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Die wahrscheinlichen politischen und wirtschaftlichen Folgen eines Krieges zwischen Großmächten -  Johann von Bloch

Die wahrscheinlichen politischen und wirtschaftlichen Folgen eines Krieges zwischen Großmächten (eBook)

Neuedition der Übersetzung von 1901 mit Begleittexten von B. Friedberg, Manfred Sapper und Jürgen Scheffran

(Autor)

Peter Bürger (Herausgeber)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
176 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7597-5517-9 (ISBN)
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Der russische Staatsangehörige und Eisenbahnmagnat Johann - bzw. Jan, Iwan, Jean - von Bloch (1836-1902), aufgewachsen in Polen als Sohn einer ärmlichen jüdischen Handwerkerfamilie, veröffentlichte 1898 in sechs Bänden sein in mehrere Sprachen übersetztes monumentales Werk über den modernen Krieg im Industriezeitalter - ein "Klassiker der Friedensforschung" (M. Sapper). Der vorliegende Band enthält eine erst nach der Jahrhundertwende erschienene kleine Arbeit "Die ... Folgen eines Krieges zwischen Großmächten" (Übersetzung: Berlin 1901) sowie drei ausführliche Begleittexte zu Blochs pazifistischem Wirken (B. Friedberg 1919, Manfred Sapper 2008, Jürgen Scheffran 2014). Im Juli 1919 schrieb Dr. B. Friedberg in der jüdischen Monatsschrift 'Ost und West' rückblickend: Die Anstifter des Weltkrieges "werden sich nicht damit entschuldigen können, sie wären nicht gewarnt worden; denn Gott wird zu ihnen sprechen: Habe ich nicht Propheten zu euch geschickt, die euch zur Umkehr und zum Frieden mahnten ... Es war etwas ganz Neues, bis dahin Unerhörtes, als im Jahr 1899 aus den Reihen der Wirklichkeitsmenschen, der Führer und Organisatoren des europäischen Wirtschaftslebens dem Völkerfrieden ein mächtiger Fürsprecher, dem Kriege ein heftiger und unerbittlicher Gegner erstand, nämlich Johann von Bloch, der wirkliche Urheber der Haager Friedenskonferenzen." In seinen Studien zum Krieg der Zukunft "wollte Bloch nicht nur beschreiben, er wollte den Gang der Geschichte auch beeinflussen. Geradezu ambivalent ist sein Unterfangen, die destruktiven Möglichkeiten des Krieges rational und empirisch aufzuzeigen, zugleich aber seine Sinnlosigkeit zu belegen und ihn politisch unmöglich zu machen ... Die Analysen Blochs wurden mit geradezu unerbittlicher Präzision im Ersten Weltkrieg bestätigt. Viele Überlegungen zum Krieg wie zum Frieden bleiben bis heute aktuell. Die Vernichtungswirkung der Waffentechnik wurde gegenüber dem Ersten Weltkrieg ins Unermessliche gesteigert und führte zum Totalen Krieg, der ganze Gesellschaften erfasste ... Damit Krieg unmöglich wird, gilt es ..., die zum Kriege drängenden Sachzwänge zu vermeiden und alternative Entscheidungsspielräume zu schaffen. Hierzu gehört, den Bedingungen für einen neuen großen Krieg entgegen zu wirken ..." (Jürgen Scheffran). edition pace, Band 19. Regal: Pazifisten & Antimilitaristen aus jüdischen Familien. Herausgegeben von Peter Bürger, Editionsmitarbeit: Gottfried Orth.

Johann von Bloch / Ivan Blioch / Jan Bloch (1836-1902) "ist ein typischer Vertreter der aufstiegsorientierten Juden des 19. Jahrhunderts. Er arbeitete sich aus ärmlichen jüdisch-ostpolnischen Verhältnissen zu einem der bedeutendsten Unternehmer im Russischen Reich hoch. Während des 'geborgten Imperialismus' finanzierte er dem Staat Eisenbahnstrecken. Blochs größtes Verdienst sind seine Initiativen, den Krieg zu überwinden. Er gab den Anstoß zur Haager Friedenskonferenz. In seinem fundamentalen Werk 'Der Zukunftskrieg' prognostizierte er die totale Vernichtung durch die industrialisierte Kriegführung. Er forderte den Abschied von Clausewitz und plädierte für Rüstungskontrolle sowie für die Schaffung eines internationalen Gerichtshofs. Diesem Werk gebührt der Platz eines Klassikers in der historischen Friedensforschung" (Manfred Sapper, Zeitschrift "Osteuropa" 2008). Eine spätere Studie mit vergleichsweise kleinem Umfang ist das jetzt neu edierte Buch "Die ... Folgen eines Krieges zwischen Großmächten" (Übersetzung: Berlin 1901).

Johann von Bloch

DIE WAHRSCHEINLICHEN POLITISCHEN
UND WIRTHSCHAFTLICHEN FOLGEN
EINES KRIEGES ZWISCHEN GROSSMÄCHTEN
(1901)3


1.
Einleitung


Die Aufgabe, die ich mir gestellt habe, ein Bild der wahrscheinlichen politischen, wie öconomischen Ergebnisse, die heute ein Krieg zwischen Grossmächten zeitigen würde, zu geben, könnte ziemlich leicht erscheinen, da es unbestritten ist, dass diese Ergebnisse entsetzliches Elend zeitigen müssten.

Die mehr oder weniger grosse Ungeheuerlichkeit eines Krieges hat jedoch auf die Entschliessungen der Regierungen keinerlei Einfluss, sobald es sich darum handelt einen Krieg zu führen oder zu unterlassen. Man kann sagen, dass sie zumeist ohne vorhergehende Studien Kriege unternehmen. Diese sind alsdann das Ergebniss einer dieser blinden Leidenschaftswogen, die die Völker heimsuchen, das Ergebniss eines bald spontan sich zeigenden, bald durch unsichtbare Kräfte erzeugten vorübergehenden Wahns, der schliesslich die Regierungen selbst mit sich reisst. Früher waren es hauptsächlich die Rivalitäten der Fürsten, ihre gegenseitigen Feindseligkeiten, ihre dynastischen Interessen, ihr gerechter oder unberechtigter Ehrgeiz, die die Kriege entfesselten, heute jedoch, sagt Alfred Fouillée, das Mitglied des Instituts von Frankreich in seiner „Enquête sur la guerre et le militarisme“, wo die Gewalt in die Hand der Völker übergegangen ist, wo diese ein immer mehr zunehmendes Bewusstsein ihrer Interessen und ihrer Rechte besitzen, und wo dieses Bewusstsein die öffentliche Meinung bildet, und wo endlich diese öffentliche Meinung durch die Presse gehalten und geleitet wird, werden die Streitigkeiten in des Wortes wahrster Bedeutung Völkerconflikte.

Die Fürsten sind genöthigt die Völker vorher zu überzeugen, dass dieser oder jener Krieg durch die Vaterlandsliebe, aus vitalem Interesse des ganzen Volkes, oder noch mehr, aus Gerechtigkeitsgründen selbst, zur Nothwendigkeit geworden ist. Diejenigen die den Krieg wollen, werden immer die öffentliche Meinung dahin zu bringen suchen, dass diese den Krieg für unvermeidlich hält. Dafür sind alle Mittel gut, von der Depeschenfälschung bis zur Journalbestechung. Es braucht nur daran erinnert zu werden, dass Cavour in öffentlicher Parlamentssitzung erklärte, dass er 80 Millionen der geheimen Fonds für die Interessierung der französischen Presse zu Gunsten des italienischen Krieges verwendet habe, dass Bismarck ebenfalls in öffentlicher Parlamentssitzung erklärte, „das Stillschweigen einer Anzahl französischer Zeitungen über Preussens Rüstungen erkauft zu haben, und dass an dem Tage, an welchem er den Krieg haben wollte, es ihm genügt hatte, die Monatszuschüsse einzustellen.“ Das gab diesen Blättern ihren Patriotismus wieder und sie schrieen alle „nach Berlin!“

Das sind Augenblicke des Wahns, der Verirrung, die nach Belieben von Jenen hervorgerufen werden, die ein Interesse daran haben, die Geister jeder vernünftigen Bethätigung zu berauben. Diese Aufreizungen würden nicht so häufig und weniger gefährlich sein, wenn man sich darüber mehr im Klaren wäre, was heutzutage das Wort „Krieg“ zu bedeuten hat.

Der Zweck der vorliegenden Arbeit und der meiner vorhergehenden Schriften besteht gerade darin, die richtigen Anschauungen über den Krieg zu verbreiten.

Ich habe es mir zur Aufgabe gemacht zu untersuchen, welcher Art die Umwandlungen sind, die bei der Kriegsführung in technischer, wie materieller Beziehung vor sich gegangen sind, und ob die, aus der gegenseitigen, stets wachsenden Abhängigkeit der Völker, hervorgegangene Lage, nicht eine derartige ist, dass die ökonomischen und finanziellen Störungen, die daraus entstehen müssen, die Fortsetzung des Krieges unmöglich machen werden, ehe man noch auf irgend einer Seite zu einer Entscheidung gelangt ist.

Ich werde mich bemühen, in dieser Arbeit den Beweis zu führen: 1. Dass es den gegenwärtigen Heeren unmöglich sein wird, der in der Zukunftschlacht entwickelten Zerstörungsgewalt zu widerstehen, wenn der Krieg, wie dies früher üblich war, geführt werden soll; 2. dass man, wenn man in den Schlachten die ungeheueren Verluste wird vermeiden wollen, die sich bis zur vollständigen Vernichtung ganzer Armeekorps werden steigern können, die Feindseligkeiten sich in die Länge ziehen müssen, deren Fortsetzung jedoch infolge des öconomischen, financiellen und socialen Zusammenbruchs, den die lange Dauer nach sich ziehen muss, einfach unmöglich werden wird. Wenn diese Behauptungen aufgestellt und Gemeingut Aller, nicht nur der Regierungen, sondern auch der grossen Masse geworden wären, unterliegt es keinem Zweifel, dass eine Verständigung über die Beseitigung des immer drohenden Krieges, behufs Schaffung eines internationalen Schiedsgerichtshofes erstehen würde, und zwar nicht eines faculativen Tribunals, wie jenes, das aus den Berathungen der Haager Conferenz hervorgegangen, sondern eines obligatorischen, das dazu bestimmt sein würde, auf friedlichem Wege die Streitigkeiten zwischen den Völkern zu schlichten. Unstreitig würde sich daraus ein selbstthätiger Stillstand in den Rüstungen ergeben, wenn auch einige Regierungen nicht geneigt sein sollten, dies zu wünschen. Zu diesem Zwecke werde ich Zahlen, Aussprüche und Documente militärischer Autoritäten und gelehrter Nationalöconomen vorlegen müssen, um zu beweisen, dass die Grossmächte in einem Zukunftskriege gezwungen sein werden, rasch Frieden zu schliessen, so schroff und lästig die Bedingungen auch sein dürften.

Graf Tolstoi behauptet, dass die Regierungen am allerwenigsten eine Klärung ihrer Missverständnisse wünschen, dass sie im Gegentheile, wenn sich keine ergeben, solche erfinden, denn nur in ihrem Zwiespalt mit anderen Staaten finden sie den Vorwand die Heere zu halten, auf denen ihre Macht ruht.4

Wenn man diese Ansicht auch als eine Uebertreibung gelten lässt, wäre es doch zu anmassend von mir, anzunehmen, dass diese Zahlen, Aussprüche und Documente genügen werden, um die Probleme des Krieges und des Militarismus bedeutend zu fördern. Meine Hoffnungen sind viel bescheidener. Wenn meine Thesen die Unterstützung der Friedensfreunde erhalten und diese mir ihre thatkräftige Hilfe zu Theil werden lassen, rechne ich darauf, dass die Einsicht der Völker sich der Sache annehmen und eine Bewegung erstehen wird, deren Zweck es sein wird, eine ernste Untersuchung der Angelegenheit durchzusetzen. Wenn alsdann die Regierungen sich weigern sollten, die Initiative zu ergreifen, ist es nicht ausgeschlossen, dass nicht Privatleute dies zuwege bringen werden. Sind diese Untersuchungen aber auch wirklich zweckmässig? Unstreitig; sie bilden sogar das einzig wirksame Actionsmittel.

Eine der grössten militärischen Autoritäten, ein hervorragender Schriftsteller, achtzehn Jahre lang Kriegsminister in Russland, der Reorganisator der russischen Armee Graf Milutin, schrieb mir am 19. Juli 1899: „Der Hauptzweck ihres Werkes liegt darin, dass Sie ein richtiges, wenn auch schreckliches Bild dieses Krieges geben, der in einer mehr oder weniger nahen Zukunft, durch Anwendung der neusten Erfindungen Europa ruiniren wird. Darum würde Ihrer Arbeit eine ungeheure Wichtigkeit innewohnen, wenn Sie auf die leitenden Kreise, auf die Männer, die die Politik der Staaten leiten und vor allem auf die Delegirten der Haager Conferenz Einfluss üben könnte. Doch leider ist dies nicht zu hoffen, die furchtbaren Folgen der voraussichtlichen Catastrophe sind nicht imstande von der Bahn abzulenken, die die fanatischen Anhänger des Krieges wandeln.“

Um demnach zu einem Ergebniss zu gelangen, muss man sich nach anderen Einflüssen umsehen, um jene zu überzeugen, die nicht überzeugt werden wollen.

In einer von der Revue Internationale im Jahre 1899 angestellten Enquête über Krieg und Militarismus antwortete eine grosse Anzahl von hervorragenden Persönlichkeiten der ganzen Welt auf folgende Fragen:

1. Ist der Krieg zwischen Kulturvölkern noch durch historische Ursachen, durch Gründe des Rechtes oder Fortschritts bedingt?

2. Welches sind die geistigen, moralischen, öconomischen, physischen und politischen Wirkungen des Militarismus?

3. Welche Lösung muss im Interesse unserer zukünftigen Cultur das ernste Problem des Krieges und des Militarismus finden?

4. Welches sind die Mittel, die auf möglichst schnelle Weise zu diesen Lösungen führen?

Die ungeheure Mehrheit der Antworten bilden eine so furchtbare Rüstkammer gegen den Krieg, dass man davon ordentlich betroffen ist, während die Stimmen die den Krieg vertheidigen, schwach und wenig überzeugungsvoll sind und keine andere Beweise geltend machen können, als die guten Seiten, die schliesslich jeder Sache anhaften, die hier aber die Nachtheile nicht aufwägen und die auf eine unendlich billigere Art zu erreichen sind, ohne das man die Menschheit dem entsetzlichen Risico eines Krieges überliefert. Gleichzeitig kann man sich aber beim Studium dieser Antworten des Staunens nicht...

Erscheint lt. Verlag 12.6.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
ISBN-10 3-7597-5517-8 / 3759755178
ISBN-13 978-3-7597-5517-9 / 9783759755179
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