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"Zeit für mich" -  Kerstin Erz

"Zeit für mich" (eBook)

Gedichte und Geschichten Band 2

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
290 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7597-4496-8 (ISBN)
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(CHF 9,75)
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Natur, Gedanken, Träume: Lyrik und Geschichten für deine Auszeit. »Zeit für mich« ist ein Doppelband mit Gedichten und Geschichten, die ich mit Schwarz-Weiß-Bildern zu den vier Jahreszeiten kombiniert habe. Mit diesem Band 2 tauchst du ein in die grüne Natur und die Schönheit, die von Wäldern, Feldern, Wiesen und Seen ausgeht. In den Geschichten erzähle ich von Erlebtem, von meinen Gedanken und Träumen und vielleicht sagst du hier und da: »Ja, das kenne ich auch« oder »Das war schön«. »Zeit für mich« ist ein Doppelband zum Entspannen, zum Lesen zwischendurch, zum Beiseitelegen und jederzeit wieder Herausholen.

Kerstin Erz wurde in Prenzlau (Land Brandenburg) geboren, studierte Tierproduktion an der Universität Rostock und war bis 1990 in der Landwirtschaft tätig. Ihre neue Heimat fand sie im Jahr 2000 in einem kleinen Dorf in Mecklenburg. Seit 1997 ist sie als Freie Journalistin in der Zeitungsbranche tätig. Bereits seit den 80er Jahren schreibt sie Gedichte und vor allem Kurzgeschichten. Zwei Bücher »Zeit für mich - Gedichte & Geschichten« sowie »Weihnachtsmärchen & -geschichten« veröffentlichte sie zunächst in kleinster Auflage. Mit ihrem dritten Band »Der Föhrskrat - Märchenhafte Fantasy-Geschichten« präsentiert sie sich erstmals der breiten Öffentlich-keit. Inzwischen erschienen sind auch die Weihnachtsmärchen unter dem Titel »Der Schneefuchs«. Unter dem Titel »Zeit für mich« veröffentlichte sie nun ihre Gedichte und Geschichten in zwei Bänden.

Zweite Geschichte


Der Busfahrer


Manchmal brauchen Kinder einen Engel.


P aul ist Busfahrer, und er fährt einen ganz normalen, langweiligen Linienbus in einem unbedeutenden, kleinen, verschlafenen Städtchen. Jeden Morgen geht es vom Depot zum Bahnhof, über die Stadtmitte raus aus dem Ort und über die nächsten Dörfer zurück in die Stadt. Überall sammelt er die Schulkinder ein und bringt sie in die Schule. Jeden Morgen das gleiche Spiel. Während sie auf sein Eintreffen warten, lärmen und toben die Kinder an der Bushaltestelle. Wahnsinnig gefährlich ist das und er möchte gar nicht daran denken, was passiert, wenn doch mal eines von ihnen vor den Bus läuft oder hinter ihm auf die Straße vor ein anderes Auto, dessen Fahrer so früh am Morgen womöglich noch nicht ganz wach ist.

Aber in den dreißig Jahren, die er nun schon Bus fährt, ist das Gott sei Dank noch nicht passiert, ihm jedenfalls nicht. Schließlich hat er irgendwie ›seine Gören‹ auch im Griff. Sie wissen schon, dass sie sich mit seiner Ankunft ordentlich in Reih und Glied aufstellen und brav einer nach dem anderen einsteigen müssen. Auch im Bus hat Ruhe und Ordnung zu herrschen. Na ja, es sind immer mal welche dabei, die das nicht kapieren und die Jugendlichen können einem gestandenen Linienbusfahrer schon ganz schön frech kommen. Doch Paul hat eine scharfe, feste Stimme, die kommt an, erst recht, wenn er schlechte Laune hat. Die hat er meistens morgens, denn er ist ein wahrer Morgenmuffel. In der Frühe geht es ihm gegen den Strich, große Reden zu schwingen. Er bringt gerade mal ein ›Moin‹ für seine Kollegen über die Lippen. Aber den Kindern muss man ja nicht antworten. Jedoch kommt er nicht umhin, sie ständig zu ermahnen, was ihm ziemlich gegen den Strich geht und seine schlechte Laune nur noch verstärkt.

Er weiß, dass er bei den Kids nicht sehr beliebt ist, jedenfalls nicht morgens.

Am Nachmittag, wenn er sie von der Schule wieder nach Hause fährt, ist das schon anders. Da kann er sich doch mal zu einem Witz hinreißen lassen und die Freude der Kinder über das Ende der Schule teilen. Wenn der Letzte dann seinen Bus verlässt und er ins Depot zurückfahren kann, ist er heilfroh. Dann kommt zwar noch das Saubermachen und wieder der Ärger über die Kinder, weil ja hier ein Trinkpack und da noch Bonbonpapier hingeschmissen und womöglich noch die Brause auf die Sitzbezüge gekippt wurde, aber der Feierabend ist in Sicht.

Zu Hause kann er dann eine himmlische Ruhe genießen. keiner ist da, der ihm mit irgendwelchem Familienkram auf die Nerven geht. Er kann ganz einfach tun und lassen, was er will. Zugegeben, manchmal, wenn zum Beispiel draußen schönes Wetter ist, hätte er schon gern einen Sohn, mit dem er Fußball spielen könnte auf dem nahen Sportplatz. Aber den gibt es ja nicht, den Sohn, so wie es auch keine Frau in seinem Leben mehr gibt. Dafür kann er fernsehen, was er will und wie lange er will, und das macht er ausgiebig, am liebsten Reiseberichte. Sozusagen als abendliche Entspannung, die er nach den Touren auch nötig hat. Mehr fällt ihm zum Abend aber nicht ein. In die Kneipe gehen, hat er sich schon längst abgewöhnt. Muss er doch jeden Morgen um fünf Uhr aufstehen. Damals kam es schon vor, dass er am Vorabend nicht zeitig genug aus der Kneipe kam und den Wecker verschlafen hatte oder, noch schlimmer, früh noch nicht nüchtern war. Und das bei den vielen Kindern, die er zu transportieren hat. Nein, das Risiko, seinen Job wegen des Alkohols zu verlieren, war ihm einfach zu groß. Glücklicherweise hat er einen starken Willen, Segen und Fluch zugleich, denn dem Alkohol konnte er dadurch fern bleiben, doch seine Frau blieb es ihm auch. Sie hatte er vor nunmehr fünfzehn Jahren damit aus dem Haus getrieben. Doch Schwamm drüber! Jedenfalls fiel es ihm nicht schwer, den Kneipen, leider damit auch den dortigen Kumpeln, aus dem Weg zu gehen.

Jetzt, wo er bald fünfzig wird, muss er feststellen, dass er nicht viel von seinem Leben gehabt hat. Jeden Morgen Linienbus fahren, immer die gleiche Strecke. Nur, wenn einmal ein Kollege ausfiel oder in Urlaub ging, durfte er seinen Bus vielleicht in die entgegengesetzte Richtung steuern. Aber aus dem Kreisgebiet kam er eigentlich nie heraus. Nicht einmal im Urlaub hat er etwas anderes gesehen als seinen Angelteich vor der Tür. Nicht, dass er nicht das Geld hätte, sich einen Urlaub auf Mallorca zu leisten oder in Deutschland herumzukurven. Leisten könnte er sich einiges, aber für sich allein?

Wie haben es seine Berufskollegen gut, die bei einem Busreiseveranstalter angestellt sind und immer mit freundlichen, stillsitzenden, nie krümelnden und kleckernden Gästen in die schönsten Gegenden Europas reisen können. Was beneidete er sie um ihren ›Urlaub‹ im Dienst, um das Erlebte und Gesehene.

Wie oft hat er schon davon geträumt, sich einfach seinen Bus zu schnappen, aus dem Städtchen hinauszufahren und nie wieder zurückzukehren. Nur fahren und sich die ganze schöne Welt ansehen. So hat er sich im Traum alle Sehenswürdigkeiten der Städte, durch die er gefahren ist, angesehen und hat sich von jeder Stadt ein Souvenir mitgenommen. Schon bald lag auf jedem Sitz seines Busses ein wunderschönes Andenken an ein wunderschönes Erlebnis. Und während er die Sitzreihen entlang geht und sich jedes Stück glücklich betrachtet, verwandeln sich hinter ihm die vielen schönen Andenken in lärmende und tobende, in essende und trinkende, in krümelnde und kleckernde Schulkinder, die zu allem Ärger auch noch alle mit einer schrillen Trillerpfeife pfeifen.

Dann ist er plötzlich wach, hört noch den letzten Piepser seines Weckers und stellt verärgert fest, dass es Zeit zum Aufstehen ist. Zeit, den alltäglichen Trott zu beginnen. Aber noch im Bad beim Blick in den Spiegel sagt er zu sich:

»Paul, eines Tages wirst du dir diesen Traum erfüllen – ohne die Kinder, natürlich!«

Aber, wie jeden Tag geht Paul auch heute brav zum Depot, bringt seinen Bus in Schwung und macht sich auf seine Schulkinder-Einsammel-Tour. Gott sei Dank ist heute der letzte Tag in der Woche, und er hat drei Tage hintereinander frei. Während er die Kinder von der Schule wieder abholt und auf die Haltestellen verteilt, grübelt er nach, was er denn an diesen freien Tagen machen soll. Auf alle Fälle einmal richtig ausschlafen. Und dann, wieder angeln gehen, wie immer? Oder sich doch mal in den Zug setzen und einfach irgendwohin reisen?

Aufgeregter Kinderlärm reißt ihn aus seinen Grübeleien. Was ist denn nun schon wieder los? Im Rückspiegel sieht er, wie größere Jungen sich gegenseitig einen etwa zehnjährigen, schmächtigen Jungen zuschubsen. Paul macht eine Vollbremsung, so dass alle Kinder durch den Gang purzeln und sich blaue Flecken holen. Irgendwie hat Paul aber heute keine Lust, sich aufzuregen und zu schimpfen. So fragt er nur barsch in den Bus hinein:

»Seit wann stehen wir im Bus, wenn genügend freie Plätze sind? Und seit wann vergreifen sich Große an einem Kleinen?«

Die Meute flieht auseinander, jeder auf eine Bank. Der Kleine sammelt weinend die Sachen aus seinem ausgekippten Rucksack zusammen.

»Was wollten die denn von dir?«, fragt Paul den Jungen und reicht ihm ein T-Shirt. Immer noch weinend nimmt der Junge das Hemd und verkriecht sich wortlos in die äußerste Ecke der Bank gleich hinter dem Fahrersitz. Paul schaut drohend die Großen an, einen nach dem anderen:

»Noch so ein Ding und ihr fliegt raus! Dann könnt ihr die restlichen fünf Kilometer zu Fuß gehen und eure Köpfe auslüften!« Mit diesen Worten klettert Paul auf seinen Sitz zurück und fährt weiter. Die letzte Strecke, bis alle aussteigen, ist es mucksmäuschenstill im Bus. Solche Stille ist Paul gar nicht gewohnt. Aber es ist ihm gerade recht, denn so kann er sich wieder auf seine Frage konzentrieren, was er an diesen drei freien Tagen wohl machen soll.

So, das war die letzte Haltestelle, nun noch drei Kilometer zum Depot, Bus übergeben und dann ab nach Hause. Im Depot kommt ihm schon der Einsatzleiter entgegen:

»Paul, tut mir leid, aber du kannst noch nicht Feierabend machen. Krause hatte einen Unfall, der Bus musste in die Werkstatt und Krause ins Krankenhaus. Nicht so schlimm mit ihm, aber es ist besser, er wird durchgecheckt. Bloß, du musst heute Abend noch seine Spättour übernehmen. Na ja, um zweiundzwanzig Uhr hast du dann ja auch Feierabend. Mach’s gut und fahr vorsichtig! Noch einen Ausfall können wir uns nicht leisten.« Paul flucht, doch es bleibt ihm nichts weiter übrig, die sechs Stunden muss er nun noch fahren. Einziger Trost, es ist mal eine andere Strecke, schön über’s Land.

Unterwegs fällt ihm ein, er hätte im Depot doch wenigstens mal auf die Toilette gehen müssen. Nach weiteren fünf Kilometern muss er den Bus an den Straßenrand fahren und schnell rausspringen. Als er durch die Fahrgasttür wieder einsteigt,...

Erscheint lt. Verlag 26.4.2024
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Lyrik / Dramatik Lyrik / Gedichte
ISBN-10 3-7597-4496-6 / 3759744966
ISBN-13 978-3-7597-4496-8 / 9783759744968
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