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Der Aufstieg der Menschheit (eBook)

eBook Download: EPUB
2015 | 1. Auflage
244 Seiten
S. Fischer Verlag GmbH
978-3-10-560811-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Der Aufstieg der Menschheit -  Herbert Kühn
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Der bekannte Vorgeschichtsforscher Professor Herbert Kühn schildert die Epoche der menschlichen Geschichte, die sich an die Eiszeit anschließt. Sie ist gekennzeichnet durch die Entstehung und Entwicklung des Ackerbaues, der ersten großen Entdeckung der Menschheit, die dem Menschen den Aufstieg vom bloßen Jägerdasein zum produktiven Leben ermöglichte. Das Bedeutungsvolle dieser Bewegung, die ihren Ausgang von Mesopotamien und Ägypten nimmt, ist der Übergang zu einer stilisierten und schließlich abstrakten Kunst und zu einer gedanklichen Welt, die im Werden und Vergehen den Sinn des menschlichen Lebens und des Weltganzen erkennt. ?Der Aufstieg der Menschheit? schließt an Kühns Arbeit ?Das Erwachen der Menschheit? an. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Herbert Kühn (1895-1980) hat sich besonders der prähistorischen Kunstforschung gewidmet und in seinem 1921 veröffentlichten Buch ?Die Malerei der Eiszeit? als einer der Ersten die Bedeutung dieser Kunstepoche dargestellt. Von 1946 bis 1959 war er Professor für Vor- und Frühgeschichte an der Universität Mainz.

Herbert Kühn (1895–1980) hat sich besonders der prähistorischen Kunstforschung gewidmet und in seinem 1921 veröffentlichten Buch ›Die Malerei der Eiszeit‹ als einer der Ersten die Bedeutung dieser Kunstepoche dargestellt. Von 1946 bis 1959 war er Professor für Vor- und Frühgeschichte an der Universität Mainz.

Einleitung


Der Aufstieg der Menschheit – das ist nach dem Erwachen das erste Atmen in der Frühe des Morgens, das ist das Umblicken im blauen Licht, das ist das erste Schreiten, das ist das Recken des Armes im Erleben der eigenen Kraft. Und damit erwacht die Tat, die Tat, die zur geordneten Gliederung des Lebens führt, die Tat, die die Arbeit schafft, die Tat, die in die Dinge und in die Umwelt dringt, in die Aktivität, in die Veränderung der Natur zum Zwecke der Beherrschung durch den Menschen selbst.

Das Erwachen der Menschheit war das Leben der aneignenden Wirtschaft, der Konsumtion. Der Mensch produziert noch nicht, er schafft eine Kunst, er bildet eine Religion, aber er lebt als ein Wesen unter anderen Wesen, aufnehmend, sammelnd, jagend. Die Welt ist wie eine Hülle um ihn, eine Hülle, die er vorfindet und in die er sich einlebt, eine Hülle, die ihn zugleich trägt und die ihm das Bewußtsein seines Lebens gibt.

Es sind genügend Tiere da, von denen er leben kann, es sind auch Pflanzen da, die die Frauen suchen. Der Mensch baut Fallen, schafft sich Waffen, bildet sich die Kunst, um mit der ihr innewohnenden Kraft die Tiere zu beherrschen. Aber der Mensch wandelt die Umwelt noch nicht. Seine Ernährung ruht in dem Gegebenen, in dem Vorhandenen, in dem, was der Herr der Tiere ihm übergeben hat. Und so hat sich an diese älteste Zeit des menschlichen Daseins immer der Gedanke des paradiesischen Zustandes geheftet. Noch arbeitet der Mensch nicht auf dem Felde im Schweiße seines Angesichtes, noch schafft er sich nicht das Brot, bebaut noch nicht den Acker, zieht noch nicht den Pflug. Der Mensch in diesem Zustande des Paradieses lebt unter seinesgleichen auf dieser Welt, und die Tiere tragen und erhalten ihn, sie geben ihm die Nahrung, die Kleidung, die Schmuckstücke und die Geräte. Alles, was der Mensch braucht, um sein Leben ganz beherrschen zu können, ist in der Natur vorhanden. Der Mensch ist Meister seiner Umwelt, Herr seiner Aufgaben, die die Zeit ihm stellt, er bewältigt seine Welt ganz, und seine Ernährung ist völlig gesichert. Immer wieder kommen die Tiere zur gleichen Zeit, immer wieder ziehen sie die gleichen Wege, immer wieder erscheinen sie zu bestimmten Jahreszeiten an demselben Wechsel. Der Mensch kennt die Wechsel, er hat die Waffen, mit denen er den Tieren gegenübertreten kann. Er hat seine Feste, Siegesfeiern der Jagd, Feiern der Jugend, die in das Alter eintritt: sein Leben ist geordnet, er steht mit festen Füßen auf dieser Welt.

Die Bilder der Eiszeit haben niemals etwas Grausiges, etwas Unheimliches, etwas Dämonisches. Der Mensch ist sich noch nicht Problem seiner selbst. Es gibt wenig Darstellungen des Menschen im Verhältnis zu den vielen Wiedergaben der Tiere. Wohl erscheinen die weiblichen Statuetten, Ausdruck der Fruchtbarkeit, die der Sinn der Frau ist. Aber die Gestaltung des menschlichen Gesichtes selbst ist selten. Es gibt einige, wie das Köpfchen aus Brassempouy, wie Zeichnungen und Gravierungen in La Marche und Le Colombier. Doch der Mensch selbst tritt sich noch nicht gegenüber, er betrachtet sich noch nicht. Seine Augen sind noch nicht aufgetan, er weiß noch nicht, was gut und böse ist. So drückt es die Bibel aus, und sie hat diesen Urzustand der Menschheit wohl am tiefsten und besten gefaßt. Der Mensch lebt in Harmonie mit sich selbst, und erst später werden seine Augen aufgetan. Wo ist an irgendeiner Stelle dieses Erleben des Paradieses und die Fortentwicklung tiefer und mächtiger gefaßt als in diesem Symbol? Wie aus einer Urerinnerung der Menschheit klingt es hervor, wenn man es in seinem letzten Sinne faßt.

Die Ausgrabung, durch die in den letzten Jahrzehnten das Wissen um die Eiszeit neu geboren wurde, deutet durch die Funde diesen Zustand des Paradieses: der Mensch in Harmonie mit der Welt, der Mensch in Einklang mit dem, was um ihn ist, der Mensch in Übereinstimmung mit seiner Umgebung und seiner Umwelt, und danach das Erwachen, das Auftun der Augen, das Denken über sich selbst, das Erwachen des Gedankens von Schuld und von Sünde. Warum hat der Mensch zu arbeiten, warum muß er im Schweiße seines Angesichtes sein Brot essen, warum muß er wieder zu Erde werden, von der er genommen ist? Warum muß er sich mit Kummer auf dem Acker nähren sein Leben lang?

Symbolisch ist das in der Bibel der Gedanke des Sündenfalles, des Verlustes des Paradieses. Auch die anderen alten Schriften der Menschheit haben die gleiche Erinnerung bewahrt an das Paradies als den ersten Zustand der Menschheit, an den Fall und an den Aufstieg als die folgende Epoche.

Das Deuteronomium wird im Jahre 621 v.Chr. veröffentlicht. Die ältesten Teile der Bibel gehen auf frühere Schriften und Überlieferungen zurück, die aus der mesopotamischen Welt stammen. Diese Schriften sind bekannt geworden durch die Auffindung der Bibliothek des Königs Assurbanipal (669630 v.Chr.) in Ninive und durch andere Bibliotheken an vielen Fundplätzen. Es wurden Tontafelbruchstücke gefunden, deren Texte bis in den Anfang des 3. Jahrtausends v.Chr. zurückreichen. Auch in diesen Schriften wird immer wieder vom Paradies gesprochen. Ein sumerischer Text verlegt das Paradies auf einen Berg der Insel Dilmun im persischen Meer[1]. Hier findet sich der Göttergarten mit den Wunderbäumen, die Edelsteine tragen. Hier ist die Pflanze zu finden, die den Greis wieder jung macht. Und im Iran, im Rigveda (X, 135,1) trinkt Yima an einem heiligen Baum mit den Göttern[2]. Der Text spricht davon, daß es immer und ewig Speise und Trank gab, daß die Üppigkeit der Herden groß war, und daß allmählich diese Herrlichkeit entwich (Yast 19,30).

Das Wort Paradies ist als babylonisch belegt. In einer Keilschriftinschrift aus der Zeit des persischen Königs Kyros[3] wird das Paradies amêluras sa par-di-su genannt. Und im Gilgamesch-Epos, das in seinen ältesten Teilen noch dem 3. Jahrtausend angehört, kommt Gilgamesch auf der Neunten Tafel dahin, wo die Jungfrau auf dem Thron des Meeres wohnt. Hier steht ein Baum in einem Hain der Götter. Als Frucht trägt er Karneol, mit Reben ist er behangen, gut anzuschauen. Die Ranken sind aus Lasurstein gebildet, Früchte trägt er, köstlich mundend[4].

Dies sind die ältesten Texte, die die Menschheit besitzt, die Texte des Gilgamesch-Epos. Sie sind seit 1906 bekannt und wurden 1911 veröffentlicht[5]. In diesen Texten ist Enkidu das Symbol des Paradieses. Sein ganzer Körper ist mit Haar bedeckt, wie es in der Ersten Tafel heißt. Er trägt das Haupthaar wie ein Weib, er weiß nichts von Land und Leuten und gleicht an Kleidung dem Gott der Herden. Der Text sagt von ihm:

»Mit den Gazellen ißt er die Kräuter,

Mit dem Vieh trinkt er an der gemeinsamen Tränke,

Mit dem Gewimmel des Wassers ist froh sein Herz.«

Auch Enkidu verliert das Paradies, und es ist die Frau, die ihn zum Erleben seines Wesens bringt. Er stößt zusammen mit Gilgamesch, dem Erbauer der Stadt Uruk, der ihn durch eine Frau anlockt, und aus den Gegnern werden Freunde.

Immer ist also in der Erinnerung des Menschen das Bild des Paradieses, das Bild der frühesten Zeit, der glücklichen Zeit, erhalten, als der Mensch noch nicht über sich selbst nachdachte, als er noch in seiner Umwelt stand, sicher und fest, in der Umwelt, die ihn trug und ihn erhielt. In dieser Welt gibt es noch nicht die Sünde, gibt es noch nicht die Schuld, gibt es noch nicht das Problem des Menschseins. Es gibt nicht Ackerbau und nicht Viehzucht. Dieses Bild enthüllt die Ausgrabungen aus der Epoche der Eiszeit vor den Blicken des Menschen der Gegenwart.

Und auch die Griechen hatten noch diese Erinnerung. Bei Hesiod, dem griechischen Dichter des 7. Jahrhunderts, der geboren war in Askra in Böotien, und der eine Theogonie geschrieben hat, eine Geschichte der Entstehung der Götter und der Entstehung der Welt, finden sich in seinem Buch »Werke und Tage« diese Sätze (übersetzt von Johann Heinrich Voß, Heidelberg 1806):

»Und sie lebten wie Götter, mit stets unsorgsamer Seele,

Von Arbeiten entfernt und Bekümmernis. Selber des Alters Leiden war nicht; immer sich gleich an Händen und Füßen,

Freuten sie sich der Gelage, von jeglichem Übel entäußert,

Reich an Herden der Flur und geliebt den seligen Göttern;

Und wie in Schlaf hinsinkend verschieden sie. Jegliches Gut auch

Hatten sie; Frucht gewährte das nahrungssprossende Erdreich

Immer von selbst, vielfach’ und unendlich; und nach Gefallen

Schafften sie ruhig ihr Werk im Überschwange der Güter.«

Immer ist das Bild des Paradieses das gleiche: die Fülle des Wassers, der Reichtum an fruchttragenden und schattenspendenden Bäumen, die Vielzahl der Tiere, der Duft und die Schönheit der Blumen, die Menge der Fische und der mühelose Erwerb der Nahrung. Die griechische Literatur nach Hesiod spricht von der Insel der Seligen, von den elysischen Gefilden, von den Gärten der Hesperiden[6]. Germanische Vorstellungen des Paradieses sind auch vorhanden[7]. In Indien spricht das Mahabharata (VI,7) und das Ramayana (IV,43) von einem Wunderland, das dem Paradies ähnlich ist.

Besonders entfaltet sich der Gedanke des Paradieses im Buddhismus. In China und Japan ist er getragen von dem Bilde des Glücks im Westen, in das die Gläubigen durch die Gnade des Amitabah und des Amida eingehen. Das Paradies kann entweder der Anfangszustand oder der Endzustand sein. Das...

Erscheint lt. Verlag 15.12.2015
Verlagsort Frankfurt am Main
Sprache deutsch
Themenwelt Schulbuch / Wörterbuch Lexikon / Chroniken
Technik
Schlagworte Ackerbau • Ägypten • Ausgrabung • Bandkeramik • China • Eiszeit • El Obeid • Frühzeit • Fundgeschichte • Grabung • Indien • Japan • Kara Tepe • Keramik • Megalithkultur • Mesolithikum • Mesopotamien • Neolithikum • Sachbuch • Schicht • Spanien • Tongefäß • Übergang
ISBN-10 3-10-560811-7 / 3105608117
ISBN-13 978-3-10-560811-1 / 9783105608111
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