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Die Natur des Geistes (eBook)

eBook Download: EPUB
2016 | 1. Auflage
320 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-403476-8 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die Natur des Geistes -  Michael Pauen
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Ist eine wissenschaftliche Erklärung unseres Geistes möglich? Diese Frage beantwortet das neue Buch ?Die Natur des Geistes? des renommierten Philosophen Michael Pauen. Das »Jahrzehnt des Gehirns« ist lange vorbei, doch eine Erklärung des Geistes scheint ferner denn je. Müssen wir uns also damit abfinden, dass Bewusstsein niemals erklärt werden kann? Michael Pauen legt in seinem neuen Buch dar, dass das Problem lösbar ist. Die Forschungsgeschichte zeigt nämlich, dass sich unsere Vorstellungen von Geist und Gehirn immer wieder tiefgreifend verändert haben. Selbst wenn das Problem in seiner heutigen Gestalt unlösbar wäre - für die Zukunft können wir das noch lange nicht behaupten. Das gilt insbesondere für den scheinbar unüberwindlichen Gegensatz zwischen subjektiver Erfahrung und objektiver wissenschaftlicher Erkenntnis. Damit wird ein umfassendes naturalistisches Verständnis des Geistes möglich - und eine überraschende Lösung zeichnet sich ab.

Michael Pauen, geboren 1956, studierte Philosophie in Marburg, Frankfurt am Main und Hamburg. Nach der Habilitation 1995 war er Professor für Philosophie an der Universität Magdeburg und lehrt nun am Institut für Philosophie der Humboldt-Universität zu Berlin, wo er auch Sprecher der Berlin School of Mind and Brain ist. Im S. Fischer Verlag hat er veröffentlicht ?Illusion Freiheit? Mögliche und unmögliche Konsequenzen der Hirnforschung? (2004), ?Grundprobleme der Philosophie des Geistes. Eine Einführung? (2005) sowie zuletzt gemeinsam mit Harald Welzer ?Autonomie. Eine Verteidigung? (2015).

Michael Pauen, geboren 1956, studierte Philosophie in Marburg, Frankfurt am Main und Hamburg. Nach der Habilitation 1995 war er Professor für Philosophie an der Universität Magdeburg und lehrt nun am Institut für Philosophie der Humboldt-Universität zu Berlin, wo er auch Sprecher der Berlin School of Mind and Brain ist. Im S. Fischer Verlag hat er veröffentlicht ›Illusion Freiheit? Mögliche und unmögliche Konsequenzen der Hirnforschung‹ (2004), ›Grundprobleme der Philosophie des Geistes. Eine Einführung‹ (2005) sowie zuletzt gemeinsam mit Harald Welzer ›Autonomie. Eine Verteidigung‹ (2015).

[Das] Buch strahlt eine forsche Zuversicht aus, von der man sich gerne anstecken lässt.

Pauens Versuch, die Vereinbarkeit von interner und externer Bewusstseinserkundung zu beweisen, überzeugt durch Sachkenntnis […] und einen wohltuend ruhigen, unpolemischen Argumentationsstil.

Michael Pauen verbindet in vorbildlicher Weise historische Betrachtungen mit systematischen Fragestellungen sowie begrifflich-theoretische Erörterungen mit der Interpretation empirischer Befunde.

Pauen schreibt argumentativ, ohne belehrend zu wirken.

Michael Pauen bietet mit seinem Buch einen erfrischenden Blickwinkel.

argumentativ vorbildlich

Kapitel I: Historische Hintergründe


Einleitung: »Das« Problem


Wenn man sich mit der Vorgeschichte der heutigen Erforschung von Geist und Gehirn befassen will, muss man weit zurückgehen. Bereits in den frühesten erhaltenen Kulturzeugnissen, z.B. in den Wandbildern der Höhlen von Lascaux, in neolithischen Dolmengräbern,[20] den Homerischen Epen, den Platonischen Dialogen, aber auch in vielen Zeugnissen aus nicht-westlichen Kulturen[21] finden sich Belege dafür, dass dieses Problem die Menschheit schon seit sehr langer Zeit beschäftigt hat. Von einem Problem und dessen Vorgeschichte zu sprechen stellt allerdings schon eine grobe Vereinfachung dar, die den Kern einer der zentralen Thesen dieses Buches betrifft: Es geht in dieser Geschichte eben nicht um die Auseinandersetzung mit einer klar umrissenen Fragestellung. Zentrale Behauptung dieser Arbeit insgesamt und des vorliegenden Kapitels im Besonderen ist vielmehr, dass sich in der bisherigen Geschichte der Auseinandersetzung mit Geist und Gehirn auch die Vorstellung von dem zu lösenden Problem fundamental gewandelt hat. Dies zeigt sich schon an dem Begriffswandel, der sich hier beobachten lässt: Während am Beginn dieser Geschichte seelenähnliche Vorstellungen dominieren, ist später eher vom Geist die Rede; seit dem 17. Jahrhundert tritt dann der Bewusstseinsbegriff zunehmend in den Vordergrund. Die Entwicklung setzt sich bis in die Gegenwart fort, und auch in Zukunft müssen wir mit weiteren Veränderungen unserer Vorstellung von dem Problem rechnen.

Doch warum kann man dann überhaupt noch davon ausgehen, dass hier ein Zusammenhang besteht, der es erlaubt, mehrere Jahrtausende alte Seelenvorstellungen für unsere heutigen Auseinandersetzungen mit Geist und Gehirn in Anspruch zu nehmen? Die Antwort auf diese Frage ist ein wenig komplizierter. Grob zusammengefasst hat sie zwei zentrale Aspekte: Zum einen erhalten sich trotz aller Verschiedenheiten gewisse inhaltliche Übereinstimmungen über die Zeit hinweg: Wenn der biblische Gott Adam den Lebensatem einhaucht, dann verwandelt er damit ein Stück unbelebter Materie in ein Lebewesen. Doch offenbar besitzt Adam auch geistige Fähigkeiten – nur deshalb ist er für die Einflüsterungen der Schlange empfänglich und empfindet später so etwas wie Scham und Reue. Deutlicher noch ist dies im platonischen TIMAIOS, der den Schöpfungsprozess der Seele beschreibt und dabei ausführlich auf Schmerzempfindungen, Emotionen und Wahrnehmungen eingeht.[22]

Seelen sind zwar zunächst vor allem Dinge oder Substanzen, die von außen beschrieben werden: als Vogel, als Hauch oder als Homunculus. Doch zumindest am Rande dienen sie auch der Erklärung dessen, was wir heute unter Bewusstsein verstehen. Vor allem aber befassen sich Seelenlehren mit den Unterschieden zwischen belebter und unbelebter Materie, zwischen menschlichem und nichtmenschlichem Leben, aber sie beschäftigen sich auch mit der Wahrnehmung oder dem Willen.

Tatsächlich kann denn auch aus einem zweiten Grund von einem übergreifenden Problemzusammenhang gesprochen werden: Es kommt nicht einfach zu einer zufälligen Abfolge unterschiedlicher Begriffe und Problemvorstellungen, vielmehr gibt es hier eine Kontinuität mit einer klar erkennbaren Entwicklungslogik: Während die ursprünglichen Seelenvorstellungen vergleichsweise umfassend und dabei gleichzeitig wenig ausdifferenziert und explizit sind, kommt es im weiteren Verlauf vor allem mit der Etablierung des Bewusstseinsbegriffs zu einer Ausdifferenzierung, die eine genauere Beschreibung und eine explizite Benennung einzelner Phänomene wie Wahrnehmung, Emotionen und später dann auch unterschiedlicher Formen des Bewusstseins erlaubt. Verbunden ist damit eine bereits angesprochene Subjektivierung. Während die alten Seelenlehren meist von Substanzen oder Objekten sprechen, geht es für die Bewusstseinstheoretiker vor allem in späteren Phasen der Forschungsgeschichte mehr und mehr um die subjektive Erfahrung.

Außerdem wird der Bereich des Übernatürlichen mit zunehmendem wissenschaftlichem Wissen immer enger gefasst. Bis zu Descartes wurden die meisten seelischen Fähigkeiten einschließlich der Wahrnehmung, der Emotionen und auch der Belebtheit selbst als übernatürlich betrachtet: Es ist Gott selbst, der Adam den Lebensatem einhaucht. Descartes glaubt dann, die Lebensfunktionen, aber auch weite Teile von Wahrnehmungen und Emotionen auf natürliche Prozesse zurückführen zu können, während die höheren Seelenfunktionen wie Geist und Sprache einer solchen Erklärung entzogen seien. Hier kommt es erst im Verlaufe des 19. Jahrhunderts zu entscheidenden Veränderungen. Nach einer Vielzahl spektakulärer Entdeckungen in der Hirnforschung scheint die wissenschaftliche Erklärung höherer kognitiver Funktionen einschließlich der Sprache in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nach den Entdeckungen von Broca, Wernicke, Hitzig und Fritsch plötzlich in die Reichweite der Naturwissenschaften zu gelangen; die Details werden im Folgenden zu erörtern sein. Hier ist zunächst entscheidend, dass es zusätzlich zu den inhaltlichen Gemeinsamkeiten mit heutigen Bewusstseinsvorstellungen noch eine Kontinuität der Entwicklung gibt, die es erlaubt, über alle Veränderungen hinweg von einem Problemkomplex zu sprechen.

Wissenschaft, Natur und Transzendenz


Wie gerade bereits geschehen, wird es auch im weiteren Verlauf dieses Kapitels immer wieder nötig sein, zwischen »natürlichen« und »übernatürlichen« Prozessen und Erklärungen zu unterscheiden. Typische Beispiele von natürlichen Prozessen sind die Bewegung eines Pendels oder die Entladung eines Neurons, also Vorgänge, die sich auch in einer – aus heutiger Sicht – naturwissenschaftlichen Sprache beschreiben lassen.[23] Andere Beschreibungen sind dabei ausdrücklich erlaubt. Ein halbwegs angemessener Bericht von einer Opernaufführung wird kaum physikalische Formeln verwenden; dennoch wäre die Aufführung ein natürliches Phänomen, solange eine Beschreibung in der Sprache der Naturwissenschaften möglich ist – auch wenn sie in den meisten Fällen völlig uninformativ und vermutlich unfassbar lang wäre. Typische Beispiele übernatürlicher Prozesse sind göttliche Schöpfungsakte, Wunder oder aber die Lösung einer immateriellen Seele vom Körper. Der Bericht von einer Opernaufführung würde daher die Grenzen des Naturalismus überschreiten, wenn er die Leistungen der Sänger auf ihre göttlichen Fähigkeiten zurückführen würde, statt sich auf z.B. ihre gute Ausbildung zu berufen.

Als naturalistisch werden dann konsequenterweise solche Theorien bezeichnet, die sich ausschließlich auf natürliche Phänomene beziehen, also auf Phänomene, die auch mit naturwissenschaftlichen Methoden erfassbar sind. Eine naturalistische Theorie des Bewusstseins sollte sich auf die Methoden beschränken, die wir auch sonst zur Erklärung natürlicher Phänomene heranziehen. Dabei kann sie mit einer Phänomenologie subjektiver Erfahrung beginnen, ja sie sollte dies sogar, weil andernfalls die Gefahr bestünde, dass das zu erklärende Phänomen verfehlt wird. Gleichzeitig muss eine solche Theorie davon ausgehen, dass der subjektiven Erfahrung Prozesse zugrunde liegen, die z.B. auch in der Sprache der Neurobiologie erfasst werden können. Die Grenze wäre wiederum überschritten, wenn die Erklärung stattdessen Bezug auf eine immaterielle Seele nähme.

Die Unterscheidung von natürlichen und übernatürlichen Phänomenen erscheint sinnvoll, auch wenn sie von heutigen Maßstäben ausgeht. Für Menschen früherer Epochen hat es eine solche Dichotomie von natürlich und übernatürlich häufig nicht gegeben – die Einflüsse von Göttern, Sternen und Wundern waren Bestandteil der alltäglichen Lebenswelt und wurden in der Regel auch von Philosophen akzeptiert. Doch der bloße Glaube wird an der faktischen Wirkungslosigkeit übernatürlicher Kräfte wenig geändert haben. Der Tod dürfte auch im Mittelalter im Allgemeinen durch Organversagen eingetreten sein und nicht durch das Aushauchen einer immateriellen Seele. Insofern kann man die heutige Unterscheidung zwischen natürlichen und übernatürlichen Phänomenen auch verwenden, wenn es um Epochen geht, die selbst ganz andere Kategorien benutzten.

Voraussetzung ist natürlich, dass man sich dieser historischen Differenz bewusst bleibt. Nur so kann man die Rationalität historischer Theorien auch dort erkennen, wo sie dem gegenwärtigen Erkenntnisstand zuwiderlaufen. Tatsächlich erweisen sich viele aus heutiger Sicht obsolete Theorien als bestens nachvollziehbar, wenn man ihren zeitgenössischen Kontext berücksichtigt. Das bedeutet auch, dass unsere eigene Rationalität uns – natürlich – nicht davor bewahren kann, revisionsbedürftige Theorien aufzustellen.

Plan


Das folgende Kapitel gliedert sich in vier Abschnitte. Im ersten Abschnitt werde ich zunächst einen Überblick über alte, vorphilosophische Seelenvorstellungen geben, so wie sie sich in religiösen und literarischen Texten, aber auch in Zeugnissen der bildenden Kunst und in der Philosophie der Antike finden. In zweiten Abschnitt wird es dann um die Etablierung des Bewusstseinsbegriffs im 17. und frühen 18. Jahrhundert bei Autoren wie Descartes, Cudworth, Locke, Leibniz und Pseudo-Mayne gehen. Dabei werde ich insbesondere die Engführung von Bewusstsein und Wissen verfolgen, die bis heute eines...

Erscheint lt. Verlag 27.4.2016
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Religion / Theologie
Schlagworte Aristoteles • Bewusstsein • Dritte-Person-Perspektive • Erste-Person-Perspektive • Geschichte der Hirnforschung • Hirnforschung • Introspektion • Naturalisierung • Objektivität • Philosophie des Geistes • Sachbuch • Seelenvorstellung • Subjektivität • Theory of Mind
ISBN-10 3-10-403476-1 / 3104034761
ISBN-13 978-3-10-403476-8 / 9783104034768
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