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Mit der Trauer kämpfen

Schmerz und Trauer in der Psychotherapie traumatisierter Menschen

(Autor)

Buch | Hardcover
249 Seiten
2011 | 1., Aufl.
Klett-Cotta (Verlag)
978-3-608-94629-1 (ISBN)
CHF 22,40 inkl. MwSt
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Ilany Kogan ist u. a Lehranalytikerin der Israelischen Psychoanalytischen Gesellschaft, war Mitglied des wissenschaftlichen Beirats des Fritz Bauer Instituts für Holocaust-Forschung in Frankfurt am Main und arbeitet als Supervisorin und Ausbilderin. Im Jahr 2005 erhielt sie den Elise M. Hayman Award for the Study of the Holocaust and Genocide auf dem Kongress der Internationalen Psychoanalytischen Gesellschaft in Rio de Janeiro.
Dem Trauernden helfen, zurück ins Leben zu finden
Wie können Psychoanalytiker Patienten beim Umgang mit Schmerz und Trauer helfen? Was ist ihre Rolle im Trauerprozess? Wie kann Trauer gelingen? Ziel der therapeutischen Arbeit ist es, dem Patienten Trauer zu ermöglichen und ihm zu helfen, seine Hilflosigkeit zu ertragen und seinem Leben einen Sinn zu geben.
Ilany Kogan schildert in Falldarstellungen auch die Begrenztheit therapeutischer Möglichkeiten und Analysen.

Ilany Kogan ist Psychoanalytikerin und klinische Psychologin in Israel. Sie unterrichtet an der Universität von Tel Aviv, ist Mitglied des Steering Committee of the International Trauma Center und ist durch zahlreiche Vorträge in Europa, Nordamerika und Israel bekannt.

Vorwort von Marco Conci 9
Einleitung 17
1. Die Abwehr von Schmerz und Trauer 25
ERSTER TEIL
Erschwernisse der individuellen Trauer
2. Ewig jung 39
3. Lust auf Liebe 67
ZWEITER TEIL
Unbewältigte Trauer und ihre Folgen für die Gesellschaft
4.Vom Enactment zur psychischen Repräsentation 97
5.Was es bedeutet, ein totes, geliebtes Kind zu sein 116
DRITTER TEIL
Erschwernisse der Trauer in Zeiten des Terrors
6.Wer bin ich? Trauma und Identität 157
7. Die Funktion des Analytikers in der analytischen Behandlung
in Zeiten chronischer Krisen 174
8. Die Arbeit mit Söhnen und Töchtern von HolocaustÜberlebenden
im Schatten des Terrors 198
Epilog 211
Literatur 221
Dank 240
Nachweise 241
Register 243
Über die Autorin 250

»Im Zentrum stehen der Trauerprozess und die Abwehr der schmerzhaften Trauer. Anhand von vielen Fallbeispielen und ausführlichen theoretischen Überlegungen eröffnet die Autorin für ihre Patienten Möglichkeiten einer Entwicklung hin zur allmählichen Akzeptanz der Realitäten. ... Dieses Buch ist nicht nur für die Psychotherapeuten von großem Interesse, auch interessierte Laien mit etwas Hintergrundwissen finden eine anspruchsvolle und denkwürdige Lektüre.«
Christine Weber-Herfort, Psychologie heute, Dezember 2011

»Grundüberzeugung der Autoren ist es, dass es nur nach einem gelungenen Trauerprozess möglich wird, unsere Identität zu verarbeiten und zu reorganisieren ... Die Fähigkeit zu trauern und die Fähigkeit, ein gewisses Maß an Hilflosigkeit zu ertragen und dennoch einen Sinn im Leben zu finden, sind die in diesem Band beschriebenen Ziele der analytischen Arbeit.«
Sucht, Oktober 2012

»Die Autorin ist Israelin und Psychoanalytikerin. Thema Ihres Buches ist die Möglichkeit der Psychoanalyse bei traumatisierten Einzelpersonen oder auch bei traumatisierten Gruppen, deren manische Abwehrreaktionen gegen das Erinnern zu überwinden. Nur wenn die Überwindung dieser Abwehr gelingt, ist Trauerarbeit möglich, können die traumatischen Erlebnisse aufgearbeitet werden und Seele und Körper wieder gesunden ... Auffällig ist, wie sehr die Autorin Gegenübertragung zulässt, sich persönlich in ihre Fälle einbezieht, und die Gefühle ihrer Analysanden teilt ... Wegen der Offenheit, mit der die Autorin Gefühle und Reaktionen beider Partner, Analysand und Analytiker, darstellt, ist das Buch sehr empfehlenswert. Man kann für das eigene Selbstverständnis aus diesem Buch sehr viel Gewinn ziehen.«
Dr. F. Born, Hospitalhof Stuttgart, Oktober 2011

Das Buch ist ein fachpublizistischer Glücksfall psychotherapeutisch begleiteter Trauerarbeit. Mit großem Einfühlungsvermögen, reicher klinischer Praxiserfahrung, undogmatischen theoretischen Anleihen und Exkursen verfolgt Ilany Kogan das Ziel, die Integration unbewältigter, ich-dystoner Trauer anhand einzelner Momente oder Phasen der Behandlung in ihren behandlungspraktischen und -methodischen, klinischen und intersubjektiven, theoretischen und gesellschaftspolitischen Dimensionen zu konkretisieren.«
Dr. Ulrich Kobbé, socialnet.de, September 2011


Vorwort Bis vor einigen Jahren war an den Universitäten nur von »englischer« und »amerikanischer« Literatur die Rede. Inzwischen gibt es auch Lehrveranstaltungen für »kanadische«, »australische« oder »südafrikanische« Literatur. Diese Achtsamkeit auf die kulturelle Vielfalt ist nun endlich auch in der Psychoanalyse angekommen. Gerade unter diesem Aspekt können wir Ilany Kogan an erster Stelle als Repräsentantin der »neuen israelischen Psychoanalyse« vorstellen. Als Autorin veröffentlicht sie in englischer Sprache, die nicht ihre Muttersprache ist, um überall in der Welt gelesen und verstanden zu werden, und es gelingt ihr, Gedanken, Thesen und Erkenntnisse in der Weltsprache der modernen Psychoanalyse vorzutragen und zu formulieren. Wie diesem hervorragenden Sammelband zu entnehmen ist, hat Ilany Kogan die besondere Fähigkeit des Austauschs und der Kommunikation - eine Kollegin, die sehr gut formulieren und ihre Leser für ihre Themen und ihre Arbeit eindrucksvoll gewinnen kann. Diese Tugend, so persönlich in ihre Fallberichte einbezogen zu sein, wie Ilany Kogan sie häufig zu erkennen gibt, war bis vor einigen Jahren in der Psychoanalyse nicht geschätzt und schon gar nicht anerkannt. Heute endlich darf ein Therapeut auch über sich selbst und seine Erfahrungen sprechen: »Dieser Band ist aus meinen eigenen Kämpfen gegen die Trauer, deren ich mich auf professioneller wie auch auf persönlicher Ebene zu erwehren versuchte, hervorgegangen«, bekennt Ilany Kogan gleich zu Beginn der Danksagung. Die verschiedenen Themen dieses Bandes betreffen nicht nur ihre jüdische Identität und die lebenslange Verarbeitung dieses besonderen Schicksals, sondern auch die Art und Weise, wie sie sich selbst als Person und als Analytikerin erlebt und entwickelt hat; sie handeln auch von der Überwindung vieler Hindernisse, die zu ihrer Biographie gehören. »Was ist Trauer? In diesem Buch«, lesen wir in der Einleitung, »wird sie als ein Konnex von Prozessen definiert, die dem von einem Verlust betroffenen Menschen die Weiterentwicklung ermöglichen ... In diesem Band untersuche ich die Hindernisse, die sich der Trauer entgegenstellen«. Mit anderen Worten, nur nach einem gelungenen Trauerprozess wird es möglich, unsere Identität innerlich zu verarbeiten und zu reorganisieren - Voraussetzung für jede neue Lebensphase. Und das betrifft nicht nur den Einzelnen, sondern auch ganze Gruppen und Gesellschaften: Mit ihnen befasst sich die Autorin im zweiten und dritten Teil dieses Bandes. In der Einleitung bietet sie eine sehr genaue und einladende Zusammenfassung der acht Kapitel, und sie formuliert darin ihren gemeinsamen Nenner: »Die Fähigkeit zu trauern und die Fähigkeit, ein gewisses Maß an Hilflosigkeit zu ertragen und dennoch einen Sinn im Leben zu finden, sind die in diesem Band beschriebenen Ziele der analytischen Arbeit.« Die spezifische Integration von persönlicher und beruflicher Ebene, die diesen Band (wie auch zuvor Der stumme Schrei der Kinder und Flucht vor dem Selbstsein ) auszeichnet, kommt besonders durch die ungewöhnliche Fähigkeit der Autorin zum Ausdruck, ihr Denken anhand von Fallbeispielen zu vermitteln, so dass die Leser »das Gefühl« haben können (wie sie selbst in der Einleitung schreibt), »›anwesend‹ zu sein und den intimen therapeutischen Dialog minuziös zu verfolgen«. Eine solche Fähigkeit (die auch Julia Matthews in ihrer Besprechung des Buches in Psychoanalytic Quarterly sehr schätzt) erinnert an moderne Autoren wie Antonino Ferro und Thomas Ogden. Gerade diese Methode erlaubt der Autorin auch, uns zu zeigen, wie stark sie sich an der - in den einzelnen Momenten oder Phasen der Behandlung entstehenden - Übertragung der Patientin auf die Analytikerin orientiert. Besonders gut kommt dieser Aspekt in den Kapiteln: »Ewig jung« und »Lust auf Liebe« des Ersten Teils »Erschwernisse der individuellen Trauer« zum Ausdruck. »In der Übertragung fühlte ich mich wie der gewalttätige, erregende Vater-Analytiker«, berichtet die Autorin in Bezug auf eine schwierige Phase der analytischen Arbeit mit der Patientin Dina, »die sie wütend machte und von der sie sich gleichzeitig auf eine unerlaubte Weise angezogen fühlte«. Nicht weniger ambivalent war die Beziehung der Patientin zu ihrer Mutter, sodass sie »in der Übertragungsbeziehung sowohl ihre eigene Rolle als auch die ihrer instabilen Mutter spielte« und dabei der Analytikerin »die jeweils komplementäre Rolle zuwies«. Es gelang ihr, der Patientin Dina zu helfen, einen großen Teil ihrer manischen Abwehrmechanismen aufzugeben und einen echten (wenn auch nur partiellen) Trauerprozess zu durchleben, aber in der abschließenden Diskussion überlegt die Analytikerin, inwieweit sie wirklich erfolgreich war. Drehte sich der theoretische Teil der Diskussion dieses Falles um das Problem der Beendigung der Analyse, so führt die Autorin im 3. Kapitel - im Vorfeld zur Vorstellung der Patientin Deborah - das Problem der »Berührung in der analytischen Behandlung« ein. Eine erfolgreiche Frau Mitte 40, verheiratet und Mutter von sieben Kindern, versuchte Deborah »ihre innere Abgestorbenheit durch eine körperliche Beziehung zu einer Frau - zu mir in der Übertragung - manisch abzuwehren«. Der Analytikerin gelang es durch ihre konstante Aufmerksamkeit auf die Übertragungsbeziehung und durch ihre kreative Fähigkeit, Worte zu finden, durch die sich die Patientin berührt fühlte, was den beiden schließlich erlaubte, gut zusammenzuarbeiten. Trotzdem kommt die Autorin in der Diskussion noch auf das Problem der Grenzen unserer Arbeit zurück. »In Deborahs Behandlung musste ich meine Ziele revidieren«, heißt es am Ende des Beitrags, »und akzeptieren, dass eine Kompromisslösung die einzige für meine Patientin akzeptable Lösung war.« Eine weitere Dimension dieses Bandes, den man auch als eine Reihe von ineinander verflochtenen Dimensionen verstehen kann, ist der Trauerprozess selbst, der Ilany Kogan veranlasste, »in den vorliegenden Band auch Fälle aufzunehmen, die weniger erfolgreich behandelt werden konnten, und meinen therapeutischen Narzissmus durchzuarbeiten, meine analytischen Ziele neu zu definieren und über die Grenzen der Therapie zu trauern« - wie sie in der Einleitung bekennt. Gleichzeitig erleben wir in diesem lehrreichen und faszinierenden Band auch die dialektisch entgegengesetzte Dimension: wie sich die Autorin nach Kräften bemüht, gegen die Begrenzungen anzukämpfen, die unsere therapeutische Arbeit weniger erfolgreich machen, auch wie sie mit sich selbst kämpft, bis sie in Kontakt mit den eigenen persönlichen und beruflichen Grenzen kommt. Diese Dimension ihrer Arbeit kommt im Beitrag »Was es bedeutet, ein totes, geliebtes Kind zu sein« besonders bewegend zum Ausdruck - dem umfangreichsten Kapitel des ganzen Bandes: »Unbewältigte Trauer und ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft«. Hier geht es nicht nur um Nurit, eine Wissenschaftlerin, die als einziges Kind von zwei Holocaust-Überlebenden aufwuchs und eine Mutter erlebte, die sie als Ersatzkind für die eigene verlorene Tochter nahm, was die Beziehung der Patientin zu dieser Mutter und die seelische Entwicklung der Patientin sehr prägte - hier geht es auch um die Analytikerin oder um »die spezifischen Gegenübertragungsprobleme, die damit zusammenhingen, dass ich als Analytikerin derselben Großgruppe angehörte wie meine Patientin«. Nachdem es ihr gelungen war, der Patientin zu helfen, mit ihren Emotionen wieder in Kontakt zu kommen, die sie gegenüber der Mutter hatte verbergen müssen, war die Analytikerin bereit, »vorbehaltlos ihr bewusstes Gefühl zu akzeptieren, das Opfer einer Mutter zu sein, die die Realitätswahrnehmung ihres Kindes zerstörte«. Weniger bereit war sie aber, »ihre Wut auf mich zu ziehen und zu ihrem Opfer zu werden«, oder der »kritisierenden, verfolgenden Mutter« in der Übertragungsbeziehung genug Raum zu geben. Wodurch war also diese Kollusion entstanden? In der Diskussion des Falles kommt die Analytikerin noch auf den genauen Grund dieser Kollusion zu sprechen (im Sinne der Ähnlichkeiten der Mutterbeziehung von Patientin und Analytikerin). Mit exemplarischer Offenheit behandelt sie nicht nur ihren Gegenübertragungswiderstand, sondern ordnet ihn auch im Sinne des Konzepts »Regression im Dienste des Anderen« ein. »Dass ich eine Weile lang Nurits Sicht der Realität als objektive Wahrnehmung akzeptiert hatte, stärkte ihr Vertrauen in ihren Realitätssinn und ihre psychische Gesundheit. Dadurch konsolidierte sich unsere therapeutische Beziehung und wurde zu dem Hintergrund, vor dem wir später versuchen konnten, das Unbewusste bewusst zu machen.« Was die Beiträge dieses Bandes so lehrreich macht, besonders für analytische Kandidaten, aber auch für interessierte Leser, ist die außerordentliche Fähigkeit der Autorin, psychoanalytische Theorie und analytische Arbeit so klar gegenüberzustellen und doch zu integrieren. Gerade dies gehört ja zu den größten Herausforderungen unseres Berufs, denen nur wenige wirklich gerecht werden - die einen fühlen sich in der Theorie mehr zu Hause als in der Praxis und bei den anderen verhält es sich genau umgekehrt. Ein bedeutender Teil der Diskussion des Falles Dina handelt von den unterschiedlichen Kriterien für die Beendigung einer Analyse, und die Autorin führt diese Diskussion nicht nur im Fall Deborah, sondern auch im Fall Nurit weiter. Dabei fasst sie nicht nur die Literatur zum Thema zusammen, sondern sie erarbeitet auch ihr eigenes Konzept von »Behandlungs-« und »Lebenszielen«. Besonders interessant im Fall Deborah ist außerdem der theoretische Rahmen, den sie in Bezug auf ihre »deutende Aktion« darstellt, und ihre Wertungen der Arbeiten zahlreicher analytischer Autoren - von Balint bis Anzieu und von Daniel Stern bis Owen Renik. In jedem Kapitel dieses Bandes finden wir nicht nur einen faszinierenden klinischen Fall (oder sogar mehrere), sondern auch vertiefende Darstellungen einiger besonders wichtiger Theorien zum jeweiligen Fall. Im dritten Teil des Bandes, »Erschwernisse der Trauer in Zeiten des Terrors«, untersucht Ilany Kogan in den Kapiteln 7 und 8 das spannende und umstrittene Thema der Beziehung zwischen innerer Welt und äußerer Realität, das in der Psychoanalyse lange vernachlässigt wurde. In »Wer bin ich? Trauma und Identität« besteht der theoretische Teil, der ihre Darstellung der Geschichte des Protagonisten im Film Hitlerjunge Salomon begleitet, in der Auseinandersetzung mit der analytischen Literatur über das Konzept »Identität«, das erst durch Erik H. Erikson in die Psychoanalyse Eingang fand. Einerseits liegt also die Stärke der Autorin in der hohen klinischen und literarischen Qualität ihrer Arbeit, andererseits ist ihre Sichtweise in mindestens zwei theoretischen Bereichen neu und originell: an erster Stelle ihr erweitertes Konzept der Trauer, das sie im 1. Kapitel vorstellt, »Die Abwehr von Schmerz und Trauer«. Es wurde, zusammen mit dem Epilog, für dieses Buch neu geschrieben. Trauer ist hier wie im ganzen Band nicht mehr auf den Objektverlust begrenzt, sondern sie begleitet jede mögliche Trennung, jedes Trauma oder jegliche Veränderung. In dieser Hinsicht wird ihr Trauerkonzept - wie auch Julia Matthews unterstreicht - zu »einem integralen Bestandteil jeder analytischen Behandlung und jeder Übergangsphase in der Entwicklung von Individuen, Gruppen oder Gesellschaften«. Theoretisch besonders interessant ist auch das Kapitel des Zweiten Teils »Vom Enactment zur psychischen Repräsentation« mit den darin entwickelten Konzepten »Enactment«, »primitive Identifizierung« und »Loch in der Seele«. Geht es bei dem ersten Konzept um »die Externalisierung traumatischer Themen der Vergangenheit« und beim zweiten um »die Unfähigkeit der Nachkommen, zu einer Selbstdifferenzierung zu gelangen und sich ein eigenes Leben aufzubauen«, wird das so genannte Loch in der Seele als Zustand beschrieben, in dem »die bewusste Unkenntnis über den Holocaust (das Loch) Seite an Seite mit dem unbewussten Wissen um den Holocaust« steht. Drei klinische Vignetten (Rachel, Hannah und Kay) veranschaulichen gemäß diesen Konzepten die Dynamik der intergenerationellen Vermittlung des Holocaust-Traumas. Sehr lehrreich für uns und im Einklang mit einer der Hauptrichtungen der modernen Psychoanalyse nimmt Ilany Kogan die Psychoanalyse von Freud bis in die Gegenwart bei der Entwicklung ihrer eigenen Arbeitsweise zur Kenntnis. Ganz ähnlich geht auch Stefano Bolognini vor, dessen Buch Die psychoanalytische Einfühlung ebenfalls auf Deutsch vorliegt. Ilany Kogan bezieht sich auf Freud bei der Bearbeitung des Themas »Enactment«; ihm war schon damals klar, dass »das Kommunizieren durch Agieren mindestens ebenso wertvoll wie das Kommunizieren durch Erinnern« ist. Andererseits unterstreicht die Autorin den entscheidenden Beitrag Melanie Kleins zur Klärung und Definition des Konzepts der manischen Abwehrmechanismen. Bei der Einschätzung des Werts und der Rolle der äußeren Realität vertritt Ilany Kogan freilich einen genau entgegengesetzten Standpunkt. Bemerkenswert ist also nicht nur ihre große Offenheit gegenüber den Hauptströmungen der Psychoanalyse, sondern auch ihre Eigenständigkeit. Ähnlich groß ist außerdem die Gruppe der zeitgenössischen Autoren, deren Beiträge Ilany Kogan heranzieht und würdigt. In dieser Hinsicht kann die periphere Stellung der israelischen - wie auch der italienischen - Psychoanalyse in unserer Disziplin Vorteile mit sich bringen: einerseits mit der weltweiten Psychoanalyse (und nicht nur mit einer bestimmten, an einem Ort wie London oder New York führenden Schule) in Kontakt zu kommen, andererseits auch kritische Distanz zu den einzelnen abweichenden Schulen aufrechtzuerhalten. Auch in diesem Sinne sprach ich am Anfang von der »neuen israelischen Psychoanalye«, zu der auch die allzu früh verstorbene Kollegin Ruth Stein und Emanuel Berman gehören. Es ist die lingua franca , die »freie Sprache« der heutigen Psychoanalyse, die Ilany Kogan so gut vertritt. Sie war noch Ausbildungskandidatin, als sie im Juli 1985 bei der Hamburger Tagung der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung anstelle des todkranken Hillel Klein den von ihnen gemeinsam vorbereiteten Vortrag »Identification and denial in the shadow of Nazism« hielt (vgl. die Vorbemerkung in ihrem Buch Der stumme Schrei der Kinder ), und sie nahm an den meisten nachfolgenden Tagungen der IPV aktiv teil. Sie stellte nicht nur bei diesen Gelegenheiten regelmäßig ihre eigenen Arbeiten vor, sie beteiligte sich auch aktiv am internationalen psychoanalytischen Diskurs, in dem sie in den letzten Jahren führend geworden ist. Auch einige Beiträge dieses Bandes hat sie zunächst bei IPV-Tagungen in Amsterdam, Barcelona und New Orleans vorgestellt, und ihre profunde Kenntnis der psychoanalytischen Weltliteratur ist eher dem lebendigen Austausch mit zahlreichen Kolleginnen und Kollegen zu verdanken als nur der einfachen Lektüre von Büchern und Zeitschriften. Eine solche Bereitschaft zur Kommunikation, die zweifellos auch zu ihrer außerordentlichen Fähigkeit beiträgt, Theorie und Praxis zu integrieren, ist unter Fachkollegen nicht so leicht zu finden. Diese Hingabe an die kommunikative Psychoanalyse mag auch erklären, warum Ilany Kogan den ihr von Hillel Klein übertragenen »Auftrag zur Fortsetzung« (vgl. die oben zitierte »Vorbemerkung«) so hervorragend erfüllte: einerseits den Nachkommen der Holocaust-Überlebenden zu helfen, die Last der Vergangenheit zu bearbeiten, und andererseits das von H. Klein begonnene Projekt konsequent weiterzuführen und immer neue Brücken zur deutschen psychoanalytischen Gemeinschaft aufzubauen. Als sympathische, warmherzige und altruistische Persönlichkeit ist sie seit vielen Jahren nicht nur durch ihre Vorträge, sondern auch durch regelmäßige Supervisionstätigkeit (in Frankfurt, Hamburg, München und Aachen) an der Weiterbildung vieler deutscher Kolleginnen und Kollegen beteiligt. Dazu gehört auch die deutsche Ausgabe dieses neuen Bandes, den Elisabeth Vorspohl ins Deutsche übersetzte. Jane Kite bezeichnete den Band am Ende ihrer Besprechung im International Journal of Psychoanalysis als »an enormously creative personal and professional autobiography«, und dem kann man nur zustimmen, wenn man sich bei der Lektüre auf eine besondere Analytikerpersönlichkeit und ihr einzigartiges Schicksal einlässt. München, im Juli 2010 Marco Conci Einleitung Gib Worte deinem Schmerz: Gram, der nicht spricht, Presst das beladne Herz, bis dass es bricht. WILLIAM SHAKESPEARE, MACBETH, IV.III »Wir alle trauern: C'est la condition humaine « - mit diesen Worten beschrieb Henri Parens (2001) die Unmöglichkeit, das Leben abzuschirmen gegen das, was nicht abzuwenden ist, sei es der Verlust der vertrauten Umgebung, das Alter oder der Tod. Doch nicht immer können wir trauern, denn häufig nehmen wir die Realität verzerrt wahr oder verleugnen unsere Verluste. Was ist Trauer? In diesem Buch wird sie als ein Konnex von Prozessen definiert, die dem Menschen, wenn er von einem Verlust betroffen wurde, die Weiterentwicklung ermöglichen. Dazu zählen die Anerkennung der Realität und die Neuanpassung an die veränderten Umstände. Trauer bedeutet, die eigene, chronische Verwundbarkeit für Verlust und Verrat sowie die persönlichen Grenzen und die Endlichkeit allen Lebens anzuerkennen. Der Schmerz, der sich mit dem Gewahrwerden dieser Verlustreaktionen einstellt, macht es uns bisweilen unmöglich, den Trauerprozess zu durchlaufen. Häufig versuchen wir, uns vor diesem Leid mit Hilfe verschiedenartiger Abwehrmechanismen zu schützen. Die Trauer ist notwendig, weil sie uns in die Lage versetzt, auf Bindungen und Einstellungen zu verzichten, die ihren Sinn in der Realität verloren haben; deshalb fördert sie das psychische Wachstum und die Weiterentwicklung. Freud (1912-13a) definierte das Resultat der Trauerarbeit folgendermaßen: »Die Trauer hat eine ganz bestimmte psychische Aufgabe zu erledigen, sie soll die Erinnerungen und Erwartungen der Überlebenden von den Toten ablösen« (S. 82). Anna Freud ([1960] 1987) fasste diese Definition in andere Worte: »Trauerarbeit im analytischen Sinn bedeutet für uns den Versuch, eine äußere Tatsache (Verlust des besetzten Objekts) zu akzeptieren und entsprechende innere Veränderungen (Abziehung der Libido vom verlorenen Objekt, Identifizierung mit ihm) herbeizuführen« (S. 1782). John Bowlby (1960) verstand unter Trauer den psychischen Prozess, der durch den Verlust des Liebesobjekts ausgelöst wird, und war der Ansicht, dass dieser Prozess normalerweise den Verzicht auf das Objekt nach sich zieht. Das Durcharbeiten des Trauerprozesses führt schließlich zu einer besseren Differenzierung zwischen Selbst und Objekt, Vergangenheit und Gegenwart, Realität und Phantasie. Es bewirkt auch eine Reorganisation des Ichs und eine reibungslosere Interaktion zwischen der inneren und der äußeren Welt. Der Trauerprozess erleichtert die Integration dissoziierter Selbstanteile und die Konsolidierung des Identitätsgefühls (Grinberg, 1992). In diesem Buch untersuche ich die Hindernisse, die sich der Trauer entgegenstellen. Mit Hilfe von Fallbeispielen versuche ich, ein Verständnis der Erschwernisse der Trauerarbeit in spezifischen Situationen zu vermitteln und das therapeutische Instrumentarium zu beschreiben, das zur Einleitung einer gesunderen Weiterentwicklung benutzt wurde. Das Buch konzentriert sich in erster Linie auf verschiedenartige Abwehrmechanismen, ihre Funktion und Relevanz, sowie auf die Schwierigkeit, sie aufzugeben. Es wirft gleichfalls Licht auf die problematischen Situationen, vor die ich mich als Behandlerin in diesen Kontexten gestellt sah. Ich habe im Laufe der Jahre erkannt, dass ich mein Denken am besten anhand von Fallbeispielen vermitteln kann. Deshalb erforsche ich die langwierige und beängstigende Reise zur Trauer, indem ich detailliert über die Analysen von Patienten berichte, die mannigfaltige Abwehrmechanismen aktivierten, um den Schmerz, welcher der Trauer innewohnt, nicht erleiden müssen. Viele Berichte werde ich mit Auszügen aus meinen Stundenprotokollen illustrieren. Sie sollen dem Leser das Gefühl vermitteln, »anwesend« zu sein und den intimen therapeutischen Dialog minuziös zu verfolgen, um die Probleme und Schwierigkeiten kennenzulernen, die Verlusterfahrungen sowohl für die Patienten als auch für die Analytikerin mit sich bringen. Eine Bemerkung über mein erstes Buch, Der stumme Schrei der Kinder (1995, deutsch 2009), fand in mir Widerhall und diente mir als Auslöser, um das vorliegende Buch zu schreiben. »Alle Behandlungen, über die du in deinem Buch berichtest, verliefen erfolgreich«, lautete der besagte Kommentar. Als ich darüber nachdachte, fragte ich mich, inwieweit wir als Analytiker die Entscheidungen mitbestimmen, die unsere Patienten in der Analyse und in ihrem Leben außerhalb des Behandlungszimmers treffen. Poland (2006) hat dies wunderschön formuliert: »Der Analytiker ist ein Übersetzer, und der Übersetzer hat kein Recht, zu bestimmen, wie der Patient/der Autor diese Geschichte weiterlaufen lässt, oder auch nur, für welchen Schluss er sich entscheidet. Die Aufgabe des Analytikers, Fragen zu stellen, schmälert nicht im Geringsten das Recht des Patienten, individuelle, persönliche Antworten zu geben.« Und tatsächlich beruhte das erfolgreiche Behandlungsergebnis in vielen meiner Fälle weitgehend auf einer Entscheidung, die der Patient getroffen hat. Gleichwohl war es meine eigene Entscheidung, in jenem ersten Buch vorwiegend Behandlungen mit erfolgreichem Ausgang vorzustellen - offenbar ein Ausdruck meiner omnipotenten Phantasien über das, was die Therapie zu erreichen vermag. Diese Erkenntnis hat mich bewogen, in das vorliegende Buch auch Behandlungen aufzunehmen, die weniger erfolgreich ausgingen, und meinen therapeutischen Narzissmus durchzuarbeiten, meine analytischen Ziele neu zu definieren und über die Grenzen der Therapie zu trauern. Schafer (1973) beschrieb, welch weitreichende persönliche Folgen die Grenzen der Analyse für den Therapeuten haben: »Sie zwingen ihn anzuerkennen, dass seine Effektivität als Heiler ziemlich begrenzt ist, das heißt, dass wichtige narzisstische Vorstellungen, die er von sich selbst hat, und Ideale, an denen er sich orientiert, durch Erfahrung radikal widerlegt werden. Die Wurzeln dieser Vorstellungen und Ideale gründen in infantilen Omnipotenzphantasien, die niemals vollständig aufgegeben werden« (S. 138). Das Buch beschreibt Behandlungen, die mich mit den Grenzen meiner therapeutischen Fähigkeiten konfrontierten und in denen die analytischen Ziele mit mehr oder weniger großem Erfolg erreicht wurden. Wie wir »analytische Ziele« definieren und welch unterschiedliche Bedeutungen die Therapeutin beziehungsweise die individuellen Patienten mit einer »erfolgreichen« Therapie verbinden, werde ich in einigen Kapiteln ebenfalls diskutieren. Im ersten Teil des Buchs, Kapitel 1 und 2, erforsche ich die manischen Abwehrmechanismen und die Verleugnung. Zur Illustration dienen Berichte über Patienten, deren manische Abwehr ihnen das Überleben ermöglichte, weil diese Abwehr sie vor Fragmentierung und psychischem Tod schützte. Die beiden Kapitel lassen weder die Zweifel außer Acht, die mich als Analytikerin bei dem Gedanken plagten, welch hohen Preis die Patienten für den Verzicht auf diese Abwehrmechanismen zahlen müssen, noch meine Schwierigkeiten, sie auf ihrem steinigen Weg zur Trauer zu führen. Im zweiten Teil verlasse ich die individuelle Ebene, um die Auswirkungen der unbewältigten Trauer auf Großgruppen zu beschreiben. In den Kapiteln 4 und 5 konzentriere ich mich insbesondere auf die intergenerationelle Weitergabe des Holocaust-Traumas und der damit verbundenen traumatischen Phantasien in Israel sowie auf die Folgen, die diese Transmission für eine ganze Generation hat. Die Integration der Opfer- und Täter-Selbstrepräsentationen, die auch jene beeinflusst, die nicht direkt vom Holocaust betroffen waren (Moses, 1993; Volkan, 1998; Volkan et al., 2002; Brenner, 2002a), hat in weiten Teilen der israelischen Gesellschaft ihre Spuren hinterlassen. Auch dieses Thema wird in den Kapiteln des zweiten Teils erörtert. Das klinische Material veranschaulicht, welche Methoden die Nachkommen der Holocaust-Überlebenden zu Hilfe nehmen, um mit dem Schmerz und der Trauer, die ihnen von den Eltern vermittelt wurden, umzugehen. Erforscht werden Inszenierungen und wiedergutmachende Abwehrmethoden, die zum Beispiel in kreativer Tätigkeit Ausdruck finden. Während der zweite Teil des Buchs nach Antworten auf die Frage sucht, wie sich die unbewältigte Trauer von Eltern, die den Holocaust überlebt haben, in normalen Lebenssituationen auf ihre Kinder auswirkt, erforscht der dritte und letzte Teil die Unfähigkeit zu trauern in akut lebensbedrohlichen Situationen sowie die Schwierigkeiten, im Schatten des Terrors die Psychoanalyse zu praktizieren. Das erste Kapitel dieses Teils unterscheidet sich insofern von allen übrigen, als es einen Film zum Gegenstand psychoanalytischer Betrachtungen macht, nämlich das Werk Hitlerjunge Salomon , das vom Fehlen der Trauer und dessen Auswirkungen auf die Identität des Titelhelden handelt. Die beiden letzten Kapitel sind dem Thema »Psychoanalyse im Schatten des Terrors« und dem Eindringen der traumatischen äußeren Realität in die Behandlung gewidmet. Das 8. Kapitel veranschaulicht, wie sich die traumatische äußere Realität mit der inneren Realität verflechten und auf diese Weise die manischen Abwehrmechanismen intensivieren kann; betroffen sind davon insbesondere die Kinder von Holocaust-Überlebenden, die häufig von der traumatischen Vergangenheit ihrer Eltern gefangen gehalten werden. Wenngleich ich das Eindringen der äußeren traumatischen Realität in die Behandlung unter dem Blickwinkel meiner klinischen Erfahrung schildere, die ich in Israel in Situationen der chronischen Krisen gesammelt habe, ist das Thema meiner Ansicht nach von genereller Relevanz. Die Ereignisse, die sich am 11. September 2001 in den Vereinigten Staaten abspielten, und die Bombenanschläge in London und Madrid, deren Opfer verstümmelt oder getötet wurden, verursachten tiefes Leid, Zerstörungen ungeheuren Ausmaßes und Traumatisierungen auf individueller wie auch kollektiver Ebene. In solchen Zeiten als Analytiker zu praktizieren wirft immense Probleme auf: »Ich bin nicht sicher, ob man jemals hinreichend vorbereitet oder ›ausgebildet‹ sein kann, um zu wissen, was man in solchen Situationen sagen soll«, schreibt Brenner (2002b). Nach meiner Erfahrung erfordert die analytische Praxis im Schatten des Terrors, dass sich der Analytiker mit bestimmten behandlungsrelevanten Themen auseinandersetzt: mit der Beeinflussung der Abwehr beider Partner des analytischen Paares durch die traumatische Realität und mit der Rolle des Analytikers in einer Situation, in der beider Leben gefährdet ist. Das bedeutet, dass der Analytiker seine eigenen Reaktionen auf die äußere Realität erkennen und anerkennen muss. Die wichtigsten Fragen, die ich in diesem Buch stelle, lauten: Wie hilft der Analytiker dem Patienten, mit Schmerz und Trauer in Berührung zu kommen? Ist der Verzicht auf Abwehrmechanismen immer wünschenswert? Und welche Funktion kommt dem Analytiker in diesen Fällen zu? Sollte er sich bemühen, seinen Patienten das Aufgeben von Abwehrmechanismen zu erleichtern, die sie womöglich als unabdingbare Voraussetzung ihres ohnehin prekären psychischen Überlebens betrachten? Oder sollte er sie auf ihrem Weg zur Selbstentdeckung begleiten, an dessen Ende der Verzicht auf die Abwehrmechanismen stehen kann, aber nicht stehen muss, wenn der Patient mit den Schmerz- und Trauergefühlen konfrontiert wird, die dem Trauma inhärent sind? Der Einsatz verschiedenartiger Abwehrmechanismen und die daraus resultierende unerledigte Trauerarbeit spiegeln die Intensität der Angst und Qual wider, die den Patienten auf seinem Weg zur Trauer begleiten. Die Fähigkeit zu trauern und die Fähigkeit, ein gewisses Maß an Hilflosigkeit zu ertragen und dennoch einen Sinn im Leben zu finden, sind die in diesem Buch beschriebenen Ziele der analytischen Arbeit. Die klinischen Kapitel illustrieren den Weg, der über Schmerz und Trauer zu einem kohärenteren, besser integrierten Selbst führt. Im Folgenden fasse ich sie kurz zusammen. Im 2. Kapitel, »Ewig jung«, beschreibe ich den Weg einer Patientin von der manischen Abwehr zur Trauer unter dem Blickwinkel der Beendigungsphase ihrer Analyse. In dieser Phase müssen sich beide Beteiligte des analytischen Paares ihren omnipotenten Vorstellungen über das Leben und über die Psychoanalyse stellen. Illustriert wird das Thema mit Hilfe der Fallgeschichte einer vierzigjährigen Frau, die ihre Sehnsucht nach ewiger Jugend und Unsterblichkeit durch obsessive Bemühungen, ein drittes Kind zu gebären, zu stillen versuchte. Die Geburt des Kindes war ein omnipotentes Enactment, das der Verleugnung der inneren wie auch der äußeren Realität diente. Die Diskussion zeigt, welchen Einfluss die Angst vor Weiterentwicklung, Alter und Tod auf beide Beteiligte ausübte; sie macht deutlich, wie schwierig es für die Analytikerin war, der Versuchung zu widerstehen, diese depressive Angst in einer Kollusion mit der Patientin zu meiden. Im 3. Kapitel, »Lust auf Liebe«, berichte ich über die Behandlung einer Patientin, die der Abgestorbenheit ihrer Gefühle und ihren Selbstschädigungsphantasien erotische Aktivitäten - homosexuelle Affären und die Arbeit in einer Klinik für Sexualtherapie - entgegensetzte, um sich lebendig fühlen zu können. Ihre hartnäckige Forderung, die Analytikerin zu berühren und von ihr berührt zu werden, stellte die Fortführung der Therapie in Frage. Gleichzeitig war zu befürchten, dass sie auf eine gefährliche Weise agieren würde, wenn die Analytikerin ihr nicht irgendwie entgegenkäme. Geschildert wird, wie eine verbale Interaktion mit der Analytikerin, die von der Patientin als körperliche Berührung erlebt wurde, die Fortsetzung der Analyse und das Durcharbeiten der manischen Abwehrmechanismen ermöglichte. Das 4. Kapitel, »Vom Enactment zur psychischen Repräsentation«, handelt von den Folgen der traumatischen Holocaust-Vergangenheit für die Kinder der Überlebenden. Diese versehrten Eltern, die ihre Trauer nicht bewältigen konnten, haben Aggression und Schmerz häufig an die Nachkommen übertragen. Dies hat eine ganze Generation beeinträchtigt und sich auch auf die Gesellschaft insgesamt ausgewirkt. Ich untersuche hier, wie Nachkommen von Holocaust-Überlebenden die Trauer, die ihre Eltern an sie weitergegeben haben, durch den Mechanismus der Inszenierung - des Enactment - zu meiden versuchen. Fallmaterial illustriert den Prozess, der die Inszenierung in psychische Repräsentation transformiert und damit die Voraussetzung für den Beginn der Trauerarbeit schafft. Im 5. Kapitel, »Was es bedeutet, ein totes geliebtes Kind zu sein«, beschreibe ich ausführlich die langwierige Analyse einer Patientin, die zum Ersatzkind für ihre Eltern wurde, nachdem beide im Holocaust ein Kind aus ihren früheren Ehen verloren hatten. Im Zentrum der Analyse standen die omnipotente Phantasie der Mutter, ihr totes geliebtes Kind durch das lebende Kind wieder zum Leben zu erwecken, der Einfluss dieser Phantasie auf die Mutter-Kind-Beziehung und ihre Auswirkungen auf die Charakterstruktur des Kindes. Darüber hinaus erhellt die Falldiskussion die Gegenübertragungsschwierigkeiten der Therapeutin, die derselben traumatisierten Großgruppe angehört wie die Patientin. Das 6. Kapitel, »Wer bin ich? Trauma und Identität«, ist eine psychoanalytische Untersuchung über den Film Hitlerjunge Salomon. Dieser Film handelt von einem jüdischen Jungen, der während des Holocaust von einem Land ins andere und von einer Kultur in die andere flüchtet, um sein Leben zu retten. Er verbringt mehrere Jahre in einer Eliteschule des NS-Regimes, wo er sich erfolgreich als Arier ausgibt. Das Kapitel illustriert, dass das Blockieren der Trauer in lebensgefährlichen Situationen tatsächlich dem Überleben dienen kann, und untersucht den emotionalen Preis, der dafür zu zahlen ist. In Kapitel 7 und 8 beschreibe ich Patienten, deren manische Abwehr durch die Konfrontation mit einer traumatischen äußeren Realität verstärkt wurde. Weil diese Analysen unter dem Schatten des Terrors stattfanden, tauchten besondere Schwierigkeiten auf. Beide Kapitel zeigen, dass die Wahrnehmung der bedrohlichen äußeren Realität das Holocaust-Trauma im Unbewussten von Individuen aktiviert, die direkt oder indirekt vom Holocaust betroffen waren, und deshalb Folgen für einen Großteil der israelischen Gesellschaft hat. Im 7. Kapitel, »Die Funktion des Analytikers in der analytischen Behandlung in Zeiten chronischer Krisen«, untersuche ich die problematische Rolle, die dem Analytiker/der Analytikerin in Krisenzeiten zukommt, und den Einfluss der gemeinsamen lebensbedrohlichen Situation auf die Abwehr beider Partner des analytischen Paares. Im 8. Kapitel, »Die Arbeit mit Söhnen und Töchtern von Holocaust-Überlebenden im Schatten des Terrors«, untersuche ich die Auswirkungen traumatischer äußerer Reize auf die Realitätswahrnehmung und auf die Abwehrmechanismen der Kinder von Holocaust-Überlebenden.

Vorwort Bis vor einigen Jahren war an den Universitäten nur von »englischer« und »amerikanischer« Literatur die Rede. Inzwischen gibt es auch Lehrveranstaltungen für »kanadische«, »australische« oder »südafrikanische« Literatur. Diese Achtsamkeit auf die kulturelle Vielfalt ist nun endlich auch in der Psychoanalyse angekommen. Gerade unter diesem Aspekt können wir Ilany Kogan an erster Stelle als Repräsentantin der »neuen israelischen Psychoanalyse« vorstellen. Als Autorin veröffentlicht sie in englischer Sprache, die nicht ihre Muttersprache ist, um überall in der Welt gelesen und verstanden zu werden, und es gelingt ihr, Gedanken, Thesen und Erkenntnisse in der Weltsprache der modernen Psychoanalyse vorzutragen und zu formulieren. Wie diesem hervorragenden Sammelband zu entnehmen ist, hat Ilany Kogan die besondere Fähigkeit des Austauschs und der Kommunikation – eine Kollegin, die sehr gut formulieren und ihre Leser für ihre Themen und ihre Arbeit eindrucksvoll gewinnen kann. Diese Tugend, so persönlich in ihre Fallberichte einbezogen zu sein, wie Ilany Kogan sie häufig zu erkennen gibt, war bis vor einigen Jahren in der Psychoanalyse nicht geschätzt und schon gar nicht anerkannt. Heute endlich darf ein Therapeut auch über sich selbst und seine Erfahrungen sprechen: »Dieser Band ist aus meinen eigenen Kämpfen gegen die Trauer, deren ich mich auf professioneller wie auch auf persönlicher Ebene zu erwehren versuchte, hervorgegangen«, bekennt Ilany Kogan gleich zu Beginn der Danksagung. Die verschiedenen Themen dieses Bandes betreffen nicht nur ihre jüdische Identität und die lebenslange Verarbeitung dieses besonderen Schicksals, sondern auch die Art und Weise, wie sie sich selbst als Person und als Analytikerin erlebt und entwickelt hat; sie handeln auch von der Überwindung vieler Hindernisse, die zu ihrer Biographie gehören. »Was ist Trauer? In diesem Buch«, lesen wir in der Einleitung, »wird sie als ein Konnex von Prozessen definiert, die dem von einem Verlust betroffenen Menschen die Weiterentwicklung ermöglichen ... In diesem Band untersuche ich die Hindernisse, die sich der Trauer entgegenstellen«. Mit anderen Worten, nur nach einem gelungenen Trauerprozess wird es möglich, unsere Identität innerlich zu verarbeiten und zu reorganisieren – Voraussetzung für jede neue Lebensphase. Und das betrifft nicht nur den Einzelnen, sondern auch ganze Gruppen und Gesellschaften: Mit ihnen befasst sich die Autorin im zweiten und dritten Teil dieses Bandes. In der Einleitung bietet sie eine sehr genaue und einladende Zusammenfassung der acht Kapitel, und sie formuliert darin ihren gemeinsamen Nenner: »Die Fähigkeit zu trauern und die Fähigkeit, ein gewisses Maß an Hilflosigkeit zu ertragen und dennoch einen Sinn im Leben zu finden, sind die in diesem Band beschriebenen Ziele der analytischen Arbeit.« Die spezifische Integration von persönlicher und beruflicher Ebene, die diesen Band (wie auch zuvor Der stumme Schrei der Kinder und Flucht vor dem Selbstsein ) auszeichnet, kommt besonders durch die ungewöhnliche Fähigkeit der Autorin zum Ausdruck, ihr Denken anhand von Fallbeispielen zu vermitteln, so dass die Leser »das Gefühl« haben können (wie sie selbst in der Einleitung schreibt), »›anwesend‹ zu sein und den intimen therapeutischen Dialog minuziös zu verfolgen«. Eine solche Fähigkeit (die auch Julia Matthews in ihrer Besprechung des Buches in Psychoanalytic Quarterly sehr schätzt) erinnert an moderne Autoren wie Antonino Ferro und Thomas Ogden. Gerade diese Methode erlaubt der Autorin auch, uns zu zeigen, wie stark sie sich an der – in den einzelnen Momenten oder Phasen der Behandlung entstehenden – Übertragung der Patientin auf die Analytikerin orientiert. Besonders gut kommt dieser Aspekt in den Kapiteln: »Ewig jung« und »Lust auf Liebe« des Ersten Teils »Erschwernisse der individuellen Trauer« zum Ausdruck. »In der Übertragung fühlte ich mich wie der gewalttätige, erregende Vater-Analytiker«, berichtet die Autorin in Bezug auf eine schwierige Phase der analytischen Arbeit mit der Patientin Dina, »die sie wütend machte und von der sie sich gleichzeitig auf eine unerlaubte Weise angezogen fühlte«. Nicht weniger ambivalent war die Beziehung der Patientin zu ihrer Mutter, sodass sie »in der Übertragungsbeziehung sowohl ihre eigene Rolle als auch die ihrer instabilen Mutter spielte« und dabei der Analytikerin »die jeweils komplementäre Rolle zuwies«. Es gelang ihr, der Patientin Dina zu helfen, einen großen Teil ihrer manischen Abwehrmechanismen aufzugeben und einen echten (wenn auch nur partiellen) Trauerprozess zu durchleben, aber in der abschließenden Diskussion überlegt die Analytikerin, inwieweit sie wirklich erfolgreich war. Drehte sich der theoretische Teil der Diskussion dieses Falles um das Problem der Beendigung der Analyse, so führt die Autorin im 3. Kapitel – im Vorfeld zur Vorstellung der Patientin Deborah – das Problem der »Berührung in der analytischen Behandlung« ein. Eine erfolgreiche Frau Mitte 40, verheiratet und Mutter von sieben Kindern, versuchte Deborah »ihre innere Abgestorbenheit durch eine körperliche Beziehung zu einer Frau – zu mir in der Übertragung – manisch abzuwehren«. Der Analytikerin gelang es durch ihre konstante Aufmerksamkeit auf die Übertragungsbeziehung und durch ihre kreative Fähigkeit, Worte zu finden, durch die sich die Patientin berührt fühlte, was den beiden schließlich erlaubte, gut zusammenzuarbeiten. Trotzdem kommt die Autorin in der Diskussion noch auf das Problem der Grenzen unserer Arbeit zurück. »In Deborahs Behandlung musste ich meine Ziele revidieren«, heißt es am Ende des Beitrags, »und akzeptieren, dass eine Kompromisslösung die einzige für meine Patientin akzeptable Lösung war.« Eine weitere Dimension dieses Bandes, den man auch als eine Reihe von ineinander verflochtenen Dimensionen verstehen kann, ist der Trauerprozess selbst, der Ilany Kogan veranlasste, »in den vorliegenden Band auch Fälle aufzunehmen, die weniger erfolgreich behandelt werden konnten, und meinen therapeutischen Narzissmus durchzuarbeiten, meine analytischen Ziele neu zu definieren und über die Grenzen der Therapie zu trauern« – wie sie in der Einleitung bekennt. Gleichzeitig erleben wir in diesem lehrreichen und faszinierenden Band auch die dialektisch entgegengesetzte Dimension: wie sich die Autorin nach Kräften bemüht, gegen die Begrenzungen anzukämpfen, die unsere therapeutische Arbeit weniger erfolgreich machen, auch wie sie mit sich selbst kämpft, bis sie in Kontakt mit den eigenen persönlichen und beruflichen Grenzen kommt. Diese Dimension ihrer Arbeit kommt im Beitrag »Was es bedeutet, ein totes, geliebtes Kind zu sein« besonders bewegend zum Ausdruck – dem umfangreichsten Kapitel des ganzen Bandes: »Unbewältigte Trauer und ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft«. Hier geht es nicht nur um Nurit, eine Wissenschaftlerin, die als einziges Kind von zwei Holocaust-Überlebenden aufwuchs und eine Mutter erlebte, die sie als Ersatzkind für die eigene verlorene Tochter nahm, was die Beziehung der Patientin zu dieser Mutter und die seelische Entwicklung der Patientin sehr prägte – hier geht es auch um die Analytikerin oder um »die spezifischen Gegenübertragungsprobleme, die damit zusammenhingen, dass ich als Analytikerin derselben Großgruppe angehörte wie meine Patientin«. Nachdem es ihr gelungen war, der Patientin zu helfen, mit ihren Emotionen wieder in Kontakt zu kommen, die sie gegenüber der Mutter hatte verbergen müssen, war die Analytikerin bereit, »vorbehaltlos ihr bewusstes Gefühl zu akzeptieren, das Opfer einer Mutter zu sein, die die Realitätswahrnehmung ihres Kindes zerstörte«. Weniger bereit war sie aber, »ihre Wut auf mich zu ziehen und zu ihrem Opfer zu werden«, oder der »kritisierenden, verfolgenden Mutter« in der Übertragungsbeziehung genug Raum zu geben. Wodurch war also diese Kollusion entstanden? In der Diskussion des Falles kommt die Analytikerin noch auf den genauen Grund dieser Kollusion zu sprechen (im Sinne der Ähnlichkeiten der Mutterbeziehung von Patientin und Analytikerin). Mit exemplarischer Offenheit behandelt sie nicht nur ihren Gegenübertragungswiderstand, sondern ordnet ihn auch im Sinne des Konzepts »Regression im Dienste des Anderen« ein. »Dass ich eine Weile lang Nurits Sicht der Realität als objektive Wahrnehmung akzeptiert hatte, stärkte ihr Vertrauen in ihren Realitätssinn und ihre psychische Gesundheit. Dadurch konsolidierte sich unsere therapeutische Beziehung und wurde zu dem Hintergrund, vor dem wir später versuchen konnten, das Unbewusste bewusst zu machen.« Was die Beiträge dieses Bandes so lehrreich macht, besonders für analytische Kandidaten, aber auch für interessierte Leser, ist die außerordentliche Fähigkeit der Autorin, psychoanalytische Theorie und analytische Arbeit so klar gegenüberzustellen und doch zu integrieren. Gerade dies gehört ja zu den größten Herausforderungen unseres Berufs, denen nur wenige wirklich gerecht werden – die einen fühlen sich in der Theorie mehr zu Hause als in der Praxis und bei den anderen verhält es sich genau umgekehrt. Ein bedeutender Teil der Diskussion des Falles Dina handelt von den unterschiedlichen Kriterien für die Beendigung einer Analyse, und die Autorin führt diese Diskussion nicht nur im Fall Deborah, sondern auch im Fall Nurit weiter. Dabei fasst sie nicht nur die Literatur zum Thema zusammen, sondern sie erarbeitet auch ihr eigenes Konzept von »Behandlungs-« und »Lebenszielen«. Besonders interessant im Fall Deborah ist außerdem der theoretische Rahmen, den sie in Bezug auf ihre »deutende Aktion« darstellt, und ihre Wertungen der Arbeiten zahlreicher analytischer Autoren – von Balint bis Anzieu und von Daniel Stern bis Owen Renik. In jedem Kapitel dieses Bandes finden wir nicht nur einen faszinierenden klinischen Fall (oder sogar mehrere), sondern auch vertiefende Darstellungen einiger besonders wichtiger Theorien zum jeweiligen Fall. Im dritten Teil des Bandes, »Erschwernisse der Trauer in Zeiten des Terrors«, untersucht Ilany Kogan in den Kapiteln 7 und 8 das spannende und umstrittene Thema der Beziehung zwischen innerer Welt und äußerer Realität, das in der Psychoanalyse lange vernachlässigt wurde. In »Wer bin ich? Trauma und Identität« besteht der theoretische Teil, der ihre Darstellung der Geschichte des Protagonisten im Film Hitlerjunge Salomon begleitet, in der Auseinandersetzung mit der analytischen Literatur über das Konzept »Identität«, das erst durch Erik H. Erikson in die Psychoanalyse Eingang fand. Einerseits liegt also die Stärke der Autorin in der hohen klinischen und literarischen Qualität ihrer Arbeit, andererseits ist ihre Sichtweise in mindestens zwei theoretischen Bereichen neu und originell: an erster Stelle ihr erweitertes Konzept der Trauer, das sie im 1. Kapitel vorstellt, »Die Abwehr von Schmerz und Trauer«. Es wurde, zusammen mit dem Epilog, für dieses Buch neu geschrieben. Trauer ist hier wie im ganzen Band nicht mehr auf den Objektverlust begrenzt, sondern sie begleitet jede mögliche Trennung, jedes Trauma oder jegliche Veränderung. In dieser Hinsicht wird ihr Trauerkonzept – wie auch Julia Matthews unterstreicht – zu »einem integralen Bestandteil jeder analytischen Behandlung und jeder Übergangsphase in der Entwicklung von Individuen, Gruppen oder Gesellschaften«. Theoretisch besonders interessant ist auch das Kapitel des Zweiten Teils »Vom Enactment zur psychischen Repräsentation« mit den darin entwickelten Konzepten »Enactment«, »primitive Identifizierung« und »Loch in der Seele«. Geht es bei dem ersten Konzept um »die Externalisierung traumatischer Themen der Vergangenheit« und beim zweiten um »die Unfähigkeit der Nachkommen, zu einer Selbstdifferenzierung zu gelangen und sich ein eigenes Leben aufzubauen«, wird das so genannte Loch in der Seele als Zustand beschrieben, in dem »die bewusste Unkenntnis über den Holocaust (das Loch) Seite an Seite mit dem unbewussten Wissen um den Holocaust« steht. Drei klinische Vignetten (Rachel, Hannah und Kay) veranschaulichen gemäß diesen Konzepten die Dynamik der intergenerationellen Vermittlung des Holocaust-Traumas. Sehr lehrreich für uns und im Einklang mit einer der Hauptrichtungen der modernen Psychoanalyse nimmt Ilany Kogan die Psychoanalyse von Freud bis in die Gegenwart bei der Entwicklung ihrer eigenen Arbeitsweise zur Kenntnis. Ganz ähnlich geht auch Stefano Bolognini vor, dessen Buch Die psychoanalytische Einfühlung ebenfalls auf Deutsch vorliegt. Ilany Kogan bezieht sich auf Freud bei der Bearbeitung des Themas »Enactment«; ihm war schon damals klar, dass »das Kommunizieren durch Agieren mindestens ebenso wertvoll wie das Kommunizieren durch Erinnern« ist. Andererseits unterstreicht die Autorin den entscheidenden Beitrag Melanie Kleins zur Klärung und Definition des Konzepts der manischen Abwehrmechanismen. Bei der Einschätzung des Werts und der Rolle der äußeren Realität vertritt Ilany Kogan freilich einen genau entgegengesetzten Standpunkt. Bemerkenswert ist also nicht nur ihre große Offenheit gegenüber den Hauptströmungen der Psychoanalyse, sondern auch ihre Eigenständigkeit. Ähnlich groß ist außerdem die Gruppe der zeitgenössischen Autoren, deren Beiträge Ilany Kogan heranzieht und würdigt. In dieser Hinsicht kann die periphere Stellung der israelischen – wie auch der italienischen – Psychoanalyse in unserer Disziplin Vorteile mit sich bringen: einerseits mit der weltweiten Psychoanalyse (und nicht nur mit einer bestimmten, an einem Ort wie London oder New York führenden Schule) in Kontakt zu kommen, andererseits auch kritische Distanz zu den einzelnen abweichenden Schulen aufrechtzuerhalten. Auch in diesem Sinne sprach ich am Anfang von der »neuen israelischen Psychoanalye«, zu der auch die allzu früh verstorbene Kollegin Ruth Stein und Emanuel Berman gehören. Es ist die lingua franca , die »freie Sprache« der heutigen Psychoanalyse, die Ilany Kogan so gut vertritt. Sie war noch Ausbildungskandidatin, als sie im Juli 1985 bei der Hamburger Tagung der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung anstelle des todkranken Hillel Klein den von ihnen gemeinsam vorbereiteten Vortrag »Identification and denial in the shadow of Nazism« hielt (vgl. die Vorbemerkung in ihrem Buch Der stumme Schrei der Kinder ), und sie nahm an den meisten nachfolgenden Tagungen der IPV aktiv teil. Sie stellte nicht nur bei diesen Gelegenheiten regelmäßig ihre eigenen Arbeiten vor, sie beteiligte sich auch aktiv am internationalen psychoanalytischen Diskurs, in dem sie in den letzten Jahren führend geworden ist. Auch einige Beiträge dieses Bandes hat sie zunächst bei IPV-Tagungen in Amsterdam, Barcelona und New Orleans vorgestellt, und ihre profunde Kenntnis der psychoanalytischen Weltliteratur ist eher dem lebendigen Austausch mit zahlreichen Kolleginnen und Kollegen zu verdanken als nur der einfachen Lektüre von Büchern und Zeitschriften. Eine solche Bereitschaft zur Kommunikation, die zweifellos auch zu ihrer außerordentlichen Fähigkeit beiträgt, Theorie und Praxis zu integrieren, ist unter Fachkollegen nicht so leicht zu finden. Diese Hingabe an die kommunikative Psychoanalyse mag auch erklären, warum Ilany Kogan den ihr von Hillel Klein übertragenen »Auftrag zur Fortsetzung« (vgl. die oben zitierte »Vorbemerkung«) so hervorragend erfüllte: einerseits den Nachkommen der Holocaust-Überlebenden zu helfen, die Last der Vergangenheit zu bearbeiten, und andererseits das von H. Klein begonnene Projekt konsequent weiterzuführen und immer neue Brücken zur deutschen psychoanalytischen Gemeinschaft aufzubauen. Als sympathische, warmherzige und altruistische Persönlichkeit ist sie seit vielen Jahren nicht nur durch ihre Vorträge, sondern auch durch regelmäßige Supervisionstätigkeit (in Frankfurt, Hamburg, München und Aachen) an der Weiterbildung vieler deutscher Kolleginnen und Kollegen beteiligt. Dazu gehört auch die deutsche Ausgabe dieses neuen Bandes, den Elisabeth Vorspohl ins Deutsche übersetzte. Jane Kite bezeichnete den Band am Ende ihrer Besprechung im International Journal of Psychoanalysis als »an enormously creative personal and professional autobiography«, und dem kann man nur zustimmen, wenn man sich bei der Lektüre auf eine besondere Analytikerpersönlichkeit und ihr einzigartiges Schicksal einlässt. München, im Juli 2010 Marco Conci Einleitung Gib Worte deinem Schmerz: Gram, der nicht spricht, Presst das beladne Herz, bis dass es bricht. WILLIAM SHAKESPEARE, MACBETH, IV.III »Wir alle trauern: C'est la condition humaine « – mit diesen Worten beschrieb Henri Parens (2001) die Unmöglichkeit, das Leben abzuschirmen gegen das, was nicht abzuwenden ist, sei es der Verlust der vertrauten Umgebung, das Alter oder der Tod. Doch nicht immer können wir trauern, denn häufig nehmen wir die Realität verzerrt wahr oder verleugnen unsere Verluste. Was ist Trauer? In diesem Buch wird sie als ein Konnex von Prozessen definiert, die dem Menschen, wenn er von einem Verlust betroffen wurde, die Weiterentwicklung ermöglichen. Dazu zählen die Anerkennung der Realität und die Neuanpassung an die veränderten Umstände. Trauer bedeutet, die eigene, chronische Verwundbarkeit für Verlust und Verrat sowie die persönlichen Grenzen und die Endlichkeit allen Lebens anzuerkennen. Der Schmerz, der sich mit dem Gewahrwerden dieser Verlustreaktionen einstellt, macht es uns bisweilen unmöglich, den Trauerprozess zu durchlaufen. Häufig versuchen wir, uns vor diesem Leid mit Hilfe verschiedenartiger Abwehrmechanismen zu schützen. Die Trauer ist notwendig, weil sie uns in die Lage versetzt, auf Bindungen und Einstellungen zu verzichten, die ihren Sinn in der Realität verloren haben; deshalb fördert sie das psychische Wachstum und die Weiterentwicklung. Freud (1912–13a) definierte das Resultat der Trauerarbeit folgendermaßen: »Die Trauer hat eine ganz bestimmte psychische Aufgabe zu erledigen, sie soll die Erinnerungen und Erwartungen der Überlebenden von den Toten ablösen« (S. 82). Anna Freud ([1960] 1987) fasste diese Definition in andere Worte: »Trauerarbeit im analytischen Sinn bedeutet für uns den Versuch, eine äußere Tatsache (Verlust des besetzten Objekts) zu akzeptieren und entsprechende innere Veränderungen (Abziehung der Libido vom verlorenen Objekt, Identifizierung mit ihm) herbeizuführen« (S. 1782). John Bowlby (1960) verstand unter Trauer den psychischen Prozess, der durch den Verlust des Liebesobjekts ausgelöst wird, und war der Ansicht, dass dieser Prozess normalerweise den Verzicht auf das Objekt nach sich zieht. Das Durcharbeiten des Trauerprozesses führt schließlich zu einer besseren Differenzierung zwischen Selbst und Objekt, Vergangenheit und Gegenwart, Realität und Phantasie. Es bewirkt auch eine Reorganisation des Ichs und eine reibungslosere Interaktion zwischen der inneren und der äußeren Welt. Der Trauerprozess erleichtert die Integration dissoziierter Selbstanteile und die Konsolidierung des Identitätsgefühls (Grinberg, 1992). In diesem Buch untersuche ich die Hindernisse, die sich der Trauer entgegenstellen. Mit Hilfe von Fallbeispielen versuche ich, ein Verständnis der Erschwernisse der Trauerarbeit in spezifischen Situationen zu vermitteln und das therapeutische Instrumentarium zu beschreiben, das zur Einleitung einer gesunderen Weiterentwicklung benutzt wurde. Das Buch konzentriert sich in erster Linie auf verschiedenartige Abwehrmechanismen, ihre Funktion und Relevanz, sowie auf die Schwierigkeit, sie aufzugeben. Es wirft gleichfalls Licht auf die problematischen Situationen, vor die ich mich als Behandlerin in diesen Kontexten gestellt sah. Ich habe im Laufe der Jahre erkannt, dass ich mein Denken am besten anhand von Fallbeispielen vermitteln kann. Deshalb erforsche ich die langwierige und beängstigende Reise zur Trauer, indem ich detailliert über die Analysen von Patienten berichte, die mannigfaltige Abwehrmechanismen aktivierten, um den Schmerz, welcher der Trauer innewohnt, nicht erleiden müssen. Viele Berichte werde ich mit Auszügen aus meinen Stundenprotokollen illustrieren. Sie sollen dem Leser das Gefühl vermitteln, »anwesend« zu sein und den intimen therapeutischen Dialog minuziös zu verfolgen, um die Probleme und Schwierigkeiten kennenzulernen, die Verlusterfahrungen sowohl für die Patienten als auch für die Analytikerin mit sich bringen. Eine Bemerkung über mein erstes Buch, Der stumme Schrei der Kinder (1995, deutsch 2009), fand in mir Widerhall und diente mir als Auslöser, um das vorliegende Buch zu schreiben. »Alle Behandlungen, über die du in deinem Buch berichtest, verliefen erfolgreich«, lautete der besagte Kommentar. Als ich darüber nachdachte, fragte ich mich, inwieweit wir als Analytiker die Entscheidungen mitbestimmen, die unsere Patienten in der Analyse und in ihrem Leben außerhalb des Behandlungszimmers treffen. Poland (2006) hat dies wunderschön formuliert: »Der Analytiker ist ein Übersetzer, und der Übersetzer hat kein Recht, zu bestimmen, wie der Patient/der Autor diese Geschichte weiterlaufen lässt, oder auch nur, für welchen Schluss er sich entscheidet. Die Aufgabe des Analytikers, Fragen zu stellen, schmälert nicht im Geringsten das Recht des Patienten, individuelle, persönliche Antworten zu geben.« Und tatsächlich beruhte das erfolgreiche Behandlungsergebnis in vielen meiner Fälle weitgehend auf einer Entscheidung, die der Patient getroffen hat. Gleichwohl war es meine eigene Entscheidung, in jenem ersten Buch vorwiegend Behandlungen mit erfolgreichem Ausgang vorzustellen – offenbar ein Ausdruck meiner omnipotenten Phantasien über das, was die Therapie zu erreichen vermag. Diese Erkenntnis hat mich bewogen, in das vorliegende Buch auch Behandlungen aufzunehmen, die weniger erfolgreich ausgingen, und meinen therapeutischen Narzissmus durchzuarbeiten, meine analytischen Ziele neu zu definieren und über die Grenzen der Therapie zu trauern. Schafer (1973) beschrieb, welch weitreichende persönliche Folgen die Grenzen der Analyse für den Therapeuten haben: »Sie zwingen ihn anzuerkennen, dass seine Effektivität als Heiler ziemlich begrenzt ist, das heißt, dass wichtige narzisstische Vorstellungen, die er von sich selbst hat, und Ideale, an denen er sich orientiert, durch Erfahrung radikal widerlegt werden. Die Wurzeln dieser Vorstellungen und Ideale gründen in infantilen Omnipotenzphantasien, die niemals vollständig aufgegeben werden« (S. 138). Das Buch beschreibt Behandlungen, die mich mit den Grenzen meiner therapeutischen Fähigkeiten konfrontierten und in denen die analytischen Ziele mit mehr oder weniger großem Erfolg erreicht wurden. Wie wir »analytische Ziele« definieren und welch unterschiedliche Bedeutungen die Therapeutin beziehungsweise die individuellen Patienten mit einer »erfolgreichen« Therapie verbinden, werde ich in einigen Kapiteln ebenfalls diskutieren. Im ersten Teil des Buchs, Kapitel 1 und 2, erforsche ich die manischen Abwehrmechanismen und die Verleugnung. Zur Illustration dienen Berichte über Patienten, deren manische Abwehr ihnen das Überleben ermöglichte, weil diese Abwehr sie vor Fragmentierung und psychischem Tod schützte. Die beiden Kapitel lassen weder die Zweifel außer Acht, die mich als Analytikerin bei dem Gedanken plagten, welch hohen Preis die Patienten für den Verzicht auf diese Abwehrmechanismen zahlen müssen, noch meine Schwierigkeiten, sie auf ihrem steinigen Weg zur Trauer zu führen. Im zweiten Teil verlasse ich die individuelle Ebene, um die Auswirkungen der unbewältigten Trauer auf Großgruppen zu beschreiben. In den Kapiteln 4 und 5 konzentriere ich mich insbesondere auf die intergenerationelle Weitergabe des Holocaust-Traumas und der damit verbundenen traumatischen Phantasien in Israel sowie auf die Folgen, die diese Transmission für eine ganze Generation hat. Die Integration der Opfer- und Täter-Selbstrepräsentationen, die auch jene beeinflusst, die nicht direkt vom Holocaust betroffen waren (Moses, 1993; Volkan, 1998; Volkan et al., 2002; Brenner, 2002a), hat in weiten Teilen der israelischen Gesellschaft ihre Spuren hinterlassen. Auch dieses Thema wird in den Kapiteln des zweiten Teils erörtert. Das klinische Material veranschaulicht, welche Methoden die Nachkommen der Holocaust-Überlebenden zu Hilfe nehmen, um mit dem Schmerz und der Trauer, die ihnen von den Eltern vermittelt wurden, umzugehen. Erforscht werden Inszenierungen und wiedergutmachende Abwehrmethoden, die zum Beispiel in kreativer Tätigkeit Ausdruck finden. Während der zweite Teil des Buchs nach Antworten auf die Frage sucht, wie sich die unbewältigte Trauer von Eltern, die den Holocaust überlebt haben, in normalen Lebenssituationen auf ihre Kinder auswirkt, erforscht der dritte und letzte Teil die Unfähigkeit zu trauern in akut lebensbedrohlichen Situationen sowie die Schwierigkeiten, im Schatten des Terrors die Psychoanalyse zu praktizieren. Das erste Kapitel dieses Teils unterscheidet sich insofern von allen übrigen, als es einen Film zum Gegenstand psychoanalytischer Betrachtungen macht, nämlich das Werk Hitlerjunge Salomon , das vom Fehlen der Trauer und dessen Auswirkungen auf die Identität des Titelhelden handelt. Die beiden letzten Kapitel sind dem Thema »Psychoanalyse im Schatten des Terrors« und dem Eindringen der traumatischen äußeren Realität in die Behandlung gewidmet. Das 8. Kapitel veranschaulicht, wie sich die traumatische äußere Realität mit der inneren Realität verflechten und auf diese Weise die manischen Abwehrmechanismen intensivieren kann; betroffen sind davon insbesondere die Kinder von Holocaust-Überlebenden, die häufig von der traumatischen Vergangenheit ihrer Eltern gefangen gehalten werden. Wenngleich ich das Eindringen der äußeren traumatischen Realität in die Behandlung unter dem Blickwinkel meiner klinischen Erfahrung schildere, die ich in Israel in Situationen der chronischen Krisen gesammelt habe, ist das Thema meiner Ansicht nach von genereller Relevanz. Die Ereignisse, die sich am 11. September 2001 in den Vereinigten Staaten abspielten, und die Bombenanschläge in London und Madrid, deren Opfer verstümmelt oder getötet wurden, verursachten tiefes Leid, Zerstörungen ungeheuren Ausmaßes und Traumatisierungen auf individueller wie auch kollektiver Ebene. In solchen Zeiten als Analytiker zu praktizieren wirft immense Probleme auf: »Ich bin nicht sicher, ob man jemals hinreichend vorbereitet oder ›ausgebildet‹ sein kann, um zu wissen, was man in solchen Situationen sagen soll«, schreibt Brenner (2002b). Nach meiner Erfahrung erfordert die analytische Praxis im Schatten des Terrors, dass sich der Analytiker mit bestimmten behandlungsrelevanten Themen auseinandersetzt: mit der Beeinflussung der Abwehr beider Partner des analytischen Paares durch die traumatische Realität und mit der Rolle des Analytikers in einer Situation, in der beider Leben gefährdet ist. Das bedeutet, dass der Analytiker seine eigenen Reaktionen auf die äußere Realität erkennen und anerkennen muss. Die wichtigsten Fragen, die ich in diesem Buch stelle, lauten: Wie hilft der Analytiker dem Patienten, mit Schmerz und Trauer in Berührung zu kommen? Ist der Verzicht auf Abwehrmechanismen immer wünschenswert? Und welche Funktion kommt dem Analytiker in diesen Fällen zu? Sollte er sich bemühen, seinen Patienten das Aufgeben von Abwehrmechanismen zu erleichtern, die sie womöglich als unabdingbare Voraussetzung ihres ohnehin prekären psychischen Überlebens betrachten? Oder sollte er sie auf ihrem Weg zur Selbstentdeckung begleiten, an dessen Ende der Verzicht auf die Abwehrmechanismen stehen kann, aber nicht stehen muss, wenn der Patient mit den Schmerz- und Trauergefühlen konfrontiert wird, die dem Trauma inhärent sind? Der Einsatz verschiedenartiger Abwehrmechanismen und die daraus resultierende unerledigte Trauerarbeit spiegeln die Intensität der Angst und Qual wider, die den Patienten auf seinem Weg zur Trauer begleiten. Die Fähigkeit zu trauern und die Fähigkeit, ein gewisses Maß an Hilflosigkeit zu ertragen und dennoch einen Sinn im Leben zu finden, sind die in diesem Buch beschriebenen Ziele der analytischen Arbeit. Die klinischen Kapitel illustrieren den Weg, der über Schmerz und Trauer zu einem kohärenteren, besser integrierten Selbst führt. Im Folgenden fasse ich sie kurz zusammen. Im 2. Kapitel, »Ewig jung«, beschreibe ich den Weg einer Patientin von der manischen Abwehr zur Trauer unter dem Blickwinkel der Beendigungsphase ihrer Analyse. In dieser Phase müssen sich beide Beteiligte des analytischen Paares ihren omnipotenten Vorstellungen über das Leben und über die Psychoanalyse stellen. Illustriert wird das Thema mit Hilfe der Fallgeschichte einer vierzigjährigen Frau, die ihre Sehnsucht nach ewiger Jugend und Unsterblichkeit durch obsessive Bemühungen, ein drittes Kind zu gebären, zu stillen versuchte. Die Geburt des Kindes war ein omnipotentes Enactment, das der Verleugnung der inneren wie auch der äußeren Realität diente. Die Diskussion zeigt, welchen Einfluss die Angst vor Weiterentwicklung, Alter und Tod auf beide Beteiligte ausübte; sie macht deutlich, wie schwierig es für die Analytikerin war, der Versuchung zu widerstehen, diese depressive Angst in einer Kollusion mit der Patientin zu meiden. Im 3. Kapitel, »Lust auf Liebe«, berichte ich über die Behandlung einer Patientin, die der Abgestorbenheit ihrer Gefühle und ihren Selbstschädigungsphantasien erotische Aktivitäten – homosexuelle Affären und die Arbeit in einer Klinik für Sexualtherapie – entgegensetzte, um sich lebendig fühlen zu können. Ihre hartnäckige Forderung, die Analytikerin zu berühren und von ihr berührt zu werden, stellte die Fortführung der Therapie in Frage. Gleichzeitig war zu befürchten, dass sie auf eine gefährliche Weise agieren würde, wenn die Analytikerin ihr nicht irgendwie entgegenkäme. Geschildert wird, wie eine verbale Interaktion mit der Analytikerin, die von der Patientin als körperliche Berührung erlebt wurde, die Fortsetzung der Analyse und das Durcharbeiten der manischen Abwehrmechanismen ermöglichte. Das 4. Kapitel, »Vom Enactment zur psychischen Repräsentation«, handelt von den Folgen der traumatischen Holocaust-Vergangenheit für die Kinder der Überlebenden. Diese versehrten Eltern, die ihre Trauer nicht bewältigen konnten, haben Aggression und Schmerz häufig an die Nachkommen übertragen. Dies hat eine ganze Generation beeinträchtigt und sich auch auf die Gesellschaft insgesamt ausgewirkt. Ich untersuche hier, wie Nachkommen von Holocaust-Überlebenden die Trauer, die ihre Eltern an sie weitergegeben haben, durch den Mechanismus der Inszenierung – des Enactment – zu meiden versuchen. Fallmaterial illustriert den Prozess, der die Inszenierung in psychische Repräsentation transformiert und damit die Voraussetzung für den Beginn der Trauerarbeit schafft. Im 5. Kapitel, »Was es bedeutet, ein totes geliebtes Kind zu sein«, beschreibe ich ausführlich die langwierige Analyse einer Patientin, die zum Ersatzkind für ihre Eltern wurde, nachdem beide im Holocaust ein Kind aus ihren früheren Ehen verloren hatten. Im Zentrum der Analyse standen die omnipotente Phantasie der Mutter, ihr totes geliebtes Kind durch das lebende Kind wieder zum Leben zu erwecken, der Einfluss dieser Phantasie auf die Mutter-Kind-Beziehung und ihre Auswirkungen auf die Charakterstruktur des Kindes. Darüber hinaus erhellt die Falldiskussion die Gegenübertragungsschwierigkeiten der Therapeutin, die derselben traumatisierten Großgruppe angehört wie die Patientin. Das 6. Kapitel, »Wer bin ich? Trauma und Identität«, ist eine psychoanalytische Untersuchung über den Film Hitlerjunge Salomon. Dieser Film handelt von einem jüdischen Jungen, der während des Holocaust von einem Land ins andere und von einer Kultur in die andere flüchtet, um sein Leben zu retten. Er verbringt mehrere Jahre in einer Eliteschule des NS-Regimes, wo er sich erfolgreich als Arier ausgibt. Das Kapitel illustriert, dass das Blockieren der Trauer in lebensgefährlichen Situationen tatsächlich dem Überleben dienen kann, und untersucht den emotionalen Preis, der dafür zu zahlen ist. In Kapitel 7 und 8 beschreibe ich Patienten, deren manische Abwehr durch die Konfrontation mit einer traumatischen äußeren Realität verstärkt wurde. Weil diese Analysen unter dem Schatten des Terrors stattfanden, tauchten besondere Schwierigkeiten auf. Beide Kapitel zeigen, dass die Wahrnehmung der bedrohlichen äußeren Realität das Holocaust-Trauma im Unbewussten von Individuen aktiviert, die direkt oder indirekt vom Holocaust betroffen waren, und deshalb Folgen für einen Großteil der israelischen Gesellschaft hat. Im 7. Kapitel, »Die Funktion des Analytikers in der analytischen Behandlung in Zeiten chronischer Krisen«, untersuche ich die problematische Rolle, die dem Analytiker/der Analytikerin in Krisenzeiten zukommt, und den Einfluss der gemeinsamen lebensbedrohlichen Situation auf die Abwehr beider Partner des analytischen Paares. Im 8. Kapitel, »Die Arbeit mit Söhnen und Töchtern von Holocaust-Überlebenden im Schatten des Terrors«, untersuche ich die Auswirkungen traumatischer äußerer Reize auf die Realitätswahrnehmung und auf die Abwehrmechanismen der Kinder von Holocaust-Überlebenden.

"Vorwort Bis vor einigen Jahren war an den Universitäten nur von "englischer" und "amerikanischer" Literatur die Rede. Inzwischen gibt es auch Lehrveranstaltungen für "kanadische", "australische" oder "südafrikanische" Literatur. Diese Achtsamkeit auf die kulturelle Vielfalt ist nun endlich auch in der Psychoanalyse angekommen. Gerade unter diesem Aspekt können wir Ilany Kogan an erster Stelle als Repräsentantin der "neuen israelischen Psychoanalyse" vorstellen. Als Autorin veröffentlicht sie in englischer Sprache, die nicht ihre Muttersprache ist, um überall in der Welt gelesen und verstanden zu werden, und es gelingt ihr, Gedanken, Thesen und Erkenntnisse in der Weltsprache der modernen Psychoanalyse vorzutragen und zu formulieren. Wie diesem hervorragenden Sammelband zu entnehmen ist, hat Ilany Kogan die besondere Fähigkeit des Austauschs und der Kommunikation - eine Kollegin, die sehr gut formulieren und ihre Leser für ihre Themen und ihre Arbeit eindrucksvoll gewinnen kann. Diese Tugend, so persönlich in ihre Fallberichte einbezogen zu sein, wie Ilany Kogan sie häufig zu erkennen gibt, war bis vor einigen Jahren in der Psychoanalyse nicht geschätzt und schon gar nicht anerkannt. Heute endlich darf ein Therapeut auch über sich selbst und seine Erfahrungen sprechen: "Dieser Band ist aus meinen eigenen Kämpfen gegen die Trauer, deren ich mich auf professioneller wie auch auf persönlicher Ebene zu erwehren versuchte, hervorgegangen", bekennt Ilany Kogan gleich zu Beginn der Danksagung. Die verschiedenen Themen dieses Bandes betreffen nicht nur ihre jüdische Identität und die lebenslange Verarbeitung dieses besonderen Schicksals, sondern auch die Art und Weise, wie sie sich selbst als Person und als Analytikerin erlebt und entwickelt hat; sie handeln auch von der Überwindung vieler Hindernisse, die zu ihrer Biographie gehören."Was ist Trauer? In diesem Buch", lesen wir in der Einleitung, "wird sie als ein Konnex von Prozessen definiert, die dem von einem Verlust betroffenen Menschen die Weiterentwicklung ermöglichen ... In diesem Band untersuche ich die Hindernisse, die sich der Trauer entgegenstellen". Mit anderen Worten, nur nach einem gelungenen Trauerprozess wird es möglich, unsere Identität innerlich zu verarbeiten und zu reorganisieren - Voraussetzung für jede neue Lebensphase. Und das betrifft nicht nur den Einzelnen, sondern auch ganze Gruppen und Gesellschaften: Mit ihnen befasst sich die Autorin im zweiten und dritten Teil dieses Bandes. In der Einleitung bietet sie eine sehr genaue und einladende Zusammenfassung der acht Kapitel, und sie formuliert darin ihren gemeinsamen Nenner: "Die Fähigkeit zu trauern und die Fähigkeit, ein gewisses Maß an Hilflosigkeit zu ertragen und dennoch einen Sinn im Leben zu finden, sind die in diesem Band beschriebenen Ziele der analytischen Arbeit."Die spezifische Integration von persönlicher und beruflicher Ebene, die diesen Band (wie auch zuvor Der stumme Schrei der Kinder und Flucht vor dem Selbstsein ) auszeichnet, kommt besonders durch die ungewöhnliche Fähigkeit der Autorin zum Ausdruck, ihr Denken anhand von Fallbeispielen zu vermitteln, so dass die Leser "das Gefühl" haben können (wie sie selbst in der Einleitung schreibt), "'anwesend' zu sein und den intimen therapeutischen Dialog minuziös zu verfolgen". Eine solche Fähigkeit (die auch Julia Matthews in ihrer Besprechung des Buches in Psychoanalytic Quarterly sehr schätzt) erinnert an moderne Autoren wie Antonino Ferro und Thomas Ogden. Gerade diese Methode erlaubt der Autorin auch, uns zu zeigen, wie stark sie sich an der - in den einzelnen Momenten oder Phasen der Behandlung entstehenden - Übertragung der Patientin auf die Analytikerin orientiert. Besonders gut kommt dieser Aspekt in den Kapiteln: "Ewig jung" und "Lust auf Liebe" des Ersten Teils "Erschwernisse der individuellen Trauer" zum Ausdruck....

Erscheint lt. Verlag 24.3.2011
Reihe/Serie Fachbuch
Übersetzer Elisabeth Vorspohl
Vorwort Marco Conci
Verlagsort stuttgart
Sprache deutsch
Original-Titel The Struggle against Mourning
Gewicht 525 g
Einbandart gebunden
Themenwelt Geisteswissenschaften Psychologie Psychoanalyse / Tiefenpsychologie
Geisteswissenschaften Psychologie Traumatherapie
Medizin / Pharmazie Medizinische Fachgebiete Psychiatrie / Psychotherapie
Schlagworte Dissoziierung • Fritz-Bauer-Institut • Glauben • Imagination • konfessionelle Beratung • Psychoanalyse • psychodynamisch • Psychologie • Psychologische Beratung • Psychotherapie • Psychotraumatologie • Resilienz • Ressource • Schmerz • Tiefenpsychologie • Trauer • Trauerarbeit • Trauerbewältigung • Trauma • Traumafolgestörung • Traumaforschung • Trauma (psych.) • Trauma (Psychologie) • Traumatherapie • Verlust • Vermisste • Verschwundene
ISBN-10 3-608-94629-2 / 3608946292
ISBN-13 978-3-608-94629-1 / 9783608946291
Zustand Neuware
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