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Krisen machen Angst -  Marcus Eckert

Krisen machen Angst (eBook)

Wie Unterricht in schweren Zeiten ermutigen kann. Mit E-Book inside
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
117 Seiten
Beltz (Verlag)
978-3-407-83223-8 (ISBN)
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Aktuelle Krisen wie die Corona-Pandemie, der Ukraine-Krieg, die steigende Inflation mit allen ihren Auswirkungen auf die persönlichen und gesellschaftlichen Lebensumstände führen zu vermehrten Sorgen, Ängsten und sogar Depressionen bei Kindern und Jugendlichen. Auch Schule und Unterricht sind von den emotionalen Auswirkungen auf die Schüler:innen betroffen. Dieses Buch arbeitet die wesentlichen psychischen Faktoren für das Belastungserleben in Krisen heraus und zeigt insbesondere, wie Lehrer:innen diesen begegnen können: Auf welche Weise lösen Krisen Angst, Sorgen und Depressionen aus? Welche psychologischen Faktoren spielen eine Rolle? Wie kann diesen im Unterricht begegnet werden? Ein möglicher Lösungsansatz liegt in einer gemeinsamen und sinnstiftenden Handlungsorientierung durch kooperatives und demokratisches Handeln im Unterricht. Durch z.B. das Erlernen und Einüben von Kooperation, Aushalten von Widersprüchen und einem fairen Umgang miteinander erleben die Schüler:innen Sinnhaftigkeit, Gemeinsamkeit und Wirksamkeit bzw. Gestaltungsmöglichkeiten, was ihnen dabei hilft, Krisen resilienter begegnen zu können bzw. Sorgen, Ängste und Depressionen zu reduzieren. Die Pandemie und der Ukraine-Krieg werden nur exemplarisch aufgegriffen, ein Transfer ist gut möglich.

Prof. Dr. Marcus Eckert ist Professor für Psychologie an der APOLLON Hochschule in Bremen.

Einleitung: Warum dieses Buch?


»Angst essen Seele auf«

(Rainer Werner Fassbinder; Regisseur)

Dieses Buch spannt einen roten Faden von der dringend notwendigen Resilienzstärkung in unsicheren Zeiten einerseits und der dringend notwendigen demokratischen und fairen Gestaltung des Miteinanders andererseits. Für lebendige Demokratie braucht es mutige bzw. ermutigte »Seelen«. Dieses Buch will wissenschaftlich fundiert und praxistauglich diesem roten Faden folgen.

Seit 2020 begleitet uns Corona. Am Anfang der Krise und immer wieder wurden Schulen geschlossen und die Schüler:innen im Homeschooling unterrichtet. Was zunächst vielfach von den Kindern und Jugendlichen als »Corona-Ferien« bejubelt wurde, stellte sich schnell als problematisch für deren psychosoziale Entwicklung heraus. Darüber hinaus wurden leidenschaftliche und teilweise verbissene Diskussionen um die Angemessenheit von Schulschließungen geführt. Noch bevor die Krise überwunden war, erreichte uns ein Krieg mitten in Europa, der unser Bedürfnis nach Sicherheit erschütterte. Erschreckende Bilder gingen und gehen täglich durch die Medien, es ist kaum möglich, sie nicht zu sehen. Menschen, die große Not und starkes Leid erfahren haben, erreichen Deutschland und damit auch die Klassenzimmer. In der Folge des Krieges wird zudem unser sichergeglaubter Wohlstand erschüttert: Preise explodieren und es ist keineswegs klar, ob und wie die Energieversorgung sich entwickelt. Und als ob das noch nicht genügt, erleben wir in Folge des Klimawandels in Europa Wetterextreme wie z. B. Dürren oder Überflutungen, die die Versorgungssituation vielfach noch verschärfen.

Wir wissen heute schon, dass die Zahl der psychischen Auffälligkeiten bei Kindern und Jugendlichen während der Pandemie drastisch zugenommen hat. Waren vor Corona etwa ein Fünftel der jungen Menschen psychisch auffällig, so ist die Zahl während der Pandemie auf etwa ein Drittel angestiegen (Ravens-Sieberer et al., 2021). Man kann vor allem eine Zunahme von Angststörungen (Sorgen, soziale Ängste), Depression und Impulskontrollstörungen (z. B. AD(H)S) beobachten. Die Erstautorin der CoPsy-Studie (Corona und Psyche) Ulrike Ravens-Sieberer resümierte 2021: »Unsere Ergebnisse zeigen erneut: Wer vor der Pandemie gut dastand, Strukturen erlernt hat und sich in seiner Familie wohl und gut aufgehoben fühlt, wird auch gut durch die Pandemie kommen« (Ravens-Sieberer, 2021). Die Kinder- und Jugendlichen Psychotherapeutin Alexandra von Tettenborn brachte es so auf den Punkt: »Die Pandemie hat sich als Brennglas für psychische Erkrankungen erwiesen.« (Zink, 2022, S. 52). Zudem zeigen Studien, dass (berechtigte) Sorgen vor dem Klimawandel ebenfalls das Risiko psychischer Erkrankungen und ungünstige psychosoziale Entwicklungen verstärken (Vergunst & Berry, 2022).

Wie gehen Kinder und Jugendliche mit diesen belastenden Ereignissen, dem Wissen um sie und den Bildern von ihnen um? Welche Auswirkungen hat dies auf die psychosoziale Entwicklung? Was benötigen sie, um das belastende Erleben gut und gesund zu bewältigen? Welche Fähigkeiten müssen Sie entwickeln, um mit diesen und zukünftigen Krisen umgehen zu können? Und wie können sie in Schule und Unterricht dabei unterstütz werden? Diesen Fragen möchte ich in diesem Buch nachgehen. Und ich möchte Sie, liebe Leser:innen, einladen, hierüber ins Gespräch zu kommen. Dabei ist es mir wichtig, den Fokus der Aufmerksamkeit auf die Möglichkeiten und auf das Schaffbare zu legen. Denn – so weiß ein Bonmot – »die Hoffnung stirbt zuletzt«.

Wenn wir die Hoffnung aufgeben, wer soll den jungen Menschen dann den Mut vermitteln, ihr Leben aktiv anzupacken und gelingend zu gestalten? Wofür und für wen sollten sie dann Verantwortung übernehmen? Deswegen soll dieses Buch auch ein Plädoyer dafür sein, jungen Menschen (und auch uns selbst) Mut zu machen. Wir erarbeiten wissenschaftlich fundierte und praxistaugliche Möglichkeiten, wie dies in Schule und Unterricht möglich ist. Dabei werden Sie Altvertrautes in neuen Kontexten wiederfinden, und Sie werden neue Perspektiven und Handlungsweisen für vertraute Kontexte entdecken. Das Ziel besteht darin, Ihnen nicht nur ein Plädoyer, sondern auch psychologisches Handwerkzeug zur Verfügung zu stellen. Vieles kennen wir bereits aus vorherigen Krisen und anderen krisenhaften Kontexten. Vieles ist also bewährt. Aber Krisen zeichnen sich eben auch dadurch aus, dass bereits bewährte Ansätze nicht mehr funktionieren. In diesem Sinne lade ich Sie zum Experimentieren ein. Haben Sie den Mut, auch einmal Dinge auszuprobieren, selbst wenn Sie sich nicht absolut sicher im Handling fühlen. Manchmal weiß man erst, was funktioniert, wenn man es erprobt. Schließlich bleibt die Ungewissheit, in welchem Maße die Vorschläge in diesem Buch für zukünftiges Handeln hilfreich und sinnvoll sind. Aber zurzeit haben wir nichts Besseres, als auf bewährte (und evidenzbasierte) Antworten zurückzugreifen, die in der Vergangenheit sinnstiftend waren und die die psychischen Faktoren ansprechen und verändern, die zu Leid und Belastungserleben führen. Lassen Sie uns diese mit Augenmaß reflektieren.

In diesem Sinn möchte ich die einleitenden Zeilen mit einer bewährten Perspektive beenden. Viele erwachsene Menschen (Eltern, Lehrer:innen etc.) fragen sich, wie sie Kindern und Jugendlichen in so unsicheren Zeiten wie heute Mut machen und Hoffnung geben können. In meiner Arbeit höre ich immer wieder den berechtigten Einwand: »Wir können ihnen die Ängste ja nicht nehmen. Es gibt wenig Grund zu glauben, dass alles gut wird.«. Persönlich finde ich ein Zitat, das Martin Luther zugesprochen wird, sehr hilfreich: »Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, so würde ich heute noch mein Apfelbäumchen pflanzen.« Das Zitat stammt jedoch nicht von Luther, sondern es wurde sehr wahrscheinlich in den Wirren des zweiten Weltkrieges (oder kurz danach) geprägt – und Luther in den Mund gelegt. Sehr wahrscheinlich hat es den Menschen Hoffnung in einer hoffnungslosen Zeit gegeben. Ein solches Zitat lenkt unsere Aufmerksamkeit – und damit auch unser Erleben – darauf, dass Hoffnung möglich ist, selbst wenn »morgen die Welt unterginge«. Mit Schüler:innen kann man sehr gut ins Gespräch über dieses (oder ein vergleichbares) Zitat kommen. Oftmals entstehen Gedankengänge wie »Obwohl heute Krieg und vieles furchtbar ist, mache ich trotzdem …/ist mir trotzdem wichtig …«. Der Fokus der Aufmerksamkeit darauf ignoriert die Krise zwar nicht, lenkt den Fokus jedoch auf Sinnhaftigkeit.

Wenn ich selbst gefragt werde, was mein Apfelbäumchen ist, dann antworte ich: »Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, dann würde ich heute noch mit den Kindern und Jugendlichen unser Miteinander fair und demokratisch gestalten. Ich würde mit Ihnen lernen und erarbeiten, wie wir Widersprüche aushalten, einander zuhören und Demokratie leben.« Und obwohl ich weiß, dass das nicht einfach ist, würde ich es machen. Demokratie muss man mühsam lernen, und Schule ist ein guter Ort, dies zu tun. Und trotz der großen Mühen lohnt es sich. Wenn wir den Despoten etwas entgegensetzen wollen, dann haben wir vor allem die Demokratie. Wenn wir mit dem Klimawandel umgehen wollen, dann brauchen wir mündige und verantwortungsbewusste Menschen. Und das demokratische Gestalten lohnt sich übrigens auch für unser psychisches Wohlbefinden. Wir verlassen die Opferhaltung und werden aktiv. Das reduziert Ängste und Depression. Und deswegen beleuchtet dieses Buch, wie im Unterricht und in der Schule Ängsten, Depression und Impulskontrollschwierigkeiten begegnet und zugleich ein verantwortungsvolles und faires Miteinander kultiviert werden kann. Und weil das nicht leicht ist, will dieses Buch Zugänge und Wege aufzeigen, die in der Praxis tatsächlich funktionieren können.

Allerdings bekommen Sie keine fertigen Patentrezepte, weil die mit großer Sicherheit nicht funktionieren werden. Stattdessen lernen Sie zunächst die Faktoren kennen, die maßgeblich an der Entstehung psychischer Auffälligkeiten in der Krise beteiligt sind. Wenn Sie diese Faktoren kennen, dann können Sie die daraufhin folgenden Resilienzfaktoren gezielt so anpassen, dass diese für Sie, für Ihre Schüler:innen und für Ihren Kontext passen. Ich freue mich, dass Sie sich auf den Weg machen, dieses wichtige Thema anzugehen. Ich freue mich auch über einen Austausch – das Buch soll keine Einbahnstraße...

Erscheint lt. Verlag 17.5.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Sozialwissenschaften Pädagogik
ISBN-10 3-407-83223-0 / 3407832230
ISBN-13 978-3-407-83223-8 / 9783407832238
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