Die Ungewissheit des Zukünftigen
Herausgegeben von Frank Becker, Stefan Brakensiek und Benjamin Scheller
Lange galt es als Tugend des Historikers, das vergangene Geschehen zu ordnen: Übersichtlichkeit zu schaffen, wo Durcheinander herrschte, kausale Zusammenhänge zu erkennen, wo das Vorher und Nachher chaotisch aufeinander folgten. Die aktuelle historische Forschung erschüttert diese Sichtweise mit dem Hinweis auf Beliebigkeit, Zufälligkeit und Ungewissheit - allesamt Bedeutungsschichten des Begriffs der Kontingenz. Kontingent erscheint historisches Geschehen dem rückblickenden Beobachter - und nicht weniger bereits den Zeitgenossen. Der Band behandelt Begegnungen mit Zukunftsungewissheit und bietet Reflexionen über den Begriff der Kontingenz, die aus Geschichtswissenschaft, Soziologie, Philosophie und Politikwissenschaft stammen.
Lange galt es als Tugend des Historikers, das vergangene Geschehen zu ordnen: Übersichtlichkeit zu schaffen, wo Durcheinander herrschte, kausale Zusammenhänge zu erkennen, wo das Vorher und Nachher chaotisch aufeinander folgten. Die aktuelle historische Forschung erschüttert diese Sichtweise mit dem Hinweis auf Beliebigkeit, Zufälligkeit und Ungewissheit - allesamt Bedeutungsschichten des Begriffs der Kontingenz. Kontingent erscheint historisches Geschehen dem rückblickenden Beobachter - und nicht weniger bereits den Zeitgenossen. Der Band behandelt Begegnungen mit Zukunftsungewissheit und bietet Reflexionen über den Begriff der Kontingenz, die aus Geschichtswissenschaft, Soziologie, Philosophie und Politikwissenschaft stammen.
Frank Becker ist Professor für Neuere und Neueste Geschichte am Historischen Institut der Universität Duisburg-Essen.
Benjamin Scheller ist Professor für die Geschichte des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit an der Universität Duisburg-Essen und Sprecher der DFG-Forschungsgruppe »Ambiguität und Unterscheidung.
Ute Schneider ist Professorin für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte an der Universität Duisburg-Essen.
Inhalt
Vorwort7
Frank Becker, Benjamin Scheller, Ute Schneider
Kontingenzkulturen - Kontingenzgeschichten: Zur Einleitung9
Benjamin Scheller
Zukunftspraktiken - Die Zeitlichkeit des Sozialen und die Krise der modernen Rationalisierungen der Zukunft31
Andreas Reckwitz
Die Möglichkeiten einer vergangenen Zukunft und die Intentionalität historischen Handelns55
Doris Gerber
Heute war damals keine Zukunft - Dimensionen einer Historischen Zukunftsforschung im 20. Jahrhundert79
Lucian Hölscher
Kontingenz und Geschichtswissenschaft - Aktuelle und künftige Felder der Forschung95
Uwe Walter
Das Problem der Kontingenz in den Sozialwissenschaften und die Versuche seiner Bannung119
Wolfgang Knöbl
Wie Hase und Igel - Social engineering und Kontingenz in der ambivalenten Moderne139
Thomas Etzemüller
Die Untrennbarkeit von Sicherheit und Risiko - Über die Komplementarität von Strategien und Mentalitäten in Sicherheitsregimen und Risikomanagement161
Herfried Münkler
Risiko - Kontingenz, Semantik und Fernhandel im Mittelmeerraum des Hoch- und Spätmittelalters185
Benjamin Scheller
Die "Zukunft" und der "Zufall" - Kontingenz in der prognostischen Apokalyptik des Dietrich Graminaeus (1567-1594)211
Ralf-Peter Fuchs
Zur Historisierung von Nichtwissen - Das Beispiel der französischen und englischen Mittelmeerimperien (1650-1750)233
Cornel Zwierlein
Autorinnen und Autoren261
"Die Einzelbeiträge (...) liefern interessante und häufig anschauliche Einblicke in die historisch-kulturelle Vielfalt des menschlichen Umgangs mit kontingenten Ereignissen. (...) Im Hinblick auf die Beschreibung und Analyse einzelner Kontingenzphänomene darf von einem empirisch respektablen Forschungsertrag gesprochen werden." Uwe Barrelmeyer, H-Soz-Kult, 09.02.2017
»Die Einzelbeiträge (...) liefern interessante und häufig anschauliche Einblicke in die historisch-kulturelle Vielfalt des menschlichen Umgangs mit kontingenten Ereignissen. (…) Im Hinblick auf die Beschreibung und Analyse einzelner Kontingenzphänomene darf von einem empirisch respektablen Forschungsertrag gesprochen werden.« Uwe Barrelmeyer, H-Soz-Kult, 09.02.2017
Vorwort
Der vorliegende Band eröffnet die neue Reihe "Kontingenzgeschichten". Seine Beiträge gehen größtenteils auf Vorträge zurück, die ihre Autorinnen und Autoren bei verschiedenen Veranstaltungen des Graduiertenkollegs "Vorsorge, Voraussicht und Vorhersage. Kontingenzbewältigung durch Zukunftshandeln" in Essen gehalten haben. Sie thematisieren unterschiedliche Dimensionen der Geschichte und Konzeptualisierung von Kontingenz, die für das Forschungsprogramm des Kollegs von Bedeutung sind und auch über dieses hinausweisen. Dabei nehmen sie komplementäre, aber auch kontrastierende, historische, sozialwissenschaftliche und philosophische Perspektiven ein.
Das Graduiertenkolleg "Vorsorge, Voraussicht und Vorhersage", das die Deutsche Forschungsgemeinschaft 2013 am Historischen Institut der Universität Duisburg-Essen eingerichtet hat, steht im Kontext einer ganzen Reihe von aktuellen Forschungsunternehmungen, die sich in unterschiedlicher Weise mit der Historizität von Zukunft und den ungewissen Möglichkeiten befassen, die diese stets barg und birgt. Dabei liegt sein spezifischer Zugang darin, die Analyse von der Ebene der Zukunftsvorstellungen auf die Ebene der aktiven Haltungen zu verlagern, welche die Akteure zur Zukunft einnahmen und auf die Handlungsoptionen, die diese aktiven Haltungen ermöglichten. Sie sollen kulturvergleichend und epochenübergreifend untersucht werden, um so die Pluralität gesellschaftlicher Möglichkeitshorizonte in der Geschichte herauszuarbeiten. In der Reihe "Kontingenzgeschichten" sollen künftig Beiträge und Arbeiten erscheinen, die sich diesem Forschungsprogramm verschreiben, unabhängig davon, ob sie im Kontext des Graduiertenkollegs "Vorsorge, Voraussicht und Vorhersage" entstanden sind.
Wir danken Andreas Blume, Philipp Föhrenbach, Pamela Mannke-Gardecki, Franzisca Scheiner, Dr. Olav Heinemann und Dr. des. Christian Hoffarth für tatkräftige Hilfe bei der Redaktion des Bandes, dem Kulturwissenschaftlichen Institut Essen und seinem Direktor Claus Leggewie für Gastfreundschaft und Unterstützung bei den Tagungen und Workshops des Graduiertenkollegs, Jürgen Hotz vom Campus Verlag für die gute Zusammenarbeit und nicht zuletzt der Deutschen Forschungs-gemeinschaft für die Bezuschussung der Druckkosten.
Frank Becker, Benjamin Scheller und Ute Schneider
Essen im Mai 2016
Kontingenzkulturen - Kontingenzgeschichten: Zur Einleitung
Benjamin Scheller
Kontingenz hat ihre Geschichten. Denn Menschen sahen und sehen sich stets durch die Möglichkeiten, die die Zukunft birgt, herausgefordert. Wie sie sich mit diesen auseinandersetzten und sich auf sie einstellten, ist dabei jedoch abhängig von unterschiedlichen Praxisfeldern und variiert historisch. Das ist im Kern die Arbeitshypothese des Graduiertenkollegs 1919 Vorsorge, Voraussicht und Vorhersage, das die Deutsche Forschungsgemeinschaft im Jahr 2013 am Historischen Institut der Universität Duisburg-Essen eingerichtet hat. Es hinterfragt mit dieser Hypothese eine historische Meistererzählung, die zum einen fest in den Geschichts- und Kulturwissenschaften verankert ist, zum anderen jedoch geradezu zum Selbstverständnis der westlichen Moderne gehört: Die Erzählung von der Entdeckung der Kontingenz und ihrer aktiven Bewältigung in der Moderne.
Diese Erzählung besteht aus drei Teilnarrativen. Das Erste hat die Germanistin Susanne Reichlin unlängst mit den Worten resümiert:
"Während in der Vormoderne Kontingenz bloß eine vordergründige Instabilität darstellt, die durch eine höhere zeitlose Ordnung stabilisiert ist, wird in der Moderne die 'Ordnung' selbst kontingent."
Die historische Voraussetzung für diese Entgrenzung des Möglichkeits-bewusstseins wird zweitens in seiner Freisetzung aus den Bindungen an bisherige Erfahrungen gesehen, also in jenem Prozess, den Reinhart Koselleck als das Auseinandertreten von "Erfahrungsraum und Erwartungshorizont" charakterisiert und auf die Neuzeit, vor allem aber auf die v
Erscheinungsdatum | 09.08.2016 |
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Reihe/Serie | Kontingenzgeschichten ; 1 |
Co-Autor | Thomas Etzemüller, Ralf-Peter Fuchs, Doris Gerber, Lucian Hölscher, Christoph Kampmann, Wolfgang Knöbl, Herfried Münkler |
Verlagsort | Frankfurt |
Sprache | deutsch |
Maße | 143 x 213 mm |
Gewicht | 338 g |
Themenwelt | Geisteswissenschaften ► Geschichte ► Allgemeines / Lexika |
Geisteswissenschaften ► Geschichte ► Geschichtstheorie / Historik | |
Schlagworte | Beliebigkeit • Chaos • Forschung • Geschichte • Geschichte / Theorie u. Methoden • geschichtliche Abläufe • Kontingenz • Ordnung • Rückblick • Ungewissheit • Voraussicht • Vorhersage • Vorsorge • Zufall • Zufälligkeit • Zukunft |
ISBN-10 | 3-593-50525-8 / 3593505258 |
ISBN-13 | 978-3-593-50525-1 / 9783593505251 |
Zustand | Neuware |
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