Destruktive Gruppenprozesse
Die destruktive Kraft von Polarisierungsprozessen und Gewalt in Gruppen ist allgegenwärtig und von hoher Aktualität. Wie können destruktive Prozesse in verschiedenen Gruppenformationen verstanden, wie in einer tieferen Dimension erklärt und wie begrenzt werden? Diese Fragen untersucht Karin Zienert-Eilts aus einer zugleich historischen und zeitdiagnostischen Perspektive anhand von Gruppenkonflikten innerhalb und außerhalb der psychoanalytischen Bewegung. Ausgehend vom Modell der Controversial Discussions - einschließlich einer Fragebogenerhebung zum gegenwärtigen Stand der Diskurskultur - werden Gruppenprozesse vor dem Hintergrund der psychoanalytischen Erkenntnisse Sigmund Freuds, Melanie Kleins und Wilfred Bions theoretisch reflektiert.Zienert-Eilts skizziert darüber hinaus die Konturen eines Entwicklungsmodells der Gruppendynamik und entwickelt psychoanalytisch begründete Kriterien zur Konfliktbewältigung für die Arbeit mit Gruppen im sozialen Feld. Dabei ist von ausschlaggebender Bedeutung, die Unvermeidbarkeit destruktiver Kräfte anzuerkennen, die unabschließbar in ein beständig aktives und oszillierendes Wechselspiel von konstruktiv-lebensbejahenden und gewalttätig-zerstörerischen Prozessen eingebunden sind.
EinleitungI. Die psychoanalytische Bewegung1. Zur Spezifitat des Untersuchungsgegenstandes1.1 Methodologische Uberlegungen1.2 Rezeptions- und Bewertungsprozesse in der Geschichtsschreibung der Psychoanalyse2. Strukturbildungsprozess und Konfliktpotenzial der Organisation der psychoanalytischen Bewegung2.1 Historischer Abriss 2.1.1 1902 bis 1910: Sigmund Freuds »exquisit geselliges Unternehmen« - Wechselfolge zwischendyadischen Beziehungen und Gruppenbildungen2.1.2 Die neue Vergesellschaftungsform der »Freiwilligen Vereinigungen«2.1.3 Die Gründung der IPV2.1.4 Freud und Jung: Die Bedeutung C. G. Jungs für Sigmund FreudII. Konfliktbewaltigungsmodelle der psychoanalytischen Bewegung1. Das »Geheime Komitee«Ein Konfliktbewaltigungsversuch1.1 Historischer Kontext: Parameter der Gründung 19121.1.1 Das »Geheime Komitee« als Ersatz für C.G. Jung1.1.2 Geheimhaltung und Intrige1.1.3 Sigmund Freud als emotionales Zentrum der Kerngruppe des Komitees1.1.4 Unterschiedliche Schwerpunkte im Selbstverstandnis der Komitee-Mitglieder am Beispielvon Ernest Jones' umstrittener »Verpflichtung«1.2 Die Struktur des Komitees1.2.1 Asymmetrie der Gruppenstruktur und Sigmund Freuds Zwiespalt1.2.2 Die Verschrankung von inoffizieller und offizieller Ebene 701.2.3 Die vielfaltigen Ebenen der Kommunikationsstruktur1.3 Konfliktentwicklung und Untergruppenbildungsprozesse im Komitee1.3.1 Konflikte und Veranderungen in der Komitee-Gruppe1.3.2 Der Prozess der Untergruppenbildung im Komitee 1918-19231.3.3 Sa ndor Ferenczi und die Bedeutung der Position des »Dritten«1.3.4 Polarisierung in der Rank-Krise 1924: Ein Schlüsselkonflikt1.3.5 Der Beitrag Sigmund Freuds in der Rank-Krise: Die Weitergabe der Abraham-Briefe1.3.6 Der Zersetzungsprozess des Komitees1.3.7 Wiederherstellungsbemühungen, Wiederholung der Destruktion und Scheitern1.4 Die Bedeutung Sigmund Freuds als Führungs- und Leitfigur1.4.1 Sigmund Freuds zwiespaltige Führungsposition: Primus inter pares und unbestreitbare Autoritat zugleich1.4.2 Sigmund Freuds Diplomatie und Führungsstil in Konflikten: Zwischen dem Prinzip des Sowohl-als-Auch und der Parteinahme1.4.3 Misslingen der Triangulierung1.4.4 Sigmund Freuds Angst um sein Werk1.5 Zusammenfassung: Parameter für das Scheitern des Komitees1.6 Die Bedeutung des »Geheimen Komitees« im Rahmen des Institutionalisierungsprozessesder psychoanalytischen Bewegung2. Die Controversial Discussions der British Psychoanalytical Society 1941-1946Ein wissenschaftsorientiertes Modell zur Uberwindung der Polarisierung2.1 Historischer Kontext: Determinanten des Polarisierungsprozesses2.1.1 Wissenschaftliche Kontroversen: Berlin - Wien, London - Wien, Melanie Klein - Anna Freud2.1.2 Personliche Animositaten: Melanie Klein und Melitta Schmideberg2.1.3 Kritik an dem Führungsstil des Vorstandes2.1.4 Gruppenbildung: Die Ankunft der Freuds in London und der Zweite Weltkrieg2.1.5 Affektive Aufladung, Polarisierung und Eskalation2.1.6 Die Middle Group2.2 Die Organisationsstruktur der Controversial Discussions2.2.1 Die Resolutionen und die Geschaftssitzungen2.2.2 Die wissenschaftlichen Diskussionen2.2.3 Das »Gentlemen's« bzw. »Ladies' Agreement«2.3 Die Controversial Discussions heute2.4 Zusammenfassung3. Die Seeon-Konferenz der Deutschen Psychoanalytischen Organisationen 1996Ein psychoanalytisch orientiertes Modell zur Uberwindung gruppenfeindlicher Identitatsbildung und Spaltung3.1 Historischer Kontext3.1.1 Anfange, Blüte und Zerstorung der Psychoanalyse in Deutschland3.1.2 Die Spaltung der psychoanalytischen Gemeinschaft3.2 Die Group Relations Conferences3.2.1 Das Gruppenkonzept Wilfred R. Bions: Die »Grundannahmegruppe«3.2.2 Das Tavistock-Leicester-Modell: Organisationsstruktur und Methode3.2.3 Die Anwendung auf zwei nationale Gruppen und auf die nationale Gruppenspaltung von Psychoanalytikern3.3 Ergebnisse der Seeon-Konferenz heute3.4 Zusammenfassung4. Ergebnisse der historischen Analys
»Wie fruchtbar diese Analyse ist, zeigt Zienert-Eilts abschließend in der Anwendung ihrer Ergebnisse auf polarisierte Gruppenprozesse der Gegenwart: etwa auf die Inklusionsdebatte, die Flüchtlingskrise oder das Beispiel einer grausamen Mordtat in einem Jugendgefängnis (»Siegburger Tat«). Sie demonstriert auch, wie fatal sich die Passung zwischen einem narzisstisch-destruktiven Führer und einer Großgruppe auswirken kann. Damit ist die übergreifende Relevanz der hier vorgestellten psycho- und gruppenanalytischen Überlegungen eindrucksvoll belegt. Neben einer breiten Rezeption außerhalb der Psychoanalyse wäre es dem Buch ebenso zu wünschen, dass die psychoanalytischen Institute und Institutionen die hier enthaltenen Gedanken rezipierten.« Wolfgang Hegener in PSYCHE 6/19 »Wo immer sich Gruppen zusammenfinden, sei es aus freien Stücken oder notgedrungen, in Organisationen oder in freien privaten Zusammenschlüssen - früher oder später kommt es unausweichlich zu Konflikten. (...) Geradezu akribisch dokumentiert die Autorin diese Konflikte, was v.a. für psychoanalytisch Interessierte von Bedeutung ist.« Lisa Tomaschek-Habrina, www.lisatomaschek.at vom 7. März 2018 »In jüngster Zeit hat sich die politische Weltlage zunehmend polarisiert, eine bedrohliche Entwicklung, ein destruktiver Prozess, so jedenfalls scheint es. Wer nun aber dieses Buch liest, wundert sich vielleicht doch ein wenig, wie phasenweise heillos zerstritten und gespalten die psychoanalytischen Bewegungen offenbar bereits zu Beginn ihrer Geschichte gewesen sind. Geradezu akribisch dokumentiert die Autorin diese Konflikte inklusive erprobter Coping-Strategien bis in die Gegenwart hinein.« Konrad Heiland, Counseling Journal für Beratung, Pädagogik & Psychotherapie, Verbandszeitschrift des BVPPT, Ausgabe 15, November 2017 »Das Buch besticht durch seine Detailfreude. Insbesondere das historische Material, das Zienert-Eilts zum 'Geheimen Komitee' zusammengetragen hat, ist ausgezeichnet und lesenswert.« Hans-Peter Griewatz, FoRuM Supervision - Onlinezeitschrift für Beratungwissenschaft und Supervision, Heft 50, Oktober 2017, 25. Jahrgang
Erscheinungsdatum | 06.04.2017 |
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Reihe/Serie | Bibliothek der Psychoanalyse |
Verlagsort | Gießen |
Sprache | deutsch |
Maße | 148 x 210 mm |
Gewicht | 476 g |
Themenwelt | Geisteswissenschaften ► Psychologie ► Psychoanalyse / Tiefenpsychologie |
Medizin / Pharmazie ► Medizinische Fachgebiete ► Psychiatrie / Psychotherapie | |
Schlagworte | Controversial Discussions • Geschichte der Psychoanalyse • Gruppentheorie • Melanie Klein • Psychoanalyse, Geschichte • Psychoanalytische Sozialarbeit • Sigmund Freud • Wilfred Bion |
ISBN-10 | 3-8379-2665-6 / 3837926656 |
ISBN-13 | 978-3-8379-2665-1 / 9783837926651 |
Zustand | Neuware |
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