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Die klassische Welt

Eine Weltgeschichte von Homer bis Hadrian

(Autor)

Buch | Softcover
730 Seiten
2013 | 1., Aufl.
Klett-Cotta (Verlag)
978-3-608-94842-4 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die klassische Welt - Robin Lane Fox
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Robin Lane Fox, großartiger Stilist und Bestsellerautor, bietet eine glanzvolle Schilderung von 1000 Jahren antiker Geschichte. Eine aufregende historische Reise durch die bedeutendsten Kulturen der Weltgeschichte, gleichermaßen für Leser, die sich zum ersten Mal mit der Alten Welt befassen, wie für alle, die schon lange von ihr fasziniert sind.
Mit packenden Porträts von Sokrates, Philipp von Makedonien, Hannibal, Antonius und Kleopatra u. v. m.
Ein großartiges Panorama antiker Geschichte, so fulminant erzählt wie ein historischer Roman.Auf den Spuren des antikenbegeisterten römischen Kaisers Hadrian, der um 120 n. Chr. begann, sein gesamtes Imperium von Schottland bis Ägypten zu bereisen, lässt Robin Lane Fox die Antike lebendig werden,von den homerischen Epen über die Erfindung der Demokratie und den stürmischen Aufstieg des Alexanderreichs bis zur römischen Kaiserzeit und den Anfängen des Christentums.

Die Fülle der historischen Ereignisse von 1000 Jahren ordnet der Autor entlang dreier Leitthemen: Freiheit, Gerechtigkeit und Luxus - Themen, die schon in der Antike und bis zum heutigen Tag die Auseinandersetzung mit der Gesellschaft bestimmen.

Anschaulich und lebensvoll schildert Lane Fox,wie sich zunächst die griechische und auf ihren Schultern die römische Klassik entwickelt hat und wie antike Geschmacks- und Wertmaßstäbe uns bis heute prägen.

Robin Lane Fox wurde 1946 geboren, ging in Eton zur Schule und studierte Alte Geschichte an der Universität Oxford, wo er heute als Fellow des Magdalene College lehrt. Als leidenschaftlicher Gärtner schreibt er eine regelmäßige Kolumne für die »Financial Times« über Garten- und Landschaftsgestaltung. Außerdem ist er ist ein hervorragender Reiter und Pferdekenner - was ihm zum besonderen Verständnis der antiken Kavallerie verhalf. Auf den Spuren Alexanders ist er von Griechenland bis nach Indien gereist. Für seine bei Klett-Cotta erschienene Biographie über Alexander den Großen ist er mit dem angesehenen Duff-Cooper-Preis ausgezeichnet worden.

http://www.newbooks-services.de/CustomerLiterature/Texts/9/9783608944679_TOC_001.pdfVorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
Hadrian und die klassische Welt . . . . . . . . . . . ... ... . . . . . . 15
TEIL I
DIE ARCHAISCHE GRIECHISCHE WELT
1 Die Epik Homers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27
2 Die griechischen Niederlassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
3 Aristokraten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
4 Die unsterblichen Götter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
5 Tyrannen und Gesetzgeber . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72
6 Sparta . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84
7 Die Ostgriechen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95
8 Auf dem Weg zur Demokratie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104
9 Die Perserkriege . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115
10 Die Westgriechen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127
TEIL II
DIE WELT DER GRIECHISCHEN KLASSIK
11 Eroberung und imperiale Macht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141
12 Griechische Kultur im Wandel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154
13 Perikles und Athen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . 168
14 Der Peloponnesische Krieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177
15 Sokrates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188
16 Kämpfe für Freiheit und Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195
17 Frauen und Kinder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206
18 Philipp von Makedonien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213
19 Die zwei Philosophen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223
20 Die Athener im 4. Jahrhundert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236
TEIL III
HELLENISTISCHE WELTEN
21 Alexander der Große . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253
22 Die Thronfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . 265
23 Das Leben in den großen Städten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276
24 Steuern und technische Neuerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . 288
25 Die neue Welt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295
26 Rom greift aus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306
27 Der Frieden der Götter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321
28 Befreiung im Süden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329
29 Hannibal und Rom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338
30 Diplomatie und Dominanz . . . . . . . . . ...................................... . . 348
TEIL IV
DIE RÖMISCHE REPUBLIK
31 Luxus und Libertinage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . 359
32 Turbulenzen daheim und jenseits der Grenzen . . . . . . . . . . . . 369
33 Die Triumphe des Pompeius . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381
34 Die Welt Ciceros . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392
35 Der Aufstieg Julius Caesars . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . 403
36 Das Gespenst des Bürgerkriegs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414
37 Die verhängnisvolle Dictatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427
38 Die verratene Freiheit . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 442
TEIL V
VON DER REPUBLIK ZUM KAISERREICH
39 Antonius und Kleopatra . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . 455
40 Wie einer zum Kaiser wird . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 468
41 Moral und Gesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477
42 Sport und andere Spektakel . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 490
43 Die römische Armee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 501
44 Das neue Zeitalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 511
TEIL VI
EINE IMPERIALE WELT
45 Die julisch-claudische Dynastie . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . . 527
46 Die Herrschaft über die Provinzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 541
47 Das Kaiserreich und die Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 552
48 Das Christentum und die Herrschaft Roms . . . . . . . . . . ... . . . . 566
49 Ein Vierkaiserjahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . 574
50 Die neue Dynastie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 580
51 Die letzten Tage von Pompeji . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 588
52 Ein Aufsteiger bei der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 600
53 Ein Heide und Christen . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . . . .. 607
54 Regimewechsel daheim und an den Grenzen . . . . . . . . . . . . . 616
55 Die Darstellung der Vergangenheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 624
Hadrian: ein Blick zurück . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ... . . . . . . 631
ANHANG
Anmerkungen
Auswahlbibliographie
Verzeichnis der Karten
Kommentar zu den Abbildungen
Register

»Robin Lane Fox, Althistoriker in Oxford und Autor einer hochgerühmten Alexander-Biografie, hat diesen Kanon zusammengefasst und neu erzählt, mehr nicht. Aber wie er das tut, ist ein Ereignis. In bester englischer Tradition bietet er eine Weltgeschichte von Homer bis Hadrian, in dessen Imperium Edward Gibbon einst das Goldene Zeitalter erblickte. [...] Die große Politik wird ebenso thematisiert wie das Alltags- und Privatleben. Gerade in diesem letzteren Bereich fördert Lane Fox wahre Perlen an Quellen zutage, die ein außerordentlich hohes Maß an Anschaulichkeit und Lebendigkeit bewirken und die Antike von jener Patina befreien, die sie nicht von sich aus, sondern durch idealisierende und stilisierende Darstellungen vergangener Jahrzehnte und Jahrhunderte doch immer wieder angesetzt hat. [...] Ein Buch, das mit Fug und Recht als ein "großer Wurf" bezeichnet werden kann.«
Die Welt, 26.06.2010

»Brillant ... ein Epos, das epischer ist als jeder Leinwandstreifen im Faltenwurf von Tunika und Toga.«
Economist

»Immens unterhaltsam ... eine Lektüre, die mitreißt.«
Peter Heather, Sunday Times

»Es sind die vielen kleinen Details, die den Reiz dieses fulminanten Werkes ausmachen.«
Christian Ruf, DNN, 03.05.2010

»Sein Panorama über die Antike ist gelungen, es liefert einen Überblick, wie man ihn sich nur wünschen kann.«
Geneviève Lüscher, NZZ am Sonntag, 28.03.2010

»Ein unterhaltsames Lesevergnügen, das voller Anekdoten steckt. «
Antike Welt, 4/2010

»"Klassisch" ist das auch äußerlich sehr ansprechend gestaltete Buch nicht wegen seiner - durchaus bestreitbaren - Prämissen oder der ausgewogenen Darstellung. Indem Lane Fox weder Kanon noch Handbuch bietet, hat er vielmehr einen Kern des Klassischen begriffen: das Feuer einer durch Geschmack und Humor gezügelten Passion für die Antike in sich brennen zu lassen, um es dann auch in einem empfangswilligen Gegenüber zu entfachen. Und was am Ende des Leitfigur zugebilligt wird, eignet Autor und Buch in reichem Maße: Stil.«
Uwe Walter, FAZ, 31.03.2010


»Nicht endlose Differenzierung und gelehrter Fußnotenapparat sind gefragt, sondern geistreiche Synthese und pointierte Wertung. Lane Fox strukturiert die Geschichte eines Millenniums mit Hilfe dreier Leitthemen, die er der antiken Historiographie entnommen hat: Freiheit, Gerechtigkeit und Luxus. Das Buch ist ein vorzügliches Beispiel der traditionellen englischen Altertumswissenschaft, der sogenannten classics, die die "klassische Welt" von Homer bis in die hohe Kaiserzeit fokussierte. Sein Buch liest sich wie die Summe seines akademischen Unterrichts. Sicher führt er den Leser durch fast 1000 Jahre Alter Geschichte, mutig entwirft er sein Bild des griechisch-römischen Altertums, und schwungvoll begeistert er für das klassische Zeitalter.«
Stefan Rebenich, Süddeutsche Zeitung, 15.04.2010

»Die klassische Antike war in hohem Maße stolz auf sich. Dieser Stolz schloss die Gewissheit mit ein, dass sie sich nur selbst zerstören könne - und bald auch die Gewissheit, dass sie es tatsächlich tat. Von diesem Drama erzählt Robin Lane Fox, dieser verehrungswürdige, 1964 geborene Fellow des New College von Oxford, in seinem glänzenden Buch. Die Selbstzerstörung schildert er nicht mehr, aber man sieht sie deutlich am Horizont.«
Jens Jenssen, Die Zeit, 20.05.2010

18 Philipp von Makedonien Philipp verachtete Menschen, die einen geordneten Charakter hatten und ihren Besitz hüteten, doch er pries und ehrte solche, die verschwenderisch waren und ihr Leben mit Würfelspiel und Trinken verbrachten ...Waren nicht einige von ihnen rasiert und weichhäutig, obwohl sie erwachsene Männer waren, während andere es wagten, einander zu besteigen und Geschlechtsverkehr auszuüben, obwohl sie Bärte trugen? Zu Recht also konnte jemand sie für »Bettgenossen« halten, nicht aber für »Kampfgenossen« ... Theopomp Frgm. 225 B (Jacoby), nach seiner Zeit bei Philipp in Pella D ie Beziehungen zwischen den Stadtstaaten Griechenlands erfuhren bis in die 350er Jahre eine Fülle von Veränderungen, aber große Überraschungen von dritter Seite blieben aus. Zwanzig Jahre später jedoch hatte die Freiheit der Griechen einen neuen Herrn, einen König von Makedonien, dem Reich im griechischen Norden jenseits des Berges Olymp. Die unvermutete Dominanz Makedoniens ging über die des perikleischen Athen weit hinaus und sollte mehr als 170 Jahre dauern. Ihre Anfänge verhießen wenig Gutes. Philipp, ihr Begründer, betrat die Bühne mit etwa 20 Jahren als Regent für einen noch jüngeren Prinzen. Sein älterer Bruder hatte in einer Schlacht den Tod gefunden und nicht, wie Gerüchte es wollten, durch die Hand seiner Mutter, und sein Reich wankte unter dem Ansturm von Barbaren aus dem Nordwesten. Den griechischen Stadtstaaten im Süden war das Bild vertraut: Mord in der makedonischen Königsfamilie, eine umstrittene Thronfolge, bedrängte Könige, die Eide schworen und brachen. Es kam zu flüchtigen Schüben erstarkter Macht, doch über 200 Jahre lang war nicht ein einziger König von Makedonien im hohen Alter eines friedlichen Todes gestorben. Dessen ungeachtet gebot das neue Oberhaupt des Landes, König Philipp II., nach mehr als zwanzigjähriger Machtausübung über eine erstklassig trainierte Armee, die zahlreiche Thessalier und andere Griechen einschloss, und konnte einen entscheidenden Sieg über die wichtigsten griechischen Stadtstaaten erringen, darunter Athen. Im Jahr 338 v. Chr. erstreckte sich sein Machtbereich von der Donau bis nach Südgriechenland. Seinen griechischen »Verbündeten« diktierte er einen äußerst restriktiven Frieden. Er bereitete sogar eine Invasion des Perserrreichs vor. Der Aufbau seines neuen Makedonien war der schnellste und bemerkenswerteste Aufstieg zur Großmacht, den die antike Welt erlebte. Im 4. Jahrhundert v. Chr. war Makedonien rund um einen im Flachland gelegenen Palast und die Hauptstadt Pella konzentriert, bestand aber als Ganzes aus einem Flickenteppich kleiner Königtümer mit zeitweise je eigener Thronfolge. Feindliche Griechen im Süden hatten seine Könige auch schon als »Barbaren« bezeichnet, und die »makedonische Sprache« seiner einfachen Bewohner war für einige Südgriechen nur mit Mühe zu verstehen. Die Makedonen grenzten sich sogar in offiziellen Listen manchmal von den Hellenen ab. 1 Das Königshaus aber berief sich auf Wurzeln in Argos und datierte seine Ankunft auf etwa 650 v. Chr., so als seien die Vorfahren vor dem kommenden Zeitalter der Tyrannen und Hoplitenkämpfe auf griechischem Boden nach Norden geflohen. Der Anspruch ist wenig glaubwürdig, doch um das Jahr 500 herum erhielt ihr König Alexander I. nach sorgfältiger Überprüfung die Erlaubnis, an den Olympischen Spielen teilzunehmen, die ausschließlich griechischen Athleten offen standen. Wie verhält es sich also? Waren die Makedonen Griechen? In den letzten 30 Jahren wurden in zunehmender Fülle Belege dafür gefunden, dass Makedonen als Schirmherren griechischer Kunst und Handwerkskunst in Erscheinung traten. Aus Texten wussten wir bereits, dass ihre Könige im 5. Jahrhundert griechische Verbannte auf ihrem Gebiet ansiedelten. Sie förderten Dichter wie Pindar und Euripides und beschäftigten die bedeutenden Maler ihrer Zeit. Nach neuesten archäologischen Funden können wir jetzt auch Kallimachos, den Meister der Bildhauerkunst, dieser Liste hinzufügen. Ohne Zweifel wünschten die makedonischen Könige und Höflinge als Griechen betrachtet zu werden. Mäzenatentum macht aus den Mäzenen noch keine Griechen, aber es gibt auch neue Untersuchungen makedonischer Personennamen, der Monatsnamen im makedonischen Kalender und einiger alter Wörter aus dem »makedonischen Dialekt«. Im Kontext des 4. Jahrhunderts wurden in wachsender Zahl Inschriften mit Namen gefunden, und es sieht so aus, als ließe sich der »makedonische Dialekt« mit dem Griechischen in Verbindung bringen, wie es in Nordwestgriechenland verbreitet war. Eine der frühesten griechischen Inschriften in Makedonien, ein Fundstück aus jüngster Zeit, ist ein Fluch, der von einer Frau aus Pella oder für sie geschrieben wurde: Im Namen der Götter, die sie beschwört, verwünscht sie einen Mann und ein unvergängliches menschliches Phänomen - den Liebesverrat. Als »gemeinsamen Ahnen« des Königtums betrachtete man den legendären Makedon, den die griechische Genealogie als einen Sohn des Gottes Zeus anerkannte. In der ursprünglichen Hauptstadt, ihrem dynastischen Zentrum Aigai (Vergina), feierten die Könige sogar lokale Olympiaden, ein Fest zu Ehren des Zeus, und nahe der Südgrenze des Reiches in Dion fanden musische Wettkämpfe zu Ehren der Musen statt. 3 Sogar die Könige hatten verschiedentlich nichtgriechische »Barbarinnen« als Ehefrauen gewählt. Es hieß, vermutlich zu Recht, Philipps eigene Mutter sei eine solche »Barbarin« gewesen. Doch die vorherrschende Kultur wie auch die Sprache der Könige und des Adels war zweifellos die griechische. Philipp II. selbst wuchs in zwei Welten auf. Noch in jungen Jahren geriet er als Geisel nach Theben, die führende Militärmacht auf griechischem Boden. Einer der großen thebanischen Feldherren soll sein Liebhaber gewesen sein. Doch Philipp verbrachte auch eine gewisse Zeit als Geisel im barbarischen Illyrien. Er begünstigte griechische Künstler, Schauspieler und Redner, seine Mutter allerdings soll erst in mittleren Jahren schreiben und lesen gelernt haben. Vor kurzem fand man in Aigai, dem Zentrum der Makedonen, kunstvoll gemeißelte griechische Inschriften, die in ihrem Namen angefertigt wurden. Philipp bewegte sich aber auch in Gesellschaft barbarischer Könige und Verbündeter, die das extravagante Schauspiel von Bravour und Großzügigkeit liebten. In dieser Runde war es Brauch, einen barbarischen Bundesgenossen, der einem Feind im Gefecht den Kopf abschlug, mit einem goldenen Becher zu belohnen. Der klassischen griechischen Art entsprach dieses »Kopf gegen Becher« nicht. Auch einige einheimische Traditionen der Makedonen waren entschieden primitiv. In der Vergangenheit erhielt ein Mann erst dann die Erlaubnis, einen Gürtel zu tragen, wenn er in der Schlacht einen Feind getötet hatte. Zu Philipps Zeiten musste er, um auf dem Sofa ruhend das Nachtmahl einnehmen zu dürfen, einen wilden Bären erlegen. Wie frühere Könige seines Reiches, doch anders als seine griechischen Zeitgenossen, lebte Philipp polygam. Innerhalb von drei Jahren hatte er vier Ehefrauen in seinem Palast und brachte es schließlich auf sieben, von denen drei nichtgriechische Barbarinnen waren, darunter Audata; sie kam als Kriegerin in der Schlacht zu Ruhm und lehrte auch ihre mutige Tochter Kynnane die Waffen zu führen. Philipp spielte seine Frauen gegeneinander aus, so wie er auf diplomatischer Ebene die griechischen Großmächte gegeneinander ausspielte. Die junge Makedonin Kleopatra, auch Eurydike genannt, der er zuletzt verfiel, spaltete die königliche Familie und kostete Philipp vermutlich das Leben. Unter den sensationellen Funden ausgemalter Grabkammern in der Begräbnisstätte des Königshauses in Aigai ist auch ein königliches Doppelgrab, in dem zweifellos die verbrannten Überreste Philipps und die einer jungen Frau bestattet sind, möglicherweise der Königin Kleopatra. Griechen von außerhalb, so der Historiker Theopomp, ein zeitgenössischer Besucher, erzählten reißerische Geschichten von Rache, die sich an diesen Begräbnisplatz knüpften. Mit den jüngst aufgefundenen Gräbern verfügen wir jetzt über Fakten, die diesen bisher haltlosen Gerüchten eine reale Grundlage bieten. Die Könige und Aristokraten Makedoniens sahen sich zwar als Griechen, konnten daneben aber in ihrer Eigenart als »Makedonen« auftreten, ein Selbstverständnis, das durch ihre Erfolge bekräftigt wurde. Vermehrt stellten sich Gesandte aus ganz Griechenland in Philipps Residenz Pella ein, und die Delegierten Athens würdigten seinen ungewöhnlichen Stil. Damals hatte Philipp bei einer Belagerung schon ein Auge verloren, neben gebrochenen Schlüsselbeinen eine der vielen Verwundungen, denen seine kräftige Konstitution in den zurückliegenden 20 Jahren getrotzt hatte. Doch die Athener Besucher äußerten sich zu seinem guten Aussehen, seinem hervorragenden Gedächtnis, seiner Gastfreundschaft und dem Talent, das er bei Trinkgelagen zeigte. Philipp besaß großen männlichen Charme, und seine gewinnende Art war mit ausnehmender Tapferkeit und spontaner Großmut verbunden - zweckmäßige Talente für ein Hofleben, das seine wilderen Seiten barg. Vermutlich in Makedonien hatte Euripides sein dramatisches Meisterwerk Die Bakchen über den Gott Dionysos geschrieben. Am Hof dürfte die Aufführung der Tragödie ein harsches Echo gefunden haben, nicht zuletzt weil Philipps Hauptfrau Olympias nachgesagt wurde, sie umgebe sich mit lebenden Schlangen. Lokale Dionysos-Verehrerinnen sind uns auf einem griechisch beschriebenes Goldband bezeugt, das kürzlich in Makedonien gefunden wurde. Beim Nachtmahl, so wird ebenfalls berichtet, habe Philipp seine Gäste mit Wein in großen Trinkhörnern gefeiert, die vermutlich den Hörnern von Ochsen aus europäischen Grassteppen nachgebildet waren. Auch von Frauen, die auf den Tischen tanzten, erzählte man sich, von Peitschen und degoutanten Exilgriechen, die das Klima der abendlichen Ausschweifungen anheizten. Im öffentlichen Leben kamen Philipp die Schwierigkeiten seiner älteren Nachbarn zustatten. Die betagten Barbarenkönige im Umkreis optierten für Frieden mit Makedonien und hinterließen ihren geschwächten Nachfolgern dann geteilte Reiche, die Philipp eines nach dem anderen erobern konnte. Man forderte den Makedonen auf, zunächst in Thessalien, dann in Mittelgriechenland, auch nach Süden vorzustoßen, wo er in den politischen Zwistigkeiten griechischer Staaten Partei nehmen sollte. In den ersten drei Jahren seiner Regierung ging er über die traditionellen Ziele der makedonischen Könige vor ihm nicht hinaus, wie es einem jungen Prinzen anstand, der unter harten älteren Aristokraten als Reichsverweser regierte. Dann wurde er in einem einzigen glanzvollen Jahr, 356 v. Chr., Vater eines Sohnes, der Alexander genannt wurde, schlug eine Koalition feindlicher Barbaren in die Flucht und eroberte den nahe gelegenen griechischen Stadtstaat Potidaia. Außerdem errang er mit seinem Rennpferd einen prestigeträchtigen Sieg bei den Olympischen Spielen, und zum Zeichen seines Status ließ er Silbermünzen prägen, auf denen er hoch zu Roß und mit erhobener Hand abgebildet ist. Er gründete sogar eine neue Stadt, die nach ihm benannt wurde, das berühmte Philippi (Philippoi) am Fluss Nestos, der durch den Expansionskurs des Königs zur östlichen Reichsgrenze geworden war. Weitere Konflikte in Griechenland führten ihn ins Landesinnere und zur symbolischen »Rettung« des bedrohten delphischen Orakels. Hier profitierte Philipp von Appellen griechischer Staaten, die selbst in Kriege verwickelt waren. 357 v. Chr., nach einer Abfuhr im nahen Euböa, hatten die Thebaner einen Krieg gegen die lokalen Phoker, langjährige Freunde Athens, vom Zaun gebrochen. Als die Phoker Widerstand leisteten und sich Schätze aus dem Heiligtum Delphi aneigneten, stempelten die Thebaner sie zu Tempelschändern und gewannen in Thessalien, einem alten Feind der Phoker, einen Verbündeten für den »Heiligen Krieg« gegen den Tempelfrevel. Doch die Thebaner konnten den Krieg, den sie angezettelt hatten, nicht zu Ende führen. Sie baten ihre ehemalige Geisel, König Philipp, in den Süden zu kommen und ihnen beizustehen, ein Ansinnen, das der Freiheit Griechenlands zum Verhängnis werden sollte. Im Frühjahr 352 verschafften Philipps Siege in Mittelgriechenland dem König die massive Unterstützung von Thessaliens Traditionalisten, die ihn sogar zum »Anführer« ihres Bundes ernannten. Thessaliens Staatseinkünfte standen ihm zur Verfügung, doch der größte Gewinn war die thessalische Reiterei, die nach Tausenden zählte. In ihrer viereckigen Schlachtaufstellung kämpften die thessalischen Reiter loyal für Philipp und seinen Sohn Alexander, bis dieser sie 329 am fernen Fluss Oxos in Zentralasien schließlich aus seinen Diensten entließ. Von Thessalien unterstützt, gewann Philipp den »Heiligen Krieg« gegen Phokis' »Tempelfrevel«, als kämpfe er im Namen Apollons. Die gefangenen Söldner der Phoker wurden im Meer ertränkt, um sie als schmutzige Frevler und Schänder kenntlich zu machen. 346 schloss Philipp ein Friedens- und Bündnisabkommen mit den Athenern und versprach vagen »Nutzen«. Die Realisten der Stadt ließen sich nicht täuschen. Dieses Abkommen sollte nicht so verstanden werden, als habe Philipp damit die Grundlage für eine dauerhafte Übereinkunft mit den griechischen Stadtstaaten angestrebt. Es war lediglich dazu bestimmt, ihm in Griechenland den Rücken frei zu halten, während er weitere, gewaltige Feldzüge unternahm: ins barbarische Illyrien, vielleicht bis zum heutigen Dubrovnik, dann nach Thrakien und in den Norden bis an die Donau. Unterdessen beteuerten seine Gesandten den griechischen Stadtstaaten auch weiterhin die Bereitschaft des Königs, ihren Klagen Gehör zu schenken; Versprechen von »Freundschaft« und »Nutzen« waren klassische Waffen in Philipps diplomatischem Arsenal. In derselben Zeit, vom Sommer 343 bis 341, wurden Kontaktversuche von Seiten unzufriedener Faktionen in griechischen Städten mit Geld, Waffen und sogar Söldnern belohnt. Und Philipp nährte derweil die Hoffnung, er werde im Süden die gefürchteten und gehassten Spartaner in Schranken halten. Spartas Nachbarn zögerten deshalb, sich einem Oppositionsbündnis gegen ihn anzuschließen, denn ein Wiederaufleben Spartas fürchteten sie noch mehr als diesen schwer einzuschätzenden makedonischen »Alliierten«. Nach großen Kampagnen, die Philipp ab 342 an der Ostgrenze des Reiches in Thrakien führte, kehrte er aus Anlass lokaler politischer Streitigkeiten im Jahr 339/38 nach Zentralgriechenland zurück. Vorsicht schien angebracht, denn der bisherige Verbündete Theben war endlich doch aus der gemeinsamen Linie ausgeschert und auf die Seite der Athener geschwenkt; dass Philipp seit 346 mit Bedacht einige Befestigungen in der Nähe der Thermopylen hielt, hatte bei den Thebanern für Ernüchterung gesorgt, und nach dem Angriff von 340 auf Byzanz, den Verbündeten Thebens, war der Argwohn gewachsen. Eine Allianz Theben-Athen hatte Philipp seit je gefürchtet. Doch im August des Jahres 338 schlug er die vereinten Truppen Thebens und Athens in der Schlacht von Chaironeia. Es war sein berühmtester Sieg, aber der griechischen Freiheit wurde er zum Verhängnis. Die diplomatischen Umtriebe und die Konflikte der Jahre 348 bis 338 üben bis heute ihre Faszination aus, und ihre Folgen waren ein Wendepunkt für die griechischen Stadtstaaten und deren Fundament, die griechische Freiheit. Nach dem Sieg von 338 bewies Philipp den Athenern ostentativ seinen Respekt - die Stadt hatte noch immer ihre uneinnehmbaren Langen Mauern -, fasste Theben allerdings weit härter an. Es folgte die Kampfansage an das Perserreich, die Philipp von langer Hand, mindestens aber seit Ende der 350er Jahre geplant hatte. Angebliches Ziel dieses Krieges war die »Bestrafung der persischen Untaten von 480«, vor allem der Brandschatzung der Tempel in Athen, und die »Befreiung« der griechischen Städte in Kleinasien. Im Jahr 338/37 erzwang Philipp einen Frieden und eine Allianz und bot vor dem Aufbruch nach Osten seinen griechischen Verbündeten die »Freiheit« an, ein Angebot, das viele von ihnen, die seinen wahren Zielen misstrauten, mit Zögern und Skepsis aufnahmen. Für seinen Feldzug nach Asien rief Philipp werbewirksam die Geschichte der großen panhellenischen Zeit von 481 bis 465 in Erinnerung. Er schmiedete einen zweiten panhellenischen Bund, der wie sein Vorgänger Korinth zum Zentrum hatte. Sparta blieb diesmal zum hämischen Vergnügen seiner Feinde im Süden ausgeschlossen. In ihren Augen war eine »Freiheit« unter Philipps Aufsicht dem Risiko einer Wiedererstarkung Spartas weit vorzuziehen. Aus Athener Sicht grenzten berechnende Überlegungen dieser Art an Verrat, denn Philipps panhellenische Allianz war weitaus restriktiver geregelt als ihre Vorgängerin in den 470er Jahren, die von Athen zur See und von Sparta zu Land angeführt worden war. Streng verboten waren in den Städten der Mitglieder sowohl Veränderungen am politischen System als auch die bedrohlichen radikalen Zumutungen der Neuverteilung des Landes und der Schuldentilgung. Ein Rat von Deputierten war beauftragt, Streitigkeiten zwischen den Mitgliedstaaten zu schlichten, und damit blieb die alte griechische Praxis von Schlichtungsverfahren kraft eines eidlich beschworenen Vertrags gewahrt. Es waren aber auch Männer »zum Schutz der allgemeinen Sicherheit« bestellt, eine bewusst vage euphemistische Bezeichnung für Philipps eigene Leute, wahrscheinlich seine Generäle und die Armee, die er in Griechenland zurückließ. 6 Rebellierende Staaten wurden dagegen nach eigenem Gutdünken des makedonischen Anführers bestraft. Philipps bemerkenswerte Erfolge waren mehrheitlich auf Bluff und Versprechungen gegründet, die raffiniert im Kostüm der Diplomatie auftraten. An die Athener richtete er Briefe voll vager Zusicherungen, irreführender Selbstrechtfertigung und später auch tendenziöser Geschichtsdarstellungen. Nie zuvor hatte ein einziger griechischer Staat einem anderen unaufgefordert so viele Kommuniqués übermittelt. Hinter den schönen Worten stand Philipps zunehmend unerreichbare militärische Stärke. Er hatte Makedoniens Grenzen erweitert und verfügte somit über die Ressourcen eines neu vereinigten Königreichs, dessen Truppenstärke die der Athener weit hinter sich ließ. Außerdem vergrößerte er die Reiterei um ein Vielfaches, indem er Makedonen, seine künftigen Kavalleristen, auf üppigen neuen Weiden in den Feuchtgebieten ansiedelte, die er an seiner Ostgrenze eroberte. Er füllte die Ställe des Königreichs mit neuen Pferderassen und verbesserte dadurch sogar die Kraft seiner Schlachtrosse. Gegen Ende seiner Regierungszeit war seine Kavallerie, die mit langen Lanzen angriff, über 5000 Mann stark - das Fünffache dessen, was für ihre Anfänge belegt ist. An seinen Grenzen im Nordwesten und im Osten annektierte Philipp darüber hinaus leicht auszubeutende Gold- und Silberminen. Schon Funde aus dem Makedonien vor der Regierungszeit Philipps sind archäologisch bemerkenswert, weil sie eine ungewöhnliche Menge von Goldobjekten enthalten, ein Luxus, der die Goldfunde im übrigen Griechenland weit übersteigt. Die neuen Minen erhöhten diesen Glanz und veränderten die ökonomische Basis des Reiches. Ihre Wirkung war bald in Philipps superber neuer Münzprägung zu sehen, den ersten Goldstücken, die ein griechischer Monarch in Umlauf brachte. Sie erwiesen sich als eines der langlebigen Andenken an Philipps Herrschaft; in Second-hand- Kopien überdauerten sie unter europäischen Barbaren und waren noch lange nach seinem Tod im fernen westlichen Gallien in Gebrauch. Andere Denkmäler hat Philipp sich in seinen Städten und seinen Neuerungen der sozialen und militärischen Ordnung Makedoniens geschaffen. An den Grenzen des Königreichs wurden verschiedene »Städte Philipps« gegründet, Vorboten der vielen Alexandrias auf Weisung seines Sohnes. Einige reihten sich an Flussufern im modernen Bulgarien, wo Plovdiv (griech. Philippopolis) seinen Namen noch heute lebendig hält. Die neuen Städte festigten seine Grenzen und die eroberten Gebiete, während Truppeneinheiten auf der Basis einer neuen sozialen Ordnung diese nun ausgeglichener strukturierte Armee enger an den König banden. Eine große Truppe von 3000 Königlichen Schildträgern, eine Erfindung des Königs, schloss eine trainierte Einheit Königlicher Waffenbrüder zu Fuß mit der vergrößerten Kavallerie der Waffenbrüder zusammen, die an beiden Flügeln der flexiblen Heeresformation ritten. Mit diesen neuen Ehrentiteln wurden Rekruten im Dienst des Königs ausgezeichnet. Als Kommandanten ihrer Einheiten dienten zwar noch immer Vertreter des heimischen Adels, aber sie waren jetzt trainiert und zu einer einzigen königlichen Streitmacht verschmolzen. Das Symbol der Waffenbrüder zu Fuß war die lange, mit einem Eisensporn verstärkte Lanze (sarissa) aus dem Holz der Kornelkische; sie wurde mit beiden Händen gehalten und erreichte eine Länge von fast fünf Metern. Philipp hatte über militärische Taktik offenkundig intensiv nachgedacht und entwarf eine neue Musterarmee, die eine ungewöhnlich vielfältige und doch ausgewogene Einheit bildete. Wohlgemerkt band Philipp diese Armee an die Person des Königs, ohne irgendeines seiner monarchischen Rechte aufzugeben. In den benachbarten Monarchien dagegen war die Macht des Königs durch Räte und Magistrate eingeschränkt worden. Philipp blieb ein Selbstherrscher, der von seinem Erfolg und dem Talent getragen wurde, Geschenke zu machen und seine Soldaten mit erobertem Land zu belehnen. Ein makedonischer König hatte sich durch Mut und große Taten auszuzeichnen. Sein Volk stand unbeirrbar loyal zur Monarchie, die sehr viel länger überlebte als Athens Demokratie, doch konnte es dem Adel jederzeit einfallen, sich für die Rolle des Königs eine andere Besetzung zu wünschen. Philipp musste neben allem Charme und diplomatischem Geschick ein großer Krieger und ein großer Jäger sein, ein großzügiger Geber und trinkfester Zecher. Diese Seiten des Mannes machten den makedonischen Führer aus und erregten die Bewunderung des Hofes. Also kämpfte Philipp in eigener Person an vorderster Front, um nach gewonnener Schlacht zu Pferd die unermüdliche Verfolgungsjagd nach den flüchtigen Anführern des Feindes aufzunehmen. Seine übrigen bekannten Fähigkeiten lassen sich heute sogar durch die Archäologie anschaulich belegen. Die großartigen Malereien im königlichen Doppelgrab von Vergina zeigen den König, wie er mit seinen Edelknaben und (wie anzunehmen ist) seinem Sohn Alexander einen Löwen erlegt - das Raubtier war damals im heimatlichen Makedonien und in den Grenzregionen noch anzutreffen. Sogar Jagdhunde mit furchterregend kantigen Kinnladen sind abgebildet. Rotwild, Bären und Keiler sind als Beute der Makedonen im direkten Gegenüber dargestellt. Auch Schild und Diwan, die prächtigen zeremoniellen Requisiten in Philipps Grabkammer, sind mit Szenen von schwungvollen Beutekämpfen berittener Jäger geschmückt. Zu den Grabbeigaben gehörte ein goldener Pfeilkasten der Art, wie man sie im barbarischen Skythien kannte, zweifellos ein Geschenk an Philipp, eine der Gaben, wie er sie selbst zu präsentieren liebte. Eine stattliche Ansammlung silberner Trinkbecher, großer Krüge und Behälter, teils schön verziert, zeugen von der Beliebtheit der Zechgelage, die bei Festen auf den Ruhebetten in Philipps Palasträumen gefeiert wurden. Philipp glänzte in all diesen Künsten und erwarb sich damit Loyalität. Innerhalb Makedoniens hatte er seine Berater, vor allem seine adligen Waffenbrüder, doch fehlte eine formelle Verfassung. Im Königtum ging immer noch er, der Monarch, in Person auf Klagen und Petitionen ein und fällte die Gerichtsurteile. Dieses Verfahren persönlicher Rechtsprechung sollte in den nachfolgenden Monarchien über 300 Jahre seine Geltung behalten; später wurde es über 500 Jahre lang von römischen Kaisern ausgeübt. Ins öffentliche Bewusstsein aber trat es zum ersten Mal mit König Philipp in Griechenland. Vielleicht kam Kaiser Hadrian die Geschichte zu Ohren, die von einer alten Frau berichtet: Sie habe sich ihm während einer seiner Reisen genähert und um Gerechtigkeit gebeten, worauf Hadrian sie kurz beschied: »Sei gefälligst still!« »Dann sei du gefälligst kein Kaiser«, gab sie scharf zurück, und Hadrian ließ sich gefälligst herbei, sie anzuhören. 7 Dass diese Geschichte schon mit dem Namen mehrerer Herrscher vor ihm in Verbindung gebracht worden war, konnte Hadrian allerdings nicht wissen. Zum ersten Mal erzählt wurde sie mit Fug und Recht über Philipp von Makedonien. 51 Die letzten Tage von Pompeji Wenn du das Feuer der Liebe fühltest, Maultiertreiber,Würdest du Venus mit größerer Eile entgegenziehn. Ich liebe einen bezaubernden Knaben und bitte dich also, treibe die Maultiere an; brechen wir auf. Du hast deinen Trunk gehabt, brechen wir also auf. Nimm die Zügel und lass sie schießen, Und bringe mich nach Pompeji. Dort ist die Liebe süß. Inschrift im Peristyl des Hauses IX 5,2, Pompeji D ie Aufsteiger aus den italischen Kleinstädten, die während der 70er Jahre n. Chr. in Roms führende Zirkel befördert wurden, standen im Ruf einer neuen Kargheit und Selbstbeschränkung. Zu den Exzessen und Ausschweifungen der Herrschaft Neros und all derer, die sich ungeachtet »traditioneller« römischer Werte daran beteiligt hatten, stand diese Lebensform in striktem Gegensatz. Begrenzten Einblick in diese kleinstädtische Realität geben die großen Überlebenden der Archäologie, Pompeji und das benachbarte Herculaneum. Am 24. August 79 brach der Vesuv aus. Ein dichter Schauer aus Staub und Bimsstein stieg über den Rändern des Kraters auf, von Erdbeben, Flammen und einer Wolke begleitet, die, so der Augenzeuge Plinius, geformt war wie die Krone einer Schirmpinie, wie sie noch heute in der Umgebung der Ruinen heimisch ist. Die Wolke erreichte eine Höhe von etwa 30 Kilometern, und nach vergleichbaren jüngeren Ausbrüchen des Mount St. Helen im amerikanischen Nordwesten zu schließen, dürfte die im Vesuv freigesetzte Explosionskraft 500 Mal stärker gewesen sein als diejenige der Atombombe von Hiroshima. In Pompeji kann man die Auswirkungen in drei Stufen des Grauens verfolgen. Als Erstes erlosch das Tageslicht, als ein Guss weißen Bimssteins von etwa 3 Meter Tiefe den Himmel verdunkelte, dann schwärzte grauer Bimsstein Straßen und Gebäude. Am folgenden Morgen, dem 25. August, gegen halb acht, rollte eine große »brennende Wolke« von heißem Gas in die Straßen, die alle erstickte und verbrannte, die in der Stadt geblieben waren oder dort festsaßen. Diesem mächtigen Schwall des Gases folgte die pyroklastische Flut aus heißem, flüssigen Gestein und Bimsstein, das die Gebäude zerstörte und sich bis weit hinter die Stadt ergoss; bis 8 Uhr wiederholten sich in der folgenden halben Stunde Schwall und Flut in vier Wellen von wachsender Stärke. Sie rissen den gelehrtesten unter den Beobachtern, den älteren Plinius, in den Tod. Die Briefe seines gleichnamigen Neffen bringen in Erinnerung, dass Plinius die Bucht von Neapel überquert hatte, um sich das Schauspiel aus der Nähe an zusehen. Im Inneren der Stadt werden noch immer Überreste gefunden - von Maultieren, für die ihre Krippen neben den Mühlsteinen, die sie drehten, zur Falle wurden, bis zur juwelenbehängten jungen Dame, deren Brust ihren Ab druck in den Massen aus Schlamm hinterließ, in denen sie starb. In Herculaneum hatten der Schwall und die Flut den Ort am früheren Morgen heimgesucht und ihn in sechs Wellen getroffen, um im Meer auszulaufen. Die Stadt war noch tiefer unter Lava und Stein begraben als Pompeji, und zwar, wie man heute annimmt, nicht aufgrund der Sekundäreffekte Regen und Überschwemmungen. Das Ausmaß der Katastrophe war gewaltig, und man begreift, warum sie für Titus' erstes Regierungsjahr eine allgemeine und finanzielle Belastung darstellte. Pompeji und Herculaneum lagen dicht am Golf von Neapel, wo so viele prominente Römer ihre spektakulären Landsitze errichtet hatten. Selbst als dieser Luxus am Golf im 1. Jahrhundert v. Chr. seinen Höhepunkt erreichte, war keiner der beiden Orte eine Großstadt ersten Ranges; in den 70er Jahren hatte die Bucht ein wenig von ihrer Bedeutung verloren. Das besser bekannte Pompeji umfasste eine Fläche von etwa 140 Hektar und hatte in seinen letzten Tagen vielleicht 8000-12 000 Einwohner. Die Stadt lag auf einem Plateau vulkanischer Lava, dem Rest einer früheren Eruption, und zu ihrem Bau hatte man verschiedene Arten Vulkangestein verwendet. Die Bevölkerung war sich des Risikos, das sie einging, jedoch nicht bewusst - der letzte Ausbruch des Vesuvs lag mehr als 1000 Jahre zurück, und die Steine schienen vermutlich harmlos. Pompeji selbst war seit dem 6. Jahrhundert v. Chr. in mehreren Schichten klar abgegrenzter historischer Phasen gewachsen: einer etruskischen, in die sich auch Griechisches mischte, einer samnitischen und seit 80 v. Chr. der kolonialrömischen, als auch Cicero dort eines seiner Häuser baute. Im Jahr 79 n. Chr. waren die Wurzeln der Stadt, wie die Londons, mindestens 200 Jahre alt, und über den Fundamenten errichteten die Bewohner weiterhin Bau um Bau bis zum Ende. Das hatte zur Folge, dass die besterhaltene antike Stadt in vielfacher Hinsicht bis heute schwer zu verstehen ist. Sie hatte keinen Stillstand gekannt, und nach dem verhängnisvollen Ausbruch begannen unverzüglich die Plünderungen. Sie gingen weiter, nachdem seit den 1740er Jahren Ausgrabungen stattfanden. Bei allem, was zerstört, verkauft oder zerstreut wurde, ist ein Drittel Pompejis glücklicherweise für künftige archäologische Forschungen erhalten geblieben. Eine Seite des pompejanischen Alltags erscheint faszinierend modern. Das Straßensystem war so angelegt, dass es Verkehr auf Rädern von bestimmten Arealen im Stadtzentrum fernhielt. Es gibt gut erhaltene Wein-Bars mit einem Phönix oder Papagei als Kneipenschild, daneben Theater, einen sogenannten Sportkomplex und ein besonderes Marktgebäude, in dem die Leute Fisch, Fleisch und Delikatessen einkaufen konnten. Viele Häuser enthalten große Wandgemälde oder Fresken, und unverkennbar herrschte ein Haus-und-Garten-Kult. Trompe l '? il -Gemälde scheinen den Gartenraum zu vergrößern und zeigen sogar exotische Vögel sowie die Blumen, Rosen oder Myrten, die in Töpfen und Rabatten angepflanzt waren. Die Hausbesitzer aßen an einem Tisch im Schatten der Bäume; es war sozusagen ihr Zimmer im Freien. 118 Stück Tafelsilber wurden im Kellergeschoss allein eines einzigen großen Hauses gefunden, darunter ein Set für Abendgesellschaften von acht Personen. Auch Graffiti und eindrückliche Wandinschriften sind zu sehen. Graffiti mit Versen Vergils wurden gefunden, davon einige in einem Bordell. An den Straßenfassaden der Bars, an Häusern und öffentlichen Gebäuden warben Wahlplakate für einzelne Magistratskandidaten. Auf rund 40 Plakaten wird die Unterstützung durch Frauen erwähnt, obwohl die Frauen nicht wählen durften. Gemalte Porträts geben uns das Gefühl, diese Menschen zu kennen - die junge Frau, die sich eine Feder an die Lippen hält, blond, mit klassischen Zügen, oder den Mann an ihrer Seite mit dem unsicher wirkenden Blick in den dunklen Augen. Doch vieles in diesen Zeitsedimenten ist keineswegs das, was wir uns heute unter einer gemütlichen Kleinstadt vorstellen. Bilder und Altäre der Götter waren allgegenwärtig, ganz zu schweigen von den feierlichen großen Tempeln auf dem Forum. Unentbehrlich für Haushalt und Gewerbe waren Sklaven; wo sie hausten, kann man sich allerdings kaum vorstellen, weil die oberen Gebäudegeschosse verloren sind. Auch die Freigelassenen trugen Wesentliches zur Wirtschaft und Sozialstruktur bei. Sie arbeiteten wie in Rom nach ihrer Freilassung weiter für die früheren Herren, die auf diese Weise vom Geschäft profitieren konnten, ohne gebunden zu sein. Ein Bankenviertel gab es nicht, Geldverleih war eine private Transaktion; desgleichen fehlten Krankenhäuser und öffentliche Wundarztpraxen. Bordelle gab es, doch ohne die moralische Abschottung in Rotlichtbezirke. Auch Straßenschilder fehlten. Gut erhalten sind öffentliche Toiletten hinter diskreten Trennwänden, doch hatten sich zwei, ja bis zu sechs Personen nebeneinander den Platz darauf zu teilen; für die Hygiene stellte die Kommune Schwämme zur Verfügung. Neben verschiedenen Theatern gab es die größte Sportanlage, das Amphitheater für Blutsportarten mit Menschen und Tieren als Akteuren. Es ist das älteste, das überlebt hat, und geht in die 70er Jahre v. Chr. zurück, als sich die Einwohnerschaft Pompejis durch die Ankunft römischer Veteranen-Kolonisten veränderte. Gladiatorenspiele werden in vielen erhaltenen Graffiti angekündigt und mit Beifall bedacht: »Idol der Mädchen, Celadus, der thrakische Gladiator!« 3 Auch fehlte den großen Privathäusern der Stadt das nach innen orientierte Zentrum einer Privatsphäre, wie wir es heute schätzen. Das Heim eines Pompejaners war wie für den Stadt-Römer nicht seine Burg und ein eigentliches Privatleben kein Ziel seiner Wünsche. Die römische Familie war nicht als Großfamilie definiert, in der man über Generationen und mit den Geschwistern unter einem Dach lebte. Sie war wie die unsere eine Kernfamilie, doch in ein anderes Beziehungsgeflecht eingebunden. Wenn das Oberhaupt der Familie, der pater familias , ein wichtiger Mann war, hatte er auch die Funktion des Patrons für zahlreiche Abhängige und sogenannte Freunde zu übernehmen, die ihm sowohl Gunstbeweise gaben als auch solche von ihm erwarteten. Allmorgendlich strömte eine Schar von Besuchern ins Haus, das eine Art Empfangszentrum darstellte. Viele ältere, größere Häuser gewährten den Besuchern vom Eingang her einen eindrucksvollen Durchblick entlang der Hauptachse, an der die zentralen Räume lagen; sie wurde von etwa 9 Meter langen, mächtigen hölzernen Querbalken gestützt. In den letzten Jahrzehnten der Stadt war dieser Grundriss längst nicht mehr allgemeintypisch. Große Häuser umfassten jetzt Werkstätten, Läden und sogar Bars, die an die Straße angrenzten und den Durchblick verdunkelten. Im lateinischen Wort familia sind auch die Sklaven des Haushalts eingeschlossen, die an diesen Arbeitsplätzen zusammen mit den Freigelassenen des Hausherrn gewinnbringend eingesetzt wurden. Im Hausinnern, dem eigentlichen Haushalt, hätte uns die ausgesprochen sparsame Möblierung überrascht, die Mehrzweckverwendung vieler Räume und das ersichtliche Fehlen einer Privatsphäre, wie wir sie uns vorstellen. Sogar die Gewächse in den größeren Gärten waren oft nur aus ökonomischen Gründen angepflanzt, nicht um des zweckfreien Gärtnerns willen. Im südlichen Sektor wurden jüngst Häuser mit großen Weingärten auf den zugehörigen Grundstücken ausgegraben, und möglicherweise wurden sogar auch Rosen für die wichtige Parfümindustrie gezüchtet. Da die Identität vieler Hausbesitzer noch nicht geklärt ist, bleibt auch ihre Beziehung zu Bauernhäusern und Landgütern (villae rusticae) in der Umgebung ungewiss. War Pompeji eine Stadt, die von den Einnahmen aus dem Konsum lebte und deren Grundbesitzer ihre Pachtzinsen und andere Einkünfte für Konsumgüter - darunter Getreide - ausgaben, die nur in der nächsten Umgebung produziert wurden? Die Annahme ist wenig wahrscheinlich, denn man entdeckte in der Stadt nicht nur vereinzelte Importgüter aus weit entfernten Regionen - einen Stapel prächtiger Keramik aus Gallien oder die exquisite Elfenbeinstatuette einer nackten indischen Gottheit -, sondern in Gallien und Spanien hat man auch Produkte aus Pompeji gefunden. Die Weine der Stadt waren nicht erstklassig, doch weithin bekannt und folglich weit verbreitet. Auch ihre guten Mühlsteine waren berühmt sowie ihre salzige Fischsauce, deren Gebrauch außerhalb der Stadt vielfach bezeugt ist. In den Jahren vor 79 war der König der Fischsauce ein Freigelassener namens Umbricius Scaurus, dessen Erzeugnisse nach Kampanien exportiert wurden. Er setzte ihnen in augenfälligen Mosaiken seines Hauses sogar ein Denkmal. Die laufenden Ausgrabungen in den nahe gelegenen Landgütern bestätigen deren Rolle als Zentren für Vorratshaltung und Produktion von oft beeindruckender Größe. Und nicht alles war vermutlich für den heimischen Verbrauch bestimmt. Auch galt solche Produktionstätigkeit bei den städtischen Führungsschichten keineswegs als »würdelos«. In der Nähe des Amphitheaters wurde ein großer, offensichtlich kommerzieller Weingarten mit Löchern für mehr als 2000 Rebstöcke gefunden; dieser Wein wurde wohl in den Geschäften der Stadt verkauft und vielleicht sogar in die weitere Umgebung verschickt. Familien von Rang im bürgerlichen Leben Pompejis blieben in Erinnerung, weil sie bestimmten Traubensorten ihren Namen gaben (z. B. die »Holconische«). Der Gewinn aus dem Weinanbau war ihnen zweifellos wichtig, die Arbeit aber erledigten ihre Freigelassenen und Sklaven. Vielleicht gehörten die Landhäuser mit den üppigsten malerischen Darstellungen von Reben und Trauben wirklich engagierten, gewinnorientierten Weinbauern. Zwischen dem städtischen Domizil, dem großen Haus für die gesellschaftlichen und politischen Verpflichtungen, und dem Zweitwohnsitz auf dem Land, einem Produktionszentrum auf Großgrundbesitz, müssen häufige Kontakte bestanden haben. Leider sind solche Verbindungen in den uns erhaltenen Relikten nur spärlich bezeugt. Doch Pompeji war oberhalb des schiffbaren Sarno außerordentlich günstig gelegen und hatte guten Zugang zum Meer - ein wichtiger Faktor für die nach außen ausgerichtete Wirtschaft der Stadt. Profitneigung schloss eine passionierte Selbstinszenierung nicht aus. Deshalb sind die imposanten Grabbauten pompejanischer Familien vor den Stadttoren entlang den Hauptstraßen aufgereiht. Sie fallen besonders vor der Südmauer ins Auge, wo sie sich, wie man heute weiß, mehr als anderthalb Kilometer weit neben der Straße nach Nuceria erstreckten. Mit diesen Grabmonumenten wurden die Einheimischen durch die römischen Siedler bekannt. Einige der stilvolleren halten ganze Familien in Erinnerung und schließen sogar ein paar Sklaven aus ihrem Haushalt ein. Die öffentliche Lage der Begräbnisstätten bringt uns zu Bewusstsein, dass sich das Leben der Bürger vor den Augen der Öffentlichkeit abspielte und dass wichtige Personen wünschten, als solche wahrgenommen zu werden. Das Ausmaß der Gefallsucht und des sozialen Wettbewerbs würde selbst New Yorker verblüffen. Die Theater der Stadt hatten ihre kulturelle Bedeutung, doch im Mittelpunkt des Programms standen Possen und Pantomimen. Was den literarischen Geschmack betrifft, könnten die Inschriften ein irriges Bild vermitteln. Nicht alle Vergil-Graffiti sind als Hinweis auf Gelehrsamkeit und eine literarisch gebildete Gesellschaft zu verstehen. Viele stammen aus den Anfangszeilen eines Werks oder Gedichts, die möglicherweise aus Schreibübungen bekannt waren, und fähige Beschrifter erhielten den Auftrag, sie in eleganter Form festzuhalten - vielleicht nur, weil der Kunde sie von anderen oder in einer Rezitation gehört hatte. Besonders beliebt waren, zweifellos ihrer sexuellen Bezüge wegen, offenbar Verse aus Vergils Eklogen, einem homoerotischen Hirtengedicht. Eine Wandmalerei zeigt sogar Karikaturen von Aeneas und seiner Familie als Figuren mit Hundeköpfen und überdimensionalen Geschlechtsorganen. Auch unter den Wahlplakaten sind einige ausgefallene Exemplare. Sie singen das Lob eines bereits gewählten Kandidaten, statt ein Bemühen um Wahlerfolg zu unterstützen. Die Stadt wurde von zwei Magistraten geführt (duumviri) , denen zwei nachrangige, die Ädilen, zur Seite standen, und einmal jährlich, im März, fanden Wahlen statt. In den letzten Tagen der Stadt waren die Ämter der Ädilen offenbar besonders umkämpft. Die wenigen Plakate, in denen die Namen von Frauen erwähnt sind, nennen sie als Anhängerinnen oder Cheerleader, natürlich nicht als Kandidatinnen; sie können sogar satirisch darauf hinweisen, dass ein Kandidat »nur für Frauen« tauge. Die Kandidaten mussten freie Männer sein, die bereits gewählte Mitglieder des Stadtrats waren, ein Amt auf Lebenszeit. Da die Ratsherren für ihre Wahl bezahlen mussten - manchmal boten sie Gladiatorenspiele an -, kamen sie und folglich auch die Magistrate aus der Schicht der Besitzenden. Doch wenigstens bei den Wahlen der Ädilen ging es noch lebhaft zu. Unter den Funden sind ungefähr 100 Plakate aus dem Wahlkampf für einen Ädil-Kandidaten, einen gewissen Helvius Sabinus, der wahrscheinlich im letzten, dem verhängnisvollen Jahr 79 stattfand. Sie wurden in den meisten Hauptstraßen gefunden und weisen auf die übliche breite Palette von Förderern und Anhängern hin: Gruppen von Händlern, Haushalte, ein, zwei Frauen und sogar die Diskuswerfer. »Schlaft ihr?«, heißt es auf einem dieser Plakate. »Wählt Helvius Sabinus als Ädil«. 5 Geschrieben sind alle Plakate auf Latein, doch nicht in unserem klassischen Latein. Im Jahr 79 war der Golf von Neapel noch multikulturell; neben dem Lateinischen wurde viel Griechisch und als dritte Sprache das süditalische Oskisch gesprochen. Alle drei Sprachen waren in Pompeji zu hören, wo das Oskische, was unsere lateinische Literatur verhehlt, noch im 1. Jahrhundert n.Chr. auf Inschriften zu lesen ist. Lassen die letzten Tage Pompejis, das im Dunstkreis des luxuriösen Villenlebens der Bucht von Neapel lag, dennoch so etwas wie beständigere »italische Werte« erkennen? Diese letzten Tage dauerten in Wahrheit eine ganze Weile. Schon im Jahr 62 hatte ein schweres Erdbeben die Stadt erschüttert, dessen Nachbeben sich bis in die 70er Jahre fortsetzten. Von den Archäologen wurde eine letzte Phase, von 62 bis 79, freigelegt, die es uns erlaubt, dieses provinzielle Italien zur Zeit des Aufstiegs Vespasians in Aktion zu sehen. Die notwendig gewordenen Reparaturen und Erneuerungsarbeiten konnten dem Hang der Bewohner zu Dekoration, Malerei und Fresko keineswegs auslöschen; Häuser wurden vergrößert und dehnten sich manchmal auf neue Grundstücke aus. Durch Läden, Apartments und Werkplätze konnte der ursprüngliche Grundriss eines Hauses gelegentlich schräg zum Haupteingang verändert werden. Verließen die früheren Bewohner während all dieser Unternehmungen die Stadt und verkauften ihre Häuser, oder erweiterten sie die Gebäude für neue Nutzungen? Für ihren Weggang wurde allgemein das Erdbeben verantwortlich gemacht, doch der Wandel, soweit er stattfand, vollzog sich vermutlich über Jahre als soziale Umwälzung. Auch ohne ein Erdbeben blieb in diesem Zeitalter früher Sterblichkeit und allgemeiner Unsicherheit keine führende urbane Schicht stabil und unverändert. In ganz Italien musste »neues Blut« nach einer Zeit, in der sich die Spuren des Neuen langsam verloren, immer für finanzielle Zwecke herhalten. Ein Teil der Geschichte mag sein, dass eine jüngere Schicht von Emporkömmlingen, ursprünglich Freigelassene, alte Häuser in Pompeji übernahm und sich mit übertriebenen Sanierungen in Szene setzte. Verschiedene Anwesen lassen solche Veränderungen erkennen, und es gibt in dieser Zeit auch Anzeichen für ein Design-Desaster besonderer Art, den städtischen Kleingarten. Wie die Gärten mancher großstädtischer Gartenausstellungen zwängt er sich in wirre Restbestände heruntergekommener Größe - Wände mit Trompe-l'?il- Malereien, Pergolas und drittklassige Skulpturen. Der Stil ist weniger der einer Villa en miniature (die großen Villengärten waren ein Konglomerat verschiedenster Merkmale) als vielmehr eine Stadtgarten-Phantasie von unverwechselbarer Eigenart, die oft an ganz andere Landschaften denken lässt - an Waldgebiete, Wasserfälle und sogar an Ägypten und den Nil. Ein ähnlicher Geschmack ist im Hausinnern zu erkennen. Nach 62 nahmen die Malereien in einigen Häusern verschwenderisch zu, so im »Haus des tragischen Poeten«, wo die Wände lückenlos mit Darstellungen aus griechischen Sagen bedeckt sind. Nur wenige Wandmalereien lassen an Theaterszenen denken, wie man sie vielleicht von Abenden in der Stadt kannte. Ähnlich den Drucken und Tapeten aus einem modernen Musterbuch oder einem Sonderangebot in der Zeitung gemahnen diese großen Bildfelder an eine kulturelle Welt, die ihre Besitzer selbst nicht zu verstehen brauchten. Draußen wie drinnen galt die Vorliebe einem hübschen, dekorativen Stil um seiner selbst willen. Ein solcher Wandschmuck war heiter und auf seine Art luxuriös. Und der Luxus war moralisch unbedenklich, nicht weil seine weltfernen Phantasien die Zuschauer sozusagen in sicherem Abstand hielten; ebenso wenig wurde er akzeptabel, weil man ihn als Feier des Überflusses ansehen konnte. 6 Vielmehr war dieser Luxus vergleichsweise bescheiden, wenn man ihn an römischen oder julisch-claudischen Ansprüchen maß. In Pompeji sehen wir deshalb keinen gefährlichen, verweichlichenden Luxus, den die Moralisten beklagen mussten. Für uns liegt die Freizügigkeit in den Darstellungen sexueller Szenen, die jedoch, soweit bekannt ist, nicht auf lokale Kritik stießen. Auch gehören nicht alle in Pompejis letzte Tage. Auf Türklopfern, Lampen oder Türpfosten waren seit langem erigierte Phalli abgebildet; auch gab es sehr explizite Sexszenen auf den Rahmen von Handspiegeln und anderes. Bei einigen könnte es sich um grobe Späße handeln, wie man sie heute auf Souvenirs sieht; andere sind vielleicht unverkrampfte Bilder der Fruchtbarkeit oder aber Erotika für die Wände spezialisierter Bordelle. Doch das Bild einer nackten Frau auf einem Mann im Säulengang eines Innenhofs oder nummerierte Malereien im Umkleideraum öffentlicher Bäder, die oralen Sex zwischen Männern und Frauen, darunter Spiele zu viert, darstellen, lassen sich nicht als Bilder zur Abwehr des bösen Blicks oder zur Beschwörung eines glücklichen Geschicks erklären. Sie sind nichts als sexy. Die Szenen über den Kleiderspinden in den Umkleideräumen konnten - wie die Spiegel - sogar von Frauen gesehen werden. Pompejanische Werte waren also keine viktorianischen Werte. Bleibt die Frage, ob die krass derbe oder erotische Kunst der 60er und 70er Jahre vorwiegend von einer bestimmten sozialen Schicht präsentiert wurde. In dieser Zeit ist das große »Haus der Vettier« berühmt für sein Wandgemälde eines Mannes, der auf einer Waage einen enormen Penis gegen Goldmünzen aufwiegt. Die Vettier waren offensichtlich Freigelassene. Das Bild der Frau in Reiterstellung in der Gartenkolonnade wurde vom Sohn eines Geldverleihers installiert, der seinerseits Sohn eines Freigelassenen war. Vielleicht liebten es die neureichen Patrone, Derartiges zu zeigen, so wie heutige Banker weibliche Akte kaufen. Das vulgäre Gebaren von Freigelassenen aus der Region Neapel ist im eindrücklichsten Prosawerk dieser Ära, dem Satyricon , verewigt, das Neros witziger, eleganter Höfling Petronius verfasste. Erhalten ist nur ein Fragment, das von den Abenteuern dreier griechischer Gefährten, selbsterklärter homosexueller »Brüder«, und ihren verschiedenen sexuellen Beziehungen berichtet. Bemerkenswert ist ihr Gastmahl mit dem extravaganten Trimalchio und einer Gästeschar aus Freigelassenen. Die geschmacklose Villa des Gastgebers liegt in einer Stadt, hinter der man die ebenfalls am Golf von Neapel gelegene Hafenstadt Puteoli vermuten muss. Petronius charakterisiert die Freigelassenen durch ihre Sprache, ein Latein, reich an Sprichwort-Zitaten (dem Markenzeichen des Ungebildeten), an Stilblüten und haarsträubenden kulturellen Patzern. Es sind überspitzt gezeichnete Charaktere, die so nur in der Phantasie des Erzählers existieren; doch Trimalchios Gastmahl demonstriert mit aller Raffinesse eine protzige Vulgarität, eine derbe Lust an Geld und extrem schlechten Geschmack. Die dargestellte Episode ist die Satire eines hochkultivierten Mannes auf das groteske Auftreten von ehemaligen Sklaven - »wehe, wenn sie losgelassen«. In der unerträglichen Musik, dem Theatralischen, den Bühneneffekten, den lachhaft gewöhnlichen Ehefrauen, die sich im Wettstreit um den schwersten Goldschmuck messen, erkennen wir ohne Mühe Elemente von Abendgesellschaften mit Pompejis Vettiern oder anderen Freigelassenen der Stadt, Männern wie Fabius Eupor oder Cornelius Tages. Einige Instruktionen des Trimalchio für die Dekoration seines Grabes entsprechen tatsächlich bestimmten Details einer bekannten Grabstätte, die eine Frau in Pompeji für ihren verstorbenen Gatten bauen ließ. In den 60er und 70er Jahren gehörten also die Freigelassenen zu den Hausbesitzern Pompejis, die ihren Residenzen einen neuen Anstrich gaben. Sie blieben jedoch (als Freigelassene) weiterhin von der Übernahme öffentlicher Ämter ausgeschlossen, und die älteren, seriöseren Familien Pompejis waren sicherlich nicht restlos aus der Stadt verschwunden, nur weil neuerdings der Boden unter ihren Füßen bebte. Wir finden aus dieser Zeit im sogenannten Haus der Venus auch das klug geplante Trompe-l'?il- Gemälde einer nackten Meeresvenus, das für die Lucretii Valentes, bedeutende Bürger unter Nero, angefertigt wurde. Für den Ersten Bürger der Kolonie wurde auch das »Haus des tragischen Poeten« neu geschmückt, der es allerdings vermietete. Venus und Profit waren also nicht nur für Freigelassene attraktiv. Aber vielleicht - dies eine Vermutung - musste man ein Aufsteiger sein, um Sexszenen an den eigenen vier Wänden so offen zur Schau zu stellen. Denn die Bewohner des früheren Pompeji waren von den beständigeren patriotischen Werten des augusteischen neuen Zeitalters geprägt. Die Ostseite des zentral gelegenen städtischen Forums war in der Zeit der Kaiser umgestaltet worden. Tempel für deren kultische Verehrung waren entstanden, und Statuen vor einem der großen Verwaltungsgebäude, gestiftet von der prominenten Priesterin Eumachia, zeigten Helden wie Romulus und Vater Aeneas. Sie erinnerten an die moralischen Skulpturen in Augustus' neuem programmatischen Forum in Rom. Sparsamkeit und Mäßigkeit sind relative Begriffe. Für die Italiker, die in den 70er Jahren erstmals in den römischen Senat gelangten, bedeuteten sie, dass man nicht verschwenderisch war wie die Julier und Claudier oder jene Senatoren, oft Provinziale, welche die unvergleichlich großen Vermögen besaßen. Um 70 gab es in Pompeji sicherlich Familien, die sich dem ausschweifenden theatralischen Schwulst an Neros Hof mühelos angepasst hätten. Doch der Weg dorthin blieb ihnen verschlossen. Keines der ausgegrabenen Häuser hatte einen Besitzer, der auch nur die geringste Aussicht auf den renommierten Senatorenstand gehabt hätte. Die mögliche Ausnahme ist Neros schöne Poppaea, die vermutlich Eigentümerin der riesigen Villa im benachbarten Oplontis war; die pompejanischen Häuser allerdings, deren Besitz ihr manchmal auch zugeschrieben wird, gehörten ihr wahrscheinlich nicht . Wenn sich ihr die Gelegenheit bot, konnte Poppaea es an Verschwendungssucht mit den Besten aufnehmen. Doch die Vorzeigegattin eines Kaisers nahm eine Sonderstellung ein. Viele Bürger Pompejis, wahrscheinlich die Mehrheit, verstanden sich in den 60er und 70er Jahren noch als Bewahrer »traditioneller« Werte. Die Freigelassenen waren wie gesagt nur ein Teil der Geschichte. Im Säulengang eines Gartenraums für Diners im Freien waren Verse zu lesen, die den Gästen rieten: »Wendet eure lustvollen Blicke und süßen kleinen Augen von der Ehefrau eines anderen ab.« 9 Auf der Strada dell'Abbondanza (Straße des Überflusses) verkünden die großen Lettern einer Inschrift »Sodom und Gomorrha«, vielleicht eine biblische Warnung an die Pompejaner vor den Gefahren sexuellen Fehlverhaltens. Doch Pompeji ging nicht in einer Sintflut von Orgien unter.

18 Philipp von Makedonien Philipp verachtete Menschen, die einen geordneten Charakter hatten und ihren Besitz hüteten, doch er pries und ehrte solche, die verschwenderisch waren und ihr Leben mit Würfelspiel und Trinken verbrachten ...Waren nicht einige von ihnen rasiert und weichhäutig, obwohl sie erwachsene Männer waren, während andere es wagten, einander zu besteigen und Geschlechtsverkehr auszuüben, obwohl sie Bärte trugen? Zu Recht also konnte jemand sie für »Bettgenossen« halten, nicht aber für »Kampfgenossen« ... Theopomp Frgm. 225 B (Jacoby), nach seiner Zeit bei Philipp in Pella D ie Beziehungen zwischen den Stadtstaaten Griechenlands erfuhren bis in die 350er Jahre eine Fülle von Veränderungen, aber große Überraschungen von dritter Seite blieben aus. Zwanzig Jahre später jedoch hatte die Freiheit der Griechen einen neuen Herrn, einen König von Makedonien, dem Reich im griechischen Norden jenseits des Berges Olymp. Die unvermutete Dominanz Makedoniens ging über die des perikleischen Athen weit hinaus und sollte mehr als 170 Jahre dauern. Ihre Anfänge verhießen wenig Gutes. Philipp, ihr Begründer, betrat die Bühne mit etwa 20 Jahren als Regent für einen noch jüngeren Prinzen. Sein älterer Bruder hatte in einer Schlacht den Tod gefunden und nicht, wie Gerüchte es wollten, durch die Hand seiner Mutter, und sein Reich wankte unter dem Ansturm von Barbaren aus dem Nordwesten. Den griechischen Stadtstaaten im Süden war das Bild vertraut: Mord in der makedonischen Königsfamilie, eine umstrittene Thronfolge, bedrängte Könige, die Eide schworen und brachen. Es kam zu flüchtigen Schüben erstarkter Macht, doch über 200 Jahre lang war nicht ein einziger König von Makedonien im hohen Alter eines friedlichen Todes gestorben. Dessen ungeachtet gebot das neue Oberhaupt des Landes, König Philipp II., nach mehr als zwanzigjähriger Machtausübung über eine erstklassig trainierte Armee, die zahlreiche Thessalier und andere Griechen einschloss, und konnte einen entscheidenden Sieg über die wichtigsten griechischen Stadtstaaten erringen, darunter Athen. Im Jahr 338 v. Chr. erstreckte sich sein Machtbereich von der Donau bis nach Südgriechenland. Seinen griechischen »Verbündeten« diktierte er einen äußerst restriktiven Frieden. Er bereitete sogar eine Invasion des Perserrreichs vor. Der Aufbau seines neuen Makedonien war der schnellste und bemerkenswerteste Aufstieg zur Großmacht, den die antike Welt erlebte. Im 4. Jahrhundert v. Chr. war Makedonien rund um einen im Flachland gelegenen Palast und die Hauptstadt Pella konzentriert, bestand aber als Ganzes aus einem Flickenteppich kleiner Königtümer mit zeitweise je eigener Thronfolge. Feindliche Griechen im Süden hatten seine Könige auch schon als »Barbaren« bezeichnet, und die »makedonische Sprache« seiner einfachen Bewohner war für einige Südgriechen nur mit Mühe zu verstehen. Die Makedonen grenzten sich sogar in offiziellen Listen manchmal von den Hellenen ab. 1 Das Königshaus aber berief sich auf Wurzeln in Argos und datierte seine Ankunft auf etwa 650 v. Chr., so als seien die Vorfahren vor dem kommenden Zeitalter der Tyrannen und Hoplitenkämpfe auf griechischem Boden nach Norden geflohen. Der Anspruch ist wenig glaubwürdig, doch um das Jahr 500 herum erhielt ihr König Alexander I. nach sorgfältiger Überprüfung die Erlaubnis, an den Olympischen Spielen teilzunehmen, die ausschließlich griechischen Athleten offen standen. Wie verhält es sich also? Waren die Makedonen Griechen? In den letzten 30 Jahren wurden in zunehmender Fülle Belege dafür gefunden, dass Makedonen als Schirmherren griechischer Kunst und Handwerkskunst in Erscheinung traten. Aus Texten wussten wir bereits, dass ihre Könige im 5. Jahrhundert griechische Verbannte auf ihrem Gebiet ansiedelten. Sie förderten Dichter wie Pindar und Euripides und beschäftigten die bedeutenden Maler ihrer Zeit. Nach neuesten archäologischen Funden können wir jetzt auch Kallimachos, den Meister der Bildhauerkunst, dieser Liste hinzufügen. Ohne Zweifel wünschten die makedonischen Könige und Höflinge als Griechen betrachtet zu werden. Mäzenatentum macht aus den Mäzenen noch keine Griechen, aber es gibt auch neue Untersuchungen makedonischer Personennamen, der Monatsnamen im makedonischen Kalender und einiger alter Wörter aus dem »makedonischen Dialekt«. Im Kontext des 4. Jahrhunderts wurden in wachsender Zahl Inschriften mit Namen gefunden, und es sieht so aus, als ließe sich der »makedonische Dialekt« mit dem Griechischen in Verbindung bringen, wie es in Nordwestgriechenland verbreitet war. Eine der frühesten griechischen Inschriften in Makedonien, ein Fundstück aus jüngster Zeit, ist ein Fluch, der von einer Frau aus Pella oder für sie geschrieben wurde: Im Namen der Götter, die sie beschwört, verwünscht sie einen Mann und ein unvergängliches menschliches Phänomen - den Liebesverrat. Als »gemeinsamen Ahnen« des Königtums betrachtete man den legendären Makedon, den die griechische Genealogie als einen Sohn des Gottes Zeus anerkannte. In der ursprünglichen Hauptstadt, ihrem dynastischen Zentrum Aigai (Vergina), feierten die Könige sogar lokale Olympiaden, ein Fest zu Ehren des Zeus, und nahe der Südgrenze des Reiches in Dion fanden musische Wettkämpfe zu Ehren der Musen statt. 3 Sogar die Könige hatten verschiedentlich nichtgriechische »Barbarinnen« als Ehefrauen gewählt. Es hieß, vermutlich zu Recht, Philipps eigene Mutter sei eine solche »Barbarin« gewesen. Doch die vorherrschende Kultur wie auch die Sprache der Könige und des Adels war zweifellos die griechische. Philipp II. selbst wuchs in zwei Welten auf. Noch in jungen Jahren geriet er als Geisel nach Theben, die führende Militärmacht auf griechischem Boden. Einer der großen thebanischen Feldherren soll sein Liebhaber gewesen sein. Doch Philipp verbrachte auch eine gewisse Zeit als Geisel im barbarischen Illyrien. Er begünstigte griechische Künstler, Schauspieler und Redner, seine Mutter allerdings soll erst in mittleren Jahren schreiben und lesen gelernt haben. Vor kurzem fand man in Aigai, dem Zentrum der Makedonen, kunstvoll gemeißelte griechische Inschriften, die in ihrem Namen angefertigt wurden. Philipp bewegte sich aber auch in Gesellschaft barbarischer Könige und Verbündeter, die das extravagante Schauspiel von Bravour und Großzügigkeit liebten. In dieser Runde war es Brauch, einen barbarischen Bundesgenossen, der einem Feind im Gefecht den Kopf abschlug, mit einem goldenen Becher zu belohnen. Der klassischen griechischen Art entsprach dieses »Kopf gegen Becher« nicht. Auch einige einheimische Traditionen der Makedonen waren entschieden primitiv. In der Vergangenheit erhielt ein Mann erst dann die Erlaubnis, einen Gürtel zu tragen, wenn er in der Schlacht einen Feind getötet hatte. Zu Philipps Zeiten musste er, um auf dem Sofa ruhend das Nachtmahl einnehmen zu dürfen, einen wilden Bären erlegen. Wie frühere Könige seines Reiches, doch anders als seine griechischen Zeitgenossen, lebte Philipp polygam. Innerhalb von drei Jahren hatte er vier Ehefrauen in seinem Palast und brachte es schließlich auf sieben, von denen drei nichtgriechische Barbarinnen waren, darunter Audata; sie kam als Kriegerin in der Schlacht zu Ruhm und lehrte auch ihre mutige Tochter Kynnane die Waffen zu führen. Philipp spielte seine Frauen gegeneinander aus, so wie er auf diplomatischer Ebene die griechischen Großmächte gegeneinander ausspielte. Die junge Makedonin Kleopatra, auch Eurydike genannt, der er zuletzt verfiel, spaltete die königliche Familie und kostete Philipp vermutlich das Leben. Unter den sensationellen Funden ausgemalter Grabkammern in der Begräbnisstätte des Königshauses in Aigai ist auch ein königliches Doppelgrab, in dem zweifellos die verbrannten Überreste Philipps und die einer jungen Frau bestattet sind, möglicherweise der Königin Kleopatra. Griechen von außerhalb, so der Historiker Theopomp, ein zeitgenössischer Besucher, erzählten reißerische Geschichten von Rache, die sich an diesen Begräbnisplatz knüpften. Mit den jüngst aufgefundenen Gräbern verfügen wir jetzt über Fakten, die diesen bisher haltlosen Gerüchten eine reale Grundlage bieten. Die Könige und Aristokraten Makedoniens sahen sich zwar als Griechen, konnten daneben aber in ihrer Eigenart als »Makedonen« auftreten, ein Selbstverständnis, das durch ihre Erfolge bekräftigt wurde. Vermehrt stellten sich Gesandte aus ganz Griechenland in Philipps Residenz Pella ein, und die Delegierten Athens würdigten seinen ungewöhnlichen Stil. Damals hatte Philipp bei einer Belagerung schon ein Auge verloren, neben gebrochenen Schlüsselbeinen eine der vielen Verwundungen, denen seine kräftige Konstitution in den zurückliegenden 20 Jahren getrotzt hatte. Doch die Athener Besucher äußerten sich zu seinem guten Aussehen, seinem hervorragenden Gedächtnis, seiner Gastfreundschaft und dem Talent, das er bei Trinkgelagen zeigte. Philipp besaß großen männlichen Charme, und seine gewinnende Art war mit ausnehmender Tapferkeit und spontaner Großmut verbunden - zweckmäßige Talente für ein Hofleben, das seine wilderen Seiten barg. Vermutlich in Makedonien hatte Euripides sein dramatisches Meisterwerk Die Bakchen über den Gott Dionysos geschrieben. Am Hof dürfte die Aufführung der Tragödie ein harsches Echo gefunden haben, nicht zuletzt weil Philipps Hauptfrau Olympias nachgesagt wurde, sie umgebe sich mit lebenden Schlangen. Lokale Dionysos-Verehrerinnen sind uns auf einem griechisch beschriebenes Goldband bezeugt, das kürzlich in Makedonien gefunden wurde. Beim Nachtmahl, so wird ebenfalls berichtet, habe Philipp seine Gäste mit Wein in großen Trinkhörnern gefeiert, die vermutlich den Hörnern von Ochsen aus europäischen Grassteppen nachgebildet waren. Auch von Frauen, die auf den Tischen tanzten, erzählte man sich, von Peitschen und degoutanten Exilgriechen, die das Klima der abendlichen Ausschweifungen anheizten. Im öffentlichen Leben kamen Philipp die Schwierigkeiten seiner älteren Nachbarn zustatten. Die betagten Barbarenkönige im Umkreis optierten für Frieden mit Makedonien und hinterließen ihren geschwächten Nachfolgern dann geteilte Reiche, die Philipp eines nach dem anderen erobern konnte. Man forderte den Makedonen auf, zunächst in Thessalien, dann in Mittelgriechenland, auch nach Süden vorzustoßen, wo er in den politischen Zwistigkeiten griechischer Staaten Partei nehmen sollte. In den ersten drei Jahren seiner Regierung ging er über die traditionellen Ziele der makedonischen Könige vor ihm nicht hinaus, wie es einem jungen Prinzen anstand, der unter harten älteren Aristokraten als Reichsverweser regierte. Dann wurde er in einem einzigen glanzvollen Jahr, 356 v. Chr., Vater eines Sohnes, der Alexander genannt wurde, schlug eine Koalition feindlicher Barbaren in die Flucht und eroberte den nahe gelegenen griechischen Stadtstaat Potidaia. Außerdem errang er mit seinem Rennpferd einen prestigeträchtigen Sieg bei den Olympischen Spielen, und zum Zeichen seines Status ließ er Silbermünzen prägen, auf denen er hoch zu Roß und mit erhobener Hand abgebildet ist. Er gründete sogar eine neue Stadt, die nach ihm benannt wurde, das berühmte Philippi (Philippoi) am Fluss Nestos, der durch den Expansionskurs des Königs zur östlichen Reichsgrenze geworden war. Weitere Konflikte in Griechenland führten ihn ins Landesinnere und zur symbolischen »Rettung« des bedrohten delphischen Orakels. Hier profitierte Philipp von Appellen griechischer Staaten, die selbst in Kriege verwickelt waren. 357 v. Chr., nach einer Abfuhr im nahen Euböa, hatten die Thebaner einen Krieg gegen die lokalen Phoker, langjährige Freunde Athens, vom Zaun gebrochen. Als die Phoker Widerstand leisteten und sich Schätze aus dem Heiligtum Delphi aneigneten, stempelten die Thebaner sie zu Tempelschändern und gewannen in Thessalien, einem alten Feind der Phoker, einen Verbündeten für den »Heiligen Krieg« gegen den Tempelfrevel. Doch die Thebaner konnten den Krieg, den sie angezettelt hatten, nicht zu Ende führen. Sie baten ihre ehemalige Geisel, König Philipp, in den Süden zu kommen und ihnen beizustehen, ein Ansinnen, das der Freiheit Griechenlands zum Verhängnis werden sollte. Im Frühjahr 352 verschafften Philipps Siege in Mittelgriechenland dem König die massive Unterstützung von Thessaliens Traditionalisten, die ihn sogar zum »Anführer« ihres Bundes ernannten. Thessaliens Staatseinkünfte standen ihm zur Verfügung, doch der größte Gewinn war die thessalische Reiterei, die nach Tausenden zählte. In ihrer viereckigen Schlachtaufstellung kämpften die thessalischen Reiter loyal für Philipp und seinen Sohn Alexander, bis dieser sie 329 am fernen Fluss Oxos in Zentralasien schließlich aus seinen Diensten entließ. Von Thessalien unterstützt, gewann Philipp den »Heiligen Krieg« gegen Phokis' »Tempelfrevel«, als kämpfe er im Namen Apollons. Die gefangenen Söldner der Phoker wurden im Meer ertränkt, um sie als schmutzige Frevler und Schänder kenntlich zu machen. 346 schloss Philipp ein Friedens- und Bündnisabkommen mit den Athenern und versprach vagen »Nutzen«. Die Realisten der Stadt ließen sich nicht täuschen. Dieses Abkommen sollte nicht so verstanden werden, als habe Philipp damit die Grundlage für eine dauerhafte Übereinkunft mit den griechischen Stadtstaaten angestrebt. Es war lediglich dazu bestimmt, ihm in Griechenland den Rücken frei zu halten, während er weitere, gewaltige Feldzüge unternahm: ins barbarische Illyrien, vielleicht bis zum heutigen Dubrovnik, dann nach Thrakien und in den Norden bis an die Donau. Unterdessen beteuerten seine Gesandten den griechischen Stadtstaaten auch weiterhin die Bereitschaft des Königs, ihren Klagen Gehör zu schenken; Versprechen von »Freundschaft« und »Nutzen« waren klassische Waffen in Philipps diplomatischem Arsenal. In derselben Zeit, vom Sommer 343 bis 341, wurden Kontaktversuche von Seiten unzufriedener Faktionen in griechischen Städten mit Geld, Waffen und sogar Söldnern belohnt. Und Philipp nährte derweil die Hoffnung, er werde im Süden die gefürchteten und gehassten Spartaner in Schranken halten. Spartas Nachbarn zögerten deshalb, sich einem Oppositionsbündnis gegen ihn anzuschließen, denn ein Wiederaufleben Spartas fürchteten sie noch mehr als diesen schwer einzuschätzenden makedonischen »Alliierten«. Nach großen Kampagnen, die Philipp ab 342 an der Ostgrenze des Reiches in Thrakien führte, kehrte er aus Anlass lokaler politischer Streitigkeiten im Jahr 339/38 nach Zentralgriechenland zurück. Vorsicht schien angebracht, denn der bisherige Verbündete Theben war endlich doch aus der gemeinsamen Linie ausgeschert und auf die Seite der Athener geschwenkt; dass Philipp seit 346 mit Bedacht einige Befestigungen in der Nähe der Thermopylen hielt, hatte bei den Thebanern für Ernüchterung gesorgt, und nach dem Angriff von 340 auf Byzanz, den Verbündeten Thebens, war der Argwohn gewachsen. Eine Allianz Theben-Athen hatte Philipp seit je gefürchtet. Doch im August des Jahres 338 schlug er die vereinten Truppen Thebens und Athens in der Schlacht von Chaironeia. Es war sein berühmtester Sieg, aber der griechischen Freiheit wurde er zum Verhängnis. Die diplomatischen Umtriebe und die Konflikte der Jahre 348 bis 338 üben bis heute ihre Faszination aus, und ihre Folgen waren ein Wendepunkt für die griechischen Stadtstaaten und deren Fundament, die griechische Freiheit. Nach dem Sieg von 338 bewies Philipp den Athenern ostentativ seinen Respekt - die Stadt hatte noch immer ihre uneinnehmbaren Langen Mauern -, fasste Theben allerdings weit härter an. Es folgte die Kampfansage an das Perserreich, die Philipp von langer Hand, mindestens aber seit Ende der 350er Jahre geplant hatte. Angebliches Ziel dieses Krieges war die »Bestrafung der persischen Untaten von 480«, vor allem der Brandschatzung der Tempel in Athen, und die »Befreiung« der griechischen Städte in Kleinasien. Im Jahr 338/37 erzwang Philipp einen Frieden und eine Allianz und bot vor dem Aufbruch nach Osten seinen griechischen Verbündeten die »Freiheit« an, ein Angebot, das viele von ihnen, die seinen wahren Zielen misstrauten, mit Zögern und Skepsis aufnahmen. Für seinen Feldzug nach Asien rief Philipp werbewirksam die Geschichte der großen panhellenischen Zeit von 481 bis 465 in Erinnerung. Er schmiedete einen zweiten panhellenischen Bund, der wie sein Vorgänger Korinth zum Zentrum hatte. Sparta blieb diesmal zum hämischen Vergnügen seiner Feinde im Süden ausgeschlossen. In ihren Augen war eine »Freiheit« unter Philipps Aufsicht dem Risiko einer Wiedererstarkung Spartas weit vorzuziehen. Aus Athener Sicht grenzten berechnende Überlegungen dieser Art an Verrat, denn Philipps panhellenische Allianz war weitaus restriktiver geregelt als ihre Vorgängerin in den 470er Jahren, die von Athen zur See und von Sparta zu Land angeführt worden war. Streng verboten waren in den Städten der Mitglieder sowohl Veränderungen am politischen System als auch die bedrohlichen radikalen Zumutungen der Neuverteilung des Landes und der Schuldentilgung. Ein Rat von Deputierten war beauftragt, Streitigkeiten zwischen den Mitgliedstaaten zu schlichten, und damit blieb die alte griechische Praxis von Schlichtungsverfahren kraft eines eidlich beschworenen Vertrags gewahrt. Es waren aber auch Männer »zum Schutz der allgemeinen Sicherheit« bestellt, eine bewusst vage euphemistische Bezeichnung für Philipps eigene Leute, wahrscheinlich seine Generäle und die Armee, die er in Griechenland zurückließ. 6 Rebellierende Staaten wurden dagegen nach eigenem Gutdünken des makedonischen Anführers bestraft. Philipps bemerkenswerte Erfolge waren mehrheitlich auf Bluff und Versprechungen gegründet, die raffiniert im Kostüm der Diplomatie auftraten. An die Athener richtete er Briefe voll vager Zusicherungen, irreführender Selbstrechtfertigung und später auch tendenziöser Geschichtsdarstellungen. Nie zuvor hatte ein einziger griechischer Staat einem anderen unaufgefordert so viele Kommuniqués übermittelt. Hinter den schönen Worten stand Philipps zunehmend unerreichbare militärische Stärke. Er hatte Makedoniens Grenzen erweitert und verfügte somit über die Ressourcen eines neu vereinigten Königreichs, dessen Truppenstärke die der Athener weit hinter sich ließ. Außerdem vergrößerte er die Reiterei um ein Vielfaches, indem er Makedonen, seine künftigen Kavalleristen, auf üppigen neuen Weiden in den Feuchtgebieten ansiedelte, die er an seiner Ostgrenze eroberte. Er füllte die Ställe des Königreichs mit neuen Pferderassen und verbesserte dadurch sogar die Kraft seiner Schlachtrosse. Gegen Ende seiner Regierungszeit war seine Kavallerie, die mit langen Lanzen angriff, über 5000 Mann stark - das Fünffache dessen, was für ihre Anfänge belegt ist. An seinen Grenzen im Nordwesten und im Osten annektierte Philipp darüber hinaus leicht auszubeutende Gold- und Silberminen. Schon Funde aus dem Makedonien vor der Regierungszeit Philipps sind archäologisch bemerkenswert, weil sie eine ungewöhnliche Menge von Goldobjekten enthalten, ein Luxus, der die Goldfunde im übrigen Griechenland weit übersteigt. Die neuen Minen erhöhten diesen Glanz und veränderten die ökonomische Basis des Reiches. Ihre Wirkung war bald in Philipps superber neuer Münzprägung zu sehen, den ersten Goldstücken, die ein griechischer Monarch in Umlauf brachte. Sie erwiesen sich als eines der langlebigen Andenken an Philipps Herrschaft; in Second-hand- Kopien überdauerten sie unter europäischen Barbaren und waren noch lange nach seinem Tod im fernen westlichen Gallien in Gebrauch. Andere Denkmäler hat Philipp sich in seinen Städten und seinen Neuerungen der sozialen und militärischen Ordnung Makedoniens geschaffen. An den Grenzen des Königreichs wurden verschiedene »Städte Philipps« gegründet, Vorboten der vielen Alexandrias auf Weisung seines Sohnes. Einige reihten sich an Flussufern im modernen Bulgarien, wo Plovdiv (griech. Philippopolis) seinen Namen noch heute lebendig hält. Die neuen Städte festigten seine Grenzen und die eroberten Gebiete, während Truppeneinheiten auf der Basis einer neuen sozialen Ordnung diese nun ausgeglichener strukturierte Armee enger an den König banden. Eine große Truppe von 3000 Königlichen Schildträgern, eine Erfindung des Königs, schloss eine trainierte Einheit Königlicher Waffenbrüder zu Fuß mit der vergrößerten Kavallerie der Waffenbrüder zusammen, die an beiden Flügeln der flexiblen Heeresformation ritten. Mit diesen neuen Ehrentiteln wurden Rekruten im Dienst des Königs ausgezeichnet. Als Kommandanten ihrer Einheiten dienten zwar noch immer Vertreter des heimischen Adels, aber sie waren jetzt trainiert und zu einer einzigen königlichen Streitmacht verschmolzen. Das Symbol der Waffenbrüder zu Fuß war die lange, mit einem Eisensporn verstärkte Lanze (sarissa) aus dem Holz der Kornelkische; sie wurde mit beiden Händen gehalten und erreichte eine Länge von fast fünf Metern. Philipp hatte über militärische Taktik offenkundig intensiv nachgedacht und entwarf eine neue Musterarmee, die eine ungewöhnlich vielfältige und doch ausgewogene Einheit bildete. Wohlgemerkt band Philipp diese Armee an die Person des Königs, ohne irgendeines seiner monarchischen Rechte aufzugeben. In den benachbarten Monarchien dagegen war die Macht des Königs durch Räte und Magistrate eingeschränkt worden. Philipp blieb ein Selbstherrscher, der von seinem Erfolg und dem Talent getragen wurde, Geschenke zu machen und seine Soldaten mit erobertem Land zu belehnen. Ein makedonischer König hatte sich durch Mut und große Taten auszuzeichnen. Sein Volk stand unbeirrbar loyal zur Monarchie, die sehr viel länger überlebte als Athens Demokratie, doch konnte es dem Adel jederzeit einfallen, sich für die Rolle des Königs eine andere Besetzung zu wünschen. Philipp musste neben allem Charme und diplomatischem Geschick ein großer Krieger und ein großer Jäger sein, ein großzügiger Geber und trinkfester Zecher. Diese Seiten des Mannes machten den makedonischen Führer aus und erregten die Bewunderung des Hofes. Also kämpfte Philipp in eigener Person an vorderster Front, um nach gewonnener Schlacht zu Pferd die unermüdliche Verfolgungsjagd nach den flüchtigen Anführern des Feindes aufzunehmen. Seine übrigen bekannten Fähigkeiten lassen sich heute sogar durch die Archäologie anschaulich belegen. Die großartigen Malereien im königlichen Doppelgrab von Vergina zeigen den König, wie er mit seinen Edelknaben und (wie anzunehmen ist) seinem Sohn Alexander einen Löwen erlegt - das Raubtier war damals im heimatlichen Makedonien und in den Grenzregionen noch anzutreffen. Sogar Jagdhunde mit furchterregend kantigen Kinnladen sind abgebildet. Rotwild, Bären und Keiler sind als Beute der Makedonen im direkten Gegenüber dargestellt. Auch Schild und Diwan, die prächtigen zeremoniellen Requisiten in Philipps Grabkammer, sind mit Szenen von schwungvollen Beutekämpfen berittener Jäger geschmückt. Zu den Grabbeigaben gehörte ein goldener Pfeilkasten der Art, wie man sie im barbarischen Skythien kannte, zweifellos ein Geschenk an Philipp, eine der Gaben, wie er sie selbst zu präsentieren liebte. Eine stattliche Ansammlung silberner Trinkbecher, großer Krüge und Behälter, teils schön verziert, zeugen von der Beliebtheit der Zechgelage, die bei Festen auf den Ruhebetten in Philipps Palasträumen gefeiert wurden. Philipp glänzte in all diesen Künsten und erwarb sich damit Loyalität. Innerhalb Makedoniens hatte er seine Berater, vor allem seine adligen Waffenbrüder, doch fehlte eine formelle Verfassung. Im Königtum ging immer noch er, der Monarch, in Person auf Klagen und Petitionen ein und fällte die Gerichtsurteile. Dieses Verfahren persönlicher Rechtsprechung sollte in den nachfolgenden Monarchien über 300 Jahre seine Geltung behalten; später wurde es über 500 Jahre lang von römischen Kaisern ausgeübt. Ins öffentliche Bewusstsein aber trat es zum ersten Mal mit König Philipp in Griechenland. Vielleicht kam Kaiser Hadrian die Geschichte zu Ohren, die von einer alten Frau berichtet: Sie habe sich ihm während einer seiner Reisen genähert und um Gerechtigkeit gebeten, worauf Hadrian sie kurz beschied: »Sei gefälligst still!« »Dann sei du gefälligst kein Kaiser«, gab sie scharf zurück, und Hadrian ließ sich gefälligst herbei, sie anzuhören. 7 Dass diese Geschichte schon mit dem Namen mehrerer Herrscher vor ihm in Verbindung gebracht worden war, konnte Hadrian allerdings nicht wissen. Zum ersten Mal erzählt wurde sie mit Fug und Recht über Philipp von Makedonien. 51 Die letzten Tage von Pompeji Wenn du das Feuer der Liebe fühltest, Maultiertreiber,Würdest du Venus mit größerer Eile entgegenziehn. Ich liebe einen bezaubernden Knaben und bitte dich also, treibe die Maultiere an; brechen wir auf. Du hast deinen Trunk gehabt, brechen wir also auf. Nimm die Zügel und lass sie schießen, Und bringe mich nach Pompeji. Dort ist die Liebe süß. Inschrift im Peristyl des Hauses IX 5,2, Pompeji D ie Aufsteiger aus den italischen Kleinstädten, die während der 70er Jahre n. Chr. in Roms führende Zirkel befördert wurden, standen im Ruf einer neuen Kargheit und Selbstbeschränkung. Zu den Exzessen und Ausschweifungen der Herrschaft Neros und all derer, die sich ungeachtet »traditioneller« römischer Werte daran beteiligt hatten, stand diese Lebensform in striktem Gegensatz. Begrenzten Einblick in diese kleinstädtische Realität geben die großen Überlebenden der Archäologie, Pompeji und das benachbarte Herculaneum. Am 24. August 79 brach der Vesuv aus. Ein dichter Schauer aus Staub und Bimsstein stieg über den Rändern des Kraters auf, von Erdbeben, Flammen und einer Wolke begleitet, die, so der Augenzeuge Plinius, geformt war wie die Krone einer Schirmpinie, wie sie noch heute in der Umgebung der Ruinen heimisch ist. Die Wolke erreichte eine Höhe von etwa 30 Kilometern, und nach vergleichbaren jüngeren Ausbrüchen des Mount St. Helen im amerikanischen Nordwesten zu schließen, dürfte die im Vesuv freigesetzte Explosionskraft 500 Mal stärker gewesen sein als diejenige der Atombombe von Hiroshima. In Pompeji kann man die Auswirkungen in drei Stufen des Grauens verfolgen. Als Erstes erlosch das Tageslicht, als ein Guss weißen Bimssteins von etwa 3 Meter Tiefe den Himmel verdunkelte, dann schwärzte grauer Bimsstein Straßen und Gebäude. Am folgenden Morgen, dem 25. August, gegen halb acht, rollte eine große »brennende Wolke« von heißem Gas in die Straßen, die alle erstickte und verbrannte, die in der Stadt geblieben waren oder dort festsaßen. Diesem mächtigen Schwall des Gases folgte die pyroklastische Flut aus heißem, flüssigen Gestein und Bimsstein, das die Gebäude zerstörte und sich bis weit hinter die Stadt ergoss; bis 8 Uhr wiederholten sich in der folgenden halben Stunde Schwall und Flut in vier Wellen von wachsender Stärke. Sie rissen den gelehrtesten unter den Beobachtern, den älteren Plinius, in den Tod. Die Briefe seines gleichnamigen Neffen bringen in Erinnerung, dass Plinius die Bucht von Neapel überquert hatte, um sich das Schauspiel aus der Nähe an zusehen. Im Inneren der Stadt werden noch immer Überreste gefunden - von Maultieren, für die ihre Krippen neben den Mühlsteinen, die sie drehten, zur Falle wurden, bis zur juwelenbehängten jungen Dame, deren Brust ihren Ab druck in den Massen aus Schlamm hinterließ, in denen sie starb. In Herculaneum hatten der Schwall und die Flut den Ort am früheren Morgen heimgesucht und ihn in sechs Wellen getroffen, um im Meer auszulaufen. Die Stadt war noch tiefer unter Lava und Stein begraben als Pompeji, und zwar, wie man heute annimmt, nicht aufgrund der Sekundäreffekte Regen und Überschwemmungen. Das Ausmaß der Katastrophe war gewaltig, und man begreift, warum sie für Titus' erstes Regierungsjahr eine allgemeine und finanzielle Belastung darstellte. Pompeji und Herculaneum lagen dicht am Golf von Neapel, wo so viele prominente Römer ihre spektakulären Landsitze errichtet hatten. Selbst als dieser Luxus am Golf im 1. Jahrhundert v. Chr. seinen Höhepunkt erreichte, war keiner der beiden Orte eine Großstadt ersten Ranges; in den 70er Jahren hatte die Bucht ein wenig von ihrer Bedeutung verloren. Das besser bekannte Pompeji umfasste eine Fläche von etwa 140 Hektar und hatte in seinen letzten Tagen vielleicht 8000-12 000 Einwohner. Die Stadt lag auf einem Plateau vulkanischer Lava, dem Rest einer früheren Eruption, und zu ihrem Bau hatte man verschiedene Arten Vulkangestein verwendet. Die Bevölkerung war sich des Risikos, das sie einging, jedoch nicht bewusst - der letzte Ausbruch des Vesuvs lag mehr als 1000 Jahre zurück, und die Steine schienen vermutlich harmlos. Pompeji selbst war seit dem 6. Jahrhundert v. Chr. in mehreren Schichten klar abgegrenzter historischer Phasen gewachsen: einer etruskischen, in die sich auch Griechisches mischte, einer samnitischen und seit 80 v. Chr. der kolonialrömischen, als auch Cicero dort eines seiner Häuser baute. Im Jahr 79 n. Chr. waren die Wurzeln der Stadt, wie die Londons, mindestens 200 Jahre alt, und über den Fundamenten errichteten die Bewohner weiterhin Bau um Bau bis zum Ende. Das hatte zur Folge, dass die besterhaltene antike Stadt in vielfacher Hinsicht bis heute schwer zu verstehen ist. Sie hatte keinen Stillstand gekannt, und nach dem verhängnisvollen Ausbruch begannen unverzüglich die Plünderungen. Sie gingen weiter, nachdem seit den 1740er Jahren Ausgrabungen stattfanden. Bei allem, was zerstört, verkauft oder zerstreut wurde, ist ein Drittel Pompejis glücklicherweise für künftige archäologische Forschungen erhalten geblieben. Eine Seite des pompejanischen Alltags erscheint faszinierend modern. Das Straßensystem war so angelegt, dass es Verkehr auf Rädern von bestimmten Arealen im Stadtzentrum fernhielt. Es gibt gut erhaltene Wein-Bars mit einem Phönix oder Papagei als Kneipenschild, daneben Theater, einen sogenannten Sportkomplex und ein besonderes Marktgebäude, in dem die Leute Fisch, Fleisch und Delikatessen einkaufen konnten. Viele Häuser enthalten große Wandgemälde oder Fresken, und unverkennbar herrschte ein Haus-und-Garten-Kult. Trompe l '? il -Gemälde scheinen den Gartenraum zu vergrößern und zeigen sogar exotische Vögel sowie die Blumen, Rosen oder Myrten, die in Töpfen und Rabatten angepflanzt waren. Die Hausbesitzer aßen an einem Tisch im Schatten der Bäume; es war sozusagen ihr Zimmer im Freien. 118 Stück Tafelsilber wurden im Kellergeschoss allein eines einzigen großen Hauses gefunden, darunter ein Set für Abendgesellschaften von acht Personen. Auch Graffiti und eindrückliche Wandinschriften sind zu sehen. Graffiti mit Versen Vergils wurden gefunden, davon einige in einem Bordell. An den Straßenfassaden der Bars, an Häusern und öffentlichen Gebäuden warben Wahlplakate für einzelne Magistratskandidaten. Auf rund 40 Plakaten wird die Unterstützung durch Frauen erwähnt, obwohl die Frauen nicht wählen durften. Gemalte Porträts geben uns das Gefühl, diese Menschen zu kennen - die junge Frau, die sich eine Feder an die Lippen hält, blond, mit klassischen Zügen, oder den Mann an ihrer Seite mit dem unsicher wirkenden Blick in den dunklen Augen. Doch vieles in diesen Zeitsedimenten ist keineswegs das, was wir uns heute unter einer gemütlichen Kleinstadt vorstellen. Bilder und Altäre der Götter waren allgegenwärtig, ganz zu schweigen von den feierlichen großen Tempeln auf dem Forum. Unentbehrlich für Haushalt und Gewerbe waren Sklaven; wo sie hausten, kann man sich allerdings kaum vorstellen, weil die oberen Gebäudegeschosse verloren sind. Auch die Freigelassenen trugen Wesentliches zur Wirtschaft und Sozialstruktur bei. Sie arbeiteten wie in Rom nach ihrer Freilassung weiter für die früheren Herren, die auf diese Weise vom Geschäft profitieren konnten, ohne gebunden zu sein. Ein Bankenviertel gab es nicht, Geldverleih war eine private Transaktion; desgleichen fehlten Krankenhäuser und öffentliche Wundarztpraxen. Bordelle gab es, doch ohne die moralische Abschottung in Rotlichtbezirke. Auch Straßenschilder fehlten. Gut erhalten sind öffentliche Toiletten hinter diskreten Trennwänden, doch hatten sich zwei, ja bis zu sechs Personen nebeneinander den Platz darauf zu teilen; für die Hygiene stellte die Kommune Schwämme zur Verfügung. Neben verschiedenen Theatern gab es die größte Sportanlage, das Amphitheater für Blutsportarten mit Menschen und Tieren als Akteuren. Es ist das älteste, das überlebt hat, und geht in die 70er Jahre v. Chr. zurück, als sich die Einwohnerschaft Pompejis durch die Ankunft römischer Veteranen-Kolonisten veränderte. Gladiatorenspiele werden in vielen erhaltenen Graffiti angekündigt und mit Beifall bedacht: »Idol der Mädchen, Celadus, der thrakische Gladiator!« 3 Auch fehlte den großen Privathäusern der Stadt das nach innen orientierte Zentrum einer Privatsphäre, wie wir es heute schätzen. Das Heim eines Pompejaners war wie für den Stadt-Römer nicht seine Burg und ein eigentliches Privatleben kein Ziel seiner Wünsche. Die römische Familie war nicht als Großfamilie definiert, in der man über Generationen und mit den Geschwistern unter einem Dach lebte. Sie war wie die unsere eine Kernfamilie, doch in ein anderes Beziehungsgeflecht eingebunden. Wenn das Oberhaupt der Familie, der pater familias , ein wichtiger Mann war, hatte er auch die Funktion des Patrons für zahlreiche Abhängige und sogenannte Freunde zu übernehmen, die ihm sowohl Gunstbeweise gaben als auch solche von ihm erwarteten. Allmorgendlich strömte eine Schar von Besuchern ins Haus, das eine Art Empfangszentrum darstellte. Viele ältere, größere Häuser gewährten den Besuchern vom Eingang her einen eindrucksvollen Durchblick entlang der Hauptachse, an der die zentralen Räume lagen; sie wurde von etwa 9 Meter langen, mächtigen hölzernen Querbalken gestützt. In den letzten Jahrzehnten der Stadt war dieser Grundriss längst nicht mehr allgemeintypisch. Große Häuser umfassten jetzt Werkstätten, Läden und sogar Bars, die an die Straße angrenzten und den Durchblick verdunkelten. Im lateinischen Wort familia sind auch die Sklaven des Haushalts eingeschlossen, die an diesen Arbeitsplätzen zusammen mit den Freigelassenen des Hausherrn gewinnbringend eingesetzt wurden. Im Hausinnern, dem eigentlichen Haushalt, hätte uns die ausgesprochen sparsame Möblierung überrascht, die Mehrzweckverwendung vieler Räume und das ersichtliche Fehlen einer Privatsphäre, wie wir sie uns vorstellen. Sogar die Gewächse in den größeren Gärten waren oft nur aus ökonomischen Gründen angepflanzt, nicht um des zweckfreien Gärtnerns willen. Im südlichen Sektor wurden jüngst Häuser mit großen Weingärten auf den zugehörigen Grundstücken ausgegraben, und möglicherweise wurden sogar auch Rosen für die wichtige Parfümindustrie gezüchtet. Da die Identität vieler Hausbesitzer noch nicht geklärt ist, bleibt auch ihre Beziehung zu Bauernhäusern und Landgütern (villae rusticae) in der Umgebung ungewiss. War Pompeji eine Stadt, die von den Einnahmen aus dem Konsum lebte und deren Grundbesitzer ihre Pachtzinsen und andere Einkünfte für Konsumgüter - darunter Getreide - ausgaben, die nur in der nächsten Umgebung produziert wurden? Die Annahme ist wenig wahrscheinlich, denn man entdeckte in der Stadt nicht nur vereinzelte Importgüter aus weit entfernten Regionen - einen Stapel prächtiger Keramik aus Gallien oder die exquisite Elfenbeinstatuette einer nackten indischen Gottheit -, sondern in Gallien und Spanien hat man auch Produkte aus Pompeji gefunden. Die Weine der Stadt waren nicht erstklassig, doch weithin bekannt und folglich weit verbreitet. Auch ihre guten Mühlsteine waren berühmt sowie ihre salzige Fischsauce, deren Gebrauch außerhalb der Stadt vielfach bezeugt ist. In den Jahren vor 79 war der König der Fischsauce ein Freigelassener namens Umbricius Scaurus, dessen Erzeugnisse nach Kampanien exportiert wurden. Er setzte ihnen in augenfälligen Mosaiken seines Hauses sogar ein Denkmal. Die laufenden Ausgrabungen in den nahe gelegenen Landgütern bestätigen deren Rolle als Zentren für Vorratshaltung und Produktion von oft beeindruckender Größe. Und nicht alles war vermutlich für den heimischen Verbrauch bestimmt. Auch galt solche Produktionstätigkeit bei den städtischen Führungsschichten keineswegs als »würdelos«. In der Nähe des Amphitheaters wurde ein großer, offensichtlich kommerzieller Weingarten mit Löchern für mehr als 2000 Rebstöcke gefunden; dieser Wein wurde wohl in den Geschäften der Stadt verkauft und vielleicht sogar in die weitere Umgebung verschickt. Familien von Rang im bürgerlichen Leben Pompejis blieben in Erinnerung, weil sie bestimmten Traubensorten ihren Namen gaben (z. B. die »Holconische«). Der Gewinn aus dem Weinanbau war ihnen zweifellos wichtig, die Arbeit aber erledigten ihre Freigelassenen und Sklaven. Vielleicht gehörten die Landhäuser mit den üppigsten malerischen Darstellungen von Reben und Trauben wirklich engagierten, gewinnorientierten Weinbauern. Zwischen dem städtischen Domizil, dem großen Haus für die gesellschaftlichen und politischen Verpflichtungen, und dem Zweitwohnsitz auf dem Land, einem Produktionszentrum auf Großgrundbesitz, müssen häufige Kontakte bestanden haben. Leider sind solche Verbindungen in den uns erhaltenen Relikten nur spärlich bezeugt. Doch Pompeji war oberhalb des schiffbaren Sarno außerordentlich günstig gelegen und hatte guten Zugang zum Meer - ein wichtiger Faktor für die nach außen ausgerichtete Wirtschaft der Stadt. Profitneigung schloss eine passionierte Selbstinszenierung nicht aus. Deshalb sind die imposanten Grabbauten pompejanischer Familien vor den Stadttoren entlang den Hauptstraßen aufgereiht. Sie fallen besonders vor der Südmauer ins Auge, wo sie sich, wie man heute weiß, mehr als anderthalb Kilometer weit neben der Straße nach Nuceria erstreckten. Mit diesen Grabmonumenten wurden die Einheimischen durch die römischen Siedler bekannt. Einige der stilvolleren halten ganze Familien in Erinnerung und schließen sogar ein paar Sklaven aus ihrem Haushalt ein. Die öffentliche Lage der Begräbnisstätten bringt uns zu Bewusstsein, dass sich das Leben der Bürger vor den Augen der Öffentlichkeit abspielte und dass wichtige Personen wünschten, als solche wahrgenommen zu werden. Das Ausmaß der Gefallsucht und des sozialen Wettbewerbs würde selbst New Yorker verblüffen. Die Theater der Stadt hatten ihre kulturelle Bedeutung, doch im Mittelpunkt des Programms standen Possen und Pantomimen. Was den literarischen Geschmack betrifft, könnten die Inschriften ein irriges Bild vermitteln. Nicht alle Vergil-Graffiti sind als Hinweis auf Gelehrsamkeit und eine literarisch gebildete Gesellschaft zu verstehen. Viele stammen aus den Anfangszeilen eines Werks oder Gedichts, die möglicherweise aus Schreibübungen bekannt waren, und fähige Beschrifter erhielten den Auftrag, sie in eleganter Form festzuhalten - vielleicht nur, weil der Kunde sie von anderen oder in einer Rezitation gehört hatte. Besonders beliebt waren, zweifellos ihrer sexuellen Bezüge wegen, offenbar Verse aus Vergils Eklogen, einem homoerotischen Hirtengedicht. Eine Wandmalerei zeigt sogar Karikaturen von Aeneas und seiner Familie als Figuren mit Hundeköpfen und überdimensionalen Geschlechtsorganen. Auch unter den Wahlplakaten sind einige ausgefallene Exemplare. Sie singen das Lob eines bereits gewählten Kandidaten, statt ein Bemühen um Wahlerfolg zu unterstützen. Die Stadt wurde von zwei Magistraten geführt (duumviri) , denen zwei nachrangige, die Ädilen, zur Seite standen, und einmal jährlich, im März, fanden Wahlen statt. In den letzten Tagen der Stadt waren die Ämter der Ädilen offenbar besonders umkämpft. Die wenigen Plakate, in denen die Namen von Frauen erwähnt sind, nennen sie als Anhängerinnen oder Cheerleader, natürlich nicht als Kandidatinnen; sie können sogar satirisch darauf hinweisen, dass ein Kandidat »nur für Frauen« tauge. Die Kandidaten mussten freie Männer sein, die bereits gewählte Mitglieder des Stadtrats waren, ein Amt auf Lebenszeit. Da die Ratsherren für ihre Wahl bezahlen mussten - manchmal boten sie Gladiatorenspiele an -, kamen sie und folglich auch die Magistrate aus der Schicht der Besitzenden. Doch wenigstens bei den Wahlen der Ädilen ging es noch lebhaft zu. Unter den Funden sind ungefähr 100 Plakate aus dem Wahlkampf für einen Ädil-Kandidaten, einen gewissen Helvius Sabinus, der wahrscheinlich im letzten, dem verhängnisvollen Jahr 79 stattfand. Sie wurden in den meisten Hauptstraßen gefunden und weisen auf die übliche breite Palette von Förderern und Anhängern hin: Gruppen von Händlern, Haushalte, ein, zwei Frauen und sogar die Diskuswerfer. »Schlaft ihr?«, heißt es auf einem dieser Plakate. »Wählt Helvius Sabinus als Ädil«. 5 Geschrieben sind alle Plakate auf Latein, doch nicht in unserem klassischen Latein. Im Jahr 79 war der Golf von Neapel noch multikulturell; neben dem Lateinischen wurde viel Griechisch und als dritte Sprache das süditalische Oskisch gesprochen. Alle drei Sprachen waren in Pompeji zu hören, wo das Oskische, was unsere lateinische Literatur verhehlt, noch im 1. Jahrhundert n.Chr. auf Inschriften zu lesen ist. Lassen die letzten Tage Pompejis, das im Dunstkreis des luxuriösen Villenlebens der Bucht von Neapel lag, dennoch so etwas wie beständigere »italische Werte« erkennen? Diese letzten Tage dauerten in Wahrheit eine ganze Weile. Schon im Jahr 62 hatte ein schweres Erdbeben die Stadt erschüttert, dessen Nachbeben sich bis in die 70er Jahre fortsetzten. Von den Archäologen wurde eine letzte Phase, von 62 bis 79, freigelegt, die es uns erlaubt, dieses provinzielle Italien zur Zeit des Aufstiegs Vespasians in Aktion zu sehen. Die notwendig gewordenen Reparaturen und Erneuerungsarbeiten konnten dem Hang der Bewohner zu Dekoration, Malerei und Fresko keineswegs auslöschen; Häuser wurden vergrößert und dehnten sich manchmal auf neue Grundstücke aus. Durch Läden, Apartments und Werkplätze konnte der ursprüngliche Grundriss eines Hauses gelegentlich schräg zum Haupteingang verändert werden. Verließen die früheren Bewohner während all dieser Unternehmungen die Stadt und verkauften ihre Häuser, oder erweiterten sie die Gebäude für neue Nutzungen? Für ihren Weggang wurde allgemein das Erdbeben verantwortlich gemacht, doch der Wandel, soweit er stattfand, vollzog sich vermutlich über Jahre als soziale Umwälzung. Auch ohne ein Erdbeben blieb in diesem Zeitalter früher Sterblichkeit und allgemeiner Unsicherheit keine führende urbane Schicht stabil und unverändert. In ganz Italien musste »neues Blut« nach einer Zeit, in der sich die Spuren des Neuen langsam verloren, immer für finanzielle Zwecke herhalten. Ein Teil der Geschichte mag sein, dass eine jüngere Schicht von Emporkömmlingen, ursprünglich Freigelassene, alte Häuser in Pompeji übernahm und sich mit übertriebenen Sanierungen in Szene setzte. Verschiedene Anwesen lassen solche Veränderungen erkennen, und es gibt in dieser Zeit auch Anzeichen für ein Design-Desaster besonderer Art, den städtischen Kleingarten. Wie die Gärten mancher großstädtischer Gartenausstellungen zwängt er sich in wirre Restbestände heruntergekommener Größe - Wände mit Trompe-l'?il- Malereien, Pergolas und drittklassige Skulpturen. Der Stil ist weniger der einer Villa en miniature (die großen Villengärten waren ein Konglomerat verschiedenster Merkmale) als vielmehr eine Stadtgarten-Phantasie von unverwechselbarer Eigenart, die oft an ganz andere Landschaften denken lässt - an Waldgebiete, Wasserfälle und sogar an Ägypten und den Nil. Ein ähnlicher Geschmack ist im Hausinnern zu erkennen. Nach 62 nahmen die Malereien in einigen Häusern verschwenderisch zu, so im »Haus des tragischen Poeten«, wo die Wände lückenlos mit Darstellungen aus griechischen Sagen bedeckt sind. Nur wenige Wandmalereien lassen an Theaterszenen denken, wie man sie vielleicht von Abenden in der Stadt kannte. Ähnlich den Drucken und Tapeten aus einem modernen Musterbuch oder einem Sonderangebot in der Zeitung gemahnen diese großen Bildfelder an eine kulturelle Welt, die ihre Besitzer selbst nicht zu verstehen brauchten. Draußen wie drinnen galt die Vorliebe einem hübschen, dekorativen Stil um seiner selbst willen. Ein solcher Wandschmuck war heiter und auf seine Art luxuriös. Und der Luxus war moralisch unbedenklich, nicht weil seine weltfernen Phantasien die Zuschauer sozusagen in sicherem Abstand hielten; ebenso wenig wurde er akzeptabel, weil man ihn als Feier des Überflusses ansehen konnte. 6 Vielmehr war dieser Luxus vergleichsweise bescheiden, wenn man ihn an römischen oder julisch-claudischen Ansprüchen maß. In Pompeji sehen wir deshalb keinen gefährlichen, verweichlichenden Luxus, den die Moralisten beklagen mussten. Für uns liegt die Freizügigkeit in den Darstellungen sexueller Szenen, die jedoch, soweit bekannt ist, nicht auf lokale Kritik stießen. Auch gehören nicht alle in Pompejis letzte Tage. Auf Türklopfern, Lampen oder Türpfosten waren seit langem erigierte Phalli abgebildet; auch gab es sehr explizite Sexszenen auf den Rahmen von Handspiegeln und anderes. Bei einigen könnte es sich um grobe Späße handeln, wie man sie heute auf Souvenirs sieht; andere sind vielleicht unverkrampfte Bilder der Fruchtbarkeit oder aber Erotika für die Wände spezialisierter Bordelle. Doch das Bild einer nackten Frau auf einem Mann im Säulengang eines Innenhofs oder nummerierte Malereien im Umkleideraum öffentlicher Bäder, die oralen Sex zwischen Männern und Frauen, darunter Spiele zu viert, darstellen, lassen sich nicht als Bilder zur Abwehr des bösen Blicks oder zur Beschwörung eines glücklichen Geschicks erklären. Sie sind nichts als sexy. Die Szenen über den Kleiderspinden in den Umkleideräumen konnten - wie die Spiegel - sogar von Frauen gesehen werden. Pompejanische Werte waren also keine viktorianischen Werte. Bleibt die Frage, ob die krass derbe oder erotische Kunst der 60er und 70er Jahre vorwiegend von einer bestimmten sozialen Schicht präsentiert wurde. In dieser Zeit ist das große »Haus der Vettier« berühmt für sein Wandgemälde eines Mannes, der auf einer Waage einen enormen Penis gegen Goldmünzen aufwiegt. Die Vettier waren offensichtlich Freigelassene. Das Bild der Frau in Reiterstellung in der Gartenkolonnade wurde vom Sohn eines Geldverleihers installiert, der seinerseits Sohn eines Freigelassenen war. Vielleicht liebten es die neureichen Patrone, Derartiges zu zeigen, so wie heutige Banker weibliche Akte kaufen. Das vulgäre Gebaren von Freigelassenen aus der Region Neapel ist im eindrücklichsten Prosawerk dieser Ära, dem Satyricon , verewigt, das Neros witziger, eleganter Höfling Petronius verfasste. Erhalten ist nur ein Fragment, das von den Abenteuern dreier griechischer Gefährten, selbsterklärter homosexueller »Brüder«, und ihren verschiedenen sexuellen Beziehungen berichtet. Bemerkenswert ist ihr Gastmahl mit dem extravaganten Trimalchio und einer Gästeschar aus Freigelassenen. Die geschmacklose Villa des Gastgebers liegt in einer Stadt, hinter der man die ebenfalls am Golf von Neapel gelegene Hafenstadt Puteoli vermuten muss. Petronius charakterisiert die Freigelassenen durch ihre Sprache, ein Latein, reich an Sprichwort-Zitaten (dem Markenzeichen des Ungebildeten), an Stilblüten und haarsträubenden kulturellen Patzern. Es sind überspitzt gezeichnete Charaktere, die so nur in der Phantasie des Erzählers existieren; doch Trimalchios Gastmahl demonstriert mit aller Raffinesse eine protzige Vulgarität, eine derbe Lust an Geld und extrem schlechten Geschmack. Die dargestellte Episode ist die Satire eines hochkultivierten Mannes auf das groteske Auftreten von ehemaligen Sklaven - »wehe, wenn sie losgelassen«. In der unerträglichen Musik, dem Theatralischen, den Bühneneffekten, den lachhaft gewöhnlichen Ehefrauen, die sich im Wettstreit um den schwersten Goldschmuck messen, erkennen wir ohne Mühe Elemente von Abendgesellschaften mit Pompejis Vettiern oder anderen Freigelassenen der Stadt, Männern wie Fabius Eupor oder Cornelius Tages. Einige Instruktionen des Trimalchio für die Dekoration seines Grabes entsprechen tatsächlich bestimmten Details einer bekannten Grabstätte, die eine Frau in Pompeji für ihren verstorbenen Gatten bauen ließ. In den 60er und 70er Jahren gehörten also die Freigelassenen zu den Hausbesitzern Pompejis, die ihren Residenzen einen neuen Anstrich gaben. Sie blieben jedoch (als Freigelassene) weiterhin von der Übernahme öffentlicher Ämter ausgeschlossen, und die älteren, seriöseren Familien Pompejis waren sicherlich nicht restlos aus der Stadt verschwunden, nur weil neuerdings der Boden unter ihren Füßen bebte. Wir finden aus dieser Zeit im sogenannten Haus der Venus auch das klug geplante Trompe-l'?il- Gemälde einer nackten Meeresvenus, das für die Lucretii Valentes, bedeutende Bürger unter Nero, angefertigt wurde. Für den Ersten Bürger der Kolonie wurde auch das »Haus des tragischen Poeten« neu geschmückt, der es allerdings vermietete. Venus und Profit waren also nicht nur für Freigelassene attraktiv. Aber vielleicht - dies eine Vermutung - musste man ein Aufsteiger sein, um Sexszenen an den eigenen vier Wänden so offen zur Schau zu stellen. Denn die Bewohner des früheren Pompeji waren von den beständigeren patriotischen Werten des augusteischen neuen Zeitalters geprägt. Die Ostseite des zentral gelegenen städtischen Forums war in der Zeit der Kaiser umgestaltet worden. Tempel für deren kultische Verehrung waren entstanden, und Statuen vor einem der großen Verwaltungsgebäude, gestiftet von der prominenten Priesterin Eumachia, zeigten Helden wie Romulus und Vater Aeneas. Sie erinnerten an die moralischen Skulpturen in Augustus' neuem programmatischen Forum in Rom. Sparsamkeit und Mäßigkeit sind relative Begriffe. Für die Italiker, die in den 70er Jahren erstmals in den römischen Senat gelangten, bedeuteten sie, dass man nicht verschwenderisch war wie die Julier und Claudier oder jene Senatoren, oft Provinziale, welche die unvergleichlich großen Vermögen besaßen. Um 70 gab es in Pompeji sicherlich Familien, die sich dem ausschweifenden theatralischen Schwulst an Neros Hof mühelos angepasst hätten. Doch der Weg dorthin blieb ihnen verschlossen. Keines der ausgegrabenen Häuser hatte einen Besitzer, der auch nur die geringste Aussicht auf den renommierten Senatorenstand gehabt hätte. Die mögliche Ausnahme ist Neros schöne Poppaea, die vermutlich Eigentümerin der riesigen Villa im benachbarten Oplontis war; die pompejanischen Häuser allerdings, deren Besitz ihr manchmal auch zugeschrieben wird, gehörten ihr wahrscheinlich nicht . Wenn sich ihr die Gelegenheit bot, konnte Poppaea es an Verschwendungssucht mit den Besten aufnehmen. Doch die Vorzeigegattin eines Kaisers nahm eine Sonderstellung ein. Viele Bürger Pompejis, wahrscheinlich die Mehrheit, verstanden sich in den 60er und 70er Jahren noch als Bewahrer »traditioneller« Werte. Die Freigelassenen waren wie gesagt nur ein Teil der Geschichte. Im Säulengang eines Gartenraums für Diners im Freien waren Verse zu lesen, die den Gästen rieten: »Wendet eure lustvollen Blicke und süßen kleinen Augen von der Ehefrau eines anderen ab.« 9 Auf der Strada dell'Abbondanza (Straße des Überflusses) verkünden die großen Lettern einer Inschrift »Sodom und Gomorrha«, vielleicht eine biblische Warnung an die Pompejaner vor den Gefahren sexuellen Fehlverhaltens. Doch Pompeji ging nicht in einer Sintflut von Orgien unter.

18 Philipp von Makedonien Philipp verachtete Menschen, die einen geordneten Charakter hatten und ihren Besitz hüteten, doch er pries und ehrte solche, die verschwenderisch waren und ihr Leben mit Würfelspiel und Trinken verbrachten ...Waren nicht einige von ihnen rasiert und weichhäutig, obwohl sie erwachsene Männer waren, während andere es wagten, einander zu besteigen und Geschlechtsverkehr auszuüben, obwohl sie Bärte trugen? Zu Recht also konnte jemand sie für "Bettgenossen" halten, nicht aber für "Kampfgenossen" ... Theopomp Frgm. 225 B (Jacoby), nach seiner Zeit bei Philipp in Pella D ie Beziehungen zwischen den Stadtstaaten Griechenlands erfuhren bis in die 350er Jahre eine Fülle von Veränderungen, aber große Überraschungen von dritter Seite blieben aus. Zwanzig Jahre später jedoch hatte die Freiheit der Griechen einen neuen Herrn, einen König von Makedonien, dem Reich im griechischen Norden jenseits des Berges Olymp. Die unvermutete Dominanz Makedoniens ging über die des perikleischen Athen weit hinaus und sollte mehr als 170 Jahre dauern. Ihre Anfänge verhießen wenig Gutes. Philipp, ihr Begründer, betrat die Bühne mit etwa 20 Jahren als Regent für einen noch jüngeren Prinzen. Sein älterer Bruder hatte in einer Schlacht den Tod gefunden und nicht, wie Gerüchte es wollten, durch die Hand seiner Mutter, und sein Reich wankte unter dem Ansturm von Barbaren aus dem Nordwesten. Den griechischen Stadtstaaten im Süden war das Bild vertraut: Mord in der makedonischen Königsfamilie, eine umstrittene Thronfolge, bedrängte Könige, die Eide schworen und brachen. Es kam zu flüchtigen Schüben erstarkter Macht, doch über 200 Jahre lang war nicht ein einziger König von Makedonien im hohen Alter eines friedlichen Todes gestorben. Dessen ungeachtet gebot das neue Oberhaupt des Landes, König Philipp II., nach mehr als zwanzigjähriger Machtausübung über eine erstklassig trainierte Armee, die zahlreiche Thessalier und andere Griechen einschloss, und konnte einen entscheidenden Sieg über die wichtigsten griechischen Stadtstaaten erringen, darunter Athen. Im Jahr 338 v. Chr. erstreckte sich sein Machtbereich von der Donau bis nach Südgriechenland. Seinen griechischen "Verbündeten" diktierte er einen äußerst restriktiven Frieden. Er bereitete sogar eine Invasion des Perserrreichs vor. Der Aufbau seines neuen Makedonien war der schnellste und bemerkenswerteste Aufstieg zur Großmacht, den die antike Welt erlebte. Im 4. Jahrhundert v. Chr. war Makedonien rund um einen im Flachland gelegenen Palast und die Hauptstadt Pella konzentriert, bestand aber als Ganzes aus einem Flickenteppich kleiner Königtümer mit zeitweise je eigener Thronfolge. Feindliche Griechen im Süden hatten seine Könige auch schon als "Barbaren" bezeichnet, und die "makedonische Sprache" seiner einfachen Bewohner war für einige Südgriechen nur mit Mühe zu verstehen. Die Makedonen grenzten sich sogar in offiziellen Listen manchmal von den Hellenen ab. 1 Das Königshaus aber berief sich auf Wurzeln in Argos und datierte seine Ankunft auf etwa 650 v. Chr., so als seien die Vorfahren vor dem kommenden Zeitalter der Tyrannen und Hoplitenkämpfe auf griechischem Boden nach Norden geflohen. Der Anspruch ist wenig glaubwürdig, doch um das Jahr 500 herum erhielt ihr König Alexander I. nach sorgfältiger Überprüfung die Erlaubnis, an den Olympischen Spielen teilzunehmen, die ausschließlich griechischen Athleten offen standen. Wie verhält es sich also? Waren die Makedonen Griechen? In den letzten 30 Jahren wurden in zunehmender Fülle Belege dafür gefunden, dass Makedonen als Schirmherren griechischer Kunst und Handwerkskunst in Erscheinung traten. Aus Texten wussten wir bereits, dass ihre Könige im 5. Jahrhundert griechische Verbannte auf ihrem Gebiet ansiedelten. Sie förderten Dichter wie Pindar und Euripides und beschäftigten die bedeutenden Maler ihrer Zeit. Nach neuesten archäologischen Funden können wir jetzt auch K

Erscheint lt. Verlag 22.2.2013
Übersetzer Ute Spengler
Sprache deutsch
Original-Titel The Classical World. An Epic History from Homer to Hadrian
Maße 156 x 228 mm
Gewicht 1132 g
Einbandart kartoniert
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Vor- und Frühgeschichte / Antike
Geschichte Allgemeine Geschichte Altertum / Antike
Schlagworte Altertum • Antike • Antike Geschichte • griechische Geschichte • griechische Klassik • Römische Geschichte • römische Klassik • Weltgeschichte
ISBN-10 3-608-94842-2 / 3608948422
ISBN-13 978-3-608-94842-4 / 9783608948424
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