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Das Ende ist fern (eBook)

Science-Fiction-Storys
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
212 Seiten
epubli (Verlag)
978-3-8187-1682-0 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Das Ende ist fern -  Harald Martin
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In diesen zwölf Science-Fiction-Geschichten erleben wir Menschen, die tun, was sie immer tun: Die Welt nicht als das zu betrachten, was sie ist, sondern als das vielfältige Abbild ihrer selbst. Interessanterweise tun die Außerirdischen exakt das Gleiche. Und sogar ein Neutrino tut das. Und: Ein roter Kater, der durch alle Geschichten schleicht, tut das ebenso! Was ist Wahrheit, was ist Illusion? Die Antworten auf die Fragen aller Fragen sind immer und überall allzumenschlich. Und wie das bei den allzumenschlichen Dingen nun mal so eingerichtet ist - sie sind mitunter absurd, komisch, verrückt, ungeheuerlich, oder auch alles auf einmal. In der zentralen Geschichte 'Der Kongress' treffen sich die Delegationen von sieben Planeten auf dem Gastgeberplaneten Cercopithecidia, um ihre friedvolle Zusammenarbeit zu festigen und zu vertiefen. Der zur inneren Unruhe neigende Ich-Erzähler Hajax vom Planeten Hylobatidia sieht sich mit der nervenaufreibenden Aufgabe konfrontiert, einen Vortrag über einen bislang wenig erforschten Planeten zu halten. Dieser Planet ist möglicherweise ein Zwillingsplanet Hylobatidias und trägt den Namen Platyrrhinia. Von seinen Bewohnern wird er - wie die Hylobatiden bereits herausgefunden haben - widersinnigerweise 'Erde' genannt. Ganz irdisch geht es in der Schluss-Geschichte 'Ich, Kater' zu. Ein Experiment mit Kater Henry verläuft nicht so, wie die menschlichen Experimentatoren sich das vorgestellt hatten: Ihm, Henry, ist schon im ersten Moment klar, dass diese 'selbsternannten Schlauberger' (Zitat Henry) das Leib-Seele-Problem vollständig ignoriert haben. Warum ihm das klar war? Weil er nach wie vor ein Kater war, deswegen. Und nicht eine Maschine in Katergestalt, wie sich die 'Schlauberger' das dachten, nachdem sie ihm einen KI-Chip ins Hirn geschossen hatten. Zwölf Geschichten aus der Zukunft - so gegenwärtig wie das bizarre Dasein dieser ominösen Biowesen am Rande der Milchstraße.

Harald Martin ist im Schwabenland geboren und aufgewachsen. Nach seinem Studium und dem Abschluss an der Deutschen Journalistenschule in München zog er nach Saarbrücken, wo er viele Jahre als Redakteur beim Saarländischen Rundfunk tätig war. Für seine journalistische Arbeit erhielt er mehrere Auszeichnungen. Mitte 2022 ging er in den Ruhestand. Zum 60.Geburtstag Paul McCartneys 2002 erschien eine Biografie Martins über den Ex-Beatle im Deutschen Taschenbuch-Verlag. Zu den belletristischen Veröffentlichungen zählt unter anderem die Erzählung 'Stopp die Zeit' (Conte Verlag, 2014).

Harald Martin ist im Schwabenland geboren (in Ludwigsburg) und aufgewachsen (in Kornwestheim). In München hat er zwei Diplom-Abschlüsse gemacht (Politikwissenschaft & Journalistik) und die Deutsche Journalistenschule absolviert. Danach zog er ans Westende der Republik, nach Saarbrücken, wo er viele Jahre lang als Redakteur beim Saarländischen Rundfunk beschäftigt war, Mitte 2022 ging er in den Ruhestand. Für seine journalistische Arbeit erhielt er mehrere Auszeichnungen. Zum 60.Geburtstag Paul McCartneys 2002 erschien eine Biografie Martins über den Ex-Beatle (beim dtv). Sein gleichzeitig notorischer Hang zur Belletristik fand Ausdruck u.a. in der Erzählung "Stopp die Zeit" (2014, Conte Verlag). Martin ist in zweiter Ehe verheiratet, hat drei Kinder, zwei Enkel und einen Kater.

Ansichten eines Neutrinos


 

Liebe Kolleginnen und Kollegen allüberall in den Weiten des Weltraums - und gegebenenfalls darüber hinaus, falls es welche unter Euch gibt, die womöglich weitergehende Erkenntnisse über die Natur der Weiten des Weltraums beziehungsweise darüber hinaus haben -, ich möchte Euch nachfolgendes berichten, und zwar dringend berichten, denn es könnte von größter Bedeutung für Euch oder zumindest für einige von Euch sein.

Mein Bericht beginnt mit einem schwer verständlichen Satz: Neulich habe ich das Gehirn eines Menschen durchdrungen! Ich hätte nicht unbedingt erwartet, bereits in meiner neunten Lebensminute so eine Erfahrung machen zu müssen. Da ich aber seitdem vollkommen unbehelligt durch die Weiten des Weltraums fliege, hatte ich glücklicherweise ausreichend Zeit, das Trauma zu verarbeiten. Die Tatsache, dass ich unmittelbar nach dem Durchflug eines ästhetisch hochwertvollen roten Katers ansichtig wurde, half ebenfalls bei der Traumabewältigung.

Um mich kurz vorzustellen und Euch das Verständnis der ganzen Angelegenheit etwas zu erleichtern: Ich bin in einem Gelben Zwerg geboren. Er ist Mittelpunkt eines Sternensystems am Rande der Milchstraße. Einer der Planeten, die um den Gelben Zwerg kreisen, wird von Biowesen bevölkert, die sich ‚Menschen‘ nennen. Den Planeten, auf dem sie herumstolzieren, nennen sie ‚Erde’, meinen Geburtsort nennen sie ‚Sonne’. Ein kleines, in einem abgelegenen Winkel liegendes Sternensystem ist das also, so klein, dass es eben nur 8,3 Minuten gedauert hat, bis ich den Hirndurchflug erlitt. Der Flug durch das menschliche Gehirn dauerte zwar nur eine Nanosekunde, aber diese Nanosekunde hat leider gereicht, das komplette kollektive ‚Denken‘ dieser sich ‚Menschen‘ nennenden Biowesen kennenzulernen, und es hat gereicht, alles zu erkennen, was dieser eine Mensch, dessen Hirn ich durchdrungen habe, je erlebt hat. Menschliche Hirne vergessen nämlich nichts, auch wenn die Hirnträger selbst, also die herumwuselnden Menschen, ständig alles mögliche vergessen, sogar ihre eigene Geburt, was für sich genommen schon ziemlich lächerlich ist.  

Jedenfalls - ich möchte bereits an dieser Stelle eine Warnung an alle Lebensformen der Galaxis aussprechen:

 

ACHTUNG LEBENSGEFAHR!

BISSIGE BIOWESEN!

PLANET ERDE WEITRÄUMIG UMFLIEGEN!

 

Es sei denn, Ihr seid auf Krawall und Kamikaze aus - dies nur als kleine Einschränkung für die unverbesserlichen Abenteurer und sonstigen Risikofetischisten unter Euch, die es nicht lassen können, mit dem Feuer zu spielen.

Ich möchte Euch aber zwei Worte an die Hand geben, die Ihr Euch merken müsst, wenn es um die Menschen geht: Hochmut und Aggression.

Beginnen wir mit dem Hochmut. Es ist wirklich extrem drollig, dass diese durch und durch albernen Wesen sich als ‚Krone der Schöpfung‘ sehen. Diese ‚Krone‘ haben sie sich selbst aufgesetzt (wer sonst?), und die ‚Schöpfung‘ ist natürlich auch nur eine Schöpfung ihrer eigenen Fantasie. Da die Menschen nur sehr begrenzt Ahnung von den Vorgängen in der Natur inklusive der Vorgänge in ihren Hirnen haben, produzieren sie fortwährend irgendwelche phantastischen Antworten auf alle möglichen Fragen, ohne wirklich ins Nachdenken zu kommen. Das tun sie vor allen Dingen deswegen, weil sie es einfach nicht aushalten, auf irgendetwas keine Antwort zu haben. ‚Lieber irgendeine Antwort als gar keine Antwort‘, lautet die uneingestandene Devise menschlichen Denkens. Den Gipfel dieses Wahns erklimmen die Menschen dadurch, dass sie ihre phantastischen Antworten auch noch für wahnsinnig gewitzt halten. Dieses irre Phänomen lässt sich in besagtem Wort zusammenfassen: Hochmut.

Nun ja, es gibt einen Trost für das Universum: Nach wenigen Atemzügen der Natur werden die Menschen wieder verschwunden sein. Bis dahin allerdings gibt es noch etwas Weiteres, noch etwas Schlimmeres, noch etwas Unglaublicheres zu beachten als ihren irren Hochmut, nämlich ihre ausdauernde Fähigkeit, sich gegenseitig das Leben schwer zu machen - ja, zum menschlichen Alltag gehört sogar, sich ständig gegenseitig umzubringen. Für dieses ungeheuerliche Phänomen scheint mir besagter zweiter Begriff angemessen: Aggression.

Hochmut und Aggression - damit glauben die Menschen, über die passenden Mittel zur Erhaltung ihrer selbst zu verfügen. Sie sind tief versunken in Illusionen, wissen unendlich wenig über sich selbst, so wenig wie über die anderen, von ihnen hochmütigst betrachteten Biowesen auf dem Planeten Erde. Selbst nahe Verwandte der Spezies Mensch werden eingesperrt, versklavt, getötet oder umstandslos verspeist. Andererseits sind die Menschen in fortwährende Machtkämpfe untereinander verstrickt, ständig bestrebt und damit beschäftigt, sich gegen den Anderen zu behaupten, am besten, ihn zu beherrschen. Da der Mensch um die Folgen seines Machtgekämpfes durchaus weiß, aus Gründen der Not und der Langeweile aber nicht allein, als Individuum, zu existieren vermag, versucht er immerhin, sich Regeln für ein friedliches Zusammenleben zu geben - die allerdings nur so lange halten, wie nicht eine Seite anfängt zu glauben, so stark zu sein, dass sie keine Konsequenzen für den Bruch dieser Regeln fürchten muss. Gleichzeitig - ein weiterer Witz in der Reihe der Witze über den menschlichen Selbstbetrug - stellt der Mensch sein Handeln als ‚vernünftig‘ dar, selbst wenn dieses Handeln in sich so widersprüchlich und gegensätzlich ist wie das Handeln von uns Neutrinos im Vergleich zum Handeln der so unglaublich flachsinnigen wie läppischen Positronen.

Und so lebt der Mensch selbstbewusst in seinen sonnenbeschienen Tag hinein. Wenn er auch nur einen Augenblick aus dem Gefängnis seines Gehirns heraus könnte, wäre es mit diesem Selbstbewusstsein schnell vorbei - zum Nutzen aller. 

Da dies aber nicht geschieht, noch einmal die Warnung:

 

ACHTUNG LEBENSGEFAHR!

BISSIGE BIOWESEN!

PLANET ERDE WEITRÄUMIG UMFLIEGEN!

 

Wie gesagt: Durch den offenen Geist eines Menschen bin ich hindurchgeflogen, durch einen winzigen Raum also, den ich in einer geraden Linie innerhalb einer Nanosekunde durchmaß, begleitet von 60 Milliarden anderen Neutrinos. Zuvor hatte ich wunderbare Dinge erlebt - das Glühen der Sonne, die Herrlichkeit sich in den Raum ergießenden flüssigen Feuers -, um dann aber nach wenigen Minuten von menschlichem Leben, menschlichem Streben und menschlichem Leiden erfahren zu müssen. Ich war ernüchtert, aber auch schnell wieder weg, zum Glück. Seitdem durchmesse ich im Schatten des unendlichen Kosmos als zielloser Wanderer die Weiten des Weltraums. Ich fürchte weder Gravitationswellen noch magnetische Stürme, weder Schwarze Löcher noch Rote Riesen.  

Damit könnte mein Bericht an Euch enden. Um der uns Neutrinos eigenen Aufrichtigkeit willen - das unterscheidet uns ja so elementar von den heuchlerischen und verlogenen Positronen -, sollte vielleicht doch noch etwas Klitzekleines Erwähnung finden, nämlich dass es in diesen kranken Menschenhirnen eine winzige Ecke gibt, eine Ecke der Selbsterkenntnis, die ein durchaus schlauer Dichter in folgenden Satz gefasst hat:

Die Welt der Kunst & Fantasie ist die wahre, the rest is a nightmare.

Als Beispiel für Kunst & Fantasie fand ich im durchflogenen Hirn eine Szene, die es auf einem Bildschirm wahrgenommen hatte. Dabei möchte ein äußerst seltsamer, immer wieder in tiefer Tonlage grunzender Mann einen Truthahn im Ofen braten. Den toten, nackten, riesigen, 14 Kilogramm schweren Truthahn füllt er zunächst mit einer olivgrünen Pampe, bemerkt aber plötzlich, dass er seine Armbanduhr im Inneren des Truthahns verloren hat. Er schaut vergeblich mit einer Taschenlampe in das geöffnete Innere des Truthahns, nimmt die Pampe teilweise wieder heraus, geht schließlich mit seinem Kopf ganz nah an die Öffnung - da klingelt es an seiner Haustür, eine Frau steht davor, der Mann schreckt auf, stülpt sich dabei versehentlich den riesigen Truthahn über den eigenen Kopf, verbirgt mit einem großen roten Handtuch sein Missgeschick, öffnet blind die Tür, und irgendwann, nach vielen Tollpatschigkeiten, erkennt die Frau, was los ist, und hilft ihm dann, den Truthahn zu entfernen, indem sie das Tier an einen schweren Kohleimer bindet, den sie aus dem Fenster wirft, was den Truthahn mit hinaus reißt. Der Truthahn ist verloren, aber der Mann hat nicht nur sein Angesicht, sondern auch seine Uhr zurück. Ich muss sagen: Das war sehr, sehr lustig alles, ich habe mich halb tot gelacht.

Diese Art Humor steht weit über dem allgegenwärtigen, aber nur selten als Humor definierten Humor - obwohl es sich um nichts anderes handelt -, der darin besteht, dass der Mensch sich für so ungeheuer bedeutsam hält. Die Menschheit beschäftigt sich ernsthaft und fortwährend mit allen möglichen irrationalen, größenwahnsinnigen Bestrebungen - sei es in Form von ‚Religion‘ oder sonst einer metaphysischen Überzeugung -, ohne diese Bestrebungen aber offensichtlich nicht zufriedenzustellen ist. Und obschon die menschlichen Astronomen, Astronauten und alle möglichen anderen tatsächlichen Besserwisser einen weit über die Erde hinausgehenden Blick haben, und sie andauernd den Mitmenschen zu verstehen geben, dass das bisschen Menschenleben für das große Ganze keine Rolle spielt, dringen sie damit nicht durch - und noch nicht mal in ihre eigenen Hirne, was nun wirklich komisch ist. Vielleicht bildet sich die Ameise auf dem Planeten Erde, wenn sie im irdischen Wald geschäftig herumkrabbelt, ebenso stark ein, dass sie Ziel und Absicht der Existenz des Waldes ist, wie die Menschen das tun, wenn sie den Untergang der Menschheit mit...

Erscheint lt. Verlag 11.11.2024
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Fantasy / Science Fiction Science Fiction
Schlagworte Außerirdische • dystopien • Phantastische Geschichten • Science Fiction • Utopien • Zeitreisen • Zukunftsvisionen
ISBN-10 3-8187-1682-X / 381871682X
ISBN-13 978-3-8187-1682-0 / 9783818716820
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