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Shoah (eBook)

eBook Download: EPUB
2011 | 1. Auflage
304 Seiten
Rowohlt Verlag GmbH
978-3-644-44941-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Shoah -  Claude Lanzmann
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Shoah ist ein hebräisches Wort. Es bedeutet: großes Unheil, Katastrophe. Der Schriftsteller und Filmemacher Claude Lanzmann hat Zeugen der Shoah aufgespürt und ihnen Fragen gestellt. Er hat Opfer und Täter und Zuschauer gefragt, was sie erlebt, was sie gesehen und gehört haben. So entstand eines der bedeutendsten und eindrucksvollsten Werke über die Vernichtung der europäischen Juden, der Film «Shoah». «Um zu erzählen, was sie gesehen und erlebt hatten, mussten die Leute den höchsten Preis bezahlen: revivre - nochmals erleben. Nochmals durchleben - und nicht erinnern. Dies ist der Preis der Wahrheit. Und diese Wahrheit wollte ich ergründen und weitergeben», sagt Claude Lanzmann. «Hier hat das Wort Meilenstein seine Berechtigung.» DIE ZEIT

Claude Lanzmann, geboren 1925 in Paris, studierte Philosophie und war Lektor an der Freien Universität Berlin. Viele Jahre arbeitete er als Journalist, und gab die von Jean-Paul Sartre gegründete Zeitschrift «Les Temps Modernes» heraus. Seine Filme «Pourquoi Israël», «Shoah» und «Tsahal», um nur einige zu nennen, machten ihn weltberühmt. Er war vielfacher Ehrendoktor und wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, unter anderem erhielt er den «Welt»-Literaturpreis für sein Buch «Der patagonische Hase». Claude Lanzmann starb im Juli 2018 in Paris.

Claude Lanzmann, geboren 1925 in Paris, studierte Philosophie und war Lektor an der Freien Universität Berlin. Viele Jahre arbeitete er als Journalist, und gab die von Jean-Paul Sartre gegründete Zeitschrift «Les Temps Modernes» heraus. Seine Filme «Pourquoi Israël», «Shoah» und «Tsahal», um nur einige zu nennen, machten ihn weltberühmt. Er war vielfacher Ehrendoktor und wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, unter anderem erhielt er den «Welt»-Literaturpreis für sein Buch «Der patagonische Hase». Claude Lanzmann starb im Juli 2018 in Paris. Geboren am 9.1.1908 in Paris. Ihre ursprünglich wohlhabenden Eltern lebten nach dem Ersten Weltkrieg aufgrund von Fehlspekulationen unter wenig üppigen Verhältnissen in der Rue de Rennes. Mit fünfeinhalb Jahren kam Simone an das katholische Mädcheninstitut, den Cours Désir, Rue Jacob; als Musterschülerin legte sie dort den Baccalauréat, das französische Abitur, ab. 1925/26 studierte sie französische Philologie am Institut Sainte-Marie in Neuilly und Mathematik am Institut Catholique, bevor sie 1926/27 die Sorbonne bezog, um Philosophie zu studieren. 1928 erhielt sie die Licence, schrieb eine Diplomarbeit über Leibnitz, legte gemeinsam mit Merleau-Ponty und Lévi-Strauss ihre Probezeit als Lehramtskandidatin am Lycée Janson-de-Sailly ab und bereitete sich an der Sorbonne und der École Normale Supérieure auf die Agrégation in Philosophie vor. In ihrem letzten Studienjahr lernte sie dort eine Reihe später berühmt gewordener Schriftsteller kennen, darunter Jean-Paul Sartre, ihren Lebensgefährten seit jener Zeit. 1932-1936 unterrichtete sie zunächst in Rouen und bis 1943 dann am Lycée Molière und Camille Sée in Paris. Danach zog sie sich aus dem Schulleben zurück, um sich ganz der schriftstellerischen Arbeit zu widmen. Zusammen mit Sartre hat Simone de Beauvoir am politischen und gesellschaftlichen Geschehen ihrer Zeit stets aktiv teilgenommen. Sie hat sich, insbesondere seit Gründung des MLF (Mouvement de Libération des Femmes) 1970, stark in der französischen Frauenbewegung engagiert. 1971 unterzeichnete sie das französische Manifest zur Abtreibung. 1974 wurde sie Präsidentin der Partei für Frauenrechte, schlug allerdings die «Légion d'Honneur» aus, die ihr Mitterrand angetragen hatte. Am 14.4.1986 ist sie, 78-jährig, im Hospital Cochin gestorben. Sie wurde neben Sartre auf dem Friedhof Montparnasse beigesetzt.

Franz Suchomel, SS-Unterscharführer


Sie sind fertig? Sie sind bereit?

Ja.

Wir können …

Wir können beginnen.

Wie geht es Ihrem Herz? Alles ist in Ordnung?

Oh, mein Herz … Zur Zeit habe ich keine

Schmerzen.

Wenn ich Schmerzen habe, werde ich es Ihnen

sagen.

Dann müssen wir unterbrechen.

Ja, natürlich. Aber Ihre Gesundheit im ganzen, sie ist …?

Ja. Ja, ich bin sehr zufrieden mit dem heutigen

Tag.

Weil schönes Wetter ist. Hochdruckwetter.

Das ist gut.

Ja. Sie sehen ganz … ganz gut aus.

Ja. Wir werden mit Treblinka anfangen.

Ja, bitte sehr.

Ich glaube, das ist das beste.

Wenn Sie können, geben Sie uns

eine Beschreibung von Treblinka.

Wie war Treblinka, wann sind Sie dort angekommen?

Ich glaube, Sie sind in Treblinka im August

angekommen.

Mitte August.

Am 20. oder am 24. August?

Am 18. August.

Am 18.?

Ich weiß es nicht mehr genau. Um den 20. August herum

bin ich angekommen, mit noch sieben anderen.

Aus Berlin?

Aus Berlin.

Oder aus Lublin?

Von Berlin nach Warschau, von Warschau nach Lublin,

von Lublin zurück nach Warschau und von Warschau

nach Treblinka.

Und wie war Treblinka? Wie war Treblinka zu dieser

Zeit?

Ja. Treblinka war damals im Hochbetrieb.

Hochbetrieb?

Hochbetrieb.

Es sind angekommen …

Man hat damals das Warschauer Getto geleert.

Es sind angekommen in zwei Tagen ungefährt drei Züge,

und immer mit drei-, vier- bis fünftausend Menschen,

alles aus Warschau.

Dazwischen sind aber auch noch Züge angekommen

aus Kielce und von anderen Orten.

Und da kamen drei Züge,

die hat man … weil die Stalingrader Offensive im Gange

war, hat man die Judentransporte an einem Bahnhof

stehenlassen.

Und noch dazu vielfach in französische Waggons,

die waren aus Blech.

Also so, daß in Treblinka angekommen sind

fünftausend Juden,

und davon waren dreitausend tot.

In dem …

In dem Waggon. Die haben sich die Adern geöffnet

oder sind so gestorben.

Ausgeladen hat man Halbtote und

Halbwahnsinnige …

In den anderen Zügen aus Kielce

und von anderen Orten

war mindestens die Hälfte tot …

Die hat man aufgeschichtet hier, hier,

hier und hier.

Das waren Tausende von Menschen,

aufeinandergeschichtet, so hoch.

An der Rampe?

An der Rampe.

Die waren aufgeschichtet wie Holz.

Weiter,

da haben schon Leute, Juden, gewartet

im Auffanglager zwei Tage,

weil die kleinen Gaskammern das nicht mehr

verarbeitet haben.

Die waren Tag und Nacht im Betrieb, damals.

Ja, aber bitte, können Sie ganz genau

Ihren ersten Eindruck aus Treblinka schildern?

Ganz genau, mit … Das ist sehr wichtig.

Der erste Eindruck in Treblinka für mich

und für einen Teil meiner Kameraden war katastrophal,

weil man uns nicht gesagt hat,

wie und was … Daß dort Menschen getötet werden,

das hat man uns nicht gesagt.

Sie wußten gar nichts?

Nein. Wir haben das …

Aber das ist unglaublich!

Ja, aber es ist so. Ich wollte ja nicht gehen.

Ja.

Und mir … Das ist gerichtlich bewiesen.

Und mir hat man gesagt: «Ja, Herr Suchomel, dort

sind große Werkstätten für Schneider und Schuster,

die werden Sie überwachen.»

Ja.

Nicht wahr?

Sie wußten, daß es ein Lager war?

Ja. Man hat gesagt:

«Der Führer hat Umsiedlungsaktionen angeordnet.

Das ist ein Führerbefehl!»

Ja, ja.

Verstehen Sie?

Umsiedlungsaktionen …

Ja.

Man hat nie gesagt, töten.

Ja. Ja, das verstehe ich …

Herr Suchomel, wir reden gar nicht über Sie im Moment,

wir reden nur über Treblinka. Sie sind

ein sehr wichtiger Augenzeuge,

und Sie können erklären, was Treblinka war.

Aber bitte nennen Sie nicht meinen Namen.

Nein, nein, ich habe es versprochen.

Und dort …

Gut, Sie kamen in Treblinka an.

Na, dann hat uns der Spieß … Also, der Stadie,

hat uns das Lager gezeigt …

hat uns durch das Lager geführt,

so hinten herum, und als wir hinauskamen,

gingen gerade

die Türen auf von der Gaskammer,

und die Menschen fielen heraus wie Kartoffeln.

Das hat uns natürlich erschreckt und entsetzt.

Wir sind weggegangen, sind unten gesessen

auf unseren Koffern,

und wir haben geweint wie alte Frauen.

Juden, die man ausgesucht hat, jeden Tag hundert Mann,

die haben die Leichen in die Gruben geschleppt.

Diese Juden, die wurden am Abend von den Ukrainern

in die Gaskammern gejagt oder erschossen.

Täglich. Das waren die heißen Augusttage …

Das Erdreich hat sich bewegt.

Wie Wellen durch die Gase.

Die Gase von den Leichen?

Ja. Sie müssen sich vorstellen, die Gruben

waren vielleicht sechs, sieben Meter tief,

und alles voll Leichen, einer neben dem anderen.

Eine dünne Sandschicht, und die Hitze. Nicht?

Das war ein Inferno, da oben.

Das haben Sie gesehen?

Ich hab’s gesehen. Nur einmal, am ersten Tag, gell.

Dann haben wir gebrochen und geweint, und …

Geweint?

Geweint auch, ja … Der Geruch war infernalisch.

Infernalisch?

Ja, ja. Weil ja dauernd Gase ausgebrochen sind.

Das hat furchtbar gestunken, daß man es kilometerweit …

Kilometerweit?

Kilometerweit …

Es gab den Geruch überall?

Und nicht nur in Treblinka?

Überall. Je nachdem, wie der Wind ging,

so war der Gestank.

Verstehen Sie?

Jetzt sind immer mehr Menschen gekommen,

immer mehr Menschen,

die nicht getötet werden konnten.

Die Herren wollten das Warschauer Getto

so schnell wie möglich räumen.

Die Gaskammern haben zu wenig Kapazität gehabt.

Das kleine Gashaus, nicht?

In den Auffanglagern die Juden mußten warten,

einen Tag,

zwei Tage, drei Tage. Manche.

Die haben es geahnt.

Die haben es geahnt.

Sie waren vielleicht im Zweifel, aber manche werden es

gewußt haben.

Zum Beispiel gab es jüdische Frauen,

die haben ihren Töchtern in der Nacht

die Adern geöffnet und sich selbst.

Andere haben sich vergiftet.

Weil sie doch das Rattern der Motoren

von der Gaskammer gehört haben.

Da war ein Panzermotor in dieser Gaskammer.

In Treblinka hat man nur Auspuffgase genommen.

Zyklon war Auschwitz.

Dadurch, daß Menschen zwei bis drei Tage da waren,

hat Eberl – Eberl war Lagerkommandant –

endlich erreicht, hat in Lublin angerufen:

«Es geht nicht mehr weiter, ich kann nicht mehr weiter,

es muß ein Stopp gemacht werden.»

Und eines Nachts kam Wirth.

Der hat sich das angesehen

und ist gleich wieder abgefahren

und kam mit Leuten aus Belzec.

Also mit Praktikern.

Und Wirth hat einen Transportstopp erreicht.

Man hat die Leichen weggeräumt, die da herumlagen.

Vorerst arbeiteten aber noch die alten Gaskammern.

Und weil soviel Menschen anfielen, soviel Tote,

die man nicht wegräumen konnte,

lagen tagelang

ganze Haufen von Menschen vor der Gaskammer.

Unter diesen Menschen war eine Kloake,

zehn Zentimeter hoch,

Blut, Würmer

und Dreck.

Ja.

Wo?

Vor der Gaskammer.

Ja.

Nicht wahr.

Es wollte das niemand wegräumen.

Die Juden, die haben sich lieber erschießen lassen

und haben dort nicht arbeiten wollen.

Lieber erschießen lassen?

Es war fürchterlich. Ihre eigenen Leute begraben

und da das ganze Ding sehen.

Von den Leichen ist das Fleisch weggegangen.

So ging Wirth selbst hinauf,

mit einigen Deutschen,

und ließ Riemen schneiden, lange Riemen,

die hat man den Leichen um die Brust gelegt und hat

sie weggeschleift.

Wer hat das gemacht?

Deutsche.

Wirth?

Deutsche und Juden, ja.

Deutsche und Juden?

Deutsche und Juden.

Ja, aber Juden auch?

Juden auch.

Ja, aber was haben die Deutschen gemacht?

Die haben die Juden angetrieben …

Haben sie die Juden geschlagen?

Oder haben auch selbst mitgeholfen, die Leichen

herauszuschleifen.

Welche Deutschen haben das getan?

Ja, von unserer Wachmannschaft, die von oben kommandiert

waren ins...

Erscheint lt. Verlag 1.9.2011
Übersetzer Nina Börnsen, Anna Kamp
Vorwort Simone de Beauvoir
Verlagsort Hamburg
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Geschichte / Politik 20. Jahrhundert bis 1945
Geschichte Allgemeine Geschichte 1918 bis 1945
Schlagworte Antisemitismus • Drehbuch • Erinnerung • Film • Holocaust • Interviews • Jude/Jüdin • Konzentrationslager • Nationalsozialismus • Zeitzeugen • Zweiter Weltkrieg
ISBN-10 3-644-44941-4 / 3644449414
ISBN-13 978-3-644-44941-1 / 9783644449411
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