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Reitkunst, Rache und der Duft von Minze (eBook)

Cavendish I

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
630 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7693-4181-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Reitkunst, Rache und der Duft von Minze -  Sandra Will
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England 1637: Ein neues Leben, eine alte Familienfehde, ein rätselhafter Frauenmörder und die Passion barocker Reitkunst Mit etwas Minze in der Tasche und einem ehrgeizigen Auftrag wird der junge Lucas Fletcher in den Dienst William Cavendishs, Earl of Newcastle geschickt. Dessen Haushalt ist geprägt von Prunk, Kultur und Wissenschaft. Besonders die von Newcastle ausgeübte Reitkunst fasziniert den Pferdeliebhaber Lucas. Als vielseitiger Gehilfe des Privatsekretärs findet er Freunde - und Feinde. Unter der glanzvollen Oberfläche der Herrenhäuser verbergen sich Missgunst, Ränke und Mord. Lucas sieht sich mit einer Fehde konfrontiert, die älter ist als er selbst. Unerwartet erhält er Unterstützung von der eigensinnigen Waise Aedre, die Hunde für die besseren Menschen hält. 1642 bricht der Bürgerkrieg über England herein. Lucas, Aedre und selbst der mächtige Newcastle müssen sich dem Sturm stellen, der ihrer aller Leben nachhaltig verändern wird. Der Auftakt zu einem mitreissenden historischen Zweiteiler

Sandra Will studierte Geschichte und Romanistik an der Westfälischen Wilhelmsuniversität in Münster. Seit 2006 ist sie selbstständige Reitlehrerin mit Schwerpunkt Klassische Dressur. Sie lebt mit Pferd und Hund in einem Dörfchen im Taunus. Ihre besondere Liebe gilt den Lusitano-Pferden und den Schriften der alten Reitmeister. 2023 legte sie mit "Tödliche Reitkunst" ihren Debüt-Roman vor. www.sandra-will-schreiben de

Prolog

Nottinghamshire, Martinstag 1624

Es roch nach altem Pfeifenrauch, Hund, Leder, Staub und frischer Ölfarbe in dem vollen und unordentlichen Zimmer. Das Licht des großen zweiflügeligen Fensters fiel direkt auf ein neu wirkendes Ölgemälde. Es zeigte eine wunderschöne Frau, die dem sechsjährigen Jungen zuzulächeln schien, der sich hinter den Rücken seines Vaters drückte. Er hätte sich dort trotz der fremden Umgebung sicher fühlen sollen. Aber er wusste: Je lauter sich sein Vater gab, desto nervöser war er – und er war den ganzen Morgen über sehr laut gewesen. Dieses Zimmer mit dem Bild wirkte wie eine Drachenhöhle und der Mann hinter dem mächtigen Schreibtisch war der Drache. Wieder schaute der Junge lieber zu dem neuen Ölbild, das in der flachen, bleichen Sonne des Novembertages glänzte. Sah die Frau auf dem Bild ihn an? Sie allein wirkte freundlich. Der Junge verlagerte sein Gewicht immer wieder von einem Fuß auf den anderen, denn seine Schuhe drückten ganz fürchterlich. Aber der Vater hatte angeordnet, dass er ebendiese Schuhe tragen musste. „Einem Gentleman angemessen!“, wie er betont hatte. Es hatte ihn nicht interessiert, dass sein Sohn gewachsen war und ihm weder die Schuhe noch Wams und Hose länger passten. Alles war zu kurz, zu eng und an der einen oder anderen Stelle diskret geflickt. An Vaters Wams saß ein feiner Pelzkragen und die silbernen Knöpfe waren frisch poliert. Dass unten zwei fehlten, fiel nur auf, wenn jemand ganz genau hinschaute.

„Was soll das sein?“, fragte der große Mann hinter dem Tisch und besah sich stirnrunzelnd die Münzen, die er aus dem kleinen Lederbeutel auf die Tischplatte gegossen hatte. Der Junge wusste, mit wie viel Sorgfalt sein Vater heute früh diese Münzen in den Beutel gezählt und dann sehr tief in der Innentasche seiner Jacke versenkt hatte. Während des Ritts hierher hatte er immer wieder nach seiner linken Brust getastet, wo sich, vor den Blicken verborgen, die Innentasche befand. Der Junge hatte gedacht, dass dies mögliche Diebe doch ganz sicher darauf aufmerksam machen musste, dass sich dort etwas Wertvolles befand. Gesagt hatte er nichts, denn es war dieser Tage nicht ratsam, den Vater anzusprechen.

Der trat nun auch von einem Fuß auf den anderen, obwohl seine Schuhe passen mussten. „Nun, wie verabredet, bringe ich Euch zu Martini das Geld“, sagte der Vater des Jungen in einem Ton, als erwarte er Beifall für diese Tat.

„Ich bin schließlich ein Baron und er nur ein Bauer. Wir gehören zum Adel, hörst du, Junge? Wir sind Gentlemen und damit qua Geburt einem Bauern überlegen. Merk dir das, mein Sohn!“ So hatte der Vater auf dem Ritt hierher getönt. Jetzt wirkte er weniger selbstsicher.

„Das sind nur drei Pfund und neun Shilling. Die ausstehende Summe beträgt jedoch vierzehn Pfund. Wo ist der Rest?“, fragte jetzt eben jener Bauer, ein hochgewachsener Mann mit breiten Schultern, tiefer Stimme und Händen wie Kohlenschaufeln. Der Junge hatte nicht den Eindruck, als fühle sich der Mann irgendwie unterlegen. Ganz im Gegenteil. Er sprach überraschend leise und als er nun ein großes, in schwarzes Leder gebundenes Buch öffnete, das unauffällig vor ihm gelegen hatte, tat er das mit Bewegungen, die von häufiger Wiederholung zeugten. Dieser Mann mochte breit wie ein Ochse sein, aber unkultiviert war er ganz sicher nicht.

„Nun ja, es ist gewissermaßen eine Anzahlung“, sagte der Vater des Jungen. „Ich habe derzeit einen kleinen finanziellen Engpass und warte selbst auf ausstehende Zahlungen. Ihr wisst ja, wie das ist mit säumigen Pächtern, nicht wahr?“ Er lachte zustimmungsheischend und zu laut. Der Bauer lachte nicht, sondern runzelte nur leicht die Stirn.

„Meine Pächter haben alle pünktlich bezahlt, denn es war ein gutes Jahr und sie haben brav und vernünftig gewirtschaftet. Doch ist es nicht meine Sache, ob und wie Eure Pächter ihre Pflicht erfüllen, Emberton. Ihr wart es, der sich vor einem Jahr die Summe von vierzehn Pfund von mir borgte. Wenn ich mich recht erinnere, lauteten Eure Worte auch damals, dass Ihr Euch derzeit in einem finanziellen Engpass befändet. Ich lieh Euch die vierzehn Pfund, und Ihr habt mir dafür ein Stück Land verpfändet, dessen Lage wir in einem Dokument genau festgehalten haben. Hier habe ich dieses Dokument sowie alle Details unseres Vertrags über den Verleih des Geldes und die vereinbarten Rückzahlungsbedingungen. Für den Fall, dass Ihr Euer Exemplar nicht dabeihaben solltet, stelle ich Euch gern das meinige zur Ansicht zur Verfügung. Doch da Ihr heute hier seid, ist Euch der vereinbarte Tag der Rückzahlung nicht entgangen.“ Der Bauer hob in einer angedeuteten Frage die Augenbrauen. Schöne blaue Augen hatte er, wie dem Jungen auffiel. Er sah solche Sachen. Die Frau auf dem Bild hatte auch blaue Augen.

„Aber ja, und darum bringe ich Euch ja auch pünktlich einen Teil des Geldes, um Euch zu zeigen, dass ich durchaus gewillt bin, mich an unseren Vertrag zu halten, Yeoman Fletcher!“, sagte Baron Emberton of Thorsby, der Vater des Jungen, fast überschwänglich.

„Pünktlich wäre, wenn hier vierzehn Pfund lägen. Es sind aber nur drei Pfund, neun Shilling. Das ist nicht einmal ein Drittel der fälligen Summe. Somit erfüllt Ihr unseren Vertrag nicht, Sir“, erwiderte der Bauer unbeeindruckt. Der Junge sah von ihm zu seinem Vater. Der biss die Zähne zusammen und streckte das Kinn vor.

„Es handelt sich doch nur um eine Formalität, Fletcher. Nun habt Euch nicht so. Ihr bekommt Euer Geld früher oder später. Darauf habt Ihr mein Wort als Gentleman!“

„Wann, Emberton?“, fragte der Bauer, noch immer unbewegt.

„Na, zu Ostern – also die nächsten vier Pfund mindestens“, sagte der Baron und gab seiner Stimme einen ärgerlichen Klang, der deutlich zeigte, für wie kleinlich er John Fletcher hielt, dass er auf derartigen Nebensächlichkeiten herumritt, anstatt sich ein wenig zugänglicher zu zeigen. Die Herabsetzung, mit dem Nachnamen angeredet zu werden, überging er indes.

„Heilig Abend, Mittagsläuten, neun Pfund, drei Shilling“, sagte der Bauer kalt und immer noch eher leise. „Ansonsten mache ich von meinem Recht Gebrauch, das Pfand einzulösen. Euer Land wird dann von einem Advokaten auf mich übertragen.“

„So eine Frechheit! Fletcher, was erlaubst du dir? Ich bin ein Peer! Das Land um Thorsby gehört meiner Familie seit mehr als hundert Jahren. Erweise mir gefälligst den gebührenden Respekt!“, brauste der Vater des Jungen auf und machte einen wohl drohend gemeinten Schritt nach vorn.

„Ich erweise Euch den gebührenden Respekt, indem ich Euch weitere sechs Wochen Aufschub gewähre, Emberton. Bringt das Geld zu Weihnachten und Ihr könnt Euer Land behalten. Ansonsten werdet Ihr Euch exakt wie ein Gentleman benehmen und mir das verpfändete Land überschreiben. Und nun, verlasst mein Haus!“

Noch nie zuvor hatte der Junge gesehen, wie sein Vater so schnell die Gesichtsfarbe wechselte. Erst lief er puterrot an, dann wurde er so blass wie Milch.

„Das wird dir leidtun, Fletcher! Das lasse ich mir nicht bieten! Ich wende mich an das Königliche Gericht. Glaubst du wirklich, dass ein Bauer dann gegen einen Peer Recht bekommt, hm? Glaubst du das?“ sagte er mit mühsam gebändigtem Zorn.

„Ich vertraue auf Gott, den König und das englische Recht. Wir werden sehen, wie es geht, wenn Ihr es unbedingt darauf anlegen wollt. Aber bedenkt, dass die Kosten beim Verlierer eines solchen Rechtsstreits bleiben. Vielleicht kauft Ihr Eurem Jungen lieber ein Paar passende Schuhe von dem Geld.“

Mehr als alles zuvor beschämte es den Jungen, dass dieser Bauer das bemerkt hatte. Und es machte ihn wütend auf den Mann. Und auf seinen Vater, der ihn gezwungen hatte, diese Schuhe zu tragen.

„Als wüsste ein Bauer, was es mit Schuhen auf sich hat. Deine Rotzblagen laufen doch sicher barfuß durch den Mist!“, schäumte sein Vater.

„Ihr verlasst jetzt besser mein Haus, Emberton. Andernfalls werfe ich Euch eigenhändig hinaus und diesen Anblick möchtet Ihr Eurem Sohn ja vielleicht ersparen.“

Den gesamten Heimweg über hörte der Vater des Jungen nicht auf zu schimpfen, Drohungen und Flüche auszustoßen. Die Pest war noch eines der geringeren Übel, die er John Fletcher und seiner gesamten Familie an den Hals wünschte.

Bis Weihnachten konnte Richard Emberton nicht mehr als ein Pfund, sechs Shilling auftreiben. An welche Tür er auch klopfte, die meisten fielen direkt vor seiner Nase wieder zu. Er hatte bereits überall Schulden – das war der Grund, warum er im vergangenen Jahr den verzweifelten Schritt unternommen hatte, den reichen Großbauern John Fletcher um ein Darlehen zu bitten. Anders als ein Gentleman, der über derlei Dinge kein Wort verlor, hatte dieser grobe Klotz allerdings auf einem Vertrag mit Sicherheiten bestanden. Sir Richard Emberton borgte sich bereits durch sein halbes Leben und so hatte er der Sache keine...

Erscheint lt. Verlag 6.11.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Historische Romane
Literatur Krimi / Thriller / Horror Historische Kriminalromane
Schlagworte Englischer Bürgerkrieg • Historischer Roman • Kriminalroman • Pferde • Reitkunst
ISBN-10 3-7693-4181-3 / 3769341813
ISBN-13 978-3-7693-4181-2 / 9783769341812
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