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Die zankende Zunft (eBook)

Historische Kontroversen in Deutschland nach 1945
eBook Download: PDF
2011 | 2. Auflage
224 Seiten
Vandenhoeck & Ruprecht Unipress (Verlag)
978-3-647-36280-9 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Die zankende Zunft -  Klaus Große Kracht
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Die zeithistorische Forschung hat in Deutschland immer wieder Anlass zu breiten öffentlichen Debatten gegeben. Fritz Fischers Arbeiten über den Ersten Weltkrieg, Anfang der sechziger Jahre publiziert, öffneten den kritischen Blick auf die deutsche Nationalgeschichte. Der »Historikerstreit« der achtziger Jahre über die Einzigartigkeit des Holocaust brachte die Auseinandersetzung der Fachgelehrten erneut in die breitere Öffentlichkeit. Die Vereinigungsdebatte und schließlich die Kontroverse um Goldhagens Buch »Hitlers willige Vollstrecker« stellen eindrücklich unter Beweis, wie sehr Zeithistoriker heute zu Initiatoren breit geführter öffentlicher Debatten geworden sind. Die großen zeithistorischen Kontroversen haben die politische Kultur der Bundesrepublik nachhaltig geprägt. Zugleich haben sie die Zeitgeschichte für kritische Fragestellungen und Innovationen geöffnet. Der Band zeichnet die wichtigsten Debatten allgemeinverständlich nach und situiert sie im spannungsreichen Geflecht von Forschungsdiskussion und medialer Vermittlung. Damit liefert er zugleich eine Einführung in die Geschichte des Fachs über den Gang ihrer wichtigsten Kontroversen.

Dr. Klaus Große Kracht ist Nachwuchsgruppenleiter der Graduiertenschule im Exzellencluster »Religion und Politik« der Universität Münster.

Dr. Klaus Große Kracht ist Nachwuchsgruppenleiter der Graduiertenschule im Exzellencluster »Religion und Politik« der Universität Münster.

Cover 1
Title Page 4
Copyright 5
Table of Contents 6
Body 8
Einleitung: Kontroverse Zeitgeschichte 8
1. Zwischen Abgrenzung und Tradition: Deutsche Geschichtswissenschaft nach 1945 24
2. Die Fischer-Kontroverse: Von der Fachdebatte zum Publikumsstreit 48
3. ›Achtundsechzig‹: Geschichte in der Defensive 70
4. Der ›Historikerstreit‹: Grabenkampf in der Geschichtskultur 92
5. Die überraschte Zunft: Geschichtswissenschaft nach dem Fall der Mauer 116
6. Die Goldhagen-Debatte: Zeitgeschichte zwischen Medien und Moral in den 1990er Jahren 140
Ausblick: Das Ende der Streitgeschichte? 162
Anmerkungen 178
Abkürzungen 220
Personenregister 222

"6. Die Goldhagen-Debatte: Zeitgeschichte zwischen Medien und Moral in den 1990er Jahren (S. 139-140)

Die deutsche Vereinigung hatte bei nicht wenigen westdeutschen Intellektuellen die Befürchtung aufkommen lassen, mit der Rückkehr des Nationalstaats in die deutsche Geschichte sollten deren dunkle Kapitel nun endgültig ›entsorgt‹ werden. Nur wenige Wochen nach dem 3. Oktober 1990 warnte beispielsweise Karl-Heinz Janßen in der Zeit eindringlich vor dem Verlangen, die jüngste Vergangenheit »ad acta zu legen«.

Der Feuilleton- Redakteur der Hamburger Wochenzeitung, der bereits die Fischer- Kontroverse kommentiert und Habermas’ Auftakt zum ›Historikerstreit‹ lanciert hatte, bekräftigte vielmehr den durch eben jene Debatten gewonnenen geschichtspolitischen Konsens der alten Bundesrepublik: »Unsere Nation trägt an einer doppelten Kriegsschuld. Der Zweite Weltkrieg war die Fortsetzung des Ersten, der abermalige Versuch Deutschlands, nach der Weltherrschaft zu greifen«, schrieb Janßen in deutlicher Reminiszenz an die Fischer-Kontroverse, deren Errungenschaften, so klang es, dreißig Jahre später in die Berliner Republik transferiert werden sollten.

Als wiederum die Zeit sechs Jahre später den bislang letzten größeren zeithistorischen Streitfall in der deutschen Medienöffentlichkeit auslöste, zeigte sich jedoch, daß Befürchtungen dieser Art gänzlich unbegründet waren: Die Aufnahme der Thesen des jungen US-amerikanischen Politologen Daniel Goldhagen, der in seiner Dissertation ber die Täter des Holocaust diese als »ganz gewöhnliche Deutsche« beschrieben hatte, machte deutlich, daß von einer voranschreitenden ›Entsorgung‹ der NS-Vergangenheit im vereinigten Deutschland keine Rede sein konnte.

Die Zustimmung, mit der Goldhagen gerade von der jüngeren Generation in der Bundesrepublik begrüßt wurde, gab manchem Kommentator eher Anlaß zur Sorge, ob in Deutschland die Bereitschaft zur bernahme historischer Schuld nicht inzwischen die Fähigkeit zum kritischen Umgang mit zeitgeschichtlicher Literatur bersteige. Mit der Kontroverse um Goldhagen, an der sich Historiker aus Ostdeutschland brigens kaum beteiligten – zumindest fanden sie kaum Gehör –, schien Mitte der 1990er Jahre die Auseinandersetzung um die zweite deutsche Diktatur wieder hinter die Erinnerung an die erste zurückzutreten.

Die Bundesrepublik kehrte damit gewissermaßen, wie Rainer Eckert im September 1996 mit einigem Bedauern schrieb, zu ihrem »Normal-Diskurs« zurück.4 Doch die Goldhagen-Debatte ging weit ber deutschdeutsche Befindlichkeiten hinaus: Sie war die erste größere zeithistorische Kontroverse in Deutschland, die in einem transnationalen Kommunikations- und Erinnerungsraum ausgetragen wurde."

Erscheint lt. Verlag 16.6.2011
Verlagsort Göttingen
Sprache deutsch
Themenwelt Geisteswissenschaften Geschichte Allgemeines / Lexika
Schlagworte Deutschland /Geschichte • Deutschland /Geschichte, Politik 1945 ff. • Geschichtswissenschaft • Historiker • Politik 1945 ff. • Wissenschaftsgeschichte
ISBN-10 3-647-36280-8 / 3647362808
ISBN-13 978-3-647-36280-9 / 9783647362809
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