30 Kilo und ein Buschtaxi (eBook)
376 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7481-5578-2 (ISBN)
Geboren 1962 in München arbeitet als Berufsschullehrer für Kraftfahrzeugtechnik . Seit 1984 reist er zusammen mit seiner Partnerin in umgebauten Bussen. 1999 bis 2001 lebte und arbeitete er in Oshakati, Namibia. Es geht bei seiner Art zu Reisen vor allem um die Freiheit, sich Zeit, Orte und Tempo einer Reise vollkommen unabhängig einteilen zu können. Der Weg ist das Ziel und die Möglichkeit an ausgewählten Plätzen länger zu bleiben ist die wahre Inspiration die nach einer Reise noch lange anhält. Das Pendeln zwischen den Erlebniswelten ist eine Bereicherung für ein ganzes Leben..
Konventionen kann man auch brechen.
Daheim im Mai 1999
Dein Leben dreht sich nur im Kreis - so voll von weggeworfener Zeit - und deine Träume schiebst du endlos vor dir her…
Du willst noch leben irgendwann - doch wenn nicht heute wann denn dann? - denn irgendwann ist auch ein Traum zu lange her…
(Wolfsheim, Kein Weg zurück)
Es ist ein schöner warmer und heller Abend, wie er nur im Norden möglich ist und ich sitze mit Evi auf der Terrasse hinter unserem Haus bei einem Glas Rotwein. Ich bin ein Kind der Generation „Daktari“ und „Serengeti darf nicht sterben“. Mein größter Kindheitstraum war immer mit meinem Zebraauto durch Afrika zu fahren und wilde Tiere zu sehen.
Nun kommt es aber im Leben doch etwas anders. Du lebst dein Leben so, wie du es in deiner Kultur vermittelt bekommen hast. Nach der Schule machst du eine Ausbildung und gehst arbeiten um Geld zu verdienen. Dass du dir dein Leben dabei von anderen komplett durchtakten lässt, wird dir gar nicht so richtig bewusst, weil darüber kaum gesprochen wird. Du hinterfragst auch nicht, ob es eventuell andere Lebensentwürfe geben könnte. Im schlimmsten Fall bist du zu jung um zu verstehen und später zu alt und eingefahren um etwas zu ändern. Dann endest du als intelligente Ameise, die ihr Leben lang auf immer der gleichen Straße für andere herumgewuselt ist und kurz bevor du deinen Löffel abgibst, wird dir das bewusst.
Nach zwei Jahren Schichtarbeit in der Fabrik und der vergeudeten Zeit beim Bund habe ich den ersten Bruch mit den Konventionen gewagt und bin zurück auf die Schule um mein Abi nachzumachen und Berufsschullehrer zu werden. Dass ich einen gut bezahlten Job gekündigt habe, hat meine arme Mutter damals schon belastet, aber mir war die Freiheit wichtiger, mir als Berufsschullehrer einen guten Teil der Arbeit frei einteilen zu können. Das mit den vielen Ferien hat sich im Nachhinein als Klischee relativiert, aber ich habe meinen Entschluss niemals bereut.
Als Student lernst du dann auch andere, weltoffenere Menschen kennen und irgendwann ist auch die richtige Frau für dich dabei. Bei mir war es jedenfalls so.
Nun machst du den nächsten logischen Schritt als guter Deutscher. Du heiratest, verschuldest dich bis in deine sechziger Jahre um ein Haus für die Ewigkeit zu bauen. Dabei sind die Garagen üblicherweise größer als das Kinderzimmer. Volker Pispers fasst das so zusammen: Wir kaufen Dinge die wir nicht brauchen von Geld das wir nicht haben, um Leute zu beeindrucken die wir nicht mögen.
Bei uns lief das fast genauso ab. Ja, wir haben geheiratet und sind vielleicht auch wegen unseres Reisestils immer noch zusammen. Unsere Schulden waren überschaubar, weil wir ein altes Haus renoviert haben. Zu Beginn hatten wir dabei eine Stichsäge als einziges Werkzeug und ungefähr eine Ahnung wie sowas geht. Zwei Jahre ohne Freizeit und viele handwerkliche Erkenntnisse später waren wir fertig. Gut, es gibt in diesem alten Haus immer noch keine rechten Winkel, aber das ist ein Problem für andere Leute und nicht für uns. Für den Gegenwert unserer Baustelle kaufen sich andere Leute ein SUV, das sie nicht wirklich brauchen. Wir haben auf die Garage verzichtet und mit voller Absicht drei Kinder auf diese Welt gebracht. Dies ist bis heute das schönste Glück das wir erleben. Nach deutschen Maßstäben ist das fast schon asozial. Blöde Sprüche darüber von anderen Leuten sind aber ebenso deren Problem und nicht unseres.
Und hier schließt sich der Kreis: Jetzt sitzen wir also bei einem Glas Wein und kommen ins Reden. Sollen wir wieder einen sicheren Job riskieren und alles, was wir uns bisher geschaffen haben, bei Seite legen um als Entwicklungshelfer nach Afrika zu gehen?
Unsere Kinder sind der eigentliche Sinn unseres Daseins. Sollen wir ihnen nicht auch ein Stück dieser großen, schönen und bunten Welt erlebbar machen? Dabei könnten wir ganz nebenbei auch die Welt etwas gerechter und besser machen. Die Kinder wären mit zwei, fünf und acht Jahren gerade in einem Zeitfenster, dass wir zum Schulwechsel wieder zurück sein könnten. Evi lächelt mich nur an und sagt: „Dann bewerbe dich halt“. Hätte ich diese Frau nicht schon vorher geheiratet, hätte ich ihr auf der Stelle einen Antrag gemacht.
Was folgte war ein weiter Bruch von Konventionen.
Wir haben es nicht bereut.
Die Loslösung vom Alltag
Berlin im Juni und von Juli bis Oktober 1999
„Dann bewerbe dich halt“ hat sie zu mir gesagt. In dieser Nacht habe ich nicht sonderlich tief geschlafen. Schon am nächsten Tag habe ich beim Deutschen Entwicklungsdienst angerufen, bevor mir wieder viele Bedenken und Einwände durch den Kopf gingen. Diese könnten wir immer noch abwägen, nachdem wir die Fakten des Entwicklungsdienstes kennen gelernt haben.
Das Telefonat war kurz und sehr erfreulich, denn als Berufsschullehrer für Kraftfahrzeugtechnik hat man ungeahnte berufliche Möglichkeiten. Wir wurden zeitnah zu den Personalauswahltagen eingeladen. Es wurde sehr schnell sehr konkret.
Nach zwei Tagen mit Sprachtests, Medizinischen Untersuchungen, Befragungen zu unserer Motivation (sowohl als Paar als auch getrennt voneinander) hat man uns eine Stelle zur Kleingewerbeförderung im Tschad angeboten. Wir mussten nicht lange beraten um das Angebot abzulehnen. Mein Französisch war dafür definitiv zu schwach und auch vom Kraftfahrzeug war die Praxis zu weit weg für mich.
Wir hatten es wenigstens versucht, schade darum. Und unsere damalige Lebenssituation war ja nicht so, dass wir gehen mussten. Man bat uns daraufhin, nochmals einen Tag zu bleiben, weil noch eine interne Besprechung des DED ausstünde, bei der eventuell noch ein anderes Angebot herauskommen könnte.
Das Gespräch am Tag darauf begann mit dem Satz: „Wie fit sind Sie denn in Autoelektrik?“ (Bingo – schon viel besser). Es gäbe da noch einen Projektplatz in Nord Namibia (wieder Bingo), den der bisherige Entwicklungshelfer verlassen habe (Wird schon werden…). Wir müssten aber schon in drei Wochen in die Vorbereitung. Dazu sollten wir nach Berlin umziehen. Wir unterschrieben vorbehaltlich, dass mich die Regierung tatsächlich noch im Juli vom Schuldienst frei stellen würde.
Als Beamter riskiert man auf der einen Seite nicht seine berufliche Existenz wenn man sich für zwei Jahre ohne Bezüge beurlauben lässt, andererseits hatten wir uns schon das Haus gebaut und wollten eigentlich auch wieder dorthin zurück. Die Antwort auf die Frage, ob meine Planstelle nach der Zeit wieder frei sein würde, hat man wie folgt beantwortet: „Ein bisschen was müssen Sie schon riskieren“. Na gut, so weit waren wir auch schon mal, als es darum ging von München weg aufs Land zu ziehen. Hätte ich damals die Stelle an der Schule nicht bekommen, hätte sich sicher auch eine andere Arbeitsstelle gefunden. Hauptsache raus aus der Miete. Das wäre dann halt so gekommen und wir waren uns schnell einig. Andere riskieren deutlich mehr.
Alles ließ sich klären und Anfang Juli zogen wir als Familie nach Berlin Kladow um.
Unser Leben hatte quasi über Nacht einen anderen Rhythmus gefunden. Wir waren mit anderen Familien gemeinsam untergebracht und hatten zu fünft zwei Zimmer. Die Menschen die wir kennen lernen durften, waren alle in der gleichen Situation wie wir selbst und niemand musste sich erklären. Die Gespräche drehten sich um die gleichen Fragen. Es gab eine unausgesprochene gemeinsame Wellenlänge und uns wurde erstmals bewusst, wie befreiend es ist, wenn nicht ständig (typisch deutsch) miteinander verglichen wird. Auch die Kinder hatten eine freie gemeinsame Zeit mit all den anderen Kindern. Es gab nur zweimal richtig viele Tränen. Das erste mal, als der Abschied von unserem Hund namens Bär anstand. Der konnte nicht mit, aber eine befreundete Familie aus dem Dorf hat sich die zwei Jahre liebevoll um ihn angenommen - danke Euch dafür – und wir haben ihn nach unserer Rückkehr wieder bekommen, bis er schließlich bei uns auch gestorben ist. Das zweite Mal gab´s Tränen weil unser Andreas mit zwei Jahren in den Kindergarten gehen musste und seine Mama nicht mehr für sich hatte. Aber auch das ging nach ein paar Tagen vorbei.
Eine andere befreundete Familie hat ganz spontan gesagt, wir kümmern uns um euer Haus – unser Beitrag zur Entwicklungshilfe. Auch dafür ein herzliches Dankeschön. Andere Leute konnten mit unserer Entscheidung gar nicht umgehen. Eine meiner Schwägerinnen meinte nur: „Jetzt ist er völlig übergeschnappt“. Aber gut, es geht immerhin um unser Leben und nicht darum was andere darüber denken. Meine Mutter war nicht glücklich mit unserer Entscheidung – aus ihrer Sicht verständlich. Evis Eltern erging es genauso. Klar, jetzt sind die Enkel da und dann ziehen sie auf einen anderen Kontinent. Aber alle haben uns trotzdem vorbehaltlos unterstützt. Wir sind glückliche Menschen.
Die Tage in Berlin waren voll mit intensiven Sprachkursen, Landeskunde, Impfterminen, Anträgen und Bürokratie und mit Projektvorbereitung. Ich habe es abgelehnt die Berichte meines Vorgängers zu lesen. Ich lese auch nicht die...
Erscheint lt. Verlag | 10.12.2018 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Sachbuch/Ratgeber |
ISBN-10 | 3-7481-5578-6 / 3748155786 |
ISBN-13 | 978-3-7481-5578-2 / 9783748155782 |
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