Regensburger Erinnerungen
Seiten
2012
|
1., Aufl.
Walhallanet (Verlag)
978-3-9814689-1-5 (ISBN)
Walhallanet (Verlag)
978-3-9814689-1-5 (ISBN)
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Walter Zauner, der Bub aus der Weingasse, der mit seiner Bande gleichaltriger Freunde die Donauufer und den Oberen Wöhrd, den alten Hafen und die Militärschwimmschule eroberte, der die Stadt im Osten bis zum Schlachthof, im Westen bis zum Messerschmittgelände, dem Dreibäumerlberg im Süden und den Winzerer Höhen im Norden erkundete, im Winter mit den Skiern, im Sommer barfuß, dabei immer hungrig, immer auf der Suche nach Eßbarem, immer neugierig, immer mittendrin. Wir erleben mit ihm das Regensburg der Jahre 1939 bis 1945, den Krieg und das Kriegsende.
Die Hitlerjugend mit ihrem Drill, ihren Uniformen, die militaristischen Spektakel im Stadtpark waren schon damals eine fremde Welt für ihn – und niemals eine Verheißung. Er hatte seine eigene Gang von Kumpels aus der Weingasse. Er hatte Kontakt zu den Kriegsgefangenen am Oberen Wörth. Und natürlich ging es dabei ums Tauschen, genau wie bei den Schussern und Barolern zwischen den Buben. Von den Kriegsgefangenen hatte er einen Spielzeugschmetterling aus Metall eingetauscht. Walter Zauner erlebte Fliegeralarm, im Luftschutzkeller das Fallen der Bomben und die Angst. Er erinnerte sich an den Zug der KZ-Gefangenen aus dem Colosseum durch die Altstadt. Er hatte die Toten am Dachauplatz mit eigenen Augen gesehen – als Kind.
Später, 19-jährig, als er die Sprengkammer in der Mariaorter Brücke zugemauert hatte, als er zu seiner Entlastung die Verantwortung auf seine Partei, die KPD abschieben sollte, bestand er darauf, aus freien Stücken gehandelt zu haben – für den Frieden. „Was ich gemacht habe, habe ich gemacht.“ Das war seine Haltung auch später.
Für Kommunisten war die Zeit nach dem Zusammenbruch des europäischen Sozialismus schwierig. In seinen „Erinnerungen“ sagt Walter Zauner dazu: „Resignation machte sich breit. Die Suche nach Schuldigen führte dazu, dass sich viele Genossen auch persönlich zerstritten. Im Ergebnis wurde die Partei dezimiert und gelähmt. Die Auswirkungen sind auch jetzt noch spürbar.“ Die Suche nach Schuldigen war seine Sache nicht.
Uns Jüngeren ist Walter Zauner stets freundlich und – vielleicht ein klein wenig erstaunlich – auch als zufriedener Mensch begegnet, noch immer vom Wunsch nach action beseelt. Aktionen, wie er sie sich in seiner Jugend für Regensburg ausgedacht hatte, am Donauufer, am Kamin der Richtberg-Fabrik, mit Luftballons im Bahnhof um 1950, als die FDJ illegal wurde. Nicht ohne Ironie beschreibt er sie aus der Distanz der Zeit in seinem Buch.
Mitte der 90er Jahre, in der Situation der Niederlage, begann unsere Zusammenarbeit. Da hatte er sich bereits ein Arbeitsleben lang mit ganzer Überzeugung und Selbstverständlichkeit in verschiedenen Funktionen in seinem Betrieb, in seiner Gewerkschaft und in seiner Partei für ein besseres Morgen eingesetzt. Der unmittelbare Kontakt ergab sich erst 1996, als Walter Zauner auf dem Dachauplatz am 23. April die Gedenkrede zum Tag der Befreiung von Auschwitz hielt. In den folgenden Jahren filmte er den von uns alljährlich veranstalteten Gedenkweg.
1997, als wir die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) neu aufstellten, baten wir ihn, uns als Vorstandsmitglied zu unterstützen. Wir brauchten seine Solidarität, wollten in seiner Person die Kontinuität zur widerständigen Geschichte unserer Stadt zeigen. Er sagte ja. Keine Vorbehalte, keine Bedingungen. Nur eins: wir sollten uns um ein gutes Verhältnis zur Jüdischen Gemeinde bemühen.
Ich kann nicht viel über seine letzten Jahre sagen, nur dass er sich mehr action gewünscht hätte. Er selber war damals schon krank – er erwähnt das in seinem Buch, wenn auch nur am Rande. Für ihn wie für mich und auch seine Genossen war immer nur Thema, was wir tun könnten. Wir befassten uns nicht groß mit uns selber oder unseren Unterschieden und den Beziehungen untereinander.
Wenn ich an die gemeinsame Zeit denke, sehe ich ein Feld von Bartnelken in Irmgard Zauners Garten und ihre bereits pflegebedürftige Mutter, Berta Kumpfmüller, auf der Bank an der Hauswand vor diesen duftenden Nelken sitzen. Walter und Irmgard Zauner betreuten sie rund um die Uhr.
Zu seinem 70. Geburtstag erschien sein Buch dank der Hilfe von Peter Heigl, Gerd Burger und anderen. Im Nachhinein gesehen, verabschiedete sich Walter Zauner vielleicht mit dem Buch von uns allen; vor allem aber freute er sich, dass er das Erscheinen seiner Lebenserinnerungen noch erlebte. Er bekam auch noch eine Menge positive Reaktionen darauf. Ich erinnere mich an drei Lesungen aus dem Buch, eine davon in Sulzbach-Rosenberg, zu der ich ihn begleitete. Und heute weiß ich, dass auch diese Zuhörer sich noch lebhaft an Walter Zauner und seine so lebendige Ausstrahlung erinnern.
Am 13.2.2005 ist Walter Zauner gestorben. Zu seinem 80. Geburtstag erscheint sein Buch in einer zweiten Ausgabe – dank Pontus Bauknecht. Ein Glück, dass uns Walter Zauner seine „Regensburger Erinnerungen 1939–2000“ aufgezeichnet hat. Sie werden bleiben, das steht fest.
Die Hitlerjugend mit ihrem Drill, ihren Uniformen, die militaristischen Spektakel im Stadtpark waren schon damals eine fremde Welt für ihn – und niemals eine Verheißung. Er hatte seine eigene Gang von Kumpels aus der Weingasse. Er hatte Kontakt zu den Kriegsgefangenen am Oberen Wörth. Und natürlich ging es dabei ums Tauschen, genau wie bei den Schussern und Barolern zwischen den Buben. Von den Kriegsgefangenen hatte er einen Spielzeugschmetterling aus Metall eingetauscht. Walter Zauner erlebte Fliegeralarm, im Luftschutzkeller das Fallen der Bomben und die Angst. Er erinnerte sich an den Zug der KZ-Gefangenen aus dem Colosseum durch die Altstadt. Er hatte die Toten am Dachauplatz mit eigenen Augen gesehen – als Kind.
Später, 19-jährig, als er die Sprengkammer in der Mariaorter Brücke zugemauert hatte, als er zu seiner Entlastung die Verantwortung auf seine Partei, die KPD abschieben sollte, bestand er darauf, aus freien Stücken gehandelt zu haben – für den Frieden. „Was ich gemacht habe, habe ich gemacht.“ Das war seine Haltung auch später.
Für Kommunisten war die Zeit nach dem Zusammenbruch des europäischen Sozialismus schwierig. In seinen „Erinnerungen“ sagt Walter Zauner dazu: „Resignation machte sich breit. Die Suche nach Schuldigen führte dazu, dass sich viele Genossen auch persönlich zerstritten. Im Ergebnis wurde die Partei dezimiert und gelähmt. Die Auswirkungen sind auch jetzt noch spürbar.“ Die Suche nach Schuldigen war seine Sache nicht.
Uns Jüngeren ist Walter Zauner stets freundlich und – vielleicht ein klein wenig erstaunlich – auch als zufriedener Mensch begegnet, noch immer vom Wunsch nach action beseelt. Aktionen, wie er sie sich in seiner Jugend für Regensburg ausgedacht hatte, am Donauufer, am Kamin der Richtberg-Fabrik, mit Luftballons im Bahnhof um 1950, als die FDJ illegal wurde. Nicht ohne Ironie beschreibt er sie aus der Distanz der Zeit in seinem Buch.
Mitte der 90er Jahre, in der Situation der Niederlage, begann unsere Zusammenarbeit. Da hatte er sich bereits ein Arbeitsleben lang mit ganzer Überzeugung und Selbstverständlichkeit in verschiedenen Funktionen in seinem Betrieb, in seiner Gewerkschaft und in seiner Partei für ein besseres Morgen eingesetzt. Der unmittelbare Kontakt ergab sich erst 1996, als Walter Zauner auf dem Dachauplatz am 23. April die Gedenkrede zum Tag der Befreiung von Auschwitz hielt. In den folgenden Jahren filmte er den von uns alljährlich veranstalteten Gedenkweg.
1997, als wir die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) neu aufstellten, baten wir ihn, uns als Vorstandsmitglied zu unterstützen. Wir brauchten seine Solidarität, wollten in seiner Person die Kontinuität zur widerständigen Geschichte unserer Stadt zeigen. Er sagte ja. Keine Vorbehalte, keine Bedingungen. Nur eins: wir sollten uns um ein gutes Verhältnis zur Jüdischen Gemeinde bemühen.
Ich kann nicht viel über seine letzten Jahre sagen, nur dass er sich mehr action gewünscht hätte. Er selber war damals schon krank – er erwähnt das in seinem Buch, wenn auch nur am Rande. Für ihn wie für mich und auch seine Genossen war immer nur Thema, was wir tun könnten. Wir befassten uns nicht groß mit uns selber oder unseren Unterschieden und den Beziehungen untereinander.
Wenn ich an die gemeinsame Zeit denke, sehe ich ein Feld von Bartnelken in Irmgard Zauners Garten und ihre bereits pflegebedürftige Mutter, Berta Kumpfmüller, auf der Bank an der Hauswand vor diesen duftenden Nelken sitzen. Walter und Irmgard Zauner betreuten sie rund um die Uhr.
Zu seinem 70. Geburtstag erschien sein Buch dank der Hilfe von Peter Heigl, Gerd Burger und anderen. Im Nachhinein gesehen, verabschiedete sich Walter Zauner vielleicht mit dem Buch von uns allen; vor allem aber freute er sich, dass er das Erscheinen seiner Lebenserinnerungen noch erlebte. Er bekam auch noch eine Menge positive Reaktionen darauf. Ich erinnere mich an drei Lesungen aus dem Buch, eine davon in Sulzbach-Rosenberg, zu der ich ihn begleitete. Und heute weiß ich, dass auch diese Zuhörer sich noch lebhaft an Walter Zauner und seine so lebendige Ausstrahlung erinnern.
Am 13.2.2005 ist Walter Zauner gestorben. Zu seinem 80. Geburtstag erscheint sein Buch in einer zweiten Ausgabe – dank Pontus Bauknecht. Ein Glück, dass uns Walter Zauner seine „Regensburger Erinnerungen 1939–2000“ aufgezeichnet hat. Sie werden bleiben, das steht fest.
Erscheint lt. Verlag | 3.9.2012 |
---|---|
Sprache | deutsch |
Maße | 170 x 240 mm |
Gewicht | 370 g |
Einbandart | Paperback |
Themenwelt | Literatur ► Aphorismen |
Geisteswissenschaften ► Sprach- / Literaturwissenschaft ► Literaturwissenschaft | |
Schlagworte | Adenauer Ära Aktion Roter Punkt • FDJ • Kalter Krieg • Mariaorter Brücke • Regensburg • Sprengkammer |
ISBN-10 | 3-9814689-1-0 / 3981468910 |
ISBN-13 | 978-3-9814689-1-5 / 9783981468915 |
Zustand | Neuware |
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