USA (eBook)
320 Seiten
Links, Ch (Verlag)
978-3-86284-338-1 (ISBN)
Ute Mehnert, die in den USA lebt, hat einen ebenso informativen wie unterhaltsamen Wegweiser für ein Land geschrieben, in dem man nur ankommt, wenn man immer in Bewegung bleibt.
Jahrgang 1964, Studium der Geschichte, Anglistik und Politologie in Köln, 1989-92 Wiss. Mitarbeiterin in einem DFG-Projekt zur Geschichte der deutsch-amerikanischen Beziehungen, 1993 Promotion, 1995-2008 Redakteurin der Nachrichtenagentur Agence France-Presse (AFP) in Bonn und Wirtschaftskorrespondentin in Berlin. Seit 2006 lebt sie als freie Journalistin und »Soccer Mom« in Princeton, New Jersey.
Jahrgang 1964; Studium der Geschichte, Anglistik und Politologie in Köln; 1989–92 Wiss. Mitarbeiterin in einem DFG-Projekt zur Geschichte der deutsch-amerikanischen Beziehungen; 1993 Promotion; 1995–2008 Redakteurin der Nachrichtenagentur Agence France-Presse (AFP) in Bonn und Wirtschaftskorrespondentin in Berlin. Seit 2006 lebt sie als freie Journalistin und "Soccer Mom" in Princeton, New Jersey.
Ein Land, das alle schon kennen – und das doch ganz anders ist
»We’re all living in Amerika – Amerika ist wunderbar.«
(Refrainzeile im Song »Amerika« der deutschen Rockgruppe Rammstein)
Seit Jahrhunderten ist Amerika das Land unserer Sehnsucht. Es ist die neue Welt, in der alle frei und gleich sind. Es ist das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, das aus Tellerwäschern Millionäre macht. Es ist die Traumfabrik, die Helden und Happy Ends produziert. Und es ist die Heimat des unverbesserlichen Optimismus, wo man nach vorn blickt statt zurück – weshalb schon Goethe der Neuen Welt zurief: »Amerika, du hast es besser.«
Seit Jahrhunderten erregt Amerika unseren Zorn. Es ist das Land des Raubtierkapitalismus, in dem Geld alles ist. Es ist die Wiege der Mickymaus-Kultur, die nur seichtes Entertainment kennt. Es ist das Land des Konsumterrors, wo Shoppingmalls und Fastfood-Ketten den Geschmack ruinieren. »Amerika – die Entwicklung von der Barbarei zur Dekadenz ohne Umweg über die Kultur«, wie es der französische Politiker Georges Clemenceau schon vor hundert Jahren formulierte.
Nur gleichgültig lässt uns Amerika nicht. Von Hassliebe ist oft die Rede, wenn es um das Verhältnis der Deutschen zu den USA geht (der Rest des Doppelkontinents ist mit »Amerika« so gut wie nie gemeint.) Das wird nirgends so sichtbar wie in unserer Faszination für die amerikanischen Präsidenten und all jene, die es werden wollen. Über Bill Clintons Affäre mit seiner Praktikantin waren wir Mitte der 1990er Jahre ebenso detailliert im Bilde wie über Hillary Clintons spektakuläre Wahlniederlage fast zwei Jahrzehnte danach. Wir haben George W. Bush verteufelt. Dann haben wir Barack Obama vergöttert – zumindest so lange, bis sich herausstellte, dass US-Geheimdienste in seinem Auftrag das Handy der deutschen Bundeskanzlerin abhörten. Doch niemand hat unsere Fantasie mehr beflügelt als Donald Trump. Seit seinem überraschenden Wahlsieg im November 2016 beschäftigt er Kommentatoren, Komiker und Karikaturisten wie kein zweiter. Die Titelbilder deutscher Magazine zeigten Trump als Diktator mit Sternenbanner-Toga und Hitlergruß, als Dr. Seltsam beim Ritt auf der Atombombe oder als Tsunami mit platinblonder Haartolle – eine Monsterwelle, die Washington hinwegfegt und die amerikanische Demokratie gleich mit. Wie Asterix und Obelix ihre Römer, so beobachten wir das Imperium unserer Zeit und stellen analog zu den Galliern fest: Die spinnen, die Amerikaner. Wenn wir uns nicht über Trump aufregen, schimpfen wir auf die »Datenkrake« Google oder über die »moderne Sklaverei« der Uber-Fahrer. Dann ziehen wir unser iPhone aus der Tasche und bestellen schnell noch was bei Amazon. »Warum die Amerikaner alles falsch machen«, hieß das schon vor Jahren in der Zeit, und Kommentator Robert Leicht bescheinigte der deutschen Öffentlichkeit insgesamt ein mangelhaftes Urteilsvermögen gegenüber den USA.
Wir alle wissen immer schon Bescheid, was Amerika ist und nicht ist. Es ist ein Ort in unserer Vorstellungswelt, zusammengesetzt aus Gemälden, Fotos, Nachrichten, Werbeplakaten, Reisen, Büchern, Songtexten, Sitcoms und Kinofilmen. Vieles davon verdanken wir den USA selbst, weil es Teil der amerikanischen soft power ist, von Hollywood, App Stores und Streaming-Diensten bis in die entlegensten Winkel der Welt geliefert. Den Siegeszug der demokratisierten Kultur made in USA nach dem Zweiten Weltkrieg hat Michael Rutschky als Zeitzeuge im Titel seiner »deutschen Entwicklungsgeschichte« auf den Punkt gebracht: Wie wir Amerikaner wurden.
Auch mich lockte die amerikanische Verheißung, seit ich denken kann. Nie werde ich mein erstes T-Shirt vergessen: hellblau, mit aufgedrucktem Donald Duck, der vor dem Sternenbanner posierte. Ich hatte so lange gebettelt, bis meine Mutter es mir kaufte – zum Ärger meines Vaters, der das »billige amerikanische Ding« abscheulich fand. Als McDonald’s 1971 seine erste Filiale in Deutschland eröffnete, machte der Stern daraus sogar ein Titelbild: Wie Ufos aus einer anderen Welt schwebten Hamburger über den Atlantik auf die deutsche Küste zu; im Hintergrund glitzerte die Skyline von New York. Für uns Kinder waren Geburtstagspartys in den neuen Fastfood-Restaurants damals das Größte, auch wenn unsere Eltern über die »amerikanischen Labberbrötchen« die Nase rümpften.
Mitte der 1980er Jahre reiste ich zum ersten Mal in die USA. Drei Wochen lang genoss ich als Touristin im Südwesten des Landes die entspannte Atmosphäre eines Roadmovies, begegnete vielen freundlichen Amerikanern – und meinte überall Vertrautes zu erkennen. Lebenskünstler auf Surfbrettern unter der Golden Gate Bridge. Grandiose Natur und einsame Motels an endlosen Highways. Selbstvergessene alte Ladies an den slot machines in Las Vegas. Rettungsschwimmer am Strand von Malibu, die von Hollywood-Karrieren träumten. In dieser kurzen Zeit bekam mein Klischee-Amerika kaum einen Kratzer.
1990 ging es erneut, aber diesmal unter ganz anderen Vorzeichen in die USA: Sechs Monate Archivarbeit in Washington, D. C. Erst hier, konfrontiert mit dem amerikanischen Alltag und seinen Institutionen, lösten sich die scheinbaren Gewissheiten auf. Auch hier begegnete ich vielen freundlichen Amerikanern – aber es gab betretene Gesichter, als ich den Satz: »Du musst uns unbedingt besuchen«, wörtlich nahm und einfach vorbeischaute. Und dass es im Land of the Free nicht ratsam ist, Autoritäten in Frage zu stellen, wurde mir abrupt klar, als ich im Pendlerzug beim Gepäckverstauen dem Schaffner widersprach: Ich musste umgehend wieder aussteigen.
Inzwischen lebe ich auf unbestimmte Zeit mit meiner Familie in Princeton, New Jersey. Wir wohnen in einem typisch amerikanischen, weißen Holzhaus mit grünen Fensterläden und ohne Gartenzaun. Jeder Besucher aus Deutschland schüttelt den Kopf über die durchhängenden Leitungen, auf denen Eichhörnchen zwischen Haus und Strommasten turnen – und staunt über die staatlich subventionierten Solarzellen auf dem Dach, die wir noch den amerikanischen Vorbesitzern verdanken. Wir sind große Fans unseres Postboten, der nicht nur Briefe bringt, sondern auch gern welche mitnimmt und für uns abschickt. Und doch erleben wir bei (fast) jedem Behördengang, dass es in Amerika bürokratischer zugehen kann als in unserer dafür berüchtigten Heimat.
Kurz und gut: Wer für längere Zeit aus Deutschland in die USA kommt, findet zunächst viel Vertrautes, ist nach wenigen Wochen gründlich irritiert und weiß nach einigen Monaten gar nichts mehr. Das Vertraute kollidiert mit dem Fremden, das wir bei allem Vorwissen eben doch nicht im Blick hatten. An diesem Kontrast arbeiten sich alle ab, die nicht nur zum Shopping mit Rundreise nach New York fliegen. Amerikaner sind Workaholics – doch im Alltag merkt man ihnen Stress kaum an. Amerikaner sind prüde – haben aber zugleich die größte Porno-Industrie der Welt. Die USA sind God’s Own Country – und doch wird man kaum ein Land finden, das die Trennung von Religion und Staat strikter einhält. Amerikaner sind scharf aufs Geldverdienen – und trotzdem ist fast jeder irgendwo ehrenamtlich engagiert. Amerikaner sind maßlose Energieverschwender – doch 2015 haben die USA laut UNO fast fünfmal so viel Geld in erneuerbare Energien investiert wie Deutschland, und in der Sesamstraße musste Oscar, der Griesgram mit dem grünen Zottelfell, aus seiner alten Mülltonne ausziehen: Der Kinderserienheld wohnt jetzt in einem Recyclingcontainer.
Irritierend ist auch die ungeheure Dynamik dieses Landes: Amerika ist, ebenso wie seine Bewohner, fast immer in Bewegung. Das gilt derzeit insbesondere für die Wirtschaft, wo Firmen wie Amazon, Netflix und Uber – eben noch Start-ups – ganze Branchen aufmischen. Aber auch die rasante demografische Entwicklung sorgt für Unruhe. Noch bis vor kurzem waren Afro-Amerikaner die größte Minderheit. Heute sind es die sogenannten Latinos, also Einwohner lateinamerikanischer Abstammung, und nach ihnen sind Asiaten die am schnellsten wachsende Bevölkerungsgruppe. Schon bald werden die weißen Amerikaner selbst nur noch eine von vielen Minderheiten sein. Schwarz versus Weiß – diese einfache Farbenlehre reicht längst nicht mehr aus. Nimmt man noch die schiere Größe und regionale Vielfalt der Vereinigten Staaten hinzu, dann ist es eigentlich gar kein Wunder, dass man sich als Fremder leicht (ver)irrt.
Auch dieses Buch kann Ihnen nicht in ein paar griffigen Formeln erklären, wie Amerika zu verstehen ist. Noch weniger geht es auf die Suche nach einem »eigentlichen Amerika« (das ja oft irgendwo im Heartland, in einem eher ländlichen Landesinneren vermutet wird, obwohl acht von zehn Amerikanern heute in urbanen Ballungsgebieten leben). Es möchte vielmehr ein Wegweiser sein für Ihren eigenen Zugang zum »Land der unbegrenzten Möglichkeiten«, das diesen Beinamen ja nicht von ungefähr trägt.
Erzählt wird einiges aus der Geschichte der Vereinigten Staaten und ihrer Entstehung als Gegenmodell zum alten Europa. Sie wird Ihnen, sei es mächtig glorifiziert oder heftig umstritten, auch im heutigen Alltag überall begegnen, und so manche amerikanische Eigenheit ist ohne Kenntnis dieser Wurzeln kaum zu verstehen. Hauptsächlich geht es aber darum, wie man in den USA heute lebt und lernt, baut und wohnt, isst und einkauft, Sport treibt und Politik macht.
Das ist ohne Pauschalisierungen nicht zu schaffen. Von »Amerika«...
Erscheint lt. Verlag | 19.7.2018 |
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Reihe/Serie | Länderporträts |
Zusatzinfo | 1 Karte/Tabelle |
Verlagsort | Berlin |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber |
Reiseführer ► Nord- / Mittelamerika ► USA | |
Geisteswissenschaften ► Geschichte ► Regional- / Ländergeschichte | |
Schlagworte | Amerika • Amerika als Sehnsucht • Amerikas Schulsystem • barack obama • Baseball • Bernie Sanders • College • Donald Trump • Einwanderung • Expats • Fastfood • Hillary Clinton • Homestead • Kredit • malls • Mittlerer Westen • Nordosten • Obama • Politik • Power Center • Religion • Shopping • skyscrapers • Slowfood • South • Sport • Super Bowl • thanksgiving • The American Dream • Think Positive • Trump • USA • Vereinigte Staaten • Westen • Zukunftsstädte |
ISBN-10 | 3-86284-338-6 / 3862843386 |
ISBN-13 | 978-3-86284-338-1 / 9783862843381 |
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