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Vererbte Familienwunden (eBook)

Generationsübergreifende Muster erkennen und auflösen
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
256 Seiten
Verlagsgruppe Droemer Knaur
978-3-426-29355-3 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Vererbte Familienwunden -  Noémi Orvos-Tóth
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Alte Familienwunden erkennen Die Psychotherapeutin Noémi Orvos-Tóth gibt einen fundierten Überblick über generationsübergreifende Konflikte und verschafft uns durch gezielte Fragen einen Zugang zu unserer eigenen verborgenen Geschichte. Denn irgendwann im Leben kommt der Moment, in dem wir realisieren, dass unsere negativen Verhaltensweisen, unsere Ängste oder unsere gescheiterten Beziehungen ihre Wurzeln in der Vergangenheit haben. Dann ist wichtig, sich von den nie angezweifelten Glaubenssätzen der Familie, den Heimlichkeiten, den Vertrauensbrüchen und Lieblosigkeiten zu befreien. Bin ich wirklich gewollt gewesen? Welche Position hatte ich in der Geschwisterhierarchie? Welche Traumata hat meine Familie erlebt und welche Geheimnisse hat sie gehütet? Noémi Orvos-Tóth enträtselt die verschlungenen Wege alter Familienwunden und gibt fundierte Ratschläge für deren Heilung. Es ist wichtig, die eingefleischten familiären Muster irgendwann zu überwinden und sie nicht zum Beispiel auch an unsere Kinder weiterzugeben. Wege der Heilung Die Trauma-Spezialistin schildert das Schicksalsmuster ungewollter Kinder ebenso wie die besonderen Erlebnisse in der Geschwisterhierarchie. Sie lotet typische Familienschicksale oder auch -geheimnisse aus und erläutert deren Konsequenzen für die Gesundheit unserer Psyche und unserer Grundstimmung im Leben. Als Psychologin helfe ich denjenigen, die zu mir kommen, zu verstehen, auf welche unsichtbare Weise ihre Vorfahren ihre Entscheidungen leiten, wie sie ihre Entscheidungen beeinflussen oder ihren freien Willen einschränken. Noémi Orvos-Tóth

Die ungarische klinische Psychologin Noémi Orvos-Tóth arbeitet seit 2011 als Psychotherapeutin in eigener Praxis. Sie hält regelmäßig europaweit Vorträge und ist Mitgründerin des preisgekrönten Podcast 'We need to talk'. Die anerkannte Trauma-Spezialistin veranstaltet mehrmals im Jahr Selbsterfahrungscamps mit dem Schwerpunkt 'transgenerationales Trauma' und hat sich durch Live-Posts auf Facebook während der Pandemie und jetzt mitten im Ukraine-Krieg engagiert.  Noémi Orvos-Tóth gründet 2023 das Institut für 'transgenerationales Trauma', dessen Hauptziel es ist, zur Entwicklung einer traumabewussten Gesellschaft beizutragen.  

Die ungarische klinische Psychologin Noémi Orvos-Tóth arbeitet seit 2011 als Psychotherapeutin in eigener Praxis. Sie hält regelmäßig europaweit Vorträge und ist Mitgründerin des preisgekrönten Podcast "We need to talk". Die anerkannte Trauma-Spezialistin veranstaltet mehrmals im Jahr Selbsterfahrungscamps mit dem Schwerpunkt "transgenerationales Trauma" und hat sich durch Live-Posts auf Facebook während der Pandemie und jetzt mitten im Ukraine-Krieg engagiert.  Noémi Orvos-Tóth gründet 2023 das Institut für "transgenerationales Trauma", dessen Hauptziel es ist, zur Entwicklung einer traumabewussten Gesellschaft beizutragen.  

Leider ist es ein Junge/ein Mädchen!


Ich wollte einfach nur glücklich sein wie alle anderen, das ist alles, und ich konnte es nicht. Ich war nur ich.

Ein unglückliches, altes, nutzloses Geschöpf auf der Suche nach einem Sinn,

warum ich überhaupt bin,

und warum ich ein Junge bin und nicht ein Mädchen.

 

György Petri, Einfach, liedhaft8

In gewisser Weise beginnt unser Leben schon lange vor der Zeugung. Allein schon wie sich die künftigen Eltern ihr weiteres Leben vorstellen, sagt viel über das Kommende aus, denn in ihren frühen Fantasien steckt auch eine ausdrückliche Erwartung an die Zukunft. »Ich werde zwei Töchter haben. Ich werde sie Isabella und Sonia nennen«, sagt ein Mädchen im Teenageralter voller Überzeugung. »Hier habe ich selbst schon als Junge Fußball gespielt, und eines Tages werde ich mit meinen Söhnen herkommen«, sagt ein junger Mann und zeigt mit Stolz auf das Spielfeld seines Fußballvereins. Aber was, wenn es anders kommt? Wenn anstatt des Mädchens, das man sich gewünscht hat, ein Junge geboren wird oder umgekehrt ein Mädchen anstelle des erhofften Jungen? Wie wirkt sich das auf das Leben des Kindes aus?

In einem seiner Vorträge spricht Péter Popper über sein eigenes Leben:

Meine Mutter wollte immer das Beste für mich. Sie hat mich gut behandelt und war wirklich eine vorbildliche Mutter. Aber ich konnte keine Nähe mit ihr zulassen. Manchmal sagte sie zu mir: »Komm schon, Pete, lass uns reden! Setz dich auf meinen Schoß, bis dein Vater nach Hause kommt!« Ich konnte es einfach nicht, und ich wusste nicht, warum. Irgendetwas funktionierte einfach nicht zwischen uns, gefühlsmäßig und von der Stimmung her. Ich war Ende dreißig, als meine Cousine aufgrund eines ärztlichen Fehlers eine Fehlgeburt hatte, und meine Mutter versuchte auf ihre Weise, sie zu trösten. Sie erzählte meiner Cousine, dass sie, seit sie ein kleines Mädchen gewesen war, für eine Sache gebetet hatte: dass sie keinen Jungen bekäme. Sie mochte keine Jungen. Und dann wurde ich geboren. Danach wollte sie nie wieder schwanger werden. In dem Moment, als meine Cousine mir das verriet, verstand ich das Vertrauensproblem in unserer Beziehung. Welch schrecklichen Ärger hatte ich dieser armen Mutter bereitet, die auf keinen Fall einen Jungen wollte! Von diesem Zeitpunkt an war jede Abneigung in mir verschwunden, und wir kamen bis zu ihrem Tod sehr gut miteinander aus. Ich bin unendlich dankbar für die Indiskretion meiner Cousine, denn bis dahin hatte ich immer nur das vage Gefühl gehabt, dass zwischen uns etwas nicht stimmt. Ich musste dieses Geheimnis kennen, um meine eigenen Gefühle zu verstehen und mir zu erklären, warum ich zu meiner Mutter keine Nähe herstellen konnte und es für mich auch später im Leben so wichtig blieb, gerade von Frauen akzeptiert zu werden.9

Diese Geschichte ist leider kein Einzelfall, und ein Kind, das nicht den Erwartungen der Eltern an sein Geschlecht entspricht, wird es niemals leicht haben.

 

Eine Frau in den Fünfzigern mit einem gequälten Gesichtsausdruck kommt zu mir in die Therapiestunde. Sie erzählt mir, wie trostlos ihr Leben sei. Sie hat keinen Partner, keine Kinder, sie lebt allein. Ihre Periode blieb in ihren Zwanzigern aus: Bei ihr wurde eine vorzeitige Eierstockinsuffizienz diagnostiziert. »Meine Weiblichkeit hatte sich erschöpft, auch wenn ich vorher nie sehr weiblich gewesen bin«, sagt sie mit einem bitteren Lächeln. Auf mein Nachfragen antwortet sie, dass ihr Vater sich einen Jungen gewünscht habe und niemals seine Enttäuschung über die Geburt eines Mädchens habe verwinden können. Immer wieder sagte er, dass Mädchen zu nichts nutze seien und dass sie nur Ärger machen würden. Wie viel besser es doch gewesen wäre, wenn sie einen Jungen gehabt hätten. Und demnach behandelte er sie auch: Vergeblich sehnte sie sich nach einem weiten Rock und schicken Tanzschuhen, durfte aber nur Hosen und Turnschuhe tragen. Auch der Wunsch nach einer Puppe war vergebens: Ihre Eltern kauften ihr nur Jungenspielzeug. Auch erlaubte ihr Vater ihr nicht, sich das Haar lang wachsen zu lassen. Alle zwei Wochen schnitt er es selbst auf einen Zentimeter Länge. Dazu stellte er einen abgenutzten kleinen Schemel in die Mitte der Küche, auf den sie sich vorgebeugt hocken musste, während ihr Vater die Arbeit erledigte. Man gab ihr den männlichen Spitznamen »Öcsi« – »Kumpel« –, den sie zunächst innerhalb der Familie trug und der später auch bei Klassen- und Spielkamerad*innen hängen blieb. Überall hielt man sie für einen Jungen, und sie traute sich nicht zu sagen (so gern sie es auch getan hätte): »He du: Ich bin ein Mädchen!« Wegen ihres »falschen« Geschlechts hatte sie das Gefühl, eine schwere Schuld auf sich geladen zu haben, die sie in keiner Weise korrigieren konnte. Und damit hatte sie recht: Denn trotz ihrer frühen Menopause war sie immer noch ein weibliches Wesen. Und gewiss gab es keinen Grund, sich wegen ihres Geschlechts schuldig zu fühlen. Ich schlage ihr vor, dass wir es mit der Imago-Therapie (vom lateinischen Wort für »Bild, Abbild, Inbild«) versuchen. Bei der Imago-Therapie verlieren die Reize der Außenwelt an Präsenz und es entsteht eine intensive innere Aufmerksamkeit. In einem meditativen, entspannten Zustand werden von den Klient*innen Bilder, Gefühle und Symbole aus dem Unterbewusstsein abgerufen. Häufig handelt es sich dabei um schmerzbetonte Prägungen aus früher Vergangenheit, die während des Verfahrens durch heilsame Bilder ersetzt werden. Mit der Zeit nimmt das Gehirn diese neuen Bilder als Realität an, wodurch traumatische Erlebnisse an Einfluss verlieren können.

Ich fordere sie auf, sich das Bild vom Haareschneiden ins Gedächtnis zu rufen, damit sich ihr Körper an das erinnert, was sie damals empfunden hat. Dann soll sie die Szene als Erwachsene betreten und das tun, wozu das kleine Mädchen noch nicht imstande war, nämlich für ihr damaliges Ich eintreten. Sie stellt sich vor, wie sie auf ihren Vater zugeht, seine Hand ergreift und dieser demütigenden Prozedur des Haareschneidens ein Ende bereitet. Sie sagt ihm, er solle aufhören, sein kleines Mädchen zu missbrauchen, denn das sei wie eine Verstümmelung und beraube sie eines wichtigen Aspekts ihrer Weiblichkeit. Dann wendet sie sich an sich selbst als kleines Mädchen, zieht es zu sich heran, umarmt und tröstet es. Sie bittet es, sich zu beruhigen und in Zukunft den Mut zu haben, zu protestieren, wenn mit ihm etwas geschieht, das es nicht will. Dieses sehr kraftvolle innere Bild ist das erste, was sie von der Grundhaltung »Ich bin schuldig, weil ich nicht als Junge geboren wurde« wegführt. Natürlich ist die Therapie damit noch längst nicht abgeschlossen. Dauerhafte und tiefgreifende Veränderungen sind nicht leicht zu erreichen. Je früher eine Traumatisierung erfolgt, desto länger dauert es in der Regel, bis die tief verschlüsselten inneren Muster, Haltungen und Überzeugungen aufgedeckt und überwunden sind.

Der Fall meiner Klientin ist keine Seltenheit, und es ist kaum vorstellbar, wie weitverbreitet diese Einstellung ist. So schätzt die UNO, dass weltweit 200 Millionen Mädchen »vermisst« werden – Mädchen, die von ihren Eltern aufgrund ihres Geschlechts verstoßen wurden. In vielen Kulturen, in denen Mädchen bei ihrer Verheiratung immer noch mit hohen Geldbeträgen ausgestattet werden, stellen sie eine erhebliche finanzielle Belastung für die Familien dar. »Heute 5000 Rupien zahlen, morgen 50000 Rupien sparen« – so werben einige indische Ärzte für ihre Dienste, indem sie darauf hinweisen, dass eine Abtreibung zwar teuer, aber immer noch günstiger sei als eine Hochzeitsmitgift. Obwohl die selektive Abtreibung gegen das Gesetz verstößt, entscheiden sich immer noch viele Paare für einen illegalen Schwangerschaftsabbruch, wenn der Embryo weiblich ist. (Dies hat auch verhängnisvolle soziale Folgen: In Indien zum Beispiel gibt es einen Überschuss an Männern im heiratsfähigen Alter, sodass viele kaum eine Chance haben, eine Frau zu finden. Vielerorts empfinden die Männer den Mangel an alleinstehenden jungen Frauen quasi als Aushungerung, was zunehmende soziale Spannungen und die Ausbreitung von Gewalt befürchten lässt.)

Man möchte meinen, dass dieses Problem unserem Kulturkreis fremd sei, aber leider ist dem nicht so: Es kommt überall auf der Welt vor. So hat vor einigen Jahren in Großbritannien die Veröffentlichung geheimer Interviewaufzeichnungen für großes Aufsehen gesorgt. Darin berichten Ärzte, wie viele Schwangerschaftsabbrüche sie vorgenommen haben, nur weil das Geschlecht des Embryos nicht den Wünschen der Eltern entsprach. Einige Krankenhäuser untersagten es daraufhin sogar, den Eltern das Geschlecht ihres Babys im ersten Trimester mitzuteilen (solange also ein Schwangerschaftsabbruch noch möglich war).

Auf die Frage, ob sie sich einen Jungen oder ein Mädchen wünschen, antworten die meisten Menschen erst einmal mit: »Das ist mir egal, Hauptsache, es ist gesund.« Unterhält man sich mit ihnen jedoch ein wenig länger, kristallisieren sich alsbald Vorlieben heraus (»Eigentlich wollte ich immer ein Mädchen«, »Wenn mein Sohn auf die Welt kommt …« und so weiter). Hält man Augen und Ohren offen, wird der Einfluss des Umfelds bald deutlich. Betrachten wir uns dazu ein paar Beispiele. Ein Vater kündigt die...

Erscheint lt. Verlag 4.11.2024
Übersetzer Horst Kappen
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Lebenshilfe / Lebensführung
Schlagworte Ahnenarbeit • Beziehungen heilen • eltern trauma • emotionales Erbe • epigenetisches Trauma • Familiendynamik • Familiengedächtnis • Familienmuster • Familienprobleme • Familienschicksal • Familiensystem • Familientherapie • Familienwunden • Familienwunden heilen • frühkindliches Trauma • frühkindliches trauma spätfolgen • Geschwister • Geschwisterbeziehungen heilen • Identität • Inneres Kind • kann man ein Trauma selbst heilen • Kindheitstrauma • kindliche Prägung • Orvos-Tóth Noémi • Persönlichkeitsentwicklung • Psychoanalyse • psychologie bücher • Ratgeber Trauma • Seelische Verletzungen • Seelische Wunden heilen • selbstheilungskräfte aktivieren • selbstheilungskräfte buch • Transgenerationales Erbe • Transgenerationales Trauma • transgenerationales trauma bücher • transgenerationale Traumatisierung • Transgenerationale Weitergabe • Trauma • Traumaarbeit • trauma beziehungen • Trauma Buch • trauma familie • Trauma Generationen • Trauma heilen • trauma und beziehungen
ISBN-10 3-426-29355-2 / 3426293552
ISBN-13 978-3-426-29355-3 / 9783426293553
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