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Unglaubliches Wien -  Harald Havas

Unglaubliches Wien (eBook)

Entdeckungen für Fortgeschrittene

(Autor)

eBook Download: EPUB
2014 | 1. Auflage
192 Seiten
Metroverlag
978-3-99300-707-2 (ISBN)
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Harald Havas flaniert wieder. Im dritten Band seiner Erfolgsreihe über die kuriosen Seiten seiner Heimatstadt Wien spürt er erneut Erstaunliches auf und geht den vermeintlichen Kuriositäten mit viel Witz und Charme auf den Grund. So erfahren wir endlich, warum die Westautobahn bei Kilometer 9 beginnt, wo es in Wien zur Hölle geht und warum die Stadtbahn zwischenzeitlich verschwunden ist. Harald Havas macht neugierig, verblüfft und unterhält!

Geboren 1964 in Wien, Studium der Publizistik und Romanistik, lebt als Journalist, Übersetzer, Buch-, Drehbuch-, Comic- und Spiele-Autor in Wien. Zahlreiche Publikationen, zuletzt 'Der Mann, der den Neusiedlersee trocken legen wollte' (Metroverlag, 2013).

Der Ring,
der nie gelungen

April 2012: Nach langen Diskussionen und politischen Querelen wurde endgültig beschlossen, eine der zentralen Straßen der Wiener Innenstadt umzubenennen. Also, nur einen Teil der Straße. Denn die Ringstraße stellt ja namenstechnisch wie geografisch einen Straßenzug dar, der aus verschiedenen Teilen mit verschiedenen Namen besteht. Welche Wiener Kinder in der Volksschule erlernen müssen – um sie in den meisten Fällen sogleich wieder zu vergessen. Und die auch keinen Ring ergeben. Denn wenn man den Stadtplan genauer betrachtet, wird man feststellen, dass der Ring eigentlich eher ein asymmetrisches, sechseckiges U darstellt. Nimmt man den Kai dazu, ein asymmetrisches Achteck. Und die Ecken sind außerdem, abgesehen vom Kai, nur ein einziges Mal gleichbedeutend mit dem Namenswechsel der Straße! Echt, überprüfen Sie’s.

Doch zurück zum Thema. Es geht also um den Teil, der nun umbenannt wird. Da der bei nochmaliger Überlegung aber eh einen eigenen Namen hat, wurde also eigentlich doch beschlossen, eine der zentralen Straßen der Wiener Innenstadt umzubenennen, nicht einen Teil. Außer man rechnet die Ecken mit ein, dann ... Aber egal.

Auch wegen dieser verwirrenden Tatsachen rund um den Ring wird die Umbenennung des Dr.-Karl-Lueger-Rings, von dem nämlich hier die Rede ist, weiten Teilen der Bevölkerung nicht besonders auffallen. Allerdings ist diese Umbenennung, in Universitätsring, natürlich sinnvoll. Denn das Problematische an der Gestalt des Namensgebers Dr. Karl Lueger ist ja, dass er nicht nur ein sehr populärer, sondern auch ein sehr populistischer Bürgermeister war. So sind ihm zwar eindeutig auch viele Verdienste um den Ausbau und Umbau Wiens in eine modernere und auch sozialere Stadt zuzuschreiben. Gleichzeitig bediente er aber die antisemitischen Gefühle seiner Zeit mit markigen Sprüchen und spielte auf den Vorurteilen der Bevölkerung wie auf einer Orgel sein eigenes Stück. Da nach wie vor viele andere Bauwerke und Orte in Wien seines Namens gedenken, unter anderem eine Kirche am Wiener Zentralfriedhof, können wohl auch eingefleischte Lueger-Fans, die es noch immer gibt, den Verlust der Bezeichnung des Ring-Teils verschmerzen. Denn es steht ja auch noch das Lueger-Denkmal am Rande des Parkrings, auf dem Dr.-Karl-Lueger-Platz. Ideen, dieses Denkmal nicht zu entfernen, sondern einfach leicht nach rechts zu neigen, um einerseits die rechte Neigung des Bürgermeisters zu demonstrieren und andererseits die Schieflage der heutigen Politik im Umgang mit seiner Person, werden wohl nicht in absehbarer Zeit realisiert werden. Obwohl das schon nett wäre.

Sogar ein Wienerlied, meist „Lueger-Lied“ genannt, gibt es über den Bürgermeister, das ausgerechnet von Hans Moser (eigentlich Johann Julier, nein, nicht Jean Julier oder Jean Juliet, wie oft fälschlicherweise behauptet), populär gemacht wurde. Derselbe Moser, dem es nur mit vielen Verrenkungen und diplomatischem Geschick gelang, seine jüdische Frau unbeschadet durch die Nazizeit zu bringen; und das außerdem aus der Operette „Essig und Öl“ stammt, die von Robert Katscher, der auch viele bekannte Lieder wie „Wenn die Elisabeth nicht so schöne Beine hätt“ komponierte, verfasst wurde. Der als Jude im Jahr 1938 in die USA emigrieren musste, wo er auch starb. Besagtes Lied nun wird oft auch „Der Doktor Lueger hat mir einmal die Hand gereicht“ genannt und enthält unter anderem folgende Textzeilen:

„Der Doktor Lueger hat mir einmal die Hand gereicht, er hat gesagt: Mein lieber Freund, mein braver Steuerträger, ich fürchte nicht für diese Stadt, solang sie solche Bürger hat. Dann hat er mir die Hand gereicht, der Doktor Lueger.“

Die Umbenennung des Dr.-Karl-Lueger-Rings, die auch damit zu tun hatte, dass Lueger eine Art Bildungsgegner war und die an der Straße gelegene Hauptuni schon länger darunter gelitten hat, seinen Namen in der Adresse führen zu müssen, war aber nicht die erste solche der bekannten Prachtstraße. Zur Zeit der Fertigstellung der Ringstraße und noch einige Zeit darüber hinaus herrschte nämlich bekanntermaßen die Monarchie absolut in Österreich. Und das spiegelte sich natürlich auch in der Benennung von Straßen wieder. Auch in der Zwischenkriegs-sowie der Nazizeit kam es zu – kurzfristigen – Umbenennungen. Weiters änderte sich die Länge der Abschnitte gelegentlich, was die historische Aufarbeitung der Veränderungen nicht gerade vereinfacht. Hier dennoch der Versuch eines Überblicks über die Namensund Längenwandel – beginnend bei der Urania, im Uhrzeigersinn und der heutigen Einbahn folgend:

  • Der Stubenring hatte Glück und hieß immer so. Benannt ist er nach dem nicht mehr existierenden Stubentor (siehe „Furioses Wien“, Kapitel „Kunst und Kultur, unterirdisch“). Die oft berichtete Benennung nach den sich vermutlich früher dort befunden habenden Badestuben ist laut dem – meist unfehlbaren – „Historischen Lexikon der Stadt Wien“ allerdings nicht nachweisbar.
  • Der Parkring hieß von 1910–1919 nach dem deutschen Herrscher „Kaiser Wilhelm-Ring“.
  • Der Schubertring hieß ursprünglich und bis 1928 „Kolowratring“, benannt nach Graf Kolowrat-Liebsteinsky, dem zwar nur kurzzeitigen, aber immerhin ersten konstitutionellen Ministerpräsidenten der österreichischen Monarchie.
  • Der Kärntner Ring (anfangs „Kärnthner Ring“) hieß von 1917–1920 „Kaiserin Zita-Ring“, nach der Gattin von Kaiser Karl I.
  • Der Opernring, ebenfalls von 1917–1920, nach Kaiser Karl I., daher „Kaiser Karl-Ring“.
  • Der Burgring reichte ursprünglich bis zum Parlament, der Teil bis zur Bellariastraße hat seinen Namen nie geändert, aber ...
  • Der Dr.-Karl-Renner-Ring, heute von Bellariastraße bis zum Rathausplatz reichend, hieß anfangs gemeinsam mit dem heutigen „Universitätsring“ ursprünglich „Franzensring“ nach Kaiser Franz II./I., dem letzten Kaiser des „Heiligen Römischen Reichs“ und ersten Kaiser Österreichs. Allerdings wurde gerade der Teil vor dem Parlament rasch zum Politikum und änderte seinen Namen infolge wie andere die Unterwäsche: ab 1919 hieß er „Ring des 12. Novembers“, nach der Ausrufung der Republik Deutschösterreich am 12.11.1918, und reichte da noch über die volle Länge bis zur Schottengasse (Jonas-Reindl). Aber schon 1934 wurde der Teil vorm Parlament in „Dr.-Ignaz-Seipel-Ring“ umbenannt, dem bislang einzigen katholischen Priester und Prälat, der in Österreich das Amt des Bundeskanzlers ausübte. 1940 war der Ständestaat, den er leitete, nicht mehr wohlgelitten und sein Ring wurde in „Josef-Bürckel- Ring“, nach dem damaligen NS-Gauleiter benannt. Neben Karl und Zita übrigens die einzige Benennung nach einer zum Benennungszeitpunkt noch lebenden Person. Freilich wurde die Straße 1945 wieder flugs in „Dr.-Ignaz-Seipel-Ring“ umgewandelt. Da die Rolle Seipels in der Zwischenkriegszeit und in der Nachkriegszeit jedoch zunehmend weniger rosig gesehen wurde, erhielt das Stückerl Straße 1949 den neutralen Namen „Parlamentsring“. Nur um schon 1956 seinen heutigen Namen nach Dr. Karl Renner, dem ersten Bundespräsidenten der Zweiten Republik, zu erhalten. Uff.
  • Der heutige Universitätsring war also anfangs noch Teil des „Franzensrings“ und dann des „Rings des 12. Novembers“. Er entstand schließlich 1934 durch Abtrennung vom heutigen „Dr.-Karl-Renner-Ring“ und trug ab da bis 2012 eben den Namen „Dr.-Karl-Lueger-Ring“. Der immer wieder durch die Gegend geisternde Name „Mölkerring“ (nach der Mölkerbastei) für diese Straße lässt sich seriös nicht nachweisen. Vielleicht war er aber ja eine Weile umgangssprachlich in Verwendung.


    Straße, wem Straße gebührt: die Haupt-Uni liegt jetzt am Universitätsring
  • Der Schottenring schließlich, benannt nach der zum Schottenstift führenden Schottengasse, sowie der ehemaligen Schottenbastei und dem ehemaligen Schottentor, hatte wie sein Kollege Stubenring das Glück, ebenfalls immer so zu heißen. Auch ich bin nicht undankbar.
  • Der Franz Josefs-Kai, Basis und Abschluss der Ringstraße, aber offiziell nicht dazugehörig, durfte seinen Namen behalten. Im Gegensatz zur angrenzenden Elisabeth-Promenade, die heute Rossauer Lände heißt, und an deren ehemaligen aristokratischen Namen nur mehr der Slang-Ausdruck „Liesl“ für das dort befindliche Polizeigefangenenhaus erinnert (siehe „Kurioses Wien“, Kapitel „Was in Wien wie heißt“).

Zu der auch nicht besonders bekannten Tatsache, dass ein Teil des heutigen Franz Josefs-Kais bis zu Kriegsende einen ganz anderen Namen trug, sowie zum ebenfalls am Kai gelegenen ehemaligen auch dynastisch benannten „Kaiser Ferdinands-Platz“, kann man in diesem Buch im Kapitel „Wo bitte ist der Schwedenplatz?“ nachlesen.

Apropos vergessenes Wien-Schulwissen: In der USFernsehserie „Friends“ gab es eine Episode, in der die Protagonisten ein Spiel spielten. Sie sollten alle US-Bundesstaaten auswendig auf ein Papier schreiben. In der Comedy-Serie verzweifelt der intellektuellste Charakter, Ross, an der Aufgabe und schaffte es trotz stundenlanger Versuche nicht, auf den letzten Bundesstaat zu kommen. Angelehnt daran habe ich einmal im Freundeskreis den Versuch unternommen, geborene Wiener die Namen der 23 Wiener Bezirke aufzählen zu lassen. Erschwerend kommt hier natürlich dazu, dass man in Wien – wie auch in Budapest oder Paris – die Bezirke meistens nicht beim Namen nennt, sondern ihre numerische Bezeichnung verwendet. Wie in „Früher habe ich im Dritten gewohnt, aber jetzt bin ich in den Zehnten gezogen“. Die Ergebnisse des Spiels waren je nach Sichtweise...

Erscheint lt. Verlag 16.1.2014
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber
Reisen Reiseführer Europa
Geisteswissenschaften Geschichte Regional- / Ländergeschichte
ISBN-10 3-99300-707-7 / 3993007077
ISBN-13 978-3-99300-707-2 / 9783993007072
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