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Und Friede auf Erden -  Karl May

Und Friede auf Erden (eBook)

(Autor)

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2024 | 1. Auflage
670 Seiten
epubli (Verlag)
978-3-8187-1294-5 (ISBN)
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»Ich bin Sejjid Omar!« Wie stolz das klang, und wie beweiseskräftig die Gebärde war, mit welcher er diese Worte zu begleiten pflegte! »Ich bin Sejjid Omar,« das sollte sagen: »Ich, Herr Omar, bin ein studierter, schriftkundiger Abkömmling des Propheten, welcher der Liebling Allahs ist. Mein Name wurde mit allen meinen persönlichen Vorzügen in die heilige Stammrolle zu Mekka eingetragen; darum habe ich das Recht, ein grünes Oberkleid und einen grünen Turban zu tragen. Wenn ich sterbe, wird die Kuppel meines Grabmals grün angestrichen und mir die Tür des obersten der Himmel gleich geöffnet sein. Respekt also vor mir!«

Karl Friedrich May (25. Februar 1842 in Ernstthal; ? 30. März 1912 in Radebeul; eigentlich Carl Friedrich May war ein deutscher Schriftsteller und einer der produktivsten Autoren von Abenteuerromanen. Er ist einer der meistgelesenen Schriftsteller deutscher Sprache.

Karl Friedrich May (25. Februar 1842 in Ernstthal; † 30. März 1912 in Radebeul; eigentlich Carl Friedrich May war ein deutscher Schriftsteller und einer der produktivsten Autoren von Abenteuerromanen. Er ist einer der meistgelesenen Schriftsteller deutscher Sprache.

 

Zweites Kapitel: Civilisatoren.


Mein Sejjid Omar hatte sich bewährt. Er ließ zwar jede Tür, durch welche er ging, mit absoluter Sicherheit offenstehen, war aber ehrlich, wahrheitsliebend, treu, scharfsinnig, zuverlässig und - was ich gar nicht hatte vermuten können - zu Alledem ein wahres Sprachgenie. Im Sudan, in Arabien und solange wir durch Gegenden gekommen waren, in denen arabisch gesprochen wird, hatte ich von dieser seiner Begabung freilich nichts bemerkt; ja, ich war sogar in Beziehung auf seine spätere Brauchbarkeit bedenklich geworden, weil er nur seine heimische Mundart für richtig hielt und bei jedem anderen Dialekte mit einer wegwerfenden Handbewegung zu sagen pflegte:

»Die halten das für echtes Arabisch! Die können ja gar nicht arabisch sprechen! Das wahre "hhchchhh!" und das wirkliche "hhkghhh!" bringt keiner von ihnen fertig! Nur wer in Kairo geboren ist, kann reden; eine andere, richtige Sprache gibt es überhaupt gar nicht!«

Aber als dann nach ausgedehnten monatelangen Wanderungen jenseits von Bagdad, an der indischen Grenze, das englische Sprachgebiet begann, schien bei ihm, so was man sagt, der Knoten zu reißen. Schon in Kuratschi, wo wir einige Tage ruhten, wunderte ich mich darüber, daß er sich fast gar nicht um mich bekümmerte. Er ließ sich nur für Augenblicke sehen, und als ich ihn darüber zur Rede stellte, erklärte er mir:

»Sihdi, ich habe vorgestern, gestern und heute mit englischen Matrosen zusammengesteckt und mir ihre ganze Sprache aufgeschrieben. Ich muß doch nun englisch reden können, sonst kannst du mich ja nicht mehr brauchen. Ich habe sogar in der Nacht studiert; es ist ganz leicht; nur das "hhsssshhh" und das "thhhsssshhh" bringe ich noch nicht heraus, denn die Engländer können eben auch noch nicht richtig reden. Hier hast du ihre Sprache!«

Er zog ein Paket von mehr als zwanzig vollgeschriebenen Papierbogen aus dem Kaftan und gab es mir. Es enthielt englische Worte und Redensarten mit der arabischen Uebersetzung, natürlich in arabischer Schrift geschrieben, für mein Auge ein wahrer Gallimatthias, in dem ich mich nicht zurechtfinden konnte. Da ich aber dem guten Omar ansah, daß er ein anerkennendes Wort erwartete, so sagte ich:

»Du bist da sehr fleißig gewesen. Kannst du denn diese englischen Worte alle aussprechen?«

Er nickte.

»Und du kennst auch ihren Sinn?«

Er nickte wieder, wobei sein Gesicht vor innerer und äußerer Zufriedenheit förmlich glänzte.

»Wenn dies der Fall ist, so bist du ja ein ganz tüchtiger Kerl!«

Da rief er aus:

»Probiere mich, Sihdi! Darf ich dir sagen, wie du das zu machen hast?«

»Ja. Nun, also!«

»Du bist ein englischer Laden, in welchem Cigarren verkauft werden. Ich bin der englische Sejjid Omar aus Livverbuhl und kaufe für meinen deutschen Sihdi Cigarren ein, weil er nicht englisch reden kann. Bist du einverstanden, und soll ich das so machen?«

»Ja, gut! Ich bin der englische Cigarrenladen, und du bist aus Liverpool. Es kann losgehen!«

Da ging er hinaus, machte die Tür hinter sich zu und klopfte an.

»Come in!« antwortete ich.

Er trat ein, nahm seinen Tarbusch höflich ab und wollte sprechen; ich aber kam ihm zuvor:

»Mach die Tür zu, ehe du sprichst! Ein Engländer läßt keine Tür offen stehen!«

Er war sofort Herr der Situation, zog die Tür zu und sagte:

»Ei bekk juh parrrrd'n, Mister Miehlord owww Tabbakk änd Smooking-Sihgärr! Ei wischsch dhho pörrrtschähß Sihgärr! Giww Sihgärr! Lahrtsch bikk Sihgärr, long Sihgärr, thick Sihgärr, gudd Sihgärr, fein ännd tschihhhhp Sihgärr! Wott häww ei dhho peehh, Mister Miehlord owww inglischhh Smooking-Männ?«

Man denke sich meinen ernsten, gravitätischen Sejjid Omar, und man denke sich dazu, daß, während er diese Rede wie aus einem halb verstopften Wursttrichter hervorquellen ließ, sein Gesicht genau die Züge der unerlaubten Orthographie annahm, deren ich mich in diesen Zeilen bediene! Ich konnte nicht anders, ich mußte laut lachen, mehr über sein Gesicht als über seine Worte. Das entzückte ihn. Er sagte:

»Sihdi, ich sehe, wie sehr du dich freust. Ich habe in diesen drei Tagen und zwei Nächten die ganze englische Sprache auswendig gelernt. Ob du diese Sprache auch verstehst, das ist nun ganz egal. Ich werde für dich reden!«

Das war so seine selbstbewußte, selbstvertrauende Weise. Mir machte die Sache in der ersten Zeit Spaß; aber je länger, desto mehr erstaunte ich. Er machte Fortschritte, die ich nicht für möglich gehalten hätte. Wo er eines Engländers habhaft werden konnte, der nicht allzu hoch über ihm stand, den hielt er fest, um sprachlich von ihm zu profitieren, und als ich ihm seine Bitte erfüllte, möglichst nur englisch mit ihm zu sprechen, fand ich täglich Gelegenheit, sein unvergleichliches Wortgedächtnis zu bewundern. Nebenbei merkte er sich jedes Wort jeder anderen Sprache, welches ihm vor die Ohren kam. Er saß stundenlang an einer Stelle still, immerfort die Lippen bewegend und sich unausgesetzt übend, um das, was er sich einmal angeeignet hatte, ja nicht wieder zu vergessen. Wenn ich an Hauptorten mit Europäern zusammentraf und in deren Sprache mit ihnen verkehrte, so machte er sich sicher in unsere Nähe, um einige Worte aufzufangen und mich dann über die Bedeutung derselben auszufragen. Und was er so erfuhr, vergaß er nie.

Ganz eigenartig war seine Geschicklichkeit, seinen immer wachsenden Sprachschatz in Anwendung zu bringen. Es geschah das ohne jedes Gesetz und jede Regel, aber in einer Weise, welche mich oft heimlich staunen ließ. Mit Etymologie und Syntax freilich durfte ich ihm nicht kommen. Wenn ich von der Abstammung eines Wortes oder von den Teilen eines Satzes sprach, wehrte er mit beiden Händen ab und sagte:

»Ich esse nicht zwei Datteln auf einmal, sondern eine nach der anderen. So spreche ich auch nicht zwei Worte auf einmal, sondern eines nach dem anderen. So ist es bei uns in der arabischen Sprache, außer welcher es keine richtige gibt, und also darfst du nicht von mir verlangen, daß ich bei einem Wort gleich an mehrere andere denken soll. Sie kommen alle ganz von selbst, und du brauchst keine Angst zu haben, daß ich eines vergesse!«

Seine Liebe zu mir war der Grund, daß für ihn meine Muttersprache gleich nach der seinigen rangierte, und so war seine Freude groß, als ich ihm für einen mir geleisteten Extradienst die belohnende Mitteilung machte, daß ich ihn von jetzt an täglich eine Stunde in der deutschen Sprache unterrichten würde. Die Folge zeigte, daß ich mir keinen besseren Schüler wünschen konnte. Er gab sich die größte Mühe, nach seiner Rückkehr mit den deutschen Touristen deutsch sprechen zu können. Freilich ging er auch hier in einer so regellosen Weise mit den Redeteilen um, daß Wort- und Satzbildungen zum Vorschein kamen, welche um so lächerlicher waren, je größere Wichtigkeit er der ernsten Würde gab, mit welcher sie ausgesprochen wurden.

Seine in Kairo, ehe ich ihn engagierte, in Beziehung auf die Religion ausgesprochenen Wünsche hatte ich respektiert. Ich sprach kein Wort vom Christentum zu ihm, und wenn er einmal, was ja unvermeidlich war, eine sich auf seinen Islam beziehende Bemerkung machte, so ging ich schweigend über sie hinweg. Dies kam in seinen Augen einer Mißachtung seiner Religion gleich und wurde von ihm nach und nach immer mehr als eine Strafe empfunden, welche er verständigerweise als eine unausbleibliche Folge seiner damaligen Bitte zu betrachten schien. Es war mir oft, als ob er in dieser Hinsicht etwas auf dem Herzen habe, und er setzte auch zuweilen an, es mir zu sagen, kam aber nicht dazu, weil ihm solche Gelegenheiten von mir aus guten Gründen stets kurz abgebrochen wurden. Das Zusammenleben mit mir hatte bei ihm die unausbleiblichen Wirkungen hervorgebracht, denn es war ganz selbstverständlich, daß gewisse Anschauungen von mir auf ihn übergehen mußten. Ich ließ das geschehen, ohne ihn darauf aufmerksam zu machen. Es kam immer mehr vor, daß er eines der vorgeschriebenen Gebete ausfallen ließ, weil ihn etwas hinderte, was er früher auf keinen Fall als Hindernis betrachtet hätte. Er unterließ es, die Vorzüge seines Glaubens in der ehemaligen Weise zu betonen, und die Masbacha (* Muhammedanischer Rosenkranz.), welche er früher im müßiger Zeit stets in den Händen gehabt hatte, war jetzt nur sehr selten noch zu sehen. Ich nahm diese Zeichen nicht etwa als Beweise verminderter Frömmigkeit; o nein; das Herz Omars war noch ganz dasselbe wie vorher; aber er hatte zwischen innerlich und äußerlich unterscheiden gelernt und dabei eingesehen, auf welcher von diesen beiden Seiten man die wahre, echte Religiosität zu suchen hat. - -

Wir kamen jetzt per Dampfer von Bombay und waren froh, den Gefahren dieser von der Pest vollständig versuchten Stadt glücklich entgangen zu sein. Kap Komorin war dubliert, und wir flogen auf einer wunderbaren See dem herrlichen Ceylon zu. Ich bin gern bereit, bei einer Personifikation der Meere zu einer Schönheitskonkurrenz den ersten Preis dem Roten Meere zuzuerkennen, denn ich habe es, sooft ich es durchfuhr, so schön wie kein anderes gefunden, doch heut wurde von dem glänzendsten Tag des Orientes die Vermählung der arabisch-persischen See mit dem indischen Ozean gefeiert, und der Himmel hatte seine sanftesten Lüfte gesandt und sein reinstes, strahlendstes Licht über diese friedliche Vereinigung ausgegossen.

Blau und wonnig, wie das aus dem Herzen gestiegene Glück in einem selig lächelnden Menschenauge, so sah uns jede, die Wangen unsers Dampfers küssende Woge an, um nach diesem Kusse an die Brust der See zurückzusinken. Ein aus regelmäßigen Maschen bestehendes Brautgewand bildend, zogen diamantene...

Erscheint lt. Verlag 7.11.2024
Verlagsort Berlin
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Lyrik / Dramatik Dramatik / Theater
Schlagworte Abenteue • Aktion • Fiktion • historisch • Roman • Suspense • Thriller
ISBN-10 3-8187-1294-8 / 3818712948
ISBN-13 978-3-8187-1294-5 / 9783818712945
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