Supervision, kollegiale Fallberatung und Coaching für Lehrkräfte und Schulleitungsmitglieder in Bayern (eBook)

Verena Lauffer (Autor)

eBook Download: EPUB

2024 | 1. Auflage
316 Seiten
Beltz Juventa (Verlag)
978-3-7799-8578-5 (ISBN)

Infos

Der Lehrberuf ist ein Hochrisikoberuf in Bezug auf Burnout; dies gilt ähnlich für den Schulleitungsberuf. Im Rahmen der Lehrergesundheit werden in Bayern für alle Schularten die gesundheitsförderlichen Maßnahmen Supervision und kollegiale Fallberatung für Lehrkräfte sowie Coaching für Schulleitungsmitglieder angeboten. Studie I überprüft die Wirksamkeit der Maßnahmen auf die berufsbedingte Gesundheit anhand eines Zwei-Gruppen-Prä-Post-Designs. Studie II untersucht die berufsbedingte Gesundheit von bayerischen Lehrkräften und Schulleitungsmitgliedern während der Corona-Pandemie im Querschnitt.

Verena Lauffer, geb. 1983, ist Lehrerin und Schulpsychologin am Gymnasium in Kaufbeuren, Bayern. Sie ist Mitglied des Krisen-Interventions- und Bewältigungsteams Bayerischer Schulpsychologinnen und Schulpsychologen (KIBBS) und im Inklusionsteam Bayerischer Schulpsychologinnen und Schulpsychologen. Sie war 2017-2021 an den Lehrstuhl für Schulpädagogik der Universität Augsburg abgeordnet, hat in der Lehramtsausbildung mitgewirkt und promoviert.

Textauszug

2.Stress, Belastung, Beanspruchung, Ressourcen und Coping

In diesem Kapitel werden in einem ersten Schritt die wichtigsten Begriffe im Zusammenhang mit Beanspruchung definiert (Kapitel 2.1). Im zweiten Schritt wird das Zusammenspiel der relevanten Komponenten beleuchtet (Kapitel 2.2). Nach einer Zusammenfassung der wichtigsten Erkenntnisse des Kapitels wird das Begriffsverständnis in der vorliegenden Arbeit abgeleitet (Kapitel 2.3).

2.1Die Begriffe Stress, Belastung, Beanspruchung, Ressourcen und Coping

Die Begriffe Stress, Belastung und Beanspruchung spielen im Zusammenhang mit Gesundheit und Krankheit eine wichtige Rolle. In der Alltagssprache sind alle drei Begriffe nahezu allgegenwärtig: eine Situation ist belastend, die Arbeit beansprucht jemanden sehr, man ist gestresst. Obwohl die Begriffe so weit verbreitet sind, fehlt meist eine klare Definition, die Begriffe werden teils synonym verwendet und sind mit vielfältigen Interpretationen verbunden (vgl. P. Becker, 2006, S. 61; Böhm-Kasper, 2004, S. 13; Stiller, 2014, S. 11; van Dick, 2006, S. 27; van Dick & Stegmann, 2007, S. 34; Wesselborg, 2014, S. 31). Eine klare Differenzierung der Begriffe ist im Rahmen eines wissenschaftlichen Diskurses dringend erforderlich, dabei werden auch die Begriffe Ressourcen und Coping geklärt.

Begriffsklärung Stress

Wie schon bei Gesundheit und Krankheit ist auch eine einheitliche Definition des Begriffs Stress kaum möglich (vgl. Bennemann, 2019, S. 20; Faltermaier, 2005, S. 73; Franke, 2012, S. 106; Lazarus & Folkman, 1984, S. 11; Stiller, 2014, S. 16; Wesselborg, 2014, S. 31). „Kaum ein anderer zeitgenössischer Begriff ist so unscharf und wird doch so schnell verstanden“ (Haller et al., 2014, S. 379). Der Begriff Stress hat über die Jahre eine große Popularisierung erfahren und vereint sehr unterschiedliche Konzepte. Charles Cofer und Mortimer Appley drücken es so aus: „when the word stress came into vogue, each investigator, who had been working with a concept he felt was closely related, substituted the word stress for it and continued in his same line of investigation“ (Cofer & Appley, 1964, S. 449). Erschwerend kommt hinzu, dass das Wort „stress“ im Englischen Druck, Belastung bedeutet. Damit findet sich der Begriff im Englischen auch im rein naturwissenschaftlichen Diskurs, z. B. im Hooke’schen Gesetz7.

Der Begriff Stress wird in dieser Arbeit, wie meist auch in der Forschungsliteratur, auf drei unterschiedliche Arten definiert. Stress ist eine Reaktion des Organismus auf alles, was ihn aktiviert. Es handelt sich hier um eine biologische Definition. In dieser Tradition steht Hans Selye (siehe Kapitel II.2.2).

Stress ist ein Auslöser, auf den man reagieren muss, das bedeutet „es wird nicht mit Stress, sondern auf Stress reagiert“ (Kieschke, 2003, S. 51) und damit sind die auslösenden Stressoren das entscheidende Forschungsfeld. Diesen Ansatz verfolgen unter anderem Thomas Holmes und Richard Rahe (siehe Kapitel II.2.2).

Stress ist eine Interaktion zwischen Person und Umwelt. Stress wird nicht als reiner Reiz-Reaktions-Prozess verstanden, sondern das Zusammenspiel aus Person und Umwelt, ebenso wie die inneren Vorgänge in einer Person, müssen genauer betrachtet werden. Dabei reagiert eine Person auf einen Stressor, bewertet ihn und empfindet dann Stress oder eben nicht. Mit diesem Begriffsverständnis arbeitet Richard Lazarus (siehe Kapitel II.2.2).

Begriffsklärung Belastung

Eine sehr klare Definition der Begriffe Belastung und Beanspruchung formulieren die beiden Arbeitswissenschaftler Walter Rohmert und Joseph Rutenfranz in der „Arbeitswissenschaftlichen Beurteilung der Belastung und Beanspruchung an unterschiedlichen industriellen Arbeitsplätzen“ (1975). Sie stellen fest, dass es sich bei Belastung „ausschließlich um objektive, von außen her auf den Menschen einwirkende Größen und Faktoren handelt, wobei deren Auswirkungen im Menschen oder auf den Menschen unberücksichtigt bleiben“ (Rohmert & Rutenfranz, 1975, S. 8). Diese Definition zielt auf die Arbeitsbedingungen ab, dies impliziert, dass die Arbeitsbelastung für Menschen mit gleichen Arbeitsbedingungen theoretisch identisch ist. Für zwei Lehrkräfte etwa, die in der gleichen Schule in derselben Klasse arbeiten, ist die Belastung (von außen) an sich gleich. Zudem wird der Begriff Belastung wertneutral verwendet, eine Belastung ist demnach nicht per se etwas Negatives8. Belastungen können je nach Kontext unterschiedliche Auswirkungen haben, etwa körperliche, physische oder psychosoziale (vgl. Treier, 2019, S. 9). Dabei meint psychische Belastung laut der DIN EN ISO 10075-1, der europäischen Norm: „Psychische Belastung ist die Gesamtheit aller erfassbaren Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukommen und psychisch auf ihn einwirken“ (Joiko et al., 2010, S. 9).

Bei Belastung handelt es sich also um von außen einwirkende, positive oder negative, physische und/oder psychische Faktoren.

Begriffsklärung Beanspruchung

Belastung und Beanspruchung sind grundlegend unterschiedliche Konzeptionen. „Im Gegensatz [zur Belastung] kennzeichnet die Beanspruchung gerade diese Auswirkungen [der Belastung], die dadurch unterschiedlich sind, dass die konkreten und objektiven Belastungen auf unterschiedliche individuelle Eigenschaften und Fähigkeiten der Menschen treffen“ (Rohmert & Rutenfranz, 1975, S. 8). Rohmert und Rutenfranz differenzieren damit sehr klar, dass Belastung von außen auf den Menschen trifft, während deren Bewertung im Inneren geschieht, wodurch diese zur Beanspruchung werden kann. Diese Differenzierung der Begriffe liefert auch eine Erklärung, weshalb Menschen bei gleicher Belastung eben nicht unbedingt die gleiche Beanspruchung empfinden. Die Belastungen treffen auf unterschiedliche Eigenschaften und Fähigkeiten von Menschen, erst danach zeigt sich das Ausmaß der Beanspruchung. Dieselbe Sichtweise findet sich in der europäischen Norm zur psychischen Beanspruchung: „Psychische Beanspruchung ist die unmittelbare (…) Auswirkung der psychischen Belastung im Individuum in Abhängigkeit von seinen jeweiligen überdauernden und augenblicklichen Voraussetzungen“ (Joiko et al., 2010, S. 10). Beanspruchung ist also die Auswirkung der Belastung in einem Menschen. Negative Beanspruchung kann auf lange Sicht krank machen (vgl. Rudow, 1995, S. 51)9.

Begriffsklärung Ressourcen

Um den Begriff Ressourcen genauer zu beleuchten, bietet sich eine Betrachtung der Wortherkunft an. Ressource stammt vom lateinischen Wort „resurgere“ ab, was so viel bedeutet wie „wieder aufrichten, wieder aufblühen“ (vgl. PONS GmbH, o. J.). Unter Ressourcen wird also etwas Positives verstanden, das dazu führt, dass jemand aufblühen kann. Im Zusammenhang mit Belastung und Beanspruchung kann man Ressourcen verstehen als „Mittel der Hilfe und Unterstützung (…), mit denen Belastungen, Überforderungssituationen und Krisen bewältigt werden können“ (Petzold, 1998, S. 356). Kürzer noch, Ressourcen sind „Gesundheit schützende und Belastung abpuffernde Faktoren“ (Jerusalem, 2009, S. 175). Sehr ähnlich...

Produkt-Details

• Erscheint lt. Verlag: 9.10.2024
• Sprache: deutsch
• Themenwelt: Sozialwissenschaften ► Pädagogik
• ISBN-10: 3-7799-8578-0 / 3779985780
• ISBN-13: 978-3-7799-8578-5 / 9783779985785