Eben so läßt die allgemeine Größenlehre den Begriff ihres Objekts (einer Größe überhaupt) unbestimmt, die Formen (die Arten der Verbindungen der Größen) aber werden darinn bestimmt gedacht. In der Formel z. B. a + b – c sind a, b, c unbestimmt, sie können alle mögliche Grö|ßen vorstellen; die Zeichen + und – hingegen haben eine bestimmte Bedeutung.
Der Begriff von einem logischen Objekt überhaupt ist der Begriff von einem Objekt des Denkens überhaupt, d. h. eines durch den Verstand verbundenen Mannigfaltigen. Die Logik legt zwar diesen Begriff zum Grund, als Wissenschaft aber muß sie alle mögliche Arten der Verbindung aufstellen und ihr Verhältniß zu einander bestimmen. a ist nicht b, ist so gut eine Verbindung als a ist b, und dieses so gut als a ist a, alle gehören zu dem Geschlechtsbegriff von Verbindung überhaupt, nur daß jeder derselben auf eine besondere Art bestimmt wird. Subjekt und Prädikat können unbestimmt bleiben. Die Kopula hingegen kann nicht anders als bestimmt gedacht werden; und selbst Subjekt und Prädikat können nur in Rücksicht auf empyrische Merkmale, nicht aber in Rücksicht auf transzendentale Merkmale unbestimmt bleiben, weil sie sonst gar keine Bedeutung haben würden. |
2) Ich verwerfe das bloße diskursive Denken, als eine leere Fikzion, die keinen reellen Grund hat, gänzlich, schränke meine Theorie des Denkens bloß auf das reelle Denken ein und ziehe das Denken der Objekte der Erfahrung in Zweifel. Meine Logik wird also mehr (als die Formen, und den ihnen zum Grunde liegenden transzendentalen Begriffen) in sich aber weniger unter sich begreifen.
3) Ich suche ein allgemeines Kriterium des reellen Denkens in dem von mir genannten Grundsatz der Bestimmbarkeit auf; aus diesem Grundsatz leite ich die logischen Formen her und bringe sie in systematische Verbindung mit einander. Aus diesem System ergiebt es sich, daß die sonst in der Logik vorkommenden Formen des Denkens nicht ursprüngliche, sondern bloß aus diesem...
Erscheint lt. Verlag | 12.8.2016 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Geisteswissenschaften |
ISBN-10 | 3-7412-6782-1 / 3741267821 |
ISBN-13 | 978-3-7412-6782-6 / 9783741267826 |
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