Sexualisierte Gewalt gegen Kinder und Jugendliche in pädagogischen Institutionen. Eine Untersuchung begünstigender Faktoren für die Entstehung sexualisierter Gewalt am Beispiel der Odenwaldschule
Diplomica Verlag
978-3-96146-854-6 (ISBN)
Gamze Kapucu, M.A., wurde 1994 in Speyer geboren. Ihr Studium in Erziehungswissenschaften an der Universität Frankfurt und an der Universität Landau schloss sie im Jahr 2019 mit dem akademischen Grad Master of Arts ab. Parallel zum Studium begann die Autorin im Jahr 2018 die postgraduale Ausbildung zur Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin am Zentrum für Psychologische Psychotherapie in Heidelberg.
Textprobe:Kapitel 4.2, Der Charakter "totaler Institutionen":Neben individuellen Faktoren wie einer Täter-Opfer-Dynamik, können auch institutionelle (Rahmen-)Strukturen sexualisierte Gewalt in pädagogisch-professionellen Arrangements begünstigen.Als eine von vielen weiteren Strukturen kann "der Grad der Geschlossenheit gegenüber dem näheren und weiteren Umfeld" (Kappeler 2014, S. 12) ausschlaggebend dafür sein. Erwing Goffman beschreibt totale Institutionen als soziale Einrichtungen, die sich durch einen totalen oder allumfassenden Charakter auszeichnen. Dieser totale Charakter wird durch Mechanismen einer sozialräumlichen Isolierung verwirklicht, welche die Form der Separierung annehmen kann. Totale Institutionen begünstigen dadurch "die Beschränkung des sozialen Verkehrs mit der Außenwelt sowie der Freizügigkeit, die häufig direkt in die dringliche Anlage eingebaut sind, wie verschlossene Tore, hohe Mauern, Stacheldraht, Felsen, Wasser, Wälder oder Moore" (Goffman 1973, S. 15f.). Da diese Form der Institutionen einen zur Außenwelt isolierenden Charakter einnehmen kann, bedarf es einer Betrachtung systemischer Merkmale im Kern dieser Settings.Goffman betont das zentrale Merkmal, welches darin besteht, dass die Schranken, die die folgenden drei Lebensbereiche voneinander trennen, aufgehoben sind: Eine Autorität bestimmt alle Lebensaspekte, welche an derselben Stelle stattfinden. Obendrein führen alle Mitglieder der Institution ihre tägliche Arbeit in der gleichen Gruppe in einem gemeinsamen Rahmen aus, wobei jeder "Schicksalsgenosse" die gleiche Arbeit verrichten muss. Die Planung des Arbeitstages ist im Voraus konkret definiert und bildet im Ganzen eine Folge von Tätigkeiten, die unter dem System expliziter Regeln steht. Zuletzt dienen alle Lebensbereiche der Erfüllung institutioneller Ziele. Der Soziologe betont an dieser Stelle auch die Bedeutung des zentralen Merkmals für kommerzielle, industrielle und Bildungsinstitutionen (vgl. ebd., S. 17f.).Dennoch gilt, dass nicht alle pädagogischen Institutionen zwangsläufig einen Charakter totaler Systeme einnehmen müssen. Neben dem räumlichen Aspekt zeigen totale Institutionen einen inneren Charakter des Systems, welcher durch die Obrigkeit im Sinne institutioneller Ziele exakt aufgezeigt wird. Zwar wandte sich das Werk Goffmans ursprünglich an "soziale Situationen psychiatrischer Patienten und anderer Insassen" (Goffman 1973), doch kann der Kern der Leitgedanken auf gegenwärtige pädagogische Institutionen übertragen werden, die sich exemplarisch in der klaren Struktur der Heimerziehung widerspiegeln.Richard Utz grenzt diese institutionelle Form auf den säkularen Internatsbereich ein und bedient sich des Exempels der Odenwaldschule im Hessischen Ober-Hambach bei Heppenheim. Laut Utz lässt sich die Odenwaldschule als geschlossenes System deuten (vgl. Utz 2011; vgl. Kapitel 5.).Joachim Weber definiert den Charakter totaler Institutionen wie folgt:"Das Leben in totalen Institutionen ist ein Leben im Verborgenen. Verborgen ist aber auch das sexuelle Leben, insofern das Schamgefühl den Schutz vor fremder Einflussnahme einfordert. Und verborgen ist immer auch das Verbrechen und bedarf der Verheimlichung. Es liegt nahe, dass sich diese drei Ebenen von Verborgenheit leicht überlappen. Die totale Institution bildet das perfekte Setting, um öffentlich sanktionierte sexuelle Bedürfnisse ungesehen von der Öffentlichkeit auszuleben" (Weber 2011, S. 36).Weber geht explizit auf drei Ebenen des Charakters totaler Institutionen ein, welche sich dabei auf die Struktur des Verborgenen beziehen, gefolgt von dem sexuellen Leben und das damit einhergehende Verbrechen und dessen Verheimlichung. Es ist davon auszugehen, dass hier die Rede von sexuellem Verbrechen ist. Mit dieser Art von Verbrechen gegen Kinder und Jugendliche geht die Verheimlichung der Institution einher. Verknüpft man diese Erkenntnis mit den Annahmen Goffmans, so begünstigen demnach geschlossene Räume in solchen totalen I
Erscheinungsdatum | 03.08.2021 |
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Zusatzinfo | 8 Abbildungen |
Sprache | deutsch |
Maße | 155 x 220 mm |
Gewicht | 154 g |
Themenwelt | Sozialwissenschaften ► Soziologie ► Allgemeine Soziologie |
Schlagworte | Kindesmisshandlung • Misshandlung • Odenwaldschule • Pädagogische Institution • Sexueller Übergriff |
ISBN-10 | 3-96146-854-0 / 3961468540 |
ISBN-13 | 978-3-96146-854-6 / 9783961468546 |
Zustand | Neuware |
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