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Chaos, Angst und Ordnung (eBook)

Wie wir unsere Lebenswelt gestalten

(Autor)

eBook Download: PDF
2011 | 3. Auflage
117 Seiten
Vandenhoeck & Ruprecht Unipress (Verlag)
978-3-647-40443-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Chaos, Angst und Ordnung -  Jürgen Kriz
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The never-ending battle in life to overcome chaos often leads to rigid structures precipitating much suffering. The systemic perspective provides us with increased behavioural latitude.Every piece of order in our lives is wrestled from the all-encompassing chaos that surrounds us. Modern systemic research reveals what the adages of old already knew: We live in a world of complex and chaotic processes. And our fear thereof leads us to establish rigid orders that in turn invite our rebellion - this is true in politics, in the family, at work, in partnerships and within our own souls. Jürgen Kriz encourages us to use this chaotic complexity wherever it has proved useful in systemic therapeutic and counselling work.

Prof. Dr. Jürgen Kriz, approbierter Psychologischer Psychotherapeut, ist Emeritus für Psychotherapie und Klinische Psychologie an der Universität Osnabrück. Er hatte zudem über 25 Jahre einen Lehrstuhl in Statistik, Forschungsmethoden und Wissenschaftstheorie und zahlreiche Gastdozenturen im Ausland inne. Er ist Ehrenmitglied mehrerer psychotherapeutischer Fachgesellschaften. Zu seinen Auszeichnungen gehören u. a. der Viktor-Frankl-Preis der Stadt Wien (2004), der AGHPT-Award der Arbeitsgemeinschaft Humanistische Psychotherapie (2014) und der Ehrenpreis der Gesellschaft für Personzentrierte Psychotherapie und Beratung (GwG).

Prof. Dr. Jürgen Kriz, approbierter Psychologischer Psychotherapeut, ist Emeritus für Psychotherapie und Klinische Psychologie an der Universität Osnabrück. Er hatte zudem über 25 Jahre einen Lehrstuhl in Statistik, Forschungsmethoden und Wissenschaftstheorie und zahlreiche Gastdozenturen im Ausland inne. Er ist Ehrenmitglied mehrerer psychotherapeutischer Fachgesellschaften. Zu seinen Auszeichnungen gehören u. a. der Viktor-Frankl-Preis der Stadt Wien (2004), der AGHPT-Award der Arbeitsgemeinschaft Humanistische Psychotherapie (2014) und der Ehrenpreis der Gesellschaft für Personzentrierte Psychotherapie und Beratung (GwG).

Cover 1
Titelseite 4
Copyright 5
Inhalt 8
Vorwort zur 3. Auflage 10
I Die (Ver-)Bannung des Chaos 14
Angst vor dem Chaos 14
Chaosvermeidung durch Reduktion 18
Menschliche Chaosvermeidung 20
Zwischen Chaos und Ordnung 23
Die gesellschaftliche Chaosverbannung 27
Über »Law and Order« 30
Die Erstarrung des Miteinander 33
II Schöpferisches Chaos in der Psychotherapie 38
Von lebenden Steinen und versteinertem Leben 38
Die Dynamik von Opfern und Tätern 42
Die Perspektive der systemischen Therapie 46
Die allzu einfache Ordnung der ersten Systemiker . . 50
III Chaos, Angst und Wissenschaft 60
Mensch, wo bist du? 60
Über Angst und Logik 67
Communicare versus disputare 71
Das Problem der Dignität 74
Die Ordnungsideologie der Wissenschaft 77
Die Macht der alten Ordnung 81
Psychotherapie als Wegweiser einer lebensgerechteren Wissenschaft? 86
IV Ist die Welt in Ordnung? 92
Von Wissen und Unwissen 92
Grenzen der Ordnung 98
Archetypische Ordnung 100
Mensch und Ordnung 108
Anmerkungen 114
Literatur 116
Back Cover 122

III Chaos, Angst und Wissenschaft (S. 59-60)

Mensch, wo bist du?

Als Rabbi Schneur Salman, der Raw von Reussen … in Petersburg gefangen saß und dem Verhör entgegensah, kam der Oberste der Gendarmerie in seine Zelle. Das mächtige und stille Antlitz des Raw, der ihn zuerst, in sich versunken, nicht bemerkte, ließ den nachdenklichen Mann ahnen, welcher Art sein Gefangener war. Er kam mit ihm ins Gespräch und brachte bald manche Frage vor, die ihm beim Lesen der Schrift aufgetaucht war.

Zuletzt fragte er : »Wie ist es zu verstehen, daß Gott der Allwissende zu Adam spricht: ›Wo bist du?‹« »Glaubt Ihr daran«, entgegnete der Raw, »daß die Schrift ewig ist und jede Zeit, jedes Geschlecht und jeder Mensch in ihr beschlossen sind?« »Ich glaube daran«, sagte er. »Nun wohl«, sprach der Raw, »in jeder Zeit ruft Gott jeden Menschen an: ›Wo bist du in deinerWelt ?

So viele Jahre und Tage von den dir zugemessenen sind vergangen, wie weit bist du derweil in deiner Welt gekommen?‹ So etwa spricht Gott : ›Sechsundvierzig Jahre hast du gelebt, wo hältst du?‹« Als der Oberste die Zahl seiner Lebensjahre nennen hörte, raffte er sich zusammen, legte dem Raw die Hand auf die Schulter und rief : »Bravo!« Aber sein Herz flatterte (Buber, 1977, S. 7).


Fragen haben in unserer Gesellschaft über die Erhebung von Information hinaus meistens einen abfragenden, bloßstellenden, auf Machtausübung und Kontroverse ausgerichteten Charakter. In einem solchen Kontext könnte man auch die Frage: »Adam, wo bist du?« auf den ersten Blick verstehen wollen. Ebenso zielt die Frage des Obersten an den Rabbiner eher auf eine Kontroverse. Denn eigentlich, so schreibt auch Buber, ist der Oberst darauf aus, einen Widerspruch in der jüdischen Glaubenswelt aufdecken zu wollen. Doch für den Rabbi ist weder der Informationsaspekt noch die sachliche Kontroverse in der Begegnung von Bedeutung. Vielmehr spricht er den Obersten auf der Ebene von dessen Lebensgeschichte und ureigenster Persönlichkeit an.

Die beschriebene Begegnung im Gefängnis ist nicht nur typisch für das, was Buber eine »dialogische Haltung« nennt, sondern sie ist ebenso typisch für das, was für mich das Wesentliche an Psychotherapie ausmacht (wenn auch bei Buber idealtypisch verdichtet): Auch ein Therapeut will nämlich mit seinen Fragen selten etwas von seinem Gegenüber wissen, was er nicht weiß – und selbst dann nicht aus bloßer Neugier oder um jenen etwas abzufragen. Sondern er will, um nochmals Buber zu zitieren, »im Menschen etwas bewirken, was eben nur durch eine solche Frage bewirkt wird, vorausgesetzt, dass sie den Menschen ins Herz trifft, dass sich der Mensch von ihr ins Herz treffen lässt«.

Ganz anders geht es in der Wissenschaft zu. Dort steht die Erhebung von Information imZentrum; und bei der Aufnahme in die Wissenschaftlergemeinschaft ist der wissenschaftliche Disput in der Disputation – wie die mündliche Prüfung zur Promotion heißt – geradezu institutionalisiert. Es ist daher nicht verwunderlich, dass Wissenschaftler und Psychotherapeuten gewöhnlich als Repräsentanten zweier gegensätzlicher Orientierungen verstanden werden: Wissenschaft, so wird gesagt, habe den Blick auf Gesetzmäßiges, Prognostizierbares und auf mögliche Gemeinsamkeiten in den Phänomenen zu richten und damit von der Individualität und der Einmaligkeit der Abläufe in dieser Welt zu abstrahieren.

Erscheint lt. Verlag 26.10.2011
Verlagsort Göttingen
Sprache deutsch
Themenwelt Sachbuch/Ratgeber Gesundheit / Leben / Psychologie Lebenshilfe / Lebensführung
Geisteswissenschaften Psychologie Angst / Depression / Zwang
Geisteswissenschaften Psychologie Persönlichkeitsstörungen
Medizin / Pharmazie Medizinische Fachgebiete Psychiatrie / Psychotherapie
Schlagworte Affektlogik • Angst • Chaos • Familientherapie • Lebenshilfe • Lebenskunst • Ordnung • Politik • Politiker • Psychotherapie • schöpferisch • Systemische Beratung • Systemische Therapie • Systemtheorie • Wissenschaft • Wissenschaftsgeschichte • Zwangsneurose
ISBN-10 3-647-40443-8 / 3647404438
ISBN-13 978-3-647-40443-1 / 9783647404431
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