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Der Baum (eBook)

Eine Lebensgeschichte
eBook Download: EPUB
2018
272 Seiten
oekom verlag
978-3-96238-446-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Baum - David Suzuki, Wayne Grady
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Könnten Bäume sprechen, sie hätten einiges zu erzählen. Der Träger des Alternativen Nobelpreis, David Suzuki, und der Essayist Wayne Grady lassen uns an so einem ereignisreichen Baumleben teilhaben. Ihre Biografie eines Baumes - beeindruckend illustriert durch Federzeichnungen des kanadischen Künstlers Robert Bateman - beschreibt sieben Jahrhunderte im Leben einer Douglasie.

Erzählt wird nicht allein die Geschichte in ihrem ökologischen Kontext, etwa wie es dem Samen gelingt, Wurzeln zu schlagen, oder wie der heranwachsende Baum Wind und Wetter trotzt. Eingebunden sind auch zahlreiche Ausflüge in die Kulturgeschichte der Menschheit und die Evolutionsgeschichte unseres Planeten. Ein wahrhaft gelungener Blick darauf, wie alles mit allem zusammenhängt, und eine großartige Hommage an das Wunder namens Leben.

David Suzuki erhielt 2009 für sein Lebenswerk den Alternativen Nobelpreis. Der kanadische Umweltaktivist und Biologe ist bekannt für seinen unermüdlichen Kampf gegen den Klimawandel.

Wayne Grady ist ein kanadischer Schriftsteller, Essayist und U?bersetzer. Für seine Arbeiten wurde er mehrfach ausgezeichnet.

Wayne Grady ist ein kanadischer Schriftsteller, Essayist und Übersetzer. Für seine Arbeiten wurde er mehrfach ausgezeichnet.

Einführung
Dieses Buch beschreibt das Leben eines ganz bestimmten Baumes, einer Douglasie. Es könnte aber auch jeder andere Baum sein – ein australischer Eukalyptusbaum, eine indische Banyanfeige, ein afrikanischer Baobab, ein Mahagonibaum aus Amazonien, eine Zeder vom Libanon oder eine Eiche in England oder Mitteleuropa. Alle Bäume bezeugen das Wunder der Evolution, die Fähigkeit des Lebens, sich unerwarteten Herausforderungen anzupassen und extrem lange Zeiträume zu überdauern.
Sicher und fest in der Erde verwurzelt streben Bäume hinauf in den Himmel. In einer wunderbar üppigen Vielfalt von Form und Funktion halten sie überall auf dem Planeten buchstäblich die Welt zusammen. Zum Wohl aller irdischen Geschöpfe empfangen ihre Blätter die Energie der Sonne und geben unablässig große Mengen Wasserdampf in die Atmosphäre ab. Zweige und Stamm gewähren Säugetieren, Vögeln, Amphibien, Insekten und auch anderen Pflanzen Schutz, Nahrung und Lebensraum. Die Wurzeln sind in der geheimnisvollen Unterwelt von Fels und Erde verankert und halten sie zusammen. Bäume gehören zu den langlebigsten Organismen der Erde. Ihr Leben umfasst Zeitspannen, die weit über Existenz, Erfahrung und Erinnerungsvermögen des Menschen hinausreichen. Bäume sind bemerkenswerte Wesen. Im Drama des Lebens jedoch stehen sie wie Statisten da, immer nur Hintergrund für die ständig wechselnden Ereignisse um sie herum, so vertraut und allgegenwärtig, dass wir sie kaum wahrnehmen.
Ich bin Zoologe – weil ich das so wollte und gelernt habe. Zeit meines Lebens nahmen Tiere meine ganze Aufmerksamkeit und Leidenschaft in Anspruch. Die ersten Tiere, die ich sah, waren meine Eltern, Geschwister und Spielkameraden, und später dann Sport, mein Hund. Meine Eltern waren begeisterte Gärtner; ich selbst dagegen fand Pflanzen nie besonders aufregend. Sie waren nicht lustig, sie bewegten sich nicht und machten auch keine Geräusche. Die Leidenschaft meiner Kindheit war das Angeln. Beim Erforschen von Gräben und Sümpfen waren Salamander und Frösche eine hochgeschätzte Beute und die überwältigende Vielfalt der Insekten, vor allem der Käfer, war Gegenstand nicht nachlassender Faszination. Es war gewiss kein Zufall, dass ich dann als Erwachsener meine Genforscherkarriere auf dem Studium eines Insekts, der Fruchtfliege Drosophila melanogaster, aufbaute.
Warum also sollte einer, der Tiere liebt, ein Buch über Bäume schreiben? Seit dem bahnbrechenden Buch von Rachel Carson Der stumme Frühling ist man weltweit auf die Bedeutung der Umwelt aufmerksam geworden. Man prangerte die Zerstörung der Wälder überall auf der Erde sowie die mangelnde Nachhaltigkeit der industrialisierten Forstwirtschaft an. Wie viele andere Aktivisten wurde ich von der Bewegung zum Schutz der naturbelassenen Wälder in Nord- und Südamerika, Asien und Australien mitgerissen, habe mich dabei aber vor allem mit dem Lebensraum beschäftigt, den diese Wälder für andere Organismen zur Verfügung stellen, mit dem Verlust an Biodiversität und mit der Rolle, die sie bei der globalen Erwärmung spielen. Es war dann ein einzelner Baum in der Nähe meines Inselhäuschens, der mir letztendlich die Augen dafür öffnete, was für ein Wunder ein Baum doch ist.
Von meinem Häuschen schlängelt sich ein Weg hinunter zur Küste und fällt dort, wo das Erdreich aufhört und der Sand beginnt, steil ab. Genau dort, am Rand des Erdreichs, ragt eine prachtvolle Douglasie empor, mehr als 50 Meter hoch und etwa fünf Meter im Umfang. Sie ist vielleicht 400 Jahre alt. Sie begann mit ihrem Leben also etwa zur gleichen Zeit wie Shakespeare mit der Niederschrift von König Lear. Es ist ein merkwürdiger Baum, weil er zunächst horizontal aus der Strandböschung herausragt, sich dann in einem 30-Grad-Winkel aufwärts krümmt, um sich schließlich kerzengerade nach oben zu wenden. Auf dem horizontalen Teil des Stammes kann man wunderbar sitzen, man kann von dort aus auch hochklettern, und da, wo er ansteigt, haben wir um den Stamm Seile für Schaukeln und Hängematten gebunden.
 
Douglasie in der Nähe meines Häuschens
 
Dieser Baum hat unsere Aktivitäten geduldig ertragen, hat Schatten gespendet, Eichhörnchen und Backenhörnchen ernährt sowie Adlern und Raben Unterschlupf gewährt und doch verharrte er immer an der Peripherie unseres Bewusstseins. Eines Tages ließ ich meinen Blick ganz gemächlich über den deformierten Stamm des Baumes schweifen; da wurde mir auf einmal klar, dass vor Hunderten von Jahren, als er gerade anfing zu wachsen – also etwa zu der Zeit, als Isaac Newton in England einen Apfel beim Herunterfallen von einem Baum beobachtete – dass also damals das Stück Land, auf dem der Baum ursprünglich keimte, zum Strand hin abgesunken sein musste; damit wurde der Baum in schrägem Winkel über den Sand gekippt. Der junge Stamm musste seine Wuchsrichtung ändern, wollte er weiterhin zum Licht hinaufsteigen. Jahre später hat dann wohl ein weiterer Erdrutsch den Stamm noch tiefer abgesenkt, bis in die Horizontale, und die Aufwärtskrümmung musste dies erneut kompensieren, um in die Senkrechte zu kommen. Dieser Baum war tatsächlich ein stummer Zeuge der Geschichte.
Das Leben eines jeden Baumes ist gefährdet. Ein Baum kann sich nicht bewegen; trotzdem muss er zunächst den Pollen so weit wie möglich aus seinem Territorium hinausbefördern, dann aber wieder die Samen im eigenen Einflussbereich verteilen. Um dies zu bewerkstelligen, hat er erstaunliche Mechanismen entwickelt, von der Methode, Tiere als Verteiler zu instrumentalisieren, bis zu dem Trick, an den harten Schalen eines Samens Propeller, Fallschirme und Katapulte anzubringen. Jeder, der schon einmal den Pollennebel über einem immergrünen Wald gesehen hat, die hauchdünnen Schleier aus Pappelkätzchen an einem stillen Bachufer oder auch die Berge von Eicheln in einem Eichenmastjahr, der kennt die aufwendige Verschwendung, die Bäume betreiben, um das Überleben einiger weniger Exemplare sicherzustellen. Wo auch immer ein Samen landet, sein Schicksal ist damit besiegelt. Für die meisten bedeutet das, Insekten, Vögeln oder Säugetieren als Beute ausgeliefert zu sein, auf Felsen zu vertrocknen oder im Wasser unterzugehen. Selbst wenn ein Samen auf dem Erdreich landet, ist seine Zukunft noch lange nicht gesichert. Dieser winzige Tropfen Protoplasma enthält das gesamte Erbe seines Erzeugers, ein Vorratspaket, das den Samen durch seine ersten tastenden Lebensregungen begleiten soll, dazu eine genetische Blaupause; diese bringt der wachsenden Pflanze bei, dass sie die Wurzeln nach unten und den Stamm nach oben zu schicken hat, und erklärt ihr auch, wie sie die Energie, das Wasser und die Substanzen, die sie zum Leben braucht, gewinnen kann. Ihr Leben ist programmiert; und doch muss sie flexibel genug sein, um mit Unerwartetem umzugehen, mit Stürmen, Dürre, Feuer und Räubern.
Sobald seine erste Wurzel das Erdreich durchdringt, ist der Samen an genau diesen Ort auf dem Planeten gebunden. Hier muss er sich alles Notwendige beschaffen, um zu überleben und über Jahrhunderte zu gedeihen. Aus Luft und Erde muss er sich all die nötigen Bausteine holen für die Herstellung der Moleküle und Strukturen, die ihn befähigen, sich zehn, zwanzig oder auch Hunderte von Metern über den Boden zu erheben, zig Tonnen zu wiegen und den zerstörerischen Kräften von Feuer und Wind zu widerstehen. Mit all seinem Einfallsreichtum und technologischen Wissen könnte der Mensch niemals etwas Vergleichbares erfinden wie die in jeden Baum eingebaute Stärke und Widerstandsfähigkeit. Allein mit Sonnenlicht, Kohlendioxid, Wasser, Stickstoff und einigen wenigen Spurenelementen stellt ein Baum das gesamte Spektrum an komplexen Molekülen her, welche die Bausteine seiner physischen Struktur und die Komponenten seines Stoffwechsels bilden. Damit diese Aufgabe gelingt, haben die Bäume Pilze als Helfer rekrutiert, welche die Wurzeln und Wurzelhaare des Baumes wie filigrane Spinnweben umhüllen und dabei der Erde Spurenelemente und Wasser entziehen. Als Gegenleistung erhalten sie dann vom Baum Zucker, den er in seinen Blättern erzeugt.
Das Protoplasma eines Baumes ist vollgepackt mit Energievorräten und Substanzen, die andere Organismen unwiderstehlich anziehen. Bäume können weder davonlaufen noch sich verstecken oder gar angreifende Räuber erschlagen, aber hilflose Opfer sind sie deswegen noch lange nicht. Ihre Rinde funktioniert wie eine Rüstung und sie stellen eine Vielzahl von wirksamen chemischen Verbindungen her, die als Gift oder Abschreckung gegenüber Eindringlingen dienen. Wenn sie von Insekten angegriffen werden, können Bäume flüchtige Verbindungen produzieren, die nicht nur die Insekten abwehren, sondern auch die Bäume in der Nachbarschaft auf die Gefahr aufmerksam machen und sie anregen, den Abwehrstoff ebenfalls zu erzeugen. Die Bäume bieten den Pilzen in ihren Zellen Unterkunft und Verpflegung; dafür produziert der Gast Substanzen gegen bakterielle Infektionen. Sind Krankheit oder Schädlinge dann doch einmal zu stark, kann ein Baum den betroffenen Bereich abschotten und auf diese Weise einzelne Glieder oder andere Teile seines Körpers opfern, um den Rest zu retten. Drunten in der Erde können sich die Wurzeln der Bäume einer Gemeinschaft intensiv durchdringen oder sogar vereinigen. So können die Bäume kommunizieren, Stoffe austauschen und sich gegenseitig zur Seite stehen. Kein Baum ist eine Insel; er ist Bürger einer Gemeinde. Indem er kooperiert, teilt und sich für ein gemeinsames Ziel einsetzt, gewinnt er den gleichen Vorteil wie jedes andere Lebewesen, das an einem voll funktionsfähigen Ökosystem teilhat.
Im Lauf der Zeit wird dann jedoch selbst der zäheste Baum unweigerlich durchlöchert, durchbohrt, infiziert und...

Erscheint lt. Verlag 19.3.2018
Übersetzer Eva Leipprand
Vorwort Peter Wohlleben
Zusatzinfo Klappenbroschur mit zahlreichen Illustrationen
Verlagsort München
Sprache deutsch
Original-Titel Tree
Maße 1300 x 1300 mm
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Natur / Technik Naturwissenschaft
Technik
Schlagworte Holz/Forst • Naturschutz • Naturverständnis
ISBN-10 3-96238-446-4 / 3962384464
ISBN-13 978-3-96238-446-3 / 9783962384463
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