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Ihr könnt mich mal so nehmen, wie ich bin (eBook)

Mein ziemlich geiles Leben ohne Kind und Karriere
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
192 Seiten
Gräfe und Unzer (Verlag)
978-3-8338-7920-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Ihr könnt mich mal so nehmen, wie ich bin -  Henriette Hell
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Zwischen Sekt und Sahnetorte stellte Oma die Frage der Fragen: 'Kind, willst du nicht endlich heiraten und Kinder kriegen?' Kurz davor hatte es für Henriette 30 geschlagen und ihr unabhängiges Leben war super. Doch über Nacht scheint sie zum Ü30-Härtefall geworden zu sein: Von den einen kritisch beäugt, von den anderen beneidet. Zwischen Bausparvertrag, Dating-Chaos, DJ-Pult und digitalem Nomadentum sucht Henriette Hell nach einem Lebensentwurf, der die inneren und äußeren Fragen zum Verstummen bringt. Bis sie erkennt: Das Leben kann mich mal ... so nehmen, wie ich bin! 

Hinweis zur Optimierung
Impressum
Intro
Mein Leben mit 30
Arbeit oder so ähnlich
Liebe und Wahnsinn …
Am Ende

Rettet Jennifer Aniston!


Mein Leben verlief bisher ganz normal. Könnte man meinen. Ich ging zur Schule, machte ein Volontariat, arbeitete für verschiedene Verlage, ich reiste, ging viel aus, hatte lange Beziehungen, kurze Affären. Manchmal war der Mann heftig verliebt, aber ich nicht, manchmal war es genau umgekehrt. Liebeskummer, Selbstzweifel, Trauer, Freude, Glück kamen und gingen. In der Zwischenzeit heiratete meine jüngere Schwester und bekam eine kleine Tochter. Ich bin jetzt Tante! Ein Life-Changing-Moment, der dazu geführt hat, dass ich mich häufiger frage, ob ich das auch gerne möchte. Und falls ja: WIE gerne.

Eine schwierige Frage für mich, für uns Frauen und unsere Gesellschaft, in der viele immer mehr wollen. Von allem. In der Liebe sowieso: Das ultimative Happy End soll es sein. Mit dem perfekten Gegenstück, das alle Freundinnen neidisch und die Eltern stolz machen soll. Das führt meist dazu, dass wir uns in der ersten Hälfte unseres Lebens den Arsch aufreißen, um die Anerkennung anderer zu erringen, weil wir alle noch keinen eigenen Maßstab dafür haben, was uns WIRKLICH guttut. Also hecheln wir fremden Idealen hinterher und hängen die Forderungen, die wir an uns selbst stellen, oft viel zu hoch. Bis wir irgendwann, nach der ersten oder zweiten schweren Krise oder gar einem Burn-out, feststellen, dass wir die Regeln und Werte für ein gelungenes Leben selbst bestimmen können. Nicht jeder kommt an diesen Punkt, weil der Weg dorthin steinig ist und das, was unterwegs passiert, oft ganz schön wehtut.

Vor allem in der Rushhour des Lebens fühlen sich viele Frauen getrieben und stehen unter dem Druck, ständig aus allem das absolut Beste herausholen zu müssen. Beruflich, optisch, privat, intellektuell. Sogar Urlaubsreisen werden unter sozialem Zwang gebucht à la: »Was? Die waren auf Barbados? Dann fliegen wir dieses Jahr nach Hawaii!« Und statt sich vor Ort zu entspannen, wird die ganze Zeit völlig angestrengt nach dem perfekten Urlaubsfoto für die sozialen Medien gesucht. Völlig erschöpft redet dann das vermeintliche #dreamcouple erst mal tagelang kein Wort mehr miteinander, während parallel die Follower vor Neid erblassen. Wie heißt es so schön: »Liebe vor Leuten hat nichts zu bedeuten.« Nur wer das geschnallt hat, kann endlich entspannen.

Zum Teil trägt sicherlich die Boulevardpresse Mitschuld an unserer völlig verzerrten Vorstellung davon, wie das perfekte Leben auszusehen hat. Auch 2021 feiert sie immer noch gerne den Neokonservativismus ab, um Auflage zu machen. Sexismus und althergebrachte Ideale dominieren die Klatschpresse. Ein Beispiel: Jennifer Aniston, eine der beliebtesten und erfolgreichsten Schauspielerinnen Hollywoods. In einem Interview mit dem Magazin Elle erklärte sie vor einiger Zeit, dass sie so viele Hauptrollen spielen könne, wie sie wolle – die Rolle, die seit ihrer Scheidung von Brad Pitt, der sie für Angelina Jolie verließ, am meisten an ihr hafte, sei die des »leidenden Schnuckelchens«.14 Das stimmt. Seit 15 Jahren verdienen sich Zeitschriften wie InTouch, Closer oder OK! dumm und dusselig daran, erfundene Märchen über Jens vermeintlich gebrochenes Herz, Liebesflops, ihre angebliche Sehnsucht nach einem Baby und unzählige erfundene Schwangerschaften zu berichten.

Ich weiß, wovon ich rede. Ich habe selbst jahrelang für verschiedene People-Magazine gearbeitet. De facto verkauft sich kaum eine Frau besser auf dem Cover als Jennifer Aniston – aber eben nur mit großem Drama im Gepäck. Promis sind erst dann richtig interessant für die Leserinnen und Leser, wenn sie trotz ihres Erfolgs, ihrer Schönheit, ihrer Millionen leiden, scheitern, verzweifeln. Das ist ärgerlich, dumm und erschreckend frauenfeindlich. »Wir leben in einer Gesellschaft, in der Frauen ab einem bestimmten Alter verheiratet sein und Kinder haben sollen«, ärgerte sich Jennifer Aniston in der Elle. »Aber das ist ein Märchen. Frauen in diese Schublade stecken zu wollen ist einfach nicht mehr zeitgemäß.« Und damit nicht genug: »Wieso wollen eigentlich alle ein Happy End, das einem Ideal aus den Fünfzigern entspricht? Was ist mit einer glücklichen Existenz? Wir entwickeln uns alle ständig weiter.«15 Allein für diese Aussage verdient Frau Aniston meiner Meinung nach zehnminütige Standing Ovations. Ist doch so: Männer dürfen sich ständig in neue Abenteuer stürzen, sich voll und ganz austoben. Dann gelten sie als »Lebemann«. Wenn Frauen dasselbe tun, werden sie verurteilt. »Das fällt für mich unter Sexismus«, brachte es Aniston gegenüber Elle schließlich auf den Punkt. »Wenn sich ein Paar in Hollywood trennt, ist es die Frau, die verhöhnt wird … Sie gilt als Versagerin.« Besonders ärgerlich ist es, dass viele dieser Vorurteile aus weiblichen Reihen kommen. »Viele dieser Frauen haben noch nicht verstanden, dass sie die Macht besitzen, sich selbst glücklich zu machen«, so Aniston.16 Eine Hochzeit und Nachwuchs als ultimative Gradmesser für das Glück einer Frau seien aus ihrer Sicht nicht mehr zeitgemäß, weil es Karrierefrauen abwerte, die in ihrem Job aufgehen.

Es stimmt. Ab einem gewissen Alter interessieren sich einige Leute mehr für deinen Beziehungsstatus, reduzieren dich damit auf deinen Fortpflanzungszweck. Willst du mal Kinder und wenn ja, wie vereinst du das mit deinem Job? Kaum bist du in einer Partnerschaft, wird augenzwinkernd nach der Familienplanung gefragt. Männer müssen sich mit solchen Fragen deutlich seltener auseinandersetzen. Leider kann sich nicht jede – und auch nicht jeder – aussuchen, ob sie oder er eine Familie gründet. Was, wenn du es schon seit Ewigkeiten probierst oder gerade ein Baby verloren hast? Was, wenn du einfach nie den Wunsch verspürst, Mutter zu werden, und dich lieber deiner Karriere widmen möchtest? Das alles geht nur dich und deinen Partner etwas an, es ist kein Thema für Smalltalk.

Obwohl sich Jennifer Aniston zweimal scheiden ließ, bewertet sie ihre Ehen als erfolgreich. »Sie wurden immer dann beendet, wenn es darum ging, auch weiterhin glücklich sein zu können«, erzählt sie im Elle-Interview. »Manchmal geht das Glück innerhalb einer Verbindung verloren. Sicherlich hatte ich harte Zeiten. Aber am Ende haben wir nur dieses eine Leben, und ich würde niemals in einer Beziehung bleiben, bloß weil ich Angst vor dem Alleinsein habe.«17 Meine Schlussfolgerung aus solchen und anderen Statements: Die Vorstellung von der ultimativen, ewigen Liebe ist totaler Quark. Diesem Ideal hecheln wir hinterher wie einem Gespenst, das uns anzieht, aber gleichzeitig Angst einjagt. Letzten Endes sei die Vorstellung eines Happy Ends eine sehr romantische Idee »wie aus einem Drehbuch«, meint auch Aniston.18 Für manche Leute funktioniere das. Allerdings müsse jeder seinen eigenen Weg gehen – und der beinhalte nun mal nicht immer einen Kinderwunsch.

Was mich nervt, ist die Vorstellung, dass kinderlosen Frauen etwas fehlt. Dass sie bedauernswert sind oder egoistisch. Die Autorin Verena Brunschweiger hat in ihrem Buch Kinderfrei statt kinderlos Gedanken formuliert, die mich sehr beeindruckt haben. Sie fordert zum Beispiel, dass Frauen, die sich gegen Nachwuchs entscheiden, zum 50. Geburtstag 70.000 Euro vom Staat geschenkt bekommen sollen, weil sie die Umwelt nicht mit Nachwuchs belasten. Immerhin produzierte 2019 ein Einwohner Deutschlands durchschnittlich 7,9 Tonnen Kohlenstoffdioxid (im Verkehrs- und Energiesektor, beim Konsum und bei der Ernährung).19 Um Treibhausgasneutralität herzustellen, wäre eine Pro-Kopf-Emission von einer Tonne pro Jahr das Ziel.20 »Manche haben sich einfach noch nie die Mühe gemacht, über so ›normale‹ Verläufe nachzudenken. Schule, Studium, Heirat, Haus, Kind. So haben es die eigenen Eltern gemacht und was ist falsch daran?«, fasst sie den vorherrschenden Konsens zusammen und erklärt im zweiten Schritt, warum dieser nicht unbedingt das Gelbe vom Ei ist. »Wir haben bereits einen schwer übervölkerten, gebeutelten Planeten, und jedes weitere Kind belastet ihn nicht nur auf vielfache Weise, sondern setzt diesen Zyklus womöglich selbst fort.« Das Frauenbild entspreche dem einer »Reproduktionsträgerin«.21 Deshalb ruft Brunschweiger Frauen dazu auf, sich bewusst gegen vorherrschende Klischees zu entscheiden – wie etwa, dass das Erleben einer Geburt dazugehöre. Männliche Dominanz und mediale Gehirnwäsche führen dazu, dass Frauen glauben, SIE wollen eine größere Brust, SIE wollen ein Kind. Dabei kostet das vor allem viel Kraft, Zeit und Geld. »Manche Frauen lassen sich einreden, ohne Kind keine vollwertige Frau zu sein.«22 In diesem Punkt stimmt Brunschweiger mit Jennifer Aniston überein. Und auch ich fühle mich von ihrer provokanten These irgendwie abgeholt und angesprochen. Es ist erleichternd, so etwas einmal zu lesen. Weil es Frauen dabei hilft herauszufinden, was sie wirklich wollen – und was ihnen von der Gesellschaft als Must-have verkauft wird. Gut möglich, dass sich viele nichts sehnlicher für sich selbst wünschen. Und auch ich verbringe derzeit mit niemandem lieber meine Zeit als mit meiner zuckersüßen Nichte. Aber Frauen sollen sich auch für alternative Lebensmodelle entscheiden dürfen, ohne sich rechtfertigen zu müssen.

Brunschweiger fordert eine Art Absolution für kinderfreie Frauen. Ich finde, dass wir Frauen vor allem damit aufhören sollten, uns gegenseitig für unsere Andersartigkeit anzugehen. Statt übereinander zu reden, sollten wir uns lieber zusammentun und gemeinsam etwas erreichen: für die Gleichberechtigung und unsere Unabhängigkeit, für ein selbstbestimmtes Leben. Ihr findet nichts cooler als eine Großfamilie samt Eigenheim im...

Erscheint lt. Verlag 3.8.2021
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik Politik / Gesellschaft
Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Lebenshilfe / Lebensführung
Sozialwissenschaften Politik / Verwaltung
Schlagworte Achtsamkeit • Ansprüche • Beziehung • Beziehungen • Dating • Druck • Eltern • Feminismus • Frauen • Gesellschaft • GU • jung • junge Frauen • Karriere • Karrierefrau • keine Karriere • keine kinder • Kinder • Kinderlos • Liebesbeziehung • mid life crisis • Partner • Partnerschaft • Persönlichkeitsentwicklung • Ratgeber • Ratgeber Frauen • Ratgeber Leben • Selbstachtung • Selbstbewusstsein • Selbstvertrauen • Selbstwertgefühl • Sexualität • Single shaming • Soziale • sozialer Druck • Trauma • U30 • Ü30 • Vorurteile • Yoga
ISBN-10 3-8338-7920-3 / 3833879203
ISBN-13 978-3-8338-7920-3 / 9783833879203
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