Wer hat Angst vor Donald Trump? (eBook)
184 Seiten
ecoWing (Verlag)
978-3-7110-5364-0 (ISBN)
Hannelore Veit, geboren 1957 in Wien, ist Journalistin und Moderatorin. Sie studierte u. a. Amerikanistik in den USA. Als Leiterin des Washingtoner ORF-Büros erlebte sie 2016 den Wahlsieg Trumps - und die Fassungslosigkeit darüber. Für ihr Buch 'Wer hat Angst vor Donald Trump?' unternahm sie während der Vorwahlmonate Reisen in die USA und ermöglicht uns einen geschärften Blick in die nahe Zukunft.
Hannelore Veit, geboren 1957 in Wien, ist Journalistin und Moderatorin. Sie studierte u. a. Amerikanistik in den USA. Als Leiterin des Washingtoner ORF-Büros erlebte sie 2016 den Wahlsieg Trumps – und die Fassungslosigkeit darüber. Für ihr Buch "Wer hat Angst vor Donald Trump?" unternahm sie während der Vorwahlmonate Reisen in die USA und ermöglicht uns einen geschärften Blick in die nahe Zukunft.
UNDERCOVER
IN DER MAGA-WELT
»We just love Donald Trump.« Tara steht vor mir in der Schlange vor dem Coliseum Complex in Greensboro in North Carolina. Es ist neun Uhr früh an diesem Samstag Anfang März 2024, knapp vor dem Super Tuesday, die Menschenschlange ist jetzt schon lang, vom Ordnungspersonal eingewiesen und ordentlich in Serpentinen gereiht. Erst in zwei Stunden wird das Coliseum die Türen öffnen und die Trump-Fans einlassen. Fünf Stunden dauert es dann schließlich, bis Donald Trump tatsächlich die Bühne betritt. Geduld ist gefragt, Stehvermögen ebenso. Man kommt leicht ins Gespräch, verkürzt so die Wartezeit. Tara, um die 50 – nach ihrem genauen Alter frage ich nicht –, zieht sich, während sie ansteht, ein dunkelblaues T-Shirt über ihre Bluse: »Trump 2024« steht darauf. »Es ist meine erste Trump Rally, meine erste Großkundgebung mit Trump«, erzählt Tara. Im Wahlkampf 2016 kam Donald Trump zwar nach Greensboro, aber damals war sie verhindert. Tara lebt in Greensboro, doch ihre Verwandten, die sie irgendwo in der Menge weiß, sind weit aus dem Süden des Bundesstaates North Carolina angereist. Tausende sind es, die Trump hier live erleben wollen. Wer das stundenlange Anstellen nicht in Kauf nehmen will, wird sich mit Stehplätzen ganz hinten im Saal begnügen müssen.
Von Aggressivität ist an diesem Vormittag nichts zu spüren. Es ist eine friedliche Gruppe von MAGA-Anhängern (MAGA: Make America Great Again), die sich hier versammelt hat. Man ist schließlich unter sich, vereint in der Unterstützung und fast so etwas wie Verklärung für Donald Trump. Ich gehe davon aus, dass alle, die hierhergekommen sind, zur Trump-Kernwählerschaft gehören und ihm unverbrüchlich die Treue halten werden, egal, was bis zur Wahl noch passiert. Was nicht wirklich verwundert: Es sind fast nur Weiße in der Menge. Und das, obwohl fast jeder vierte Einwohner North Carolinas schwarz ist. Ganze drei Afroamerikaner zähle ich.
16 Bundesstaaten werden am Super Tuesday in ein paar Tagen ihre Vorwahlen abhalten und Donald Trump einen großen Schritt näher zur republikanischen Präsidentschaftskandidatur und möglicherweise zur Präsidentschaft bringen. North Carolina ist einer der Swing States, einer der Bundesstaaten, die bei den Wahlen am 5. November den Ausschlag geben könnten, weil in diesem Bundesstaat das Pendel sowohl in Richtung Republikaner als auch in Richtung Demokraten ausschlagen könnte. Donald Trump hat North Carolina 2020 mit einem Vorsprung von knappen 75 000 Stimmen gewonnen. Diesmal hoffen die Demokraten, den Bundesstaat wieder zurückholen zu können.
Ich habe mich für diese Rally knapp vor dem Super Tuesday unter die Trump-Anhänger und -Anhängerinnen gemischt, bin nicht wie sonst bei Wahlkampfveranstaltungen als Journalistin auf der Pressetribüne dabei, sondern quasi inkognito unter den Fans.
Viele in der Schlange tragen MAGA-Kappen, Pullover mit US-Flaggen sind überall zu sehen, einige haben amerikanische Flaggen um die Schultern drapiert, eine Frau hat sich eine blau-weiß-rot glitzernde Spange ins Haar gesteckt. Ein junger Mann schwingt eine riesige blaue Fahne: »Trump 2024 – Make America Great Again« lautet der Schriftzug darauf. »Ho, ho ho – Joe’s gotta go« skandiert ein anderer, die Menge stimmt ein. »Ho, ho, ho!« Mit Joe ist Joe Biden gemeint. Und immer wieder ist der Schlachtruf: »USA! USA! USA!« zu hören.
Die Atmosphäre erinnert ein bisschen an einen Jahrmarkt. Auf dem Parkplatz vor der Halle haben die Händler mit Trump-Fanartikeln ihre Stände aufgebaut, sie machen ein gutes Geschäft: 25 Dollar kosten die Kappen, wer mehrere kauft, kriegt sie billiger. »Trump Save America« heißt es auf T-Shirts, oder kurz und prägnant: »Trump 2024«. Der diabolisch anmutende »Mug Shot«, das Polizeifoto von Donald Trump, aufgenommen im Zuge eines der vielen Prozesse, die gegen Trump laufen, ist zum Markenzeichen geworden. Überall ist es auf T-Shirts zu sehen, »Never Surrender« oder »Trump Wanted … For President« steht darunter. Flaggen mit »Trump will be back« flattern im Wind, Trump-Teddybären, Trump-Spielzeug, alles findet sich an den Ständen. Ein Mann mit gelber Trump-Perücke freut sich über jedes Selfie, das mit ihm gemacht wird. Manche der Slogans auf den Stickern und T-Shirts sind witzig, andere angriffig, T-Shirts mit »#FJB« für »Fuck Joe Biden« ziehen viele Käufer an. Auch ein paar religiöse Motive finden sich: »Jesus is my Savior – Jesus ist mein Retter«, heißt es auf einem T-Shirt. Ein paar selbst ernannte Wanderprediger ziehen durch die Menge – dass sie mit ihrem missionarischen Eifer auch tatsächlich Menschen erreichen oder gar neue Anhänger finden, darf bezweifelt werden. Auffällig, aber nicht weiter überraschend: Auf vielen Trump-Merchandising-Artikeln wird das Second Amendment zitiert, der Zweite Verfassungszusatz, der das Recht festschreibt, Waffen zu tragen. Es gibt auch Banner mit »Gun Control means Using Both Hands – Waffen zu kontrollieren heißt, sie mit beiden Händen zu halten«. Überall werden Flaggen und Banner mit den Stars and Stripes, der Flagge der Vereinigten Staaten von Amerika, und den ersten drei Wörtern der amerikanischen Verfassung, »We the People – Wir das Volk«, zum Kauf angeboten. Trump hat es verstanden, sich als Mann des Volkes zu positionieren, als Außenseiter, der gegen das Establishment angetreten ist, und als Mann, der treu zur Verfassung steht. Und seine Anhänger und Anhängerinnen nehmen es ihm voll und ganz ab.
Tara, die für ein Reisebüro arbeitet, ist mit ihrem Ehemann Bob gekommen. Zwei Stunden anstehen, um in den Saal eingelassen zu werden, das nimmt sie gerne in Kauf. Als ich sage, dass ich eigentlich Journalistin bin und eine Trump Rally im Publikum erleben möchte, merke ich ein gewisses Zögern. Aber dann meint Bob: »Ah, dann sind Sie eine von den guten Journalisten, gut, dass Sie herkommen und mit uns reden, statt über uns zu schreiben, ohne jemals dabei gewesen zu sein.« Das Eis ist gebrochen, bereitwillig erzählen sie mir, warum sie »ganz sicher« am 5. November Donald Trump wählen werden. »Ich mag Trump, weil er kein Politiker ist. Er ist ein Businessman, die Politmaschinerie in Washington interessiert ihn nicht. Er ist ein Mann, der anpackt – who fixes things – und Sachen in Ordnung bringt«, sagt Tara. »Ja, er wird manchmal ausfällig, aber er sagt, was er denkt. Wir wissen, wo er herkommt, er ist kein verlogener Politiker. Bei ihm gibt es kein verstecktes Motiv.« Bob gelingt es, ab und zu ein Wort einzuwerfen: »Wir haben einfach keine andere Wahl. In Washington ist ein Kartell an der Macht, die Biden-Regierung muss abgewählt werden.« – »Trump liebt Amerika, er steht für Freiheit und wir wollen unsere Freiheit«, mischt sich Amy, die vor uns in der Schlange steht, ins Gespräch. »Sie wollen unsere Freiheit einschränken«, sagt Bob, »die Wirtschaft war unter Trump besser, alles war besser, jetzt haben wir offene Grenzen, es ist ein Albtraum. Sie lügen, lügen, lügen in Washington!«, wird er laut und leidenschaftlich. »Ich weiß schon, das hört sich nach einer Verschwörungstheorie an«, sagt Tara, »aber das ist es nicht: Sie, die anderen, hassen Trump und tun alles gegen ihn. Er sieht die Dinge so, wie wir sie sehen, aber niemand hört uns zu.« Bob fügt hinzu: »Den Demokraten ist Amerika egal.« Auch Amy, zu der inzwischen ihre Kinder und Enkelkinder gestoßen sind, stimmt ein: »Die Politiker in Washington, Demokraten und Republikaner, alle sind sie korrupt. Trump wird den Sumpf in Washington trockenlegen.«
Es sind Sätze, wie man sie überall von Trump-Anhängern hören kann. Er ist »ihr« Mann, er spricht für sie. Er, der Millionär, der stolz darauf ist, »ganz klein«, mit einer Million Dollar seines Vaters, als Businessman begonnen zu haben, wie er immer wieder betont, hat sich zur Stimme der kleinen Leute erklärt und wird als einer der ihren akzeptiert.
Ein paar Stunden später wird Donald Trump auf der Bühne im Saal dieselben Argumente wie Tara, Bob und Amy verwenden. Seine Talking Points sind die Talking Points seiner Fans.
Die Show
Dass hier nicht bloß ein Präsidentschaftskandidat, sondern ein Ex-Präsident erwartet wird, wird spätestens beim Eintritt in die Veranstaltungshalle offensichtlich. »All guests will be screened by the United States Secret Service« hatte es im Info-Mail geheißen, das im Vorfeld an alle registrierten Teilnehmer geschickt wurde. Schwer bewaffnete Sicherheitskräfte in schusssicheren Westen checken Taschen beim Einlass gründlicher, als ich es je bei Events erlebt habe. Die Geheimdienst- und Polizeipräsenz ist enorm. Die Nervosität der Sicherheitskräfte ist spürbar, der Snackstand im Coliseum lässt nach einer halben Stunde die Rollbalken runter: Der Geheimdienst hat es angeordnet, heißt es.
Die Atmosphäre im Saal ist eine Mischung aus gespannter Erwartung, Enthusiasmus und auch ein bisschen Ungeduld. Die Menge muss bei Laune gehalten werden. Aus den Lautsprechern dröhnen patriotische Songs, gemischt mit ABBA-Klassikern, Ohrwürmern und Hits der 1990er-Jahre. Viele Künstler, darunter Bruce Springsteen oder die Rolling Stones, haben Trump inzwischen verboten, ihre Songs bei seinen Veranstaltungen zu benützen.
Meine Sitznachbarn im Saal – Tara und Bob habe ich im Gedränge aus den Augen verloren – erzählen mir, dass sie nicht nur gekommen sind, um den Präsidenten live zu erleben, sondern auch der Atmosphäre wegen.
Keine Rally ohne Treueschwur auf die Verfassung, ohne Gebet mit Danksagung für die »Freiheiten, die wir in Amerika genießen« und ohne die Bitte, »Donald Trump zu...
Erscheint lt. Verlag | 26.9.2024 |
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Verlagsort | Wals |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber ► Geschichte / Politik ► Politik / Gesellschaft |
Sozialwissenschaften ► Politik / Verwaltung | |
Schlagworte | 45. Präsident • Amerika • Angeklagter • Buch Trump • demokratie in gefahr • Donald Trump • donald trump beliebtheit • donald trump präsident • donald trump usa • Florida • Hannelore Veit • Joe Biden • Kamala Harris • Make America Great Again • Politiker • Politik USA • politische Bücher • präsidentschaftswahl usa • Republikaner • Rücktritt • Sturm auf das Kapitol • trump wahl • USA • usa wahlen 2024: kandidaten • US-Wahlen • vorwahlen • Wahlkampf • Washington • Zukunft Amerikas |
ISBN-10 | 3-7110-5364-5 / 3711053645 |
ISBN-13 | 978-3-7110-5364-0 / 9783711053640 |
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