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Türe zu und wieder weg -  Marcus Hillerich

Türe zu und wieder weg (eBook)

Eine Familie. Drei Generationen Reiseleiter
eBook Download: EPUB
2021 | 1. Auflage
334 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7557-1797-3 (ISBN)
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"Türe zu und wieder weg - Eine Familie. Drei Generationen Reiseleiter." Nach Jahrzehnten eigener Reiseleitertätigkeit, individuellen Rucksacktouren rund um die Welt und zuletzt während der Corona-Pandemie beobachtet der Autor Marcus Hillerich, wie sich seine persönliche Einstellung zum Reisen verändert hat. Gemeinsam mit seinem Vater, Wegbegleitern und Freunden betrachtet er die enormen Umbrüche auf dem Reisemarkt seit dem Zweiten Weltkrieg, seine eigene Ausbildung zum Reiseleiter und die Suche nach Authentizität als Packpacker in immer abgelegeneren Orten auf unserem Planeten. Herausgekommen ist dabei eine packende Schilderung der vielen Erinnerungen, Anekdoten und persönlichen Erlebnisse während der Reisen auf fünf Kontinenten sowie ein tiefer Einblick in die eigene Familienbiografie. Von den Anfängen der Studienreisen mit 900 Pilgern und Säcken voller Geld im Zug nach Italien bis zu Verhaftungen und notwendigem Organisationstalent im Ägypten der 1980er Jahre, von den ersten Schritten als Reiseleiter im Polizeiwagen in Island bis zu faszinierenden Kontakten zu Busfahrern und Einheimischen - Immer wieder schließt sich die Türe und das nächste Reiseabenteuer beginnt.

Marcus Hillerich, geboren 1973 in Rheinbach, studierte Anglistik und Geographie und arbeitet in dritter Generation als Studienreiseleiter für die Traditionsmarken Dr. Tigges und Gebeco Studienreisen. Nach nunmehr fast 20 Jahren eigener Reiseleitertätigkeit, einer Weltreise im Jahr 2012 und individuellen Rucksacktouren seit mehr als 30 Jahren beobachtet er als erfahrener Reisender die jüngsten Entwicklungen auf dem weltweiten Reisemarkt. Er steuerte Beiträge zu den im Bruckmann Verlag veröffentlichten Büchern "Entdecke die Welt! 100 außergewöhnliche Reiseideen und Geheimtipps" und "AUSZEIT - der Sabbatical Verführer" bei. 2013 erschien sein erstes Buch "Die Raupe und der Buddha - eine Reise entlang der Seidenstraße" im Traveldiary Verlag. Der Autor lebt in Athen, Griechenland.

Heimwehland


Im Stadtzentrum reihen sich die quirligen Basare aneinander. Landwirtschaftliche Produkte, Gewürze und Backwaren finden Käufer, die gestenreich und körperbetont den richtigen Preis aushandeln. Mancher Deal steht kurz vor dem Scheitern, der Käufer will sich wegdrehen, wird jedoch vom Standbesitzer am Arm festgehalten. Wenig später ist das Geschäft per Handschlag unter Dach und Fach, sodass die Ware den Besitzer wechseln kann. Berge von Melonen, Trauben und Kaffee werden überall angepriesen und verkauft. In der Ferne betet der Muezzin, jedoch kläffen Hunde laut dazwischen. Gemüsehändler rollen ihre mit Lebensmitteln beladenen Holzkarren die Bürgersteige entlang und tüchtige junge Männer tragen Säcke voller Zwiebeln und Kartoffeln auf ihren starken Schultern. Touristen feilschen engagiert um aus Gips kunstvoll gefertigte Miniaturen der ägyptischen Tempel, Sphinxen und Ramses-Statuen, während Straßenköter unter den Ständen umherstreunen; die Pharaonen Echnaton und Tutanchamun schauen mich als überzeichnete Popversionen von T-Shirts aus an. »Hast du viele Kinder? Nein? Hier, ein Fruchtbarkeitsamulett. Ist echt! Altes Reich!«, höre ich Händler den vielen ausländischen Gästen zurufen. »Mister, mein Freund. Deutschland? Gut.« Wortfetzen gehen auf Touristenfang und versuchen freundlich meine Aufmerksamkeit zu erhaschen. »Bist du morgen wieder hier? Du fährst mit mir, mein Freund. Ich zeige dir Ägypten. Es kostet nicht viel.«

Assuan ist der südlichste Punkt auf der touristischen Tempelruinenstraße. Anhand der Gesichter der Menschen, die hier ihre Geschäfte machen, erkennt man sehr gut, dass die Stadt seit jeher ein wichtiger Umschlagplatz auf der Transitroute durch Afrika war. Das Bevölkerungsbild ist gemischt, zahlreiche dunkelhäutige Nubier sind in der Stadt sesshaft geworden. Am Bootsanleger warten die vielen Ladenbesitzer und bedrängen die Gäste. Katzen dösen unter Bäumen vor der Kaimauer. Oberhalb tobt das Geschrei der Obstverkäufer auf den Märkten und das endlose Gehupe der Taxis auf der Croniche el-Nil, der Uferpromenade mit Touristenrestaurants, ist zu hören. Jedoch hier am Flussufer vernehme ich das sanfte Gurgeln und Plätschern des Wassers auf den Steinen sowie das Klatschen der Wellen an den Holzrümpfen der dahingleitenden Boote. In den Bäumen melden sich jetzt am späten Nachmittag die Zikaden zurück. Vor mir breitet sich die Nillandschaft aus, die in grünes fruchtbares Land und lebensfeindliche Wüste aufgeteilt ist. Ibrahim reicht mir die Hand und hilft mir an Bord. Seine Feluke nimmt unsere kleine Gruppe auf und steuert auf das andere Nilufer zu. Geschickt manövriert er das Boot und raucht dabei gemütlich eine Zigarette. Seinen Kollegen winkt er noch kurz zu, dann irgendwann fliegt sein Zigarettenstummel im hohen Bogen in das aufgewühlte Nilwasser und weißgrauer Qualm entweicht ein letztes Mal in aller Seelenruhe aus seinem Mundwinkel. Er lächelt mich an und ich erwidere die Geste, bis eine leichte Brise das Hauptsegel der Feluke erwischt und ein Ruck das Boot durchrüttelt. Wir sind in schnelleres Fahrwasser in der Flussmitte geraten. Von hier kann ich nun die in ein warmes goldenes Licht getauchten Lehmmauern am Westufer erkennen. Sie umschließen die kleinen mehr oder weniger immer gleich hohen Häuser aus getrockneten Ziegeln. Ibrahim steuert den Bootsanlegesteg an und lenkt die Feluke seitlich an das Ufer, das nun zu Leben erwacht.

Noch vom Boot aus sehe ich die Welle der Souvenirverkäufer auf mich zurollen. Sphinxen, Pyramiden, Pharaonenköpfe, Papyrusrollen, Hieroglyphentafeln, römische Münzen und das Aga-Khan-Mausoleum als Gipsminiatur sind im Angebot. Alles echt und gerade ausgegraben oder in einem anonymen Grab gefunden. Natürlich! Dahinter warten die Kamelbesitzer auf uns. Ihre Tiere stehen stoisch neben ihnen und werden dann mitgezogen. Sattel und Zaumzeug sind im gleichen recht abgegriffenen Zustand wie die ledernen Umhängetaschen und Geldbeutel ihrer Besitzer. Auf dem Weg, der vom Bootssteg den steilen Hang am Westufer hinaufführt, werden wir begutachtet. Jeder buhlt um Touristen und preist seine Tiere an. Geht man weiter, so laufen die Kamelbesitzer mit ihren nun mürrisch dreinblickenden Reittieren neben einem her. Ich schaue zu Ibrahim zurück, der sich wieder eine Zigarette angezündet hat und froh ist, sich gleich in der Sicherheit seiner Feluke zu einem Nickerchen hinlegen zu können. Es tat gut, dem Ganzen für die Zeit einer Bootsfahrt entkommen zu können. Wie ein über die Jahrhunderte feinsäuberlich choreografiertes Theaterstück erfolgt der Angriff nach immer dem gleichen Schema: der Tourist seufzt, hält sich bereit. Die Jagd beginnt, Gestikulationen begrüßen einen von Weitem, der Tross der Händler setzt sich in Bewegung und der Tourist prüft Ausweichrouten. Diese werden rasch und geschickt versperrt. Der Tourist versucht nun seine Gegner durch schnelleres Gehen abzuschütteln, wird aber durch Sphinxe und Pyramiden gestoppt, die man ihm vor die Nase hält. Aussichtslos. Er bleibt stehen, wieder die Hände in der Luft und Gesten, die Regieanweisungen gleichen. »Guter Preis, guter Preis. Hier, Doktor! Kaufe hier. Ich kann dir alles besorgen. Was brauchst du? Eine römische Münze? Ein Kamel! Kurzer Ritt hoch zum Aga-Khan-Mausoleum – nicht teuer. Doktor! Mein Name Ali.« Mohammed, unser Silent Guide im Dienst der für die Gruppe zuständigen ägyptischen Tourismusagentur Travco, macht seiner Berufsbezeichnung alle Ehre. Er zieht sich leise und unauffällig in den Schatten einer Dattelpalme zurück und lässt seine Landsleute gewähren. Mittlerweile scharen sich zwei Reihen von Kameltreibern um uns. Das Theaterstück wird absurd. Die Kamele trotten lustlos an unserer Seite und ihre Besitzer rücken dichter auf uns zu. Eine energische Dame wiegelt ab, täuscht links an, versucht rechts auszubrechen und stolpert beinahe in ein kauendes Reittier hinein, dessen Kiefer trotz des Trubels ruhige, gleichmäßige kreisende Bewegungen vollzieht. Dann geben die ersten in unserer Gruppe auf. »Wieviel kostet der Trip?« Diese Frage ist der Anfang vom Ende. Ein älterer Gast greift entnervt in seine Hosentasche und Geld wechselt den Besitzer. Schein für Schein und doch immer noch nicht genug. Der Ägypter zieht an einem weiteren Geldschein, denn schließlich ist das Kamel ja eine Züchtung aus pharaonischer Zeit. Der ältere Herr wird auf das Kamel verladen, seine Kamera baumelt in alle Himmelsrichtungen, als sich das Tier ruckartig aufrichtet. Schweißgebadet hält er sich am Sattel fest. Der übergroße Strohhut rutscht ihm in die Stirn, aber er traut sich nicht, ihn zurechtzurücken, würde das doch bedeuten, dass er den Sattel dafür loslassen müsste. Seine Beine mit den weißen Unterschenkeln und langen braunen Kniestrümpfen in beigen Sandalen stehen im steilen Winkel vom Bauch des Kamels ab. Wie ein Tombolapreis wird der arme Mann mit hochrotem Kopf abtransportiert und zum Aga-Khan-Mausoleum befördert. Voller Elan schwingt der Besitzer seine Peitsche auf das Hinterteil des Lasttieres. Zeit ist Geld! Der Rest unserer Truppe bleibt stur und verweigert sich einem Ritt den Hang hinauf. Plötzlich hat der Spuk ein Ende, denn man lässt von uns ab. Eine neue Feluke, beladen mit noch mehr potenziellen Kunden, ist angelandet. »Doktor hier, Doktor da. Ein gutes Kamel, es heißt Hermann! Nicht teuer. Du gibst Bakschisch.« Die Touristen müssen erobert werden, die Jäger formieren sich und der Belagerungszustand beginnt von Neuem.

Das Aga-Khan-Mausoleum thront majestätisch in der Wüste am Westufer des Nils. Rote Sandsteinmauern umgeben das Grab, in dem Aga Khan, alias Sultan Mohammed Schah, der religiöse Führer der Ismailiten-Sekte, und seine Frau gemeinsam ruhen. Unser Reiseleiter erklärt uns die Architektur und die Koransuren, die an den vier Seiten des Grabmahls eingraviert wurden. Von seinem Vortrag bekomme ich jedoch nicht viel mit. Mich fasziniert der Ausblick von hier oben über die Villa der beiden Verstorbenen hinweg auf den Nil. Mir scheint, als habe ein Riese mit seinen Händen den Wüstensand auf Assuan zuschieben wollen, um die Stadt für immer zu begraben. Aber der Nil hat die Apokalypse verhindert, hat sich als fruchtbare Schutzbarriere dem Wirken des Riesen entgegengestellt und die Bewohner der Stadt vor dem sicheren Tod gerettet. So fallen die steilen Sandhänge wie mächtige Bergflanken abrupt zum Nilufer ab und wirken als mahnende Begrenzungsmauern zur libyschen Wüste. Bilder jagen mir hier oben durch den Kopf und ich gleiche Vorstellungen, Ideen und Fantasien mit der Wirklichkeit ab. Aufgewachsen bin ich in Satzvey, einem kleinen Dorf in der Eifel im westlichen Nordrhein-Westfalen. Meine Eltern sind immer schon viel gereist, aber sie verband eine ganz besondere Leidenschaft mit Ägypten. Von unserem Wohnzimmerregal aus blickte eine goldene Statue des jungen Tutanchamun in den Raum. DuMont-Kunstreiseführer und Bildbände über die Kunstgeschichte des Mittelmeerraumes ließen sich dort finden. Ägypten war immer...

Erscheint lt. Verlag 29.10.2021
Sprache deutsch
ISBN-10 3-7557-1797-2 / 3755717972
ISBN-13 978-3-7557-1797-3 / 9783755717973
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