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Klärungshilfe konkret (eBook)

Konfliktklärung im privaten, beruflichen und öffentlichen Bereich
eBook Download: EPUB
2013 | 1. Auflage
304 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-49591-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Klärungshilfe konkret -
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Konflikte kann man aussitzen oder eskalieren lassen, man kann vor ihnen davonlaufen oder gute Miene zum bösen Spiel machen. Hilfreich ist das alles nicht. Aber wie geht man professionell mit Konflikten um? Was macht beispielsweise eine Lehrerin mit Schülern, die in einen heftigen Streit verwickelt sind? Oder eine Führungskraft, deren Mitarbeiter nicht miteinander klarkommen? Die Autoren geben einen Einblick in ihre Arbeit als Klärungshelfer, verorten die Klärungshilfe im weiten Feld der Mediation und diskutieren ihre Möglichkeiten und Grenzen. So entstehen aufschlussreiche Werkstattberichte über die Anwendung der Klärungshilfe im beruflichen und privaten Umfeld.

Dr. Christoph Thomann, geboren 1950 in Bern (Schweiz), Studium der Psychologie an der Universität Fribourg (Schweiz), Promotion am Fachbereich Psychologie Hamburg. Zusatzausbildung in Kommunikationspsychologie, Themenzentrierter Interaktion (TZI), Gestalttherapie und Psycholyse. Seit 1978 führt er eine psychotherapeutische Praxis in Bern und arbeitet als Klärungshelfer in Unternehmen, Verwaltung und im Sozialbereisch. Er ist Seminar- und Ausbildungsleiter im Bereich Konflikte und Klärungshilfe. Barbara Kramer, Jahrgang 1960, Diplom-Psychologin, arbeitet seit 1998 als selbständige Beraterin in Unternehmen mit dem Arbeitsschwerpunkt Konfliktklärung und Konfliktprophylaxe. Langjährige Erfahrung mit Talent-Management-Prozessen. Weiterbildung in systemischem Coaching am Milton Erickson Institut, Heidelberg, und mit Kommunikationsmodellen am Schulz von Thun Institut, Hamburg. Gehört seit 2002 zum Ausbildungsteam von Dr. Christoph Thomann und ist Gründungsmitglied des Instituts für Klärungshilfe (IfK) in Köln.

Dr. Christoph Thomann, geboren 1950 in Bern (Schweiz), Studium der Psychologie an der Universität Fribourg (Schweiz), Promotion am Fachbereich Psychologie Hamburg. Zusatzausbildung in Kommunikationspsychologie, Themenzentrierter Interaktion (TZI), Gestalttherapie und Psycholyse. Seit 1978 führt er eine psychotherapeutische Praxis in Bern und arbeitet als Klärungshelfer in Unternehmen, Verwaltung und im Sozialbereisch. Er ist Seminar- und Ausbildungsleiter im Bereich Konflikte und Klärungshilfe. Barbara Kramer, Jahrgang 1960, Diplom-Psychologin, arbeitet seit 1998 als selbständige Beraterin in Unternehmen mit dem Arbeitsschwerpunkt Konfliktklärung und Konfliktprophylaxe. Langjährige Erfahrung mit Talent-Management-Prozessen. Weiterbildung in systemischem Coaching am Milton Erickson Institut, Heidelberg, und mit Kommunikationsmodellen am Schulz von Thun Institut, Hamburg. Gehört seit 2002 zum Ausbildungsteam von Dr. Christoph Thomann und ist Gründungsmitglied des Instituts für Klärungshilfe (IfK) in Köln.

I Anwendungsfelder


Geri Bäumer

«Loser, Loser!»


Klärungshilfe mit Schulkindern


Tim: «Sammy hat mir in Sport einfach einen Schuh an den Kopf geknallt! Der ist so was von brutal!»

Sammy: «Stimmt gar nicht!»

Tim: «Stimmt wohl!»

Sammy: «Wenn du die ganze Zeit so blöd ‹Loser, Loser›, Verlierer – du triffst ja nie! schreist, Mann! Selber schuld!»

Jetzt bin ich als Lehrerin gefragt! Gleich wird der Gong zum Pausenende läuten. Wie soll ich da schnell wissen, was los war und wer recht hat?

Die Zeitwächterin in mir ist in der Bredouille, die Gerechtigkeitsliebende auch. Die Rolle der «Schnellrichterin» überfordert mich. Jetzt bloß nichts aus der Hüfte schießen, sonst haben wir den nächsten Konflikt! Ist der reibungslose Ablauf des Unterrichtes wichtiger als das individuelle Leid oder ist es genau umgekehrt?

Konflikte, Streit und handfeste Auseinandersetzungen gehören zum Schulalltag, wie ich ihn seit vielen Jahren als Lehrerin an einer Gesamtschule im Grund- und Sekundarstufenbereich erlebe. Überall, wo Menschen, ob Kinder oder Erwachsene, miteinander zu tun haben, entstehen Verletzungen und Kränkungen durch Missverständnisse und Interessenkonflikte, und plötzlich sind zwei im Clinch.

Meist sind es bei Kindern nur kleine Scharmützel, und oft heißt es einfach: «Hört auf mit dem Streit!», aber manchmal sind die Hiebe fester, und die Wunden gehen tiefer, und die Konfliktparteien brauchen Hilfe. Auf diesem Hintergrund glaube ich, dass sich mein professionelles Profil als Pädagogin vertieft, wenn ich als Lehrerin auch in die Rolle der Klärungshelferin schlüpfen kann, um mich allparteilich in die Streitenden einzufühlen – allerdings mit dem Bewusstsein, dass verschiedene Rollen auch zu Verstrickungen führen können.

Die Klärungshilfe wurde als ein Verfahren entwickelt, um eskalierte Konflikte zwischen Erwachsenen zu bearbeiten. So habe ich sie gelernt. Doch sie eignet sich auch zur Streitschlichtung zwischen Kindern (Thomann, 2010).

Wie kann ich als Lehrerin Klärungen mit der eigenen Klasse durchführen?

Klärung – aber wann?

Völlig aufgewühlt stehen die beiden Streithähne vor mir. Tim weint, Sammy schaut mit verstockter Miene in die andere Richtung, und eine Traube von Kindern bildet sich erwartungsvoll um uns.

Diese Schaulustigen lauern darauf, dass noch etwas passiert! Die Pause ist gleich um, bis dahin muss mir etwas eingefallen sein! So denke ich gestresst. Der Druck, unter dem die zerstrittenen Jungen stehen, erfasst auch mich.

«Um verstehen zu können, wie es zu eurem Streit kam und wie wir ihn lösen können, brauchen wir mehr Zeit, als wir sie jetzt in der Pause noch haben», sage ich nach einem Blick auf die Uhr zu Tim und Sammy gewandt. Die beiden Zehnjährigen nicken zustimmend.

Das ist die Wahrheit der Situation. Ich bin erleichtert – immerhin gibt es darüber eine kleine Brücke der Verständigung.

«Ich schlage euch vor, dass wir diesen Streit morgen in der ersten Stunde klären, wenn wir zusammen Unterricht haben.»

Beide Jungen nicken, zumal sie schon wissen, wie eine Klärung abläuft, und sich deshalb gedulden können.

In der Schule ist es meistens so, dass ein akuter Streit zwischen Kindern in der Pause oder in einer unstrukturierten Übergangssituation (Pause, Raumwechsel, Gruppenarbeit, Freistunde) ausbricht oder eskaliert. Die Schüler suchen dann zunächst bei einem aufsichtführenden Lehrer oder dem Klassenlehrer Hilfe. Nach der Pause soll der Unterricht aber weitergehen. Nur eben oft nicht bei mir, als klärende Lehrerin. Auch sind nicht immer alle streitbeteiligten Kinder im selben Raum, sodass ich nicht gleich mit der Klärung beginnen kann. Wenn das so ist, verabrede ich mit den Beteiligten einen Zeitpunkt am nächsten Tag. Bei allen kann der Vorfall sich so über Nacht etwas setzen. Das ist von Vorteil, und der folgende Tag ist auch für Kinder eine gefühlsmäßig noch zumutbare zeitliche Distanz.

Die Klärung


Am Tag der Klärung sorge ich für eine lockere, aber sachliche Stimmung und habe beide Konfliktparteien im Auge. Meist gehen sie sich von selber aus dem Weg, wenn sie wissen, die Klärung steht an. Kommen beteiligte Kinder aus anderen Klassen hinzu, suche ich für sie einen Platz, sodass alle Parteien und ich sich gut sehen können.

Sensible Kinder reagieren auf jede Veränderung des alltäglichen Ablaufs irritiert und verunsichert, deshalb ändere ich die gewohnte Sitzordnung so wenig wie möglich.

Die Anfangsphase

Ich erkläre kurz die Regeln: «Es redet immer nur einer, alle hören zu, dann spricht der Nächste, und alle hören zu. Es werden keine Kommentare, Witze oder Fragen in die Klasse hineingerufen!»

Ich kündige auch an, wie lange wir heute für die Klärung Zeit haben. Dann fasse ich kurz zusammen, was ich bereits über den Streit weiß, unter Umständen auch von Telefonaten.

Die Selbstklärungsphase

Ich frage: «Wer fängt an?»

Tim: «Sammy hat mir gestern seinen Schuh voll an den Kopf geworfen, weil er verloren hat.»

Meist ergreift das Kind mit dem größeren Leidensdruck als erstes das Wort. Als Nächstes kommt der Konfliktgegner an die Reihe. Während dieser Berichte frage ich nach. Meine Grundhaltung ist, alle Konfliktparteien von ihrer subjektiven Warte aus verstehen zu wollen. Wichtig ist vor allem zu erfragen, in welchem Zusammenhang die handfeste Auseinandersetzung stand. «War schon in der Stunde davor etwas?» «Und wie ist es danach weitergegangen?» Es handelt sich zwar meist nicht um lang schwelende Konflikte, doch immer hat eine Auseinandersetzung oder ein Missverständnis eine Vorgeschichte. Diese gilt es herauszuschälen, da sie allen verständlich macht, warum jemand «ausgerastet» ist. Ich notiere mir die Themen, die geklärt werden müssen: Haben nicht alle gelacht? Habt ihr euch selbst in Gruppen eingeteilt? Müssen die Schuhe vor dem Betreten der Turnhalle nicht ausgezogen werden?

Weil die Schüler das Verfahren der Klärung kennen, fallen sie sich inzwischen selten ins Wort, denn sie wissen, dass sie ausführlich angehört werden, und können sich der ungeteilten Aufmerksamkeit der anderen sicher sein. Ich sage dann jeweils: «Das verstehe ich gut, wie du dich fühlst» oder «Ja, das kann ich jetzt gut nachvollziehen, dass du das gemacht hast». Früher musste ich die Konfliktparteien häufiger unterbrechen, weil Konfliktgegner einander nicht ausreden ließen oder beleidigten. Heute ist es eher eine Temperamentsfrage, wenn durcheinandergeredet wird. Ich muss dann zur Ordnung rufen, die Regeln wiederholen und die Beteiligten beruhigen. Ich mache erst weiter, wenn alle wieder auf mich hören und «im Boot» sind. Die Klärungshelferin muss zu jeder Zeit die Oberhand haben. Dann folgt der Dialog der Konfliktgegner, den ich moderiere.

Die Dialogphase

Klärungshelferin (KH): «Sammy sagt, du, Tim, habest zu ihm gerufen: ‹Loser, Loser, du triffst ja nie!› Da habe er dir den Schuh an den Kopf geworfen. Was sagst du dazu, Tim?»

Tim: «Ja, das stimmt, ich wollte ihn ein bisschen provozieren. Seine Mannschaft hat ja schließlich auch verloren. Aber deswegen muss er mir ja nicht gleich seinen Schuh mit voller Wucht an den Kopf werfen!»

KH: «Was sagst du dazu, Sammy?»

Sammy: «Ich stand mehrere Meter weg, ich wusste gar nicht, ob ich ihn am Kopf treffe.»

KH: «Was sagst du dazu, Tim?»

Tim: «Nee, er stand nur einen Meter weit weg! Direkt vor mir eigentlich.»

Die subjektiven Einschätzungen sind sehr unterschiedlich, aber schließlich war die ganze Klasse in der Turnhalle, da wird es doch noch Zeugen geben. Grundsätzlich dürfen alle Kinder bei der Klärung etwas sagen. Wichtig ist, dass ich die Themen, die angesprochen und geklärt werden sollen, sortiere und dabei für den roten Faden sorge. Jetzt geht es um die Entfernung zwischen Tim und Sammy.

KH: «Was sagen die anderen? Wer hat es genau gesehen? Wer möchte dazu etwas sagen?»

Alice: «Sammy stand wirklich ein ganzes Stück weg, aber er kann halt sehr gut werfen, das wissen doch alle – und seine Bälle haben immer eine ganz schöne Wucht!»

Sammy schaut verschlossen, zuckt mit den Schultern, guckt in die Runde.

KH: «Meinst du, Sammy hat absichtlich auf deinen Kopf gezielt, Tim?»

Tim: «Weiß nicht. Ich fand’s halt unfair, weil andere haben auch ‹Loser› gerufen, nicht nur ich.»

Otto: «Ja, aber du hast auch so gelacht dabei!»

Mara: «Andere aber auch!»

KH: «Was sagst du dazu, Sammy?»

Sammy: «Er hat mich provoziert!»

KH: «Wie reagierst du darauf, Tim?»

Tim: «Ich hab mich halt gefreut, dass wir gewonnen haben, da wird man doch noch mal ein bisschen die andern ausbuhen dürfen!»

Jan: «Das gehört doch dazu!»

Hans: «Das ist doch, weil wir uns freuen, dass wir gewonnen...

Erscheint lt. Verlag 2.4.2013
Zusatzinfo Zahlr. s/w Grafiken
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Psychologie
Schlagworte Gesprächsführung • Kommunikation • Konfliktbewältigung • Management • Mitarbeiterführung • Personalführung • Personalmanagement
ISBN-10 3-644-49591-2 / 3644495912
ISBN-13 978-3-644-49591-3 / 9783644495913
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