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Jüdischer Almanach Musik (eBook)

Gisela Dachs (Herausgeber)

eBook Download: EPUB
2016 | 1. Auflage
272 Seiten
Jüdischer Verlag im Suhrkamp Verlag
978-3-633-74899-0 (ISBN)

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Jüdischer Almanach Musik -
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Welchen Beruf hat ein Einwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion, der bei seiner Ankunft in Israel keinen Geigenkasten unterm Arm trägt? Antwort: Er ist Pianist. Ist Musiker ein besonders jüdischer Beruf? Dieser Jüdische Almanach ist ganz der Musik gewidmet: Musik verbindet die Menschen am Shabbat, Musik spendet Trost in schwierigen Zeiten, aber wie kann man jüdische Musik definieren? Geht es um liturgische Synagogengesänge oder biblische Instrumente, scheint es klar, aber wie steht es mit den Werken jüdischer Komponisten, Librettisten oder Interpreten? Die Sprache der Noten und Klänge ist eine universale - eine, die sich überallhin mitnehmen lässt, dennoch kann man sich fragen, inwiefern die Herkunft des Musikers eine Rolle für sein Schaffen spielt. Neben solchen Fragen beschäftigt sich dieser Jüdische Almanach aber auch mit israelischer Rockmusik oder der großen Popularität von Klezmermusik in Deutschland. Mit Beiträgen von Doron Rabinovici, Naama Sheffi, Tina Frühauf, Aviv Livnat, Joe Rubin, Leo Treitler, Susanne Zepp und vielen anderen.

Gisela Dachs ist Publizistin, promovierte Sozialwissenschaftlerin und Professorin am Europ&auml;ischen Forum der Hebr&auml;ischen Universit&auml;t Jerusalem. 2016 erschien der von ihr herausgegebene <em>L&auml;nderbericht Israel</em> im Auftrag der Bundeszentrale f&uuml;r politische Bildung. Seit 2001 ist sie die Herausgeberin des J&uuml;dischen Almanachs. Sie lebt in Tel Aviv. Das Leo Baeck Institute (LBI ) ist benannt nach der Symbolfigur der deutschen Judenheit im 20. Jahrhundert und besitzt Zentren in New York, London und Jerusalem sowie eine Wissenschaftliche Arbeitsgemeinschaft in Deutschland. Es wurde 1955 in Jerusalem gegründet, um die Geschichte und Kultur des deutschen und zentraleuropäischen Judentums zu erforschen und zu dokumentieren. Seit 1993 gibt das Leo Baeck Institute Jerusalem den Jüdischen Almanach heraus. Dies knüpft an eine alte Tradition an, die durch den Nationalsozialismus gewaltsam abgeschnitten wurde. Erstmals erschien ein <em>Jüdischer Almanach</em> im Jahre 1902.

ZU DIESEM ALMANACH


Welchen Beruf hat ein jüdischer Neueinwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion, wenn er bei seiner Ankunft am Flughafen in Israel keinen Geigenkasten unterm Arm trägt? Die richtige Antwort lautet: Er ist Pianist. Musiker gilt als ein jüdischer Beruf. Während sprachliche Hürden oftmals nur schwer überwindbar sind, hat die Sprache der Noten und Klänge den klaren Vorteil, eine universale, transportierbare zu sein – eine, die sich im Gepäck überall hin mitnehmen lässt. Schon die biblischen Instrumente verweisen auf eine uralte Tradition im Judentum. Musik verbindet am Shabbat und an Feiertagen; sie spendete darüber hinaus Trost und Hoffnung in schwierigen Zeiten.

Dieser Almanach ist diesem weitgefassten Thema gewidmet und setzt sich dabei auch mit den Grenzen auseinander, an die man stößt, wenn es um die Definition jüdischer Musik geht. Bei liturgischen Synagogengesängen scheint dies noch klar, aber wie steht es mit den Werken jüdischer Komponisten, Textdichter sowie deren Interpreten? Inwiefern spielt die eigene Herkunft eine Rolle bei dem Schaffensdrang? Ist Musik, die unter grauenhaften Umständen der Verfolgung entstanden ist, eine jüdische? In ihrem Eröffnungsbeitrag versucht Heidy Zimmermann darauf Antworten zu geben. Sie betont, dass »jüdische Musik« keinesfalls als Einheit beschrieben werden könne und sieht das Faszinierende vielmehr an ihrer Heterogenität, ja Gegensätzlichkeit und manchmal einmaligen Vielstimmigkeit.

Über diese Fragen und ihr eigenes Verhältnis zum Judentum haben sich im November 1990 zwei der profiliertesten Komponisten des 20. Jahrhunderts unterhalten: György Ligeti und Mauricio Kagel. Wir drucken dieses bisher unveröffentlichte Gespräch hier erstmals ab.

Eindeutiger liegen die Dinge bei der Forschung nach musikalischen Wurzeln in den Heiligen Schriften. In seinem Artikel befasst sich Mark Kligman mit der Musik von Juden in der Hebräischen Bibel, beim Aufbau Jerusalems als Zentrum des jüdischen Volkes und in den verschiedenen Regionen der Diaspora. Er beschreibt, wie sich zahllose Beispiele dafür finden lassen, dass der Musik in entscheidenden Momenten des religiösen Lebens eine große Bedeutung zukam. Aus jener Zeit gibt es keine überlieferten konkreten melodischen Spuren. Shoshana Liessmann hat versucht, ein Klangbild vom damaligen Musikschaffen zu erstellen. Sie ist sich aber nicht sicher, ob es im 21. Jahrhundert tatsächlich gelingen kann, sich in die musikalische Welt des biblischen Menschen einzufühlen, der – die Stille der Wüste und die göttliche Macht fürchtend – sang, tanzte und musizierte.

Bis ins 19. Jahrhundert hinein waren Gesänge allein mündlich tradiert worden. Tina Frühauf beschreibt, wie die kantoriale Improvisationskunst allmählich in den Hintergrund trat und feststehenden Melodien wich. Eines der deutlichsten Anzeichen eines neuen musikalischen Selbstverständnisses war die Orgel als Begleit- oder Soloinstrument, was wiederum – als Symbol der Reform – die Abgrenzung zwischen traditionellem und modernem Gottesdienst markierte. Obwohl ihr Status in der jüdischen Liturgie immer umstritten war, setzte sie neue musikalische Entwicklungen in Gang. Mit der Zerstörung der Synagogen in der Reichspogromnacht 1938 fand die jüdische Orgelkultur im deutschsprachigen Raum ein abruptes Ende. Spuren dieser Kultur finden sich noch in den Vereinigten Staaten, wo Orgelmusik bis heute ein wesentlicher Bestandteil im Gottesdienst reformierter und liberaler Gemeinden ist.

Die Nazis hatten nicht nur die Juden ermordet, sondern auch versucht, deren künstlerisches Erbe zu vernichten. In manchen Fällen erwies sich das als schwierig. Das zeigt der Fall der Wiener Populärkultur, die – wie Robert Dachs darlegt – überwiegend von jüdischen Textdichtern, Komponisten und Interpreten überhaupt erst erschaffen wurde. Da sich ihre beliebte Musik nicht verbannen ließ, mussten die Namen der Schöpfer von den Notenblättern und Programmheften verschwinden.

Die vergessene Tradition der Kabaretts, Varietés und Tanzbars lässt Max Raabe wieder aufleben, wenn er im Stil der Goldenen Zwanziger einstige Ohrwürmer singt. Das führte ihn auch nach Israel. Über diese Konzertreise schreibt der amerikanische Musikwissenschaftler Leo Treitler, der – selbst noch in Deutschland geboren – mit seiner Familie vor den Nazis geflüchtet war.

Wie im Konzentrationslager Theresienstadt Musiker die Kraft fanden, künstlerisch tätig zu sein, damit beschäftigt sich Ruth Frenk. Sie beschreibt die Fülle an Werken, die unter unsäglichem Leid entstanden sind, und fragt sich, inwieweit es überhaupt möglich ist, diese angemessen in der Gegenwart zu interpretieren.

Während das Judentum in Europa bereits dem Untergang geweiht war, entstand 1936 in Palästina das spätere israelische Philharmonieorchester. Sein zügiger Aufbau vor dem Zweiten Weltkrieg war eine außerordentliche Erfolgsgeschichte. Man nahm damals Musikstücke ins Programm, die auf dem Alten Kontinent nicht mehr gespielt werden durften, darunter vor allem auch Werke von Gustav Mahler. Irit Youngerman beschreibt die ambivalenten Gefühle der Bevölkerung im Hinblick auf den berühmten jüdischen Komponisten, der in ihren Augen zum Inbegriff der Assimilation geworden war.

Ein ganz anderer Fall ist der Umgang mit Richard Wagner. Seine Musik, die mit antisemitischem Gedankengut assoziiert wird, wird in Israel immer noch weitgehend boykottiert. Über diese »freiwillige Zensur« – aus Respekt vor Überlebenden – schreibt Na'ama Sheffi.

Spricht man von jüdischer Musik, denken viele zunächst einmal an Klezmer-Musik. Das Thema wird heute in erster Linie unter dem Aspekt diskutiert, dass auch nichtjüdische Deutsche sie spielen und lieben. In seinem Beitrag betrachtet Joel E. Rubin die Klezmerszene mit einem differenzierteren Blick und analysiert, wie es möglich werden konnte, dass heute jüdische und nichtjüdische Deutsche, Amerikaner und andere in Deutschland lebende Ausländer, die allesamt in der Klezmerszene des frühen 21. Jahrhunderts aktiv sind, sich austauschen und miteinander Musik machen können.

Dass Musiker aus aller Welt in Scharen nach Deutschland strömen, verwundert Ofer Waldman nicht. Er erklärt das – bei klassischer Musik – unter anderem mit den geradezu paradiesischen Tarifverträgen, die sich noch aus den Zeiten des Wirtschaftswunders in unsere Gegenwart gerettet haben. Zudem berichtet der Israeli über seine persönlichen Erfahrungen als Orchestermusiker in Deutschland.

Über ganz besondere musikalische Treffen in Israel schreibt David Witzthum, der sich in seiner Freizeit seit zwanzig Jahren mit anderen Jeckes (aus Deutschland stammenden jüdischen Einwanderern) oder Nachkömmlingen von Jeckes der Kammermusik widmet. An dieser schmalen Brücke, die in die alte Heimat zurückführte, hielten viele der früheren Jeckes einst fest. Sie dachten dabei wehmütig an ein Europa, das es in Wirklichkeit in vielerlei Hinsicht so niemals gegeben hatte.

Aus Deutschland stammte auch Abel Ehrlich, der 1934 nach dem Abitur in Königsberg zunächst nach Jugoslawien geflüchtet war und 1939 noch rechtzeitig eine Einwanderungserlaubnis für Palästina erhielt. Mit über 3000 Kompositionen zählte er zu den fruchtbarsten Musikschaffenden in Israel. Er schuf Werke für Chor, Sinfonieorchester und verschiedene Kammerensembles sowie viele Solostücke. Aviv Livnat erzählt aus einer persönlichen Perspektive von seinem einstigen Lehrmeister.

Längst gibt es heute aber auch eine starke und ausdifferenzierte Pop-Musikszene in Israel. Motti Regev schreibt über die Entwicklung und Besonderheiten des israelischen Rock, in dem die elektrische Gitarre von Anfang an eine wichtige Rolle spielte – angereichert mit orientalisch-mediterranen Klangfarben, die der arabischen Bouzouki nachempfunden sind.

Doron Rabinovici stimmt anschließend ein Lob an auf die israelische Indie-Band Acollective, deren Sound er als »Stimme eines Milieus im postmodernen und postnationalen Tel Aviv« schätzt. Verschwiegen werden darf nicht, dass es sich bei den Gründern um seine beiden Neffen handelt, deren Karriere sich in eine Familientradition einbettet, die von Musik durchwoben ist.

Der heutige Konflikt im Nahen Osten verleitet oftmals zu der Annahme, jüdische und islamische Kulturen seien per se unverträglich. Doch haben die meisten Juden seit dem Aufkommen des Islams und bis ins 15. Jahrhundert in den riesigen arabischen und persischen und später in den osmanischen Reichen gelebt, was auch zu einem fruchtbaren kulturellen Austausch besonders in der Musik führte. Über die Rolle von Juden als Bewahrer der musikalischen Traditionen in den islamischen Ländern bis in unsere Zeit, weiß Edwin Seroussi zu berichten.

Jenseits des Atlantiks fanden im 20. Jahrhundert jüdische Amerikaner auf den Broadwaybühnen eine neue Heimat. Allerdings wehrten sich Nationalisten gegen die Integration anderer ethnischer Gruppen, auch Juden, die sie besonders in den Jahren nach den Weltkriegen mit den gefürchteten Kommunisten gern in einen Topf warfen. Stuart J. Hecht erzählt von der Karriere des legendären Theaterstars Zero Mostel, die im Schatten der Schwarzen Liste stattfand.

Jüdische Nordamerikaner, die es nach ihrer Einwanderung in die Städte und damit in die Modernität, gezogen hatte, sollten auch den Jazz in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts dauerhaft beeinflussen. Viele von ihnen waren Amerikaner der ersten Generation, sie wurden Songschreiber, Musiker, Entertainer, besonders in New York, wo sie direkt mit den afroamerikanisch geprägten Genres in Berührung kamen. In seinem Beitrag befasst sich Tad Hershorn mit dieser produktiven, wenn...

Erscheint lt. Verlag 29.10.2016
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Schulbuch / Wörterbuch Lexikon / Chroniken
Technik
Schlagworte Essayband • Judentum • Musik
ISBN-10 3-633-74899-7 / 3633748997
ISBN-13 978-3-633-74899-0 / 9783633748990
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