Geschichte der Münchner Stadtbäche
Schiermeier, Franz (Verlag)
978-3-9809147-2-7 (ISBN)
Dr. Christine Rädlinger ist freie Historikerin in München. Von ihr stammen zahlreiche Publikationen zu Themen der Münchner Stadtgeschichte, vor allem zur Stadtentwicklung.Dazu gehören Veröffentlichungen zu den Münchner Stadtbächen, den Brücken und zur Lokalbaukommission, außerdem zur Geschichte der Münchner Wohnungsbaugenossenschaften.
Geschichte der Münchner StadtbächeInhaltDie Entstehung der StadtbächeBäche als Grundlage städtischen LebensDas Eigentum an den BächenStadthygiene im MittelalterNeue Bäche um die StadtNeue Wege der EnergienutzungDie Versorgung mit TrinkwasserWasser für herzogliche GärtenKanäle für Wirtschaftsunternehmen des HofsDer Festungsbau Maximilians I.Kanäle und Bäche des 17. und 18. JahrhundertsAbwasserentsorgung über die BächeBachunterhalt als städtische AufgabeDie Zeit der NeuorientierungDie Entfestigung MünchensFür die Assanierung der StadtDie moderne WasserversorgungEine neue BadekulturDas Industriezeitalter an den BächenDie Stadt als moderner UnternehmerDie Instandhaltung der BächeStadtbäche in den UntergrundDas Ende der StadtbächeDie Rückkehr der Bäche?Die Münchner StadtbächeAlphabetisches Verzeichnis mit technischen Angaben
Vorwort von Dr. Richard Bauer Eine „Heimat“ für die Isar. Münchens Geschichte ist geprägt von einer gesuchten Nähe und zugleich von einer erstaunlich respektvollen Distanz zur Isar. Zwischen dem Isartor und dem Ufersaum des jederzeit unberechenbaren und eigenwilligen Flusses liegt eine beträchtliche Wegstrecke, die überschwemmungsbedingt vormals für eine dauerhafte Wohnbebauung ungeeignet und deshalb vorrangig als „Gewerbezone“ ausgewiesen war. Die Wasserabhängigkeit der Bürgerschaft hatte praktisch schon in der ältesten Ausbauphase Münchens nach 1180 dazu geführt, dass Verästelungen des ursprünglich weit nach Westen ausgreifenden Flusslaufes zu kontrollierten Kanälen und Bächen umgestaltet wurden, die das kostbare Element an die Bebauungszone heran- und schließlich auch mitten in diese hineinführten. Wasser als der einzige natürliche Energielieferant bestimmte die Leistungskapazität der Mühlen, Eisenhämmer und Walken und unterstützte die Detailverarbeitung in zahllosen Handwerksbetrieben im Lehel, im Anger- und Graggenauerviertel und im Tal. Aber auch der doppelte Mauerring und damit das wehrhaft geborgene Hab und Gut der Einwohner waren dem Schutz des von der Isar abgezweigten Wassers anvertraut, das in breiten Stadtgräben die Kontur der Stadtanlage nachzeichnete. Die künstlich aufgeschütteten Isardämme und die damit verbundenen Regulierungsvorkehrungen für die in die Wohn- und Geschäftsviertel eingeleiteten Bachsysteme gehörten im Mittelalter mit zu den größten Ausgabeposten des Stadtmagistrats, einmal wegen der komplizierten Abstimmung der Fließgeschwindigkeit und der Wassermenge, zum anderen wegen der durch die jährlichen Isarhochwasser bedingten ständigen Zerstörungen oder Beschädigungen und der dadurch veranlassten Reparaturen. Parallel zum Stadtwachstum erweiterte sich auch das Münchner Bachsystem, schuf mit der Zeit kleine und kleinste Verzweigungen und Zuführungen, die Segment für Segment alle einem ganz konkreten Auftrag dienten, den sie in ihren Benennungen kundtaten. Ohne Rücksicht auf den großen Zusammenhang hatten viele Bäche deshalb je nach Streckenabschnitt einen wechselnden Namen, weshalb am Ende nur noch beamtete Spezialisten den Überblick über die Totalität der Münchner Wasserläufe behalten konnten. Für die Bevölkerung war der künstliche Wasserreichtum ihrer Stadt ein dankbar angenommenes Geschenk, eine gewerbliche, hygienische und nicht zuletzt auch eine ästhetische Vorgabe, um die München beneidet wurde. Die Münchner Stadtbäche setzten in das seit ca. 1820 von der Strenge toskanischer Architekturelemente geprägte ludovizianische München stets auch einen großzügigen und heiteren venezianischen Akzent und erinnerten daran, dass die für Nordländer so eindrucksvolle Münchner „italianità“ nicht erst von Klenze oder Gärtner entwickelt werden musste. Jenseits der Isar, in der von altertümlich verschachtelten Kleinhäusern geprägten Vorstadt Au, hatte die alle Lebensbereiche erfassende Wasserabhängigkeit und Wasserbezogenheit eine besondere Bedeutung erreicht, die an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert als einzigartige malerische Situation erkannt und von vielen Münchner Künstlern umgesetzt wurde. Kriegszerstörung und behördlich durchgesetzte großflächige „Sanierungsmaßnahmen“ haben inzwischen freilich mit den hochromantischen Veduten der Au für immer aufgeräumt. Die seit Mitte des 19. Jahrhunderts eingetretenen Veränderungen in der Technologie und der Energiezuführung drängten die Bedeutung der von den Gewerbebetrieben genutzten Stadtbäche gerade in der Innenstadt massiv zurück. Auch die durch den Wirtschaftsboom der Gründerzeit intensivierte Bebauung urbaner Randzonen und die darauf ausgerichteten neuen Verkehrsverbindungen störten sich an den zahlreichen irregulär kreuzenden Wasserläufen, weshalb diese zum größten Teil unter dem Straßenpflaster verschwinden mussten. Der alltäglichen Betrachtung und Beachtung entzogen, verlor die das Stadtbild mitbestimmende Elementarkraft Wasser rasch ihre suggestive und metaphysische Wirkung. Nur an wenigen ausgewählten Situationen blieb der Blick frei auf die rasch eilenden Wogen, die mit Ungestüm plötzlich ans Tageslicht drängten und ebenso unvermittelt wieder unter der Wohnbebauung verschwanden. Mit Grauen und Bewunderung zugleich habe ich als Kind an der Hand meiner Mutter bei der Pfistermühle in diese geheimnisvolle, anscheinend aus gewaltigen nachtschwarzen Strömen bestehende Münchner Unterwelt hinabgestarrt. Brausende und tosende Fluten der Tiefe, über denen Straßen und Häuser und das Alltagsleben auf dünnen Gewölben nur höchst unsicher zu schweben schienen. Im Stadtbild selbst setzte diese zweite, nasse Stadtnatur schon seit Ende des 19. Jahrhunderts nur noch sehr begrenzte Akzente. Nur ein einziges Mal konnten die treuen Helfer der Münchner Stadtentwicklung nochmals ihre uralte Verantwortung und Bedeutung für das Stadtwohl unter Beweis stellen: während den verheerenden alliierten Luftangriffen des Zweiten Weltkriegs waren die Bäche trotz des hohen Risikos von Wassereinbrüchen in Luftschutzkeller nicht abgelassen worden, da sie den aus der näheren und weiteren Entfernung im brennenden München zusammengezogenen Feuerwehren als ein überall erreichbarer und unerschöpflicher Wasserlieferant dienten. Der Ausbau Münchens zur Olympiastadt, insbesondere die Anlage des S- und U-Bahnnetzes brachte den innerstädtischen Stadtbächen das endgültige Ende; nur ein unverzichtbarer Rest, der die Wasserführung im Englischen Garten garantierte, blieb von der konsequent vollzogenen Auflassung, Abmauerung oder Verfüllung ausgenommen. Erst in den letzten Jahren kehrte die Erinnerung an die verschwundene Wasserkultur dieser Stadt zurück und versuchte sich – wie beispielsweise hinter der neuen Staatskanzlei/Armeemuseum – an der Öffnung und Revitalisierung einzelner Bachstrecken. Ähnlich dem Projekt der zügig voranschreitenden Isar-Renaturierung können Stadtraum und Naturraum so aus ihrer unnatürlichen Abtrennung und Aufspaltung befreit und in ein neues Miteinander überführt werden. Damit steht die spannungsreiche Rückgewinnung vieler im eigentlichen und übertragenen Wortsinn „verschütteter“ Positionen an. Motor aller weiteren Erwägungen und Planungen wird die hier vorgestellte historische Bestandaufnahme der einstigen Münchner Stadtbäche sein. Eine vom städtischen Tiefbauamt und vom Münchner Stadtarchiv gemeinsam getragene Forschungsinitiative konnte mit Christine Rädlinger eine vielseitig bewährte Historikerin gewinnen; ihre aus den Archivquellen von Stadt und Staat gezogene gründliche und übersichtliche Darstellung des einstigen Stadtbachnetzes, seiner Entstehungsgeschichte und seiner Funktionen, liegt nun in einem umfangreichen Buch vor, das dieser Stadt zur Ehre gereicht. Franz Schiermeier hat als besonderer Kenner der Stadttopographie die Gestaltung des Bandes übernommen und die Anschaulichkeit der Arbeitsergebnisse erhöht. Dank und Anerkennung gebühren insbesondere dem scheidenden Baureferenten Herrn Horst Haffner sowie Herrn Karl Höferle, dem Chef der Hauptabteilung Tiefbau des Baureferats. Beide Herren haben die jetzt auf dem Papier betriebene „Wiederauferstehung“ der Münchner Stadtbäche nicht nur mit Engagement, sondern darüber hinaus mit echter Begeisterung zu ihrer eigenen Sache gemacht. Von Anfang an war man sich mit dem Stadtarchiv einig: Nur das präzise und detaillierte Wissen um die Voraussetzungen und Gegebenheiten von gestern, kann die möglichen Maßnahmen für heute und die wünschenswerten Projekte für morgen tragen. Karl Valentin ist es in seinem genial-abstrusen Essay „Die Gründung der Isar“ gelungen, fiktive historische Honoratioren und Zelebritäten von Stadt und Land zu einer feierlichen „Isarenthüllung“ antreten zu lassen. Ganz zu recht lauteten die ersten Grußworte des Bürgermeisters A. Bcdef: „Willkommen edler Gebirgsfluss, willkommen in deiner Heimat, in der Haupt- und Residenzstadt München. Endlich haben deine Wogen unsere Stadt berührt, und wir alle freuen uns, des großen Nutzens und Schadens wegen, den wir durch dich bekommen“. Eine anspruchsvolle Begrüßungsrede, die München nicht als bloße Durchgangsstation der Isar, sondern als deren eigentliche Heimat definiert. Dieses scheinbar so leicht hingeworfene Wort „Heimat“ des tiefernsten Komikers aus der Vorstadt Au vermittelt das eigene Wissen um die in München stets besonders wichtige Identität von Fluss und Stadt und darf deshalb auch von unserer Generation durchaus als Auftrag und Verpflichtung verstanden werden! Bei der Lektüre dieses Buches wird vielen klar werden, dass der „edle Gebirgsfluss“ in München überall und damit auch in seinen kleinen und kleinsten Verzweigungen ein herzliches Willkommen verdient. Vielleicht können wir den derzeitigen Münchner Verantwortungsträgern in absehbarer Zeit bei einer feierlichen „Bachenthüllung“ applaudieren. Dies wünscht sich jedenfalls: Richard Bauer als Direktor des Stadtarchivs München
Vorwort von Dr. Richard BauerEine "Heimat" für die Isar.Münchens Geschichte ist geprägt von einer gesuchten Nähe und zugleich von einer erstaunlich respektvollen Distanz zur Isar. Zwischen dem Isartor und dem Ufersaum des jederzeit unberechenbaren und eigenwilligen Flusses liegt eine beträchtliche Wegstrecke, die überschwemmungsbedingt vormals für eine dauerhafte Wohnbebauung ungeeignet und deshalb vorrangig als "Gewerbezone" ausgewiesen war. Die Wasserabhängigkeit der Bürgerschaft hatte praktisch schon in der ältesten Ausbauphase Münchens nach 1180 dazu geführt, dass Verästelungen des ursprünglich weit nach Westen ausgreifenden Flusslaufes zu kontrollierten Kanälen und Bächen umgestaltet wurden, die das kostbare Element an die Bebauungszone heran- und schließlich auch mitten in diese hineinführten. Wasser als der einzige natürliche Energielieferant bestimmte die Leistungskapazität der Mühlen, Eisenhämmer und Walken und unterstützte die Detailverarbeitung in zahllosen Handwerksbetrieben im Lehel, im Anger- und Graggenauerviertel und im Tal. Aber auch der doppelte Mauerring und damit das wehrhaft geborgene Hab und Gut der Einwohner waren dem Schutz des von der Isar abgezweigten Wassers anvertraut, das in breiten Stadtgräben die Kontur der Stadtanlage nachzeichnete. Die künstlich aufgeschütteten Isardämme und die damit verbundenen Regulierungsvorkehrungen für die in die Wohn- und Geschäftsviertel eingeleiteten Bachsysteme gehörten im Mittelalter mit zu den größten Ausgabeposten des Stadtmagistrats, einmal wegen der komplizierten Abstimmung der Fließgeschwindigkeit und der Wassermenge, zum anderen wegen der durch die jährlichen Isarhochwasser bedingten ständigen Zerstörungen oder Beschädigungen und der dadurch veranlassten Reparaturen. Parallel zum Stadtwachstum erweiterte sich auch das Münchner Bachsystem, schuf mit der Zeit kleine und kleinste Verzweigungen und Zuführungen, die Segment für Segment alle einem ganz konkreten Auftrag dienten, den sie in ihren Benennungen kundtaten. Ohne Rücksicht auf den großen Zusammenhang hatten viele Bäche deshalb je nach Streckenabschnitt einen wechselnden Namen, weshalb am Ende nur noch beamtete Spezialisten den Überblick über die Totalität der Münchner Wasserläufe behalten konnten. Für die Bevölkerung war der künstliche Wasserreichtum ihrer Stadt ein dankbar angenommenes Geschenk, eine gewerbliche, hygienische und nicht zuletzt auch eine ästhetische Vorgabe, um die München beneidet wurde. Die Münchner Stadtbäche setzten in das seit ca. 1820 von der Strenge toskanischer Architekturelemente geprägte ludovizianische München stets auch einen großzügigen und heiteren venezianischen Akzent und erinnerten daran, dass die für Nordländer so eindrucksvolle Münchner "italianità" nicht erst von Klenze oder Gärtner entwickelt werden musste.Jenseits der Isar, in der von altertümlich verschachtelten Kleinhäusern geprägten Vorstadt Au, hatte die alle Lebensbereiche erfassende Wasserabhängigkeit und Wasserbezogenheit eine besondere Bedeutung erreicht, die an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert als einzigartige malerische Situation erkannt und von vielen Münchner Künstlern umgesetzt wurde. Kriegszerstörung und behördlich durchgesetzte großflächige "Sanierungsmaßnahmen" haben inzwischen freilich mit den hochromantischen Veduten der Au für immer aufgeräumt.Die seit Mitte des 19. Jahrhunderts eingetretenen Veränderungen in der Technologie und der Energiezuführung drängten die Bedeutung der von den Gewerbebetrieben genutzten Stadtbäche gerade in der Innenstadt massiv zurück. Auch die durch den Wirtschaftsboom der Gründerzeit intensivierte Bebauung urbaner Randzonen und die darauf ausgerichteten neuen Verkehrsverbindungen störten sich an den zahlreichen irregulär kreuzenden Wasserläufen, weshalb diese zum größten Teil unter dem Straßenpflaster verschwinden mussten. Der alltäglichen Betrachtung und Beachtung entzogen, verlor die das Stadtbild mitbestimmende Elementarkraft Wasser rasch ihre suggestive und
Zusatzinfo | 2 Kartenbeilagen: Münchner Stadtbäche ; 173 Abb. meist farbig |
---|---|
Verlagsort | München |
Sprache | deutsch |
Maße | 230 x 270 mm |
Gewicht | 1340 g |
Einbandart | gebunden |
Themenwelt | Geisteswissenschaften ► Geschichte ► Regional- / Ländergeschichte |
Naturwissenschaften ► Geowissenschaften | |
Schlagworte | Bach • Befestigung • Geschichte • HC/Geschichte/Regionalgeschichte, Ländergeschichte • München • München, Geschichte; Sozial-/Wirtschafts-G. • Wasserversorgung |
ISBN-10 | 3-9809147-2-0 / 3980914720 |
ISBN-13 | 978-3-9809147-2-7 / 9783980914727 |
Zustand | Neuware |
Haben Sie eine Frage zum Produkt? |
aus dem Bereich