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Jerry Cotton Sonder-Edition 229 (eBook)

Todesblumen aus Bangkok

(Autor)

eBook Download: EPUB
2024 | 1. Aufl. 2024
80 Seiten
Bastei Lübbe (Verlag)
978-3-7517-6265-6 (ISBN)

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Jerry Cotton Sonder-Edition 229 - Jerry Cotton
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Sie sahen so unschuldig und gleichzeitig so verlockend aus wie exotische Blumen. Sie kamen aus Thailand und wurden in den USA von einer habgierigen Mädchenhändlerbande erwartet. Doch die duftenden Blüten des Orients waren nicht nur willige Opfer. Einige entpuppten sich überraschend als gefährliche Mörderinnen - als Todesblumen aus Bangkok ...


1


Die Stimme war in ihrem Kopf. Eine leise Stimme, raunend, beschwörend. Geh, flüsterte sie. Geh und töte ihn ... Geh, geh ...

Sie schloss die Augen und lehnte die Stirn gegen das kühle Glas der Fensterscheibe. Die Stimme in ihrem Kopf wisperte weiter. Sie wusste nicht mehr, wann es angefangen hatte. Vielleicht war die Stimme schon immer da gewesen. Vielleicht erinnerte sie sich nur nicht daran, wie sie sich an so vieles nicht erinnerte.

Draußen fiel Regen und bewegte das Laub der Bäume wie mit sanften Fingern. Sie schauerte. Gleich würde Boolin kommen und mit ihr wegfahren, hinüber in die große Stadt, vor der sie sich fürchtete. Boolin schien immer zu wissen, was die Stimme in ihrem Kopf befahl. Hörte er sie ebenfalls? Sie durfte ihn nicht fragen. Es gab Dinge, über die sie nicht sprechen durfte, oder die Stimme würde nicht aufhören zu reden, würde sie quälen, in ihrem Kopf dröhnen, endlos widerhallend.

Rasch wandte sie sich vom Fenster ab. Sie durchquerte das kleine Zimmer und öffnete einen Schrank. Ihre Finger schlossen sich um den kühlen Griff der Pistole. Die Stimme in ihrem Kopf flüsterte immer noch.

Geh, raunte sie ihr zu. Geh und töte ihn ... Töte, töte, töte ...

Zwischen den hohen düsteren Hauswänden bildete der Hinterhof einen engen Schacht, in den nicht einmal der Widerschein der Lichtglocke über Manhattan drang. Das einzige helle Fenster schälte eine mattgelbe Insel aus der Dunkelheit und ließ einen Streifen nassen Kopfsteinpflasters glänzen. Lee Singal duckte sich in den Schlagschatten leerer Getränkekästen. Er lauschte auf die Schritte, die sich näherten.

Leise Schritte, unsicher und verstohlen.

Er runzelte die Stirn. Innerlich spannte er sich. Er beobachtete die Bar mit dem Namen Mun River seit Tagen. Es war das erste Mal, dass jemand den Hof betrat, auf den nur eine einzige Tür mündete, nämlich der Hinterausgang des Lokals.

Aus zusammengekniffenen Augen blickte Lee Singal zu der handtuchschmalen Einfahrt hinüber. Die Gestalt des Fremden war nur ein Schattenriss: schmal, klein gewachsen, fast zierlich. Jetzt streifte ihn das Licht aus dem hellen Fenster. Es traf ein asiatisches Gesicht unter glänzendem blauschwarzem Haar. Ein Gesicht, das Lee Singal kannte.

Pibul, dachte er überrascht. Pridi Pibul aus Bangkok. Wie kam der Mann nach New York? Was suchte er im Mun River? Er war Thai, und das hier war ein thailändisches Lokal. Aber zwischen den Besitzern des Mun River und den Männern, die hinter Pridi Pibul standen, hatte es nie eine Verbindung gegeben.

Singals Hand tastete unwillkürlich zum Schulterholster, während seine Gedanken fieberhaft arbeiteten. Nur wenige Yards von ihm entfernt blieb der schlanke Thai geduckt stehen. Er spähte in die Runde und lauschte. Auf Zehenspitzen huschte er weiter. Der Drehknauf quietschte leise, als er ihn bewegte. Die Tür schwang völlig lautlos in den Angeln. Pridi Pibul drückte sie hinter sich ins Schloss. Sekunden später verriet die feine helle Linie über der Schwelle, dass er Licht gemacht hatte.

Singal runzelte die Stirn. Er brauchte zwei Atemzüge, um seine Schlüsse zu ziehen. Ein heimlicher Eindringling hätte sich gehütet, das Flurlicht einzuschalten. Der Thai hatte es aufgegeben, wie ein Dieb zu schleichen, sobald er die Hintertür erreichte. Das hieß, dass er Gefahr nur von außen fürchtete, dass die Bar sein Schlupfwinkel war.

Wieso? Das passte nicht. Lee Singal zog die Hand vom Schulterholster zurück und schüttelte den Kopf. Nein, das passte nicht. Es gab nur zwei mögliche Erklärungen. Die eine war unwahrscheinlich, eine erdrutschartige Verschiebung im Machtgefüge gewisser großer Syndikate.

Die andere erschien Singal glaubhafter. Pridi Pibul konnte Schwierigkeiten haben, vor denen er floh – in den Schutz einer mächtigen Gang. Vielleicht besaß er Informationen, die er verkaufen wollte. Vielleicht hoffte er auf die Hilfe alter Freunde. Oder vielleicht war er einfach nur am Ende seiner Nerven und griff nach einem Strohhalm.

Grübelnd starrte Lee Singal auf die geschlossene Hintertür.

Er musste herausfinden, was hier gespielt wurde. Und dann würde er entweder seine eigenen Pläne danach ausrichten oder dafür sorgen, dass sich diejenigen um Pridi Pibul kümmerten, die für ihn zuständig waren.

Bei dem verdammten Regenwetter hätten Phil und ich eigentlich nichts dagegen gehabt, den Nachtdienst schön geruhsam mit dem Aufarbeiten von Akten zu verbringen.

Wenn einem der Schriftkram zum Hals heraushängt, passiert bestimmt nichts, das einen davon erlöst. In einer ungemütlichen Nacht kann man sich fast sicher sein, dass etwas passiert, und zwar meist an einer besonders ungemütlichen Ecke. So gesehen konnten wir für den Einsatz im Mun River sogar dankbar sein.

Der Mann, um den es ging, wurde durch internationalen Haftbefehl gesucht. Er hieß Pridi Pibul und stammte aus Thailand. Laut Interpol hatte er sich mit Mädchenhandel befasst, seit er als Zwölfjähriger von zu Hause ausgerissen war und seine zehnjährige Schwester mitgeschleppt hatte, um sie in Bangkok an ein Kinderbordell zu verschachern.

Später schloss er sich einer Organisation an, die ihre Blütezeit während des Vietnamkriegs erlebte, als Saigon voll von Soldaten war, die ihr Vergnügen haben wollten. Nach dem zweifelhaften Friedensschluss, dem bekanntlich sehr schnell die nordvietnamesische Offensive folgte, mussten die Amerikaner wohl oder übel eine Menge Südvietnamesen evakuieren, denen es sonst dreckig gegangen wäre.

Darunter waren nicht nur Patrioten, Idealisten oder harmlose Geschäftsleute. Darunter waren auch weit weniger harmlose Kriegsgewinnler einer bestimmten Sorte, die die Gelegenheit beim Schopf packten und ganze Schiffsladungen verstörter Girls nach Amerika verfrachteten. Nicht etwa, um sie vor Umerziehungslagern oder Schlimmerem zu bewahren, sondern um die dreckigen Geschäfte in einem günstigeren Klima neu aufzubauen.

Einer dieser Typen, ein vergleichsweise kleiner Fisch, war Pridi Pibul.

Man vermutete ihn zurzeit in Thailand. Die Information, dass er in New York war und – warum auch immer – das Mun River als Schlupfwinkel benutzte, verdankten wir einem Rauschgiftfahnder. Einem Mann namens Lee Singal, den wir von einem früheren Einsatz her kannten und von dem wir wussten, dass alles, was er weitergab, ganz sicher Hand und Fuß hatte.*

Der Morgen graute bereits, als ich den Jaguar vor dem Mun River ausrollen ließ.

Das Lokal war bekannt. Moon River nannten es die meisten Amerikaner – Mondfluss, sehr romantisch. Aber mun ist ein thailändisches Wort, das mit Mond nicht das Geringste zu tun hat. Und romantisch war mir sowieso nicht zumute, als ich neben meinem Freund und Partner Phil Decker die Straße überquerte.

Wir hatten eine starke Eingreifreserve im Rücken. Immerhin mussten wir – obwohl Singal das für unwahrscheinlich hielt – damit rechnen, dass Pridi Pibul wichtig für die Rauschgiftgangster war, die das Mun River betrieben. Falls sie versuchen sollten, uns an der Verhaftung des Burschen zu hindern, konnte uns das nur recht sein. Dann würden wir zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Pibul einerseits und außerdem jeden, der sich möglicherweise mit Waffengewalt einem FBI-Einsatz entgegenstellte.

Das Gesetz verbot uns die einfachste Möglichkeit, nämlich heimlich die Hintertür zu benutzen und Pibul aus dem Zimmer zu fischen, dessen genaue Lage Lee Singal herausgefunden hatte. Juristisch wäre das Hausfriedensbruch gewesen. Wir mussten schön brav durch den Haupteingang kommen und den Typen in der Bar die Chance geben, sich als gesetzestreue Bürger zu erweisen, die selbstverständlich nicht daran dachten, einen steckbrieflich gesuchten Verbrecher zu decken.

Der Witz daran war, dass sich im Mun River offenbar wirklich niemand bemüßigt fühlte, Pridi Pibul zu schützen. Der Mixer zuckte nur mit den Schultern und verwies uns an den Geschäftsführer. Der nannte die Zimmernummer, die wir schon von Lee Singal kannten, und setzte mit hämischem Grinsen hinzu, dass wir Pibul wohl in einer pikanten Situation überraschen würden, weil gerade eben ein niedliches Girl zu ihm hinaufgegangen sei.

Mir zog es die Magenmuskeln zusammen. Eine junge Frau, eine mögliche Geisel – das war genau das, was wir am wenigsten gebrauchen konnten. Phil benutzte sein Walkie-Talkie. Fünf Sekunden später war unser Kollege Steve Dillaggio zur Stelle. Er würde dafür sorgen, dass Pridi Pibul nicht etwa telefonisch gewarnt wurde, während Phil und ich den uralten, scheppernden Käfiglift nahmen.

Der Flur im dritten Stockwerk war leer und still wie ein Friedhof um Mitternacht.

Wir huschten auf leisen Sohlen über den abgeschabten Teppich. Die Tür zu Pridi Pibuls Zimmer war nur angelehnt. Ich runzelte die Stirn und blickte Phil an. Er dachte offenbar das Gleiche wie ich. Eine Prostituierte, die zu einem Kunden geht, lässt normalerweise nicht die Tür hinter sich offen.

Mit zwei Schritten stand ich an dem schmalen Spalt...

Erscheint lt. Verlag 17.2.2024
Reihe/Serie Jerry Cotton Sonder-Edition
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte 2017 • 2018 • Abenteuer • Action Abenteuer • action romane • action thriller • action thriller deutsch • alfred-bekker • Bastei • bastei hefte • bastei heftromane • bastei romane • bastei romane hefte • Bestseller • Deutsch • eBook • E-Book • eBooks • erste fälle • Fall • gman • G-Man • Hamburg • Heft • Heftchen • Heftroman • heftromane bastei • Kindle • Krimi • Krimiautoren • Krimi deutsch • krimi ebook • Krimi kindle • Kriminalfälle • Kriminalgeschichte • Kriminalgeschichten • Kriminalroman • Kriminalromane • kriminalromane 2018 • kriminalromane deutsch • Krimi Reihe • Krimireihen • krimi romane • Krimis • krimis&thriller • krimis und thriller kindle • Krimi Urlaub • letzte fälle • martin-barkawitz • Polizeiroman • Romanheft • Roman-Heft • schwerste fälle • Serie • Soko-Hamburg • spannend • spannende Krimis • spannende Thriller • Spannungsroman • Stefan Wollschläger • Tatort • Terror • thomas-herzberg • Thriller • Wegner
ISBN-10 3-7517-6265-5 / 3751762655
ISBN-13 978-3-7517-6265-6 / 9783751762656
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