Jerry Cotton Sonder-Edition 241 (eBook)
80 Seiten
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-7160-3 (ISBN)
Die Fracht war tödlich: Nitroglyzerin. Der Truck, der den Sprengstoff zu einem Attentat nach New York brachte, stand im Dienst ausländischer Terroristen. Ich war dazu bestimmt, das teuflische Verbrechen zu stoppen. Meine Aussichten waren verschwindend gering. Denn die Verbrecher hatten eine Geisel, und am Lenkrad saß der Teufelstrucker!
1
Ein Mann, der so viele Jahre in diesem Beruf tätig war wie er, wusste, wann er verloren war. Sidney Montagnon war am Ende. Er würde in Libyen sterben. Es gab niemand in El Beida, der auch nur einen Finger für ihn gerührt hätte.
Er stand auf der falschen Seite. Er war Amerikaner.
Montagnon schaute nach rechts. Neben ihm in dem klapprigen alten Lincoln saß Trisha. Die tollste Frau, die er jemals besessen hatte. Die Frau, die er liebte und die ihn töten würde.
Er lächelte verkrampft. Aber wie konnte ein Mann anders lächeln, der wusste, dass ihn ein schwerer Tod erwartete?
»Sie werden mich foltern«, sagte er und versuchte, die 45er Automatic, die Trisha auf ihn richtete, nicht zu beachten.
Sie schaute geradeaus auf die schmale Straße, die sich an der Küste zwischen Benghasi und Tobruk entlangschlängelte. Ihr schönes Gesicht wirkte eckig. Hart traten die Wangenknochen hervor. Die Lippen waren schmal geworden. In ihren dunklen Augen gab es kein Feuer mehr.
»Sie werden mich foltern, bevor sie mich umbringen«, wiederholte Sidney Montagnon.
»Du hast einen Fehler begangen«, sagte sie leise. »Du hast Informationen weitergegeben, die du nur von mir bekommen haben konntest. Sie mussten darüber stolpern. Was erwartest du?«
Schweiß rann ihm übers Gesicht. In der Nacht hatte es etwas abgekühlt, aber es herrschten noch immer Backofentemperaturen.
Mit dem Hemdärmel rieb er sich den Schweiß aus dem Gesicht und zündete sich eine Zigarette an.
Er hatte einen Fehler begangen, weil er geglaubt hatte, dass seine Kollegen in den Staaten mit seiner heißen Information behutsam umgehen würden.
Von Trisha hatte er vor einigen Tagen erfahren, dass eine palästinensische Organisation ein blutiges Kommandounternehmen in den Vereinigten Staaten von Amerika plante. Einen so gewaltigen Anschlag, wie es ihn noch nie zuvor gegeben hatte.
Zwei Namen waren in diesem Zusammenhang gefallen. Er hatte sie durchgegeben. Anstatt in aller Ruhe abzuwarten, versuchte ein CIA-Mann, die beiden Männer kaltzustellen. Die Palästinenser starben dabei. In Libyen brauchte man nicht lange herumzurätseln. Als undichte Quelle kamen nur er oder Trisha infrage. Sie hatten ihn geschnappt.
Sidney Montagnon lachte auf, als er daran dachte.
Siebzehn lange Jahre arbeitete er für das FBI und die CIA. Immer war alles glimpflich für ihn ausgegangen. Niemals war ihm ein folgenschwerer Fehler unterlaufen. Und jetzt erwischten sie ihn, weil sich ein CIA Agent schnelle Lorbeeren verdienen wollte und ohne Rücksprache mit ihm einfach blindlings zugeschlagen hatte!
Die Scheinwerfer des Dodge, der hinter ihnen fuhr, blendeten ihn. Montagnon verstellte den Rückspiegel.
Hinter der Kurve tauchten die Rücklichter des vorausfahrenden Land Rover auf.
Seine Gedanken überschlugen sich. Seit sie El Beida hinter sich gelassen hatten, suchte er verzweifelt nach einem Ausweg.
»Vielleicht werden sie dich ebenfalls töten«, wandte er sich an Trisha.
Sie lächelte. »Vielleicht. Ich habe dir die Namen unserer Männer in den Staaten genannt. Durch meine Schuld sind sie gestorben. Ich habe den Tod verdient.«
Montagnon drehte das Fenster herunter. Er schnippte die angerauchte Zigarette nach draußen. Vom Wind wurde sie angehoben und gegen die Windschutzscheibe des folgenden Dodge geschleudert.
Er lachte, als der Fahrer des Dodge ein wütendes Hupkonzert anstimmte.
»Gemeinsam haben wir noch eine Chance davonzukommen«, sagte er schließlich.
Trisha drehte sich zu ihm herum. Sie schüttelte den Kopf. »Nicht einmal, wenn ich es wollte. Und ich will es nicht. Du hast von Liebe gesprochen und mich nur benutzt. Weil ich dir vertraut habe, mussten zwei meiner besten Freunde sterben.«
Es war sinnlos. Er fragte sich, warum er es überhaupt versuchte, sie umzustimmen und auf seine Seite zu ziehen.
Sie hatte sich dem Terror verschrieben. Die Sache, für die sie eintrat, war ihr heilig. Nicht einmal ihren Henker würde sie hassen.
Trisha war nicht umzustimmen.
»Ich liebe dich noch immer!«
Sie antwortete nicht. Geschickt zündete sie sich eine Zigarette an, ohne auch nur für eine Sekunde die Waffe zu senken, die sie auf ihn gerichtet hielt. Die schwere 45er Automatic war entsichert. Ein schwacher Fingerzug reichte, um ein riesiges Loch in ihn zu reißen.
Und sie würde schießen, wenn es so weit war.
Der Land Rover vor ihnen verschwand hinter einer scharfen Haarnadelkurve. Hinter ihnen hatte der Dodge aufgeholt. Der Abstand betrug nur noch drei Yards.
Sidney Montagnon gab Gas. Sofort zog der Dodge nach.
Montagnon kniff die Augen zusammen. Er hatte beschlossen, sich nicht verhören und misshandeln zu lassen. Wenn er schon sterben musste, dann hier und jetzt.
Erneut beschleunigte er den alten Lincoln.
Bis zum Beginn der scharfen Kurve waren es fünfzehn Yards.
Die Tachonadel schnellte hoch. Schotter spritzte unter den Reifen auf.
»Was soll das?«, fragte Trisha. »Kannst du nicht schnell genug zu deiner Hinrichtungsstelle kommen?«
Er antwortete nicht. Er visierte die Kurve an wie ein Ziel und zog den Lincoln in die spitze Kehre.
Dann stemmte er mit einem Ruck den Fuß auf das Bremspedal.
Obgleich er darauf vorbereitet war, prallte er mit der Brust aufs Steuer.
Trisha wurde gegen das Armaturenbrett geschleudert. Sie drückte die 45er ab. Die Kugel trat Montagnon in den Oberschenkel.
Er warf sich auf Trisha. Blut rann aus ihrem Mundwinkel. Sie bewegte sich nicht mehr. Die Waffe hatte sie verloren. Sie lag auf dem Sitz neben ihr. Montagnon nahm sie an sich und duckte sich, das alles hatte gerade zwei Sekunden gedauert.
In diesem Moment tauchte hinter ihm der Dodge aus dem Schnittpunkt der scharfen Kehre auf.
Der Fahrer sah das Hindernis zu spät. Er konnte den Dodge nicht mehr herunterbremsen. Mit voller Fahrt fuhr er auf das Fahrzeug, in dem Montagnon lag.
Montagnon warf sich herum, stieß die Fahrertür auf und ließ sich aus dem alten Lincoln fallen. Er wollte aufspringen, doch sein rechtes Bein gehorchte ihm nicht.
Keuchend rollte er über den Schotter der Straße, um aus dem Scheinwerferlicht des Dodge herauszukommen.
Er sah den Schatten eines Mannes, der aus dem Wagen aussteigen wollte. Die Tür klemmte. Deutlich war das Gesicht des Libyers an der Seitenscheibe zu sehen.
Montagnon riss die 45er Automatic hoch. Er drückte ab. Das Gesicht verschwand. Die Scheibe war blutverschmiert.
Auf allen vieren robbte Montagnon zum Dodge. Rauch quoll aus dem Kühler. Benzin lief aus und bildete ein Rinnsal auf der Schotterstraße.
Der Fahrer hing am Steuer. Mit starren Augen glotzte er auf den Lichtteppich, den der Dodge noch immer auf die Straße warf. Er war tot. Genau wie der zweite Mann, der bis zur Beifahrertür geschleudert worden war.
Übelkeit stieg in Montagnon auf, als er die Tür aufriss und den Fahrer aus dem Wagen zerrte. Er musste sich quer über den blutverschmierten Vordersitz legen, um an die Maschinenpistole heranzukommen, die zwischen den Sitzen lag. Er nahm sie an sich. Dazu drei Magazine und zwei der Handgranaten, die in einem Schuhkarton lagen.
Dann rollte er sich aus dem zerstörten Fahrzeug heraus, stürzte auf den Schotter und blieb für eine Sekunde atemlos liegen. Die Schmerzen in seinem Bein waren so stark, dass er am liebsten geschrien hätte.
Er richtete sich auf und schaute die Straße entlang. Er wusste nicht, wie weit der Land Rover vorausgefahren war. Es konnte nicht lange dauern, bis dem Fahrer auffiel, dass sich niemand mehr hinter ihm befand. Dann würde er wenden und zurückkommen.
Drei Personen saßen in dem Wagen, der mit einem Funkgerät ausgestattet war.
Montagnon humpelte auf die andere Straßenseite in den Schatten der Felsen. Er lehnte sich an die warmen Steine. Seine Gedanken jagten sich. Er wusste nicht genau, wo er sich befand. Aber wenn es ihm gelang, sich bis zur Küste durchzuschlagen, hatte er eine Chance. Zumal dann, wenn er ein Funkgerät besaß und einen Hilferuf aussenden konnte.
Montagnon klammerte sich an diese vage Hoffnung. Es gab nichts anderes, an dem er sich festhalten konnte. Er brauchte das Funkgerät aus dem Land Rover, und er musste verhindern, dass die Leute den Zwischenfall durchgaben.
Montagnon humpelte aus dem Schnittpunkt der Kehre heraus, bis er eine Stelle erreichte, von der aus er den weiteren Verlauf der schmalen Schotterstraße übersehen konnte. Fünfzig Yards entfernt befand sich die nächste scharfe Kurve. Hinter ihr war der Land Rover verschwunden.
Sekunden verstrichen. Dann zerschnitten Scheinwerfer die Dunkelheit, und der Land Rover tauchte auf.
Montagnon rückte tiefer in den Schatten. Er ließ die MP fallen und nahm eine Handgranate. Das erschien ihm sicherer.
Sekunden verstrichen. Der Land Rover verlangsamte die Fahrt. Die Scheinwerfer waren voll aufgeblendet. Sie konnten ihn nicht erfassen.
Dann stand der Wagen.
Montagnon hörte Gesprächsfetzen in einem arabischen Dialekt, den er nicht verstand. Er biss die Zähne zusammen, riss die Handgranate ab und zählte. Er richtete sich mit einem Ruck auf und warf die Granate.
Er sah sie nicht, weil er sich zu Boden fallen...
Erscheint lt. Verlag | 3.8.2024 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Literatur ► Romane / Erzählungen | |
Schlagworte | 2017 • 2018 • Abenteuer • Action Abenteuer • action romane • action thriller • action thriller deutsch • alfred-bekker • Bastei • bastei hefte • bastei heftromane • bastei romane • bastei romane hefte • Bestseller • Deutsch • eBook • E-Book • eBooks • erste fälle • Fall • gman • G-Man • Hamburg • Heft • Heftchen • Heftroman • heftromane bastei • Kindle • Krimi • Krimiautoren • Krimi deutsch • krimi ebook • Krimi kindle • Kriminalfälle • Kriminalgeschichte • Kriminalgeschichten • Kriminalroman • Kriminalromane • kriminalromane 2018 • kriminalromane deutsch • Krimi Reihe • Krimireihen • krimi romane • Krimis • krimis&thriller • krimis und thriller kindle • Krimi Urlaub • letzte fälle • martin-barkawitz • Polizeiroman • Romanheft • Roman-Heft • schwerste fälle • Serie • Soko-Hamburg • spannend • spannende Krimis • spannende Thriller • Spannungsroman • Stefan Wollschläger • Tatort • Terror • thomas-herzberg • Thriller • Wegner |
ISBN-10 | 3-7517-7160-3 / 3751771603 |
ISBN-13 | 978-3-7517-7160-3 / 9783751771603 |
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