Ein kalter Tod (eBook)
448 Seiten
Goldmann (Verlag)
978-3-641-31187-2 (ISBN)
»Stuart MacBride ist mit jedem Thriller ein Lektüre-Muss für mich. Immer schnell, hart, authentisch - und anders.« Lee Child
Der Auftrag klang so harmlos: DC Edward Reekie und seine Vorgesetzte sollen einen todkranken Häftling aus dem Gefängnis abholen und nach Glenfarach bringen, wo er seine letzten Monate verbringen darf. Der Ort wirkt wie ein verschlafenes Dorf im Herzen des Nationalparks, in Wahrheit ist er eine Hochsicherheitszone mit Überwachungskameras, Wachpersonal und elektronischen Fußfesseln. Hier leben Straftäter, die ihre Haft verbüßt haben, aber zu gefährlich sind, um in die Freiheit entlassen zu werden. Nachdem die Detectives den neuen Bewohner abgeliefert haben, drängt ein heraufziehender Schneesturm sie zur Rückkehr nach Aberdeen. Doch als in Glenfarach ein Mord geschieht, müssen sie die Ermittlungen übernehmen. In der vom Schnee eingeschlossen Gemeinschaft werden die wachsenden Spannungen bald zur tödlichen Gefahr für alle. Denn etwas Böses ist nach Glenfarach gekommen ...
»Der schottische Winter bildet das perfekte Setting für diesen Locked-Room-Thriller in Stuart MacBrides einzigartigem Stil.« The Scotsman
Bereits »Die dunklen Wasser von Aberdeen«, Stuart MacBrides erster Roman um den Ermittler Logan McRae, wurde als bestes Krimidebüt des Jahres ausgezeichnet. Seither sind die brillanten Spannungsromane des Schotten aus den internationalen Bestsellerlisten nicht mehr wegzudenken. Stuart MacBride lebt mit seiner Frau im Nordosten Schottlands.
1
»… also bleiben Sie dran!« Die Stimme der gut gelaunten DJ tönte aus den Lautsprechern des Poolwagens, die Lautstärke so weit runtergedreht, dass man sie gerade eben verstehen konnte. »Sie hören Carole’s Cavalcade, es ist zehn Uhr fünfundvierzig an einem wunderbaren Dienstagmorgen, und wir haben ein paar fantastische Nummern für Sie im Programm …«
Dieses eigenartige knarzende Quietschen war wieder da – und jedes Mal, wenn Edward aufs Bremspedal trat, wurde es noch lauter. Nicht gerade beruhigend.
Das Armaturenbrett des Vauxhall war genauso dreckig wie der Rest: ein grauer Staubpelz, hier und da von Fingerspuren durchzogen. Das war das Problem mit Poolwagen – niemand machte sich je die Mühe, die Dinger zu reinigen. Nein, jeder hinterließ bloß seinen eigenen Dreck und überließ es dem nächsten armen Schwein, ihn zu beseitigen. Bloß dass das nächste arme Schwein das nie machte. Und so ging es weiter und weiter und weiter.
Der Dreck blieb, und die Verantwortung wurde munter weitergeschoben.
Was eine ganz treffende Metapher für die Verhältnisse bei Police Scotland war.
Bigtoria füllte den Beifahrersitz aus wie eine missgestimmte Bärin, den Blick starr geradeaus gerichtet, das Handy ans Ohr gepresst. »Ja, m-hm … Nein … Keine Chance.«
Was beinahe so viele Worte waren, wie sie bisher an ihn gerichtet hatte, seit sie in Aberdeen losgefahren waren. Denn warum sollte man auch mit einem einfachen Detective Constable reden, wenn man selbst den erhabenen Rang einer DI bekleidete?
»So, dann bringen wir die Party mal wieder in Schwung mit Stereoface und ihrer aktuellen Single ›Dancemonkey‹!« Peppige Musik blubberte aus der Stereoanlage. Nicht übel. Nicht überragend. Aber nicht übel.
Immerhin hatte er so etwas zum Mitsummen. Er trommelte mit den Fingern auf das Lenkrad, während ein gesichtsloser Streifen des Nordostens vorbeiglitt. Nur der hoch aufragende Schornstein des Kraftwerks Peterhead, von dem sich eine strahlend weiße Dampffahne über den saphirblauen Himmel zog, durchbrach die Monotonie.
Ein heimlicher Blick nach links.
Bigtoria war immer noch damit beschäftigt, grimmig und verkniffen dreinzuschauen und mühsam unterdrückte Aggressivität auszustrahlen. Denn Detective Inspectors liebten so was, nicht wahr? Als ob sie zu viele Fernsehkrimis gesehen und beschlossen hätten, dass der Look ihnen stand. »Es interessiert mich nicht, was er sagt – der Mann ist ein Idiot … Ja … Dumm wie Brot, das ist er.«
Sie hatte nicht mal ein Lächeln zustande gebracht, als Edward darauf hingewiesen hatte, dass sie heute Partnerlook trugen: beide im maschinenwaschbaren grauen Anzug mit weißem Hemd. Tja, es würde ein langer Tag werden, so viel stand fest.
»… M-hm … Sekunde, ich frag mal nach.« Sie verlagerte ihren finsteren Blick von der Landschaft auf Edward. »Wir hätten schon vor einer Stunde dort sein sollen.«
Er zuckte mit den Schultern. »Bei allem Respekt, Chefin, aber ich war nicht derjenige, der einen Sattelschlepper voller Kartoffeln auf der A90 quergestellt hat.«
»Wir haben immer noch fünf Stunden Fahrt vor uns, und wenn ich heute Abend zu spät zur Probe komme, sind Sie dran schuld. Also …« Sie sprach langsam und deutlich, als ob er auch dumm wie Brot wäre: »Wann – sind – wir – da?«
Edward sah auf sein Handy, das mit aktivierter Navi-App in der kleine Plastikhalterung neben den Lüftungsschlitzen steckte. »Fünf Minuten? Plus-minus. Ich fahr, so schnell ich kann.«
Ein missmutiges Brummen, dann sprach sie wieder ins Telefon. »Haben Sie das gehört? … Ja … Okay. Ich sag Ihnen Bescheid, wenn wir irgendwas rauskriegen.«
In der Ferne tauchte der Stadtrand von Peterhead auf – alles Lagerhallen und Gewerbegebiete, mit der einen oder anderen beige-braunen Häusergruppe im Hintergrund.
Am Kreisverkehr – einem mit Unkraut bewachsenen Buckel, eingeklemmt zwischen einer Autowerkstatt, einem McDonald’s und dem einsamsten KFC der Welt – bog Edward rechts ab, dann scharf links, immer den Wegweisern zu »HER MAJESTY’S PRISON AND YOUNG OFFENDER INSTITUTION, GRAMPIAN« und » u BESUCHER« nach, über eine ruhige Landstraße, gesäumt von Bäumen und übersät mit Schlaglöchern.
Bigtoria beendete ihr Gespräch, und ihre Miene wurde noch ein paar Stufen finsterer. »Sie wollen, dass wir ihn auch wegen des Abercrombie-Mordes ausquetschen.«
»Nie gehört. Wer ist …«
»Bis jetzt hätten wir also den Postraub in Mintlaw« – sie zählte es an den Fingern ab –, »den Banküberfall in Fraserburgh, die Brandstiftungen in Huntly, den Mord an Gerald Freebairn, das Verschwinden von Emily Lawrie, und jetzt auch noch den verdammten Wayne Abercrombie.«
Die Bäume wichen einer gesichtslosen Wohnsiedlung – lauter Bungalows in der Farbe von Tankstellen-Kaffee, gedeckt mit braunen Dachpfannen.
»Hm.« Er ging vom Gas, als sie den abweisenden rosa Granitklotz der Burnhaven School passierten. »Keine Ahnung, wer die alle sind.«
»Hmmpf … War vor Ihrer Zeit.« Sie zog die Stirn in Falten. »Auch vor meiner Zeit, um ehrlich zu sein. Aber im Gegensatz zu gewissen Leuten habe ich meine Hausaufgaben gemacht.«
Ach, komm …
Er versuchte es mit einem Lächeln. »Bin nur ein einfacher DC, schon vergessen? Wir werden ›nicht fürs Denken bezahlt‹, bis wir zum Sergeant befördert werden. Und selbst dann ist das letzte Wort noch nicht gesprochen.«
Nichts. Nicht mal ein sarkastisches Grinsen. Sie saß nur da und machte ein Gesicht wie ein versohlter Arsch, während vier Reihen von pittoresken altmodischen Häuschen vor ihnen auftauchten, ein Wall aus grauem Granit, mit Lücken, in denen man ein Stückchen Nordsee erspähen konnte.
»Okay …« Neuer Versuch. »Und wie soll ich meine Hausaufgaben machen, wo ich doch erst vor anderthalb Stunden erfahren habe, dass ich jetzt Ihr Sidekick bin?« Bei den »HMP & YOI GRAMPIAN«-Schildern bog er scharf rechts ab und fuhr den Berg hinunter zu dem halb leeren Parkplatz. Hinter der letzten Reihe von Parkbuchten lauerte die Nordsee, glitzernd im Sonnenschein und gesprenkelt mit den malerischen bunten Klecksen der Offshore-Versorgungsschiffe.
Der größte Teil des viktorianischen Nicht-mehr-Gefängnisses war hinter einer hohen Granitmauer links der Straße verborgen, aber nichts verstellte den Blick auf die klobigen Klötze neueren Datums, in denen die Grampian-Haftanstalt untergebracht war. Deren Einfriedung war wahrscheinlich noch höher als die des alten Gefängnisses, aber die Gebäude selbst waren viel, viel größer und erinnerten eher an eine Ansammlung von Travelodge-Hotels an einem Flughafen als an eine Justizvollzugsanstalt.
Edward folgte den Pfeilen auf dem Asphalt zu dem hässlichen Besucher- und Informationszentrum, erbaut im Stil eines Supermarkts in einem Industriegelände. »Hatte mich eigentlich auf einen gemütlichen Dienstag eingestellt – von morgens bis abends Überwachungsvideos sichten und Tee trinken. Was kann ich dafür, wenn DC Guthrie sich die Kante gibt und die Treppe runterfällt, wie wenn er einen auf Stuntman machen wollte.« Das kleine humorvolle Bild fügte er hinzu, um nicht ganz so wehleidig rüberzukommen.
Ein Schniefen. »Als ob.«
Sie lächelte nicht, aber es war immerhin ein Anfang.
»Genau – als ob jemand so blöd wäre, Guthrie als Stuntman zu engagieren. Der Kerl hat eine Koordination wie ein …«
»Ich meinte, es heißt ›als ob‹ und nicht ›wie wenn‹. ›Er ist die Treppe runtergefallen, als ob er eine Art Stuntman wäre.‹ Hat man Ihnen in der Schule keine Grammatik beigebracht?«
Warum? Warum machte er sich überhaupt die Mühe?
Detective Inspectors waren doch alle gleich.
Er fuhr um das Gebäude herum, parkte quer über den Stellplätzen, die für Motorräder reserviert waren, und stieg aus in die frische sonnige Luft. Seine Ohren schmerzten im Wind, die rasiermesserscharfe Kälte verwandelte seinen Atem in eine dünne, bleiche Nebelfahne.
Keine Spur von Grammatik-Päpstin DI Victoria »Als ob« Montgomery-Porter. Also zog er die Fahrertür wieder auf und schaute zu ihr hinein. »Chefin?«
Sie fixierte ihn mit einem Gesicht wie Beton. »Sie sind schuld, dass wir uns verspätet haben, also gehen Sie jetzt auch nachfragen.«
Er richtete sich auf und knallte die Tür zu.
Dann verdrehte er die Augen und fletschte die Zähne.
Er zeigte dem Autodach den Stinkefinger, machte auf dem Absatz kehrt und stampfte davon zum Haupteingang. Der es, wenn man ehrlich war, an architektonischem Reiz durchaus mit einer Kreuzung zwischen einem Einkaufszentrum und der Abflughalle eines Airports aufnehmen konnte. Aber immer noch tausend Prozent sympathischer als Detective Inspector Victoria Montgomery-Porter.
Edward fand ihn schließlich ganz hinten am Ende des Parkplatzes, wo er an einen alten Volvo-Kombi gelehnt die arktische Sonne genoss und aufs Meer hinausblickte.
Mr Bishop war eindeutig jenseits der achtzig,...
Erscheint lt. Verlag | 23.10.2024 |
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Übersetzer | Andreas Jäger |
Sprache | deutsch |
Original-Titel | The Dead of Winter |
Themenwelt | Literatur ► Krimi / Thriller / Horror ► Krimi / Thriller |
Schlagworte | 2024 • Aberdeen • eBooks • eingeschneit • Gänsehaut • Krimi • Kriminalromane • Krimis • Locked-in • Mord • Neuerscheinung • Schottland • spannend • Stand-Alone • Tartan noir • the dead of winter • Thriller |
ISBN-10 | 3-641-31187-X / 364131187X |
ISBN-13 | 978-3-641-31187-2 / 9783641311872 |
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