Der neue Handwerkschef (eBook)
284 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7562-6138-3 (ISBN)
Stefan Janßen, seit seiner Geburt 1970 tief verwurzelt in Friesland, ist seit drei Jahrzehnten Unternehmer in verschiedenen Branchen: Als Autobauer, Produzent von Recycling-Möbeln, Heimtiernahrungshersteller, Solarteur, Abteilungsleiter Fußball für Mädchen und Frauen, Bauunternehmer und Berater. Dabei waren ihm von Anfang an viele Aspekte eine Herzensangelegenheit, die heute der New Work, dem Neuen Arbeiten, zugeordnet werden. Zur persönlichen Weiterentwicklung hat er sich ein Jahr lang ins »Upstalsboom Curriculum« begeben und bei der »intrisify.me GmbH« die Ausbildung zum Future Leadership Consultant abgeschlossen. Ausgezeichnet wurde er für seine Beratertätigkeit mit dem New Work Award 2020 von XING. Aktuell betreibt er unter der Marke »Moin Solar« einen Betrieb zur Errichtung von Photovoltaik-Anlagen und plant mit der »Baustelle Zukunft GmbH« nachhaltige Bungalows in Holzrahmenbauweise.
Neue Besen …
»Moin, Chef!« Gerd kam ins Büro, um seinen Arbeitsbericht vom Vortag abzugeben. »Darf ich dich jetzt eigentlich noch duzen, Thomas?«, fragte er mit einem verschmitzten Lächeln.
»Hallo, Gerd, solange ich dich als Mitarbeiter noch duzen darf, darfst du mich natürlich auch Thomas nennen. Hier ändert sich nichts«, antwortete Thomas schmunzelnd und legte die Rechnung vom lokalen Baustoffhändler beiseite, die er geprüft hatte.
»Ich hoffe, hier ändert sich bald eine Menge. So wie es bei Hendrik gelaufen ist, kann es nicht weitergehen«, sagte Gerd und verschränkte die Arme vor der Brust.
Gerd hatte recht. Damit das Unternehmen in Zukunft erfolgreich sein kann, musste Thomas vieles verbessern. Fast zwei Jahrzehnte bestand der Betrieb nun. Hendrik hatte in den ersten Jahren allein gearbeitet und dann nach und nach Gesellen eingestellt. Der Umsatz war – dank der guten Auftragslage – stetig gestiegen. Nur der bescheidene Ertrag war seit langer Zeit wie in Stein gemeißelt.
Mit jedem neu eingestellten Mitarbeiter stiegen scheinbar linear die Kosten. Es gab immer mehr Verwaltungsaufwand und Hendrik musste immer mehr Baustellen abfahren. An jeder Stelle mussten die Gesellen ihm erklären, was am Vortag passiert war und was an neuen Aufgaben anstand, damit Hendrik die Vorgehensweise festlegen konnte. Und das zum Teil auf fünf oder sechs Baustellen pro Tag, sodass er oft erst gegen Mittag wieder im Betrieb war, um sich dem Papierkram zu widmen.
Im Büro gab es irgendwie auch immer mehr Formulare und Listen, die ausgefüllt werden mussten. Die Behörden geißelten das Unternehmen mit ständig neuen Auflagen. Hendrik erledigte all dies Vorgänge handschriftlich.
Um neue Aufträge zu erhalten, nahm er an vielen Ausschreibungen teil, für die er oft mehrere Hundert Seiten ausdruckte und überflog, um die Angebote kalkulieren zu können. Frau Müller fühlte sich von Jahr zu Jahr mehr überfordert und hatte ihre Stundenzahl sukzessive von zwanzig auf vierzig Stunden pro Woche erhöht. Sie bekämpfte in der zusätzlichen Zeit immer größere Papierfluten, die durch Auflagen und eigene Abläufe im Unternehmen ständig wuchsen. Thomas hatte sie zwar nach seiner Meisterprüfung stundenweise im Büro unterstützt, fehlte dann aber wieder auf den Baustellen.
Aufgrund des Wachstums musste immer mehr Material eingekauft und zwischenfinanziert werden, denn die Materialpreise stiegen kontinuierlich an. Ständig musste das Bankkonto überzogen werden, die Überziehungszinsen waren heftig.
Thomas wusste, dass er mithilfe von Modernisierungen in allen Bereichen des Unternehmens erfolgreich sein würde.
Sein Vater hatte ihm aufgrund seiner beruflichen Erfahrung als Controller einige Tipps gegeben, wie er weitere wirtschaftliche Kennzahlen zur Überwachung des Firmenergebnisses festlegen konnte.
Thomas brauchte ab sofort die Bereitschaft aller Mitarbeiter, sich auf die geplanten Neuerungen einzulassen, denn eine umfangreiche Veränderung der Arbeitsprozesse betraf jeden im Unternehmen. Daher hatte er für seinen ersten Tag als Chef eine Besprechung einberufen, um mit dem Team vor der Abfahrt zu den Baustellen zu sprechen und ihnen seine Pläne zu erläutern.
Zusammen mit Gerd ging er über den unaufgeräumten Firmenhof. Alte Paletten standen schief aufgetürmt neben unsortierten Stein- und Pfannenresten. Die anderen Gesellen warteten schon auf sie. Frau Müller stand mit etwas Abstand unter einem roten Regenschirm, denn der Himmel war grau und es nieselte.
»Ich hoffe, das Gequatsche dauert nicht zu lange, damit wir endlich an die Arbeit gehen können«, sagte Hans zu seinem Kollegen Olaf. Und zwar so laut, dass seine Worte nicht zu überhören waren.
»Keine Angst, Hans. Es wird nicht lange dauern. Aber ich möchte euch kurz erklären, wie es hier weitergeht.« Thomas schaute in die Runde.
Alle Mitarbeiter hatten sich vor dem Materiallager für die Besprechung eingefunden. Sogar Erwin, der Langzeitverletzte, war gekommen und stützte sich auf seine Unterarmgehstützen.
Thomas atmete tief durch und begann seine Ansprache.
»Hendrik hat in über zwei Jahrzehnten Großartiges geleistet. Aber damit das Unternehmen auch zukünftig Bestand haben kann, muss sich vieles ändern. Ich habe hohe Kredite übernommen beziehungsweise neue aufgenommen, die abbezahlt werden müssen. Wir werden die Abläufe radikal umstellen müssen, damit wir den Betrieb effizient führen können. Dafür habe ich letzte Woche eine neue Software für die Warenwirtschaft angeschafft, die ihr dann alle benützen müsst. Wir müssen uns komplett mit der Digitalisierung auseinandersetzen, ich sehe sie als große Chance für eine bessere Kontrolle der Abläufe, sodass wir weniger Fehler machen. In den nächsten Wochen wird das neue Programm installiert und dann werden schnell die Prozessvorgaben von mir eingerichtet. Ich zeige euch dann, wie ihr das Programm nutzt. Außerdem bekommt jeder von euch eine Ausfertigung des Handbuchs.
Ich hoffe, dass wir bis zum August alle wichtigen Bereiche digitalisieren werden und dann deutlich schneller und fehlerfreier arbeiten können. Ich werde die Anweisungen an alle über die Software an eure Smartphones schicken, damit ich nicht jeden Tag persönlich auf die Baustelle kommen muss. Ihr schickt mir online in Echtzeit Berichte über die Arbeitsfortschritte.«
Erwin meldete sich: »Thomas, wie soll ich das denn machen? Ich habe doch gar nicht so ein smart Dingens. Mit meinem guten alten Nokia-Telefon geht das wohl nicht, oder?«
»Selbstverständlich bekommst du ein neues Smartphone. Ich werde einen Firmenvertrag einrichten, damit alle nach und nach die gleichen Geräte bekommen.«
»Aber nicht so ein blödes iPhone!«, beschwerte sich Hans sofort. »Meine Tochter hat so eins, da komme ich überhaupt nicht mit klar!«
»Warum muss denn überhaupt alles geändert werden? Ich arbeite nun schon so lange hier und wir sind stets ohne Technik klargekommen« Erwin scharrte genervt mit einer Unterarmgehstütze im Kies. »Ich habe mir den Oberschenkelhals bei der Arbeit gebrochen und hoffe, in ein paar Monaten endlich wieder aufs Dach zu gehen, und nun kommst du mit so einem Technik-Krams. Wir sind doch keine Büro-Fuzzis.«
»Ihr seid ohne Technik klargekommen, aber der Betrieb hat so in den letzten Jahren nicht genügend Gewinn erwirtschaftet. Das muss anders werden, wir müssen hier deutlich rationalisieren, damit ihr effizienter arbeiten könnt und wir nicht mehr so viele Abstimmungsprobleme haben. Es soll niemand eingespart oder entlassen werden. Wir müssen aber mehr Ertrag erzielen«, erwiderte Thomas, jetzt schon leicht genervt.
Zum Glück unterstützte Gerd ihn. »Ohne Technik haben wir hier bisher auch nicht gearbeitet, Erwin, schau dir mal das Werkzeug in den Fahrzeugen an. Das ist nicht mehr mit dem Werkzeug von vor zwanzig Jahren zu vergleichen. Frau Müller hat uns die Aufträge bisher auch immer aus dem Computer ausgedruckt und mitgegeben. Wenn das umgestellt ist, haben wir nicht mehr so viel Papier rumliegen, das wird sicherlich für alle viel einfacher.«
»Ja, und wir werden dann noch mehr kontrolliert und angewiesen, weil wir mit den Smartphones ständig unter Beobachtung stehen. Wir sind doch keine Marionetten!«, hielt Hans wieder dagegen.
Das Telefon im Büro klingelte, Frau Müller hatte die Außenklingel aktiviert. Sie ging mit kurzen, schnellen Schritten ins Büro.
»Ich will nicht euch kontrollieren, sondern eure Arbeit. Hätten wir in den letzten beiden Jahren nicht so oft bei den einzelnen Aufträgen nachbessern müssen, wäre mehr Ertrag hängen geblieben. Und Hendrik hätte vielleicht keinen Herzinfarkt bekommen«, antwortete Thomas. Eine Schweißperle rann an seiner Schläfe hinunter.
»Nun machst du uns auch noch für den Gesundheitszustand von Hendrik verantwortlich?«, bellte Hans. »Der hat sich doch selbst immer verrückt gemacht und uns mit seiner Hektik angesteckt. Hätte er uns die Aufgaben vernünftig und in Ruhe erklärt, wäre nicht so viel schiefgegangen!«
Frau Müller kam angelaufen. »Herr Schmidt ist am Telefon, die Dachdecker können bei ihm nicht anfangen, weil noch zwei Balken fehlen.«
Thomas drehte sich zu Gerd um. »Warum seid ihr da gestern nicht fertig geworden?«
»Wir hatten zwei Balken zu wenig auf dem Wagen, weil die Menge im Auftrag nicht stimmte. Da fehlten auch noch andere Teile«, sagte Gerd und zuckte mit den Schultern.
»Genau das sind die Fehler, die ich mit der neuen Software unbedingt vermeiden möchte. Dann fahrt mal schnell hin und macht das fertig. Die Besprechung ist beendet, wir kommen hier so ja eh nicht weiter«, grummelte Thomas.
Die Gesellen und Azubis sprangen auf. »Na, endlich können wir mit der Arbeit beginnen«, stöhnte Hans, während er an Thomas vorbeilief.
Thomas wollte etwas erwidern,...
Erscheint lt. Verlag | 7.6.2022 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Wirtschaft ► Betriebswirtschaft / Management ► Unternehmensführung / Management |
ISBN-10 | 3-7562-6138-7 / 3756261387 |
ISBN-13 | 978-3-7562-6138-3 / 9783756261383 |
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