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Uran für Moskau (eBook)

Die Wismut – Eine populäre Geschichte

(Autor)

eBook Download: PDF | EPUB
2012 | 1. Auflage
280 Seiten
Links, Ch (Verlag)
978-3-86284-101-1 (ISBN)

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Uran für Moskau - Rainer Karlsch
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Die sowjetisch-deutsche Wismut-Gesellschaft gehört zu den wenig bekannten und zugleich spannendsten Kapiteln der deutschen Wirtschaftsgeschichte. Um im atomaren Wettrüsten gleichziehen zu können, benötigte die Sowjetunion nach 1945 dringend Uran. Das fand sie in Thüringen und Sachsen. Mit allen Mitteln wurde dort der Erzbergbau vorangetrieben, entstand ein abgeschottetes Unternehmen, das binnen zwei Jahrzehnten zum drittgrößten Uranproduzenten der Welt aufstieg. Doch nach der Katastrophe von Tschernobyl nahm die Atombegeisterung ab, und mit der deutschen Einheit fand die unrentable und umweltschädigende Produktion ein jähes Ende. Es begann ein langwieriger Sanierungsprozess, dessen Ergebnisse auf der Bundesgartenschau 2007 einer größeren Öffentlichkeit präsentiert werden.
Der ausgewiesene Wirtschaftshistoriker Rainer Karlsch legt nunmehr die erste populäre Gesamtdarstellung der Wismut AG vor, wobei er auch die umstrittenen Bereiche nicht ausspart.

Dr. Rainer Karlsch: Jahrgang 1957, Studium der Wirtschaftsgeschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin, dort 1982-91 Assistent am Lehrstuhl für Wirtschaftsgeschichte, 1986 Promotion, danach Mitarbeiter Mitarbeiter am Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Humboldt-Universität und der Historischen Kommission zu Berlin, 1999-2001 Mitarbeiter am Institut für Wirtschaftspolitik und Wirtschaftsgeschichte der FU Berlin, seit 2004 freier Publizist mit den Schwerpunkten Wirtschafts- und Unternehmensgeschichte, zahlreiche Veröffentlichungen.

Die Vorgeschichte


Auf dem Weg ins Atomzeitalter


Mit der »Pechblende« fing alles an. Der Begriff stammt aus der Blütezeit des Bergbaus im Erzgebirge. Die Bergleute suchten nach Silber und anderen wertvollen Metallen. Stießen sie bei ihrer schweren Arbeit auf Pechblende, so bedeutete dies nichts Gutes. Mit seinem Glanz wie Pech täuschte das Mineral die Häuer. Sie hatten keine Verwendung für das schwarze, ins Grünliche und Bräunliche spielende, mitunter fettglänzende Mineral und warfen es auf Halde.

»Pech« stand demnach für die Farbe des Minerals und sagte auch etwas über dessen Unwert aus. Als »Blende« wurden Mineralien bezeichnet, die aufgrund ihres spezifischen Gewichts einen Metallgehalt vermuten ließen, der aber mit den damaligen Verhüttungstechniken nicht gewinnbar war. Kurzum, kleine Mengen Pechblende wurden schon seit Jahrhunderten gefördert, nur waren es nutzlose Funde. Der Aufschwung der Naturwissenschaften im ausgehenden 18. Jahrhundert führte dann zu neuen Erkenntnissen über die natürlichen Elemente. So beschrieb der österreichische Mineraloge Ignaz Edler von Born, der zu den führenden Mitgliedern der Wiener Illuminaten gehörte und Mozart zur Figur des Sarastro in seiner Oper »Die Zauberflöte« inspirierte, in seinem 1772 erschienenen Katalog der Mineralien von Sankt Joachimsthal (heute: Jáchymov) die Pechblende als Mineral.1 Der Chemiker Martin Heinrich Klaproth fand in dem Mineral schließlich 1789 ein neues Element, das er zunächst Uranit nannte. Die Namensgebung war eine Referenz an den 1781 entdeckten Planeten Uranus. 1790 wurde das neue Element in Uranium umbenannt. Klaproth hatte für seine Analysen Material aus einer Johanngeorgenstädter Mine verwendet. Dies war kein reines Uranmetall, sondern Uranoxyd (UO2). Uran kommt nämlich in der Natur nicht als reines Metall vor, sondern in Form von oxidierten Mineralien. Davon gibt es mehr als 200, wobei die Pechblende das Wichtigste ist. Inzwischen ist das alte Wort »Pechblende« kaum noch gebräuchlich, stattdessen ist zumeist nur noch von »Uran« bzw. »Uranerz« die Rede.

Nach der Entdeckung Klaproths sollten noch mehr als 60 Jahre vergehen, bis das schwarze Mineral erste wirtschaftliche Bedeutung erlangte. Der Hüttenchemiker Adolf Patera stellte 1852 aus Pechblende die ersten Uranfarben her. Sie wurden zum Färben von Glas und Keramik verwendet. Der Einsatz der fein gemahlenen Uranverbindungen verlieh dem berühmten böhmischen Glas eine hellgrüne Farbe.2 Aus Uranfarbe hergestellte orange, gelbe oder leuchtend rote Glasuren fanden außerdem bei der Färbung von Geschirr oder als architektonisches Beiwerk Verwendung.

Die Preise für die einst wertlose Pechblende stiegen an. Sie wurde nun sogar von den Halden geklaubt und an die Glasindustrie verkauft. Jetzt witterte auch der Staat ein Geschäft. Die Finanzverwaltung der österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie nahm sich des neuen Gewerbes an. Sie veranlasste ab 1854 die Verarbeitung von Pechblende zu Uranoxydnatron (Urangelb) in einem Nebengebäude der staatlichen Silberhütte von Joachimsthal.3 Bis 1860 wurden dort ungefähr 7,4 Tonnen Uranfarben hergestellt. In den folgenden Jahren stieg die Produktion weiter an.

Seit 1871 firmierte das Joachimsthaler Unternehmen unter dem Namen »Königlich-Kaiserliche Uranfarbenfabrik«. Ihren Höhepunkt erreichte die Herstellung von Uranfarben schließlich 1921 bis 1930. In dieser Dekade wurden über 154 t Uranfarben produziert.4 Das Uranerz dafür kam überwiegend aus den prosperierenden Joachimsthaler Minen. Doch auch in Sachsen, in alten Minen des Silberbergbaus nahe Schneeberg und Johanngeorgenstadt, wurden kleinere Mengen Pechblende gefördert und für die Herstellung von Farben verwendet. Bereits seit 1825 wiesen die Statistiken des Oberbergamtes Freiberg die Uranproduktion und die Erlöse aus dem Verkauf aus.5 Ein halbes Jahrhundert lang beschränkten sich die industriellen Anwendungsmöglichkeiten der Pechblende nur auf die Uranfarbenherstellung. Gänzlich andere Perspektiven sollten sich für den seltenen Rohstoff dann dank der Forschungen französischer Physiker eröffnen.

Die Pechblende rückte ins Zentrum wissenschaftlichen Interesses, als Henri Becquerel, Professor für Physik an der École Polytechnique in Paris, seinem deutschen Kollegen Wilhelm Conrad Röntgen nachzueifern versuchte und sich 1896 der Erforschung der neuen unsichtbaren Strahlen (»Röntgenstrahlen«) zuwandte. Becquerel begann mit verschiedenen Mineralien, darunter auch Uransalzen, zu experimentieren. Nachdem er einige Präparate in einem dunklen Raum abgelegt und darauf eine Fotoplatte gelegt hatte, bemerkte er, dass die Platte geschwärzt wurde, obwohl kein Licht einfallen konnte. Dies war der Beweis dafür, dass eine neue Strahlung auftrat, die sich anders als sichtbares Licht verhielt. Becquerel hatte mit seinem Versuch die Radioaktivität entdeckt, ohne den Begriff schon zu benutzen und die ganze Tragweite seiner Entdeckung zu erkennen. Der erste Schritt auf dem Weg ins Atomzeitalter war getan.

Die polnisch-französische Physikerin Marie Curie bezog sich in ihrer Doktorarbeit auf die Arbeiten Becquerels und kam zu weitreichenden Schlüssen. Sie beschrieb die vom Uranerz spontan abgegebene Strahlung und benutzte dafür als Erste das Wort »Radioaktivität«. Im Dezember 1898 identifizierte sie gemeinsam mit ihrem Mann in einem Stück Uranerz ein neues Element: Radium. Es wies eine um viele Millionen höhere Radioaktivität als Uran auf. Für ihre Arbeiten zur Radioaktivität wurde Henri Becquerel, Pierre Curie und Marie Curie 1903 gemeinsam der Nobelpreis für Physik verliehen.

Radiumbäder, Radiumcreme und Leuchtfarben


Die Forschungen zur Radioaktivität der inzwischen weltberühmten drei französischen Wissenschaftler regten die Phantasie vieler ihrer Kollegen, aber auch von Scharlatanen an. Im Zuge einer ungebremsten Fortschrittseuphorie suchten sie nach Nutzungsmöglichkeiten für Uran und Radium.

Eine wichtige Rolle für die Akzeptanz der Radioaktivität spielte die Entdeckung natürlicher Strahlung in Heil- und Badewässern, deren gesundheitsfördernde Wirkung man aus Erfahrungen kannte. Radioaktive Wässer gab es im Erzgebirge in großer Zahl und einige wurden bereits seit langem als Heilquellen genutzt. Zu den ersten gehörte eine 1666 in der Stadt Ronneburg in Thüringen entdeckte Mineralquelle, die aber bald wieder in Vergessenheit geriet. Erst hundert Jahre später wurde die Urquelle, später die Eulenhofer Quelle, erschlossen. Der an Gicht leidende Herzog Friedrich der Dritte von Sachsen-Gotha ließ den Brunnen tempelartig überbauen. Jedes Jahr kam er nach Ronneburg und kurierte sein Leiden. Der prominente Gast trug dazu bei, dass Ronneburg ein bedeutender Badeort mit herrlichen Kur- und Promenadenanlagen wurde. Anfang des 20. Jahrhunderts verlor das Radiumbad jedoch seine Vorrangstellung an andere Kurorte und stellte den Badebetrieb 1935 ganz ein.

Auch in Joachimsthal war die Heilwirkung der örtlichen Quellen seit langem bekannt. Bereits die Silberbergleute nutzten das Wasser, um ihre rheumatischen Erkrankungen zu behandeln. Als Kaiser Matthias II. (1612–1619), der ebenfalls an Rheuma litt, davon erfuhr, ließ er Wasser aus Joachimsthal sogar bis nach Wien schaffen.

Zu einem Boom von Heilbädern kam es wenige Jahre nach der Entdeckung des Radiums. Die Heilwirkung der Quellen berühmter Bäder wurde nunmehr ausschließlich auf die Existenz des Radons zurückgeführt, was sich später als Irrtum herausstellen sollte. Radon ist ein radioaktives chemisches Element aus der Zerfallskette Uran-Radium-Radon. Es besitzt zahlreiche Isotope, wobei das stabilste das Isotop Rn-222 mit einer Halbwertzeit von nur 3,8 Tagen ist. Rn-222 tritt aus kristallinen Gesteinsverbänden aus und wird vom Wetterstrom transportiert. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde es als Radium Emanation (»aus Radium Herausgehendes«) bezeichnet. Es war diese Emanation, der man Heilwirkung zuschrieb. Das radonhaltige Wasser wurde als »Lebenselixier« gepriesen.6 Ärzte gingen davon aus, dass die Lebenskraft des Körpers mit milder Strahlung positiv zu beeinflussen sei.

Der Bäderaufschwung begann 1906 in Joachimsthal, zunächst auf bescheidenem Niveau. Bäcker Josef Kuhn eröffnete in seinem Haus zwei Badekabinen. Ein Bergmann brachte ihm in Holzeimern Wasser vom nahe gelegenen »Werner-Schacht«. Das Geschäft florierte: Ein Bad kostete drei Kronen – dies entsprach ungefähr dem Preis für zwei gute Mahlzeiten.

Die radioaktiven Thermalquellen in Joachimsthal erregten schließlich auch das Interesse der Wissenschaft. Knapp ein Jahr nachdem Bäckermeister Kuhn seinen einträglichen Nebenbetrieb aufgenommen hatte, kamen die Wiener Physiker Heinrich Mache und Stefan Meyer nach Joachimsthal, um den radioaktiven Gehalt der dortigen Quellen zu untersuchen. Das Wasser, das sie aus dem »Werner-Schacht« entnahmen, wies bis zu 8100 Becquerel (Bq) pro Liter auf. Das Becquerel, benannt nach dem oben vorgestellten französischen Physiker, gibt die Anzahl der Atome an, die pro Sekunde zerfallen. Ein höherer Wert, als der von Mache und Meyer in Joachimsthal ermittelte, war bis dahin nirgends auf der Welt gemessen worden.

Ihre Untersuchungen regten das Wiener Ministerium für öffentliche Arbeiten dazu an, in Joachimsthal den Bau eines großen Kurhotels namens »Radium Palace« zu unterstützen. Das luxuriöse Hotel wurde 1912 eröffnet und galt als das erste Radiumkurhotel der Welt.7 Seinen Wiener Besitzern brachte es allerdings kein Glück. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde das »Radium Palace« an eine englische Firma verkauft, die es ihrerseits 1922 an den tschechoslowakischen Staat veräußerte. Diese...

Erscheint lt. Verlag 1.1.2012
Reihe/Serie DDR-Geschichte
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Zeitgeschichte ab 1945
Geisteswissenschaften Geschichte Regional- / Ländergeschichte
Schlagworte Altlastenkataster • Atom • Atomprojekt • Atomwirtschaftsplan • Dresden-Gittersee • Erzbergbau • Erzdieb • Erzgebirge • GULAG • Hiroshima • Königstein • Kumpel • Niederschlema • NKWD • Nuklear • Radiumbad • Radiumcreme • Ronneburg • Schneeberger Krankheit • Schwellenwerte • SDAG 1954 • SDAG Wismut • Sonnensucher • Staat im Staate • Strahlenschutz • Tschernobyl • Uranerzgewinnung • Uranlücke • Uranmine • Uransklaven • Verteidigungsbeitrag • Wettrüsten • Wismut • WISMUT AG • Wismut GmbH
ISBN-10 3-86284-101-4 / 3862841014
ISBN-13 978-3-86284-101-1 / 9783862841011
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