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Ein Leben an der Angel -  Harry Schilles

Ein Leben an der Angel (eBook)

Geschichten eines Petrijüngers
eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
352 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7578-3372-5 (ISBN)
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Das konnte eigentlich nicht gut gehen: Der "Zander", ein robustes Angelboot aus Struppis Bootsverleih, nahm immer mehr Fahrt auf. Unbändig vorwärtsgetrieben von zwei überaus kräftigen Armen an den schweren Holzrudern, durchpflügte er die blauen Wassermassen des Sees. Zu den Armen gehörten um die 150 Kilo Lebendgewicht, nur in eine weiße Sporthose gequetscht, diese mit deutlichem Hang zum Auseinanderplatzen. Es war ein brütend heißer Sommertag. Der berühmt-berüchtigte "48er-Schlag", wie man ihn von "Ben Hur" kennt, war ein Scheiß gegen die Macht, die dieses Ruderboot gerade in Richtung Hopfenberge bewegte . . . Solche und andere witzige, tragische, dramatische oder traurige Situationen rund um Fische, Menschen, die Angelei und das Leben beschreibt Harry Schilles in seinem Buch "Ein Leben an der Angel - und das in jeglicher Beziehung" Setz' dich in deinen Angelstuhl, liebe Leserin, lieber Leser, und lass' dich überraschen, was da so alles anbeißt.

Harry Schilles, Jahrgang 1959, ist eigentlich "Staatlich geprüfter Lehrer für Realschulen in den Fächern Kunst und Englisch", aber auch Organisationsprogrammierer, Systemanalytiker und vornehmlich Grafik-Designer. Während sich seine Beziehung zur Musik mit den Jahrzehnten etwas abgekühlt hat, ist er - wenn auch zeitbedingt reduzierter - einer Sache seit seiner Jugend treu geblieben: dem Angeln. In all den Jahren hat er viele Gewässer und Lebewesen kennen und lieben gelernt. Harry Schilles engagiert sich im Bereich Kultur, Natur und Streuobstwiesen. Er wohnt zum Erscheinungszeitpunkt mit Frau und Sohn in Nordbaden.

Sauloch &
Südlicher
Ketscher


Alte Zeiten, neue Zeiten, Jahreszeiten

Irgendwann war es soweit – ich trat gleich als Schriftführer in meinen ersten Angelverein ein und machte dort die Fischerprüfung. Ich würde an dieser Stelle gerne etwas Interessantes darüber berichten, aber erstens gehen Männern in meinem Alter allmählich die interessanten Erinnerungen verloren und zweitens war ich jeher ein eher „punktueller“ Lerner, das heißt, ich begann immer in letzter Sekunde vor einer Prüfung wie bescheuert zu büffeln, bestand das Ganze manchmal sogar mit „Gut“ oder „Sehr Gut“ – Ausnahmen bestätigen die Regel – und wischte das komplette Wissen hinterher wieder aus dem Gedächtnis, um Platz für Neues zu schaffen. Schüler, bitte weghören!

Das Angelfieber hatte mich jetzt voll gepackt – fast schon unheimlich. Ich versuchte, jede freie Minute am Rhein, am Neckar, an der Elsenz oder den St. Leoner Baggerseen zu verbringen. Einige Kumpels von mir teilten diese Leidenschaft, sodass wir immer eine gute Anglerclique waren, die in den folgenden Jahrzehnten viel am Wasser, auf dem Wasser und im Wasser erleben würden.

Eine Sache bereue ich allerdings bis heute: Immer öfter schwänzte ich die Proben meiner Band „Tulipan“, in der ich Gitarre spielte, und ging, anstatt ZZ Top, Ufo oder Eric Clapton zu üben, lieber angeln. Für meine Bandmitglieder muss das zurecht unbeschreiblich ärgerlich gewesen sein, zumal ich nach jahrelangem Unterricht in Klassik und Spanischer Schule eigentlich ganz passabel spielte und es vielleicht in der Musik zu etwas hätte bringen können. Ich hoffe, dass sie mir heute nicht mehr böse sind, sind sie doch zum Teil noch auf diversen Bühnen unterwegs und haben mich spieltechnisch längst um Längen überflügelt. Die Zeiten, in denen ich bis morgens um vier auf Feten, am Lagerfeuer oder in der Kaserne Bob Dylan, Reinhard Mey, Hannes Wader, Don McLean oder Spandau Ballet spielte, sind inzwischen wegen Überdosis davon auch vorbei.

Doch zurück zum Angeln:

Unsere Lieblingsangelplätze waren damals das „Sauloch“ und das „Monsterloch“, zwei Nebengewässer des Rheins, Top auf Hecht. Das Monsterloch war ein, je nach Wasserstand des Rheins, größerer See, das Sauloch ein schmaler Altrhein-Schlauch mit Zufluss in der Mitte, sodass an dieser Stelle im Winter ein circa zwanzig Meter breiter Streifen offen blieb, während der Rest zugefroren war. An dieser Eiskante standen die Barsche und Hechte, um sich aus dem Schatten heraus auf lichthungrige Rotaugen, Brachsen und Ukeleis zu stürzen. Genau an diese Kante warf man dann seinen Köderfisch an der 6- bis 12-Gramm-Laufpose, Stahlvorfach und 40er-Hauptschnur. Mit den üblichen Hechtruten hätte man zu jener Zeit einen Kleinwagen abschleppen können, man ging halt auf Nummer Sicher und war auch keineswegs zimperlich. Leider war man auch in Bezug auf die Behandlung der Köder nicht zimperlich: Lebende Köderfische waren noch erlaubt, was für die meisten von ihnen eine unsägliche Quälerei bedeutete, denn entweder sie zappelten sich über Stunden zu Tode oder sie wurden von einem Raubfisch gepackt und beim Anschlag zwischen dessen Zähnen in Stücke gerissen. Oft ging es den Hechten aber auch nicht viel besser. Die traditionelle Devise beim Hechtfischen lautete: „Eine Zigarettenlänge laufen lassen.“ Wenn man sah, dass ein Hecht gebissen hatte, steckte man sich als Raucher eine Kippe an, rauchte diese in aller Ruhe zu Ende, während Esox den „gesattelten“ Köderfisch samt Drillingen, Stahlvorfach, Pose und Schnur quer durchs Gewässer schleppte. Inzwischen hatten Köderfisch, Haken und Stahlvorfach natürlich den Bereich zwischen Hechtleber und -milz erreicht und es bestand keinerlei Chance mehr, das Tier zurückzusetzen, auch wenn es untermaßig war. Derjenige Hecht, der gedrillt und gleich abgeschlagen wurde, hatte trotzdem noch bessere Karten als derjenige, der mit drei bis sechs Widerhaken in den Eingeweiden oder im Schlund die Schnur abbiss oder abriss oder sich damit unter versunkene Bäume flüchtete. Ich muss gestehen, dass ich zum Glück schon immer Nichtraucher war und von dieser Zigarettentaktik nie etwas gehalten habe. Sie hatte meiner Meinung nach so rein gar nichts mit „waidgerechtem Fischen“ zu tun, eher mit der Angst des Anglers, nach stundenlangem Ansitzen im Mistwetter einen Anschlag ins Leere zu dreschen.

Wer jetzt gleich mit „Angler sind Tierquäler“ loslegt, dem sei gesagt, dass sich seitdem sehr vieles zum Besseren entwickelt hat und Angler, die wie früher etwa gefangene Weißfische lebendig hinter sich ins Gebüsch schmeißen, weil sie ihnen zu klein sind oder zu viele Gräten haben, zum Glück im Aussterben begriffen sind.

Anmerkung: Tierschützer, Vegetarier oder Veganer zu sein, ist natürlich das erstrebenswerte Ziel für uns alle. Aber noch sind die meisten von uns schwach. Es muss viel mehr gesundes Obst und Gemüse auf den Teller! Wobei diese beiden natürlich auch etwas Lebendiges haben, sonst könnten sie nicht wachsen.

Irgendwann kommt jeder Angler zu der Erkenntnis, dass er nur noch Fische fängt, die er auch essen will und kann. Nicht wegen des Kicks, des Erfolgserlebnisses, der Eigenprofilierung oder wegen einer Staubfänger-Trophäe. Bei der jungen Generation ist das inzwischen weitgehend guter Ton, „Catch and Release“ ist trotz Verbots „State of the Art“, Hard und Soft Bait Lures wie Chatterbaits, Spoons, Wobbler, Jerkbaits, Popper, Spinner, Shads, Blinker, Twister, Jigs und Drop Shot sind in, Traditionalisten fischen nicht mehr mit „totem Köderfisch“, sondern benutzen Gummifische (Rubber Fish) oder praktizieren „Deadbaiting“. Eine Portion „Fish‘n‘Chips with Vinegar“ dem, der Englisch kann!

Hinzu kommt die Reduzierung der Angeltage und der Fangmenge, rein schon unserer durchgetakteten Zeit geschuldet – was auch in Bezug auf die Fischbestände der Zukunft Hoffnung macht. Rein aus Spaß zu töten oder tierzuquälen ist einfach out, das macht man eher virtuell, LOL! Wobei auch das Hochdrillen eines Zanders aus zwanzig Metern Wassertiefe, um ihn dann wieder zurückzusetzen, ein No-Go ist. Was man an seinen heraus quellenden Augen unschwer erkennen kann. Gar nicht erwähnen brauche ich wohl, dass das Antatschen der Beute mit trockenen Händen oder sogar Wollhandschuhen, das Rumzappelnlassen auf dem Boots- oder Uferboden oder das Fixieren des Fangs mit der Gummistiefelsohle zum bequemeren Hakenlösen nicht zum allgemeinen Wohlbefinden einer so zarten Kreatur, die ein Fisch eben ist, beiträgt. Angedrückter Widerhaken, früher Anschlag und Abhaken noch im Wasser sind da die für alle bessere Wahl.

Doch Ernst beiseite: Ein kleines Manko des Saulochs war die Tatsache, dass die Uferwände je nach Jahreszeit und Wasserstand recht steil waren. Obendrein gab es relativ viel hängerverdächtiges Gebüsch, überhängende Bäume und Wurzeln, die aus dem Ufer ragten. So konnte es passieren, dass sich manch unvorsichtig geworfenes Geschirr fünf Meter über dem Wasser um einen Ast wickelte oder sich der Haken beim Einholen zentimetertief in eine Wurzel bohrte. Dann hieß es „Abreißen oder Klettern“.

Broddl, Grundschulkamerad und guter Freund über viele Jahrzehnte, Events und Rockkonzerte, machte eines schönen Wintertags mit einer dieser Wurzeln Bekanntschaft. Wir hatten circa 14 Grad minus und die Wassertropfen gefroren beim Einholen auf der Schnur, sodass die Rolle immer wieder ins Stocken kam und man erst das angestaute Eis entfernen musste. Feinfühlig wie er mit seinen damals knapp 150 Kilo Lebendgewicht war, hatte er versucht, seinen Köderfisch über den oben erwähnten Wurzelbereich zu bugsieren. Unglücklicherweise hatte er nicht mit den Eisperlen auf der Schnur gerechnet und Köder mitsamt Drilling und Stahlvorfach unter so ein Gewächs gezogen. Was tun?

Oben an der Uferkante ein Gebüsch, drei Meter steil nach unten eine Wurzel, an der eine Köderfischmontage plus Hechtschwimmer festhing.

Broddl entschied sich in einem Anfall von geistiger Umnachtung fürs Klettern. Mit einer Hand hielt er sich oben an einem Ast fest und ließ sich wie eine Katze, na ja, Großkatze, die steile Böschung herunterrutschen bis er mit einem Fuß auf der Wurzel stand. So weit, so gut. Jetzt musste er sich ja nur noch bücken und das Geschirr losmachen. Easy, oder? Um es kurz zu machen – seine letzten Worte waren: „Wenn jetzt die Wurzel bricht, lieg‘ ich driiii . . .“! Dann hörte man ein hässliches Knacken, der Ast oben bog sich unter der Last von drei Zentnern geballter Energie und Broddl hing bis zu den Hüften im eisigen Wasser. Irgendwie gelang es uns, ihn wieder ans Ufer zu hieven und wir angelten noch zwei Stunden weiter.

Wie schon oben erwähnt, gehört zum Angeln eine gehörige Portion Jagdtrieb. Hätte Broddl seine Anglerhose ausgezogen, wäre sie zweifelsohne von alleine stehengeblieben, durchgefroren wie sie war. Die Montage war auf jeden...

Erscheint lt. Verlag 17.3.2023
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Sport
ISBN-10 3-7578-3372-4 / 3757833724
ISBN-13 978-3-7578-3372-5 / 9783757833725
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