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Mein magischer Sommer mit Shakespeare (eBook)

Roman
eBook Download: EPUB
2024 | 1. Auflage
320 Seiten
Piper Verlag
978-3-492-60768-1 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Mein magischer Sommer mit Shakespeare -  Mónica Gutiérrez
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Ein paar Tage vor der Aufführung von Shakespeares Macbeth steht der renommierte Intendant Max Borges, der in Barcelona eine kleine exzentrische Theatergruppe leitet, kurz vor dem Zusammenbruch. Bei dem Stück, das sein größter Erfolg werden sollte, scheint alles schief zu gehen: Die Hexen sind zu schön oder wegen Schwangerschaft ausgefallen, König Duncans Krone ist zerbrochen, und sein Macbeth riecht verdächtig nach schottischem Whisky. Glücklicherweise gibt es Elsa, die Max in solchen Momenten - egal, was passiert - immer daran erinnert: The Show must go on. Seit die elfenhafte junge Frau mit den roten Haaren ihm einige Jahre zuvor an der Uni über den Weg gelaufen ist - am schwärzesten aller Tage, als seine Frau gerade mit dem Oberon aus dem Sommernachtstraum durchgebrannt war -, ist sie die Glücksfee des Theater-Ensembles und Max Borges' Assistentin. Doch mehr ist sie nicht. Oder doch? Als die Aufführung wider Erwarten ein voller Erfolg wird und Max und seine Truppe eine Einladung zum berühmten Edinburgh Fringe Festival erhalten, erwartet sie eine Stadt voller magischer Sommernächte, durch deren Gassen der Geist von Shakespeare zu wehen scheint. Doch am Abend der Premiere ist Elsa plötzlich verschwunden, und als der Vorhang fällt, werden Liebe und Freundschaft plötzlich zu den wahren Protagonisten der Geschichte ...

1
Der Fluch der Hexen


Wann treffen wir drei uns das nächste Mal

bei Regen, Donner, Wetterstrahl?

Macbeth, 1. Akt, 1. Szene

Nur zwei Monate vor der Premiere von Macbeth im Teatre Nacional de Catalunya saß der berühmte Theaterregisseur Max Borges im Halbdunkel der ersten Zuschauerreihe und blinzelte ungläubig, weil er nicht glauben konnte, was er auf der Bühne sah. Doch auch nachdem er sich die Augen gerieben hatte, standen die drei Hexen aus dem Wald von Birnam immer noch da und rezitierten die erste Szene im ersten Akt.

»Noch vor Untergang der Sonnen«, sagte eine der schönen Nymphen mit kristallklarer Stimme.

»Wo der Ort«, fuhr ihre hübsche Kollegin fort.

Max setzte seine, wie er hoffte, überzeugendste enttäuschte Miene auf und wandte sich seiner Assistentin Elsa zu.

Elsa, die ihren Chef kannte, konnte sich annähernd vorstellen, was er von den drei Hexen hielt, und wagte nicht, ihn anzusehen, sondern hielt den Blick fest auf die Bühne gerichtet.

»Schön ist wüst, und wüst ist schön«, zwitscherte das Trio der glücklichen Najaden im Chor.

Max hatte den Eindruck, dass einer von ihnen nach diesem Satz ein unkeusches Kichern entwischte.

»Wir werden sie schminken«, flüsterte Elsa, immer noch ohne Max anzusehen. »Und Auroras Kostüme werden alles andere vergessen lassen. Hast du die Kostüme gesehen? Sie sind großartig.«

»Wo sind meine Hexen?«, fragte der Regisseur, ebenfalls im Flüsterton. »Die ursprünglichen, meine ich?«

»Marisa ist kurz vor der Entbindung, Marta hat sich letzte Woche verabschiedet, und Marbelis steht, obwohl sie schwanger ist, auf der Bühne und spielt die erste Hexe.«

Max beschloss, dass er gar nicht wissen wollte, warum, verdammt noch mal, alle drei Schauspielerinnen irgendwas mit Mar hießen, warum zwei von ihnen gleichzeitig schwanger waren und die dritte ausgerechnet diese Phase übermäßiger Fruchtbarkeit genutzt hatte, um klammheimlich zu verschwinden.

»Ich bin ein Spielball des Schicksals«, beschwerte er sich.

»Alles wird gut.«

»Wie denn? Die Hexen spielen in dem Stück eine fundamentale Rolle als Unheilverkünderinnen … Wie war das noch? Lass es dir von Enzo erklären, dann wirst du verstehen, dass sie von entscheidender Bedeutung sind.«

Elsa, die wie der gesamte Stab, Techniker, Bühnenbildner, Beleuchter, Kostümbildnerin, Musiker, Produzent, Inspizient und Ensemble, eine Woche vor Probenbeginn den pausenlosen vierstündigen Vortrag des Dramaturgen Enzo Pooh über sich ergehen lassen musste, dachte, dass sie lieber barfuß zum Grab von König Duncan pilgern wollte, als noch ein einziges weiteres Wort über die tragische Ironie in den Weissagungen der Hexen zu hören.

Die drei Schauspielerinnen, die ihren kurzen Einsatz in der ersten Szene des ersten Aktes rings um einen enormen Zinnkessel beendet hatten, blickten nun lächelnd in die erste Stuhlreihe. Die Lichtproben, die ein Techniker unter den Anweisungen des Beleuchters ausführte, behinderten – in diesem Moment zum Glück – die Sicht auf die düstere Miene ihres Regisseurs, sodass die drei auf ein Zeichen der Zustimmung oder eine Anweisung warteten, bevor sie König Duncan und seinen Soldaten die Bühne überließen.

»Gib ihnen eine Chance. Ihr Englisch klingt zumindest ganz passabel.«

»Alles in Ordnung, Señor Borges?«, fragte Marbelis, die, vom Licht geblendet, ein wenig vortrat, um den Wortwechsel zwischen dem Regisseur und seiner Assistentin zu verstehen.

»Natürlich«, versicherte Elsa eilig, da Max wie versteinert dasaß. »Morgen machen wir mit den anderen Szenen weiter. Bitte schaut heute Nachmittag bei der Kostümbildnerin vorbei.«

Die drei hübschen, blutjungen Waldhexen verabschiedeten sich mit glockenhellem Gelächter und huschten von der Bühne. Elfengleich schwebten sie davon und schienen die Bretter, die die Welt bedeuten, kaum mit den Zehenspitzen zu berühren. Elsa musste zugeben, dass sie nicht im Geringsten wie Hexen aussahen, und schielte besorgt zu Max hinüber. Doch der sah schon gar nicht mehr hin.

»Das wird eine Katastrophe«, klagte er. »Mir wäre Hamlet sowieso lieber gewesen.«

»Alles wird gut«, meinte Elsa beschwichtigend. Max Borges genoss einen ausgezeichneten Ruf als Theaterregisseur, seit seine Inszenierung von Ein Sommernachtstraum im Teatro Municipal von Manresa von der Kritik einmütig als ebenso brillant wie außergewöhnlich gefeiert worden war. Dabei hatte Borges sich nicht nur an der traditionellsten Shakespeare-Version und den ältesten bekannten Quellen orientiert, vielmehr waren auch die Darbietung des Textes und die Inszenierung herausragend gewesen. Obwohl die Schauspieler keine Vollprofis waren und man nur über ein geringes Budget verfügte, war es dem damals noch nicht einmal vierzigjährigen Regisseur gelungen, mit Wahrhaftigkeit und Herzblut das Publikum zu beeindrucken. Und auch wenn später einige neidische Stimmen behaupteten, dass sich Max damals auf Theaterfestivals minderer Güte seine ersten Lorbeeren verdient hätte, waren die Kritiker sich doch einig, dass von diesem begabten Regisseur fortan noch Großes zu erwarten war, wenn es um die Inszenierungen der Theaterstücke des Barden aus Stratford-upon-Avon ging.

Leider konnte man nicht behaupten, dass das Ansehen des jungen Regisseurs seit jener umjubelten Aufführung in Manresa rasant gestiegen war. Er besaß zwar Talent und ein kolossales Durchhaltevermögen, doch hatten auch die Sympathie der Kritiker, die Sorgfalt, mit der er sein Ensemble auswählte, und – insbesondere – sein Geschick beim Eintreiben von Subventionen zu seinem unaufhaltsamen Aufstieg in den Theaterolymp beigetragen.

Nun, da Max auf die fünfzig zuging und sein dunkles Haar an den Schläfen grau zu werden begann, war seine Karriere an einem Punkt, ab dem man nicht mehr als vielversprechend gelten konnte, sondern entweder wirklich berühmt wurde oder krachend scheiterte und in der Versenkung verschwand. Groß und von kräftiger Statur, war er mit seinem exakt gezogenen Seitenscheitel, mit dem er sein volles Haar zu bändigen versuchte, seiner langen, markanten Nase und dem Grübchen am Kinn eine imposante Erscheinung mit einer tiefen Stimme und dem prüfenden Blick seiner kastanienbraunen Augen entging nichts. Vielleicht weil er von Natur aus eher schweigsam war oder wegen der Autorität seiner knappen, klaren und entschiedenen Sätze, war er keinen Widerspruch gewohnt, und in der Theaterbranche ging das Gerücht um, dass er niemals lächelte. Doch aller legendären Übertreibungen zum Trotz und obwohl er sich tatsächlich selten eine große Gefühlsäußerung erlaubte – dafür waren ja die Schauspieler da –, hatte Elsa ihren Chef bei einigen Gelegenheiten durchaus lächeln sehen. Und hätte sich jemand die Mühe gemacht, die Regieassistentin zu befragen, hätte sie sicher geantwortet, dieses rätselhafte Lächeln erinnere sie an Gregory Peck in der Rolle des Atticus Finch. Da Elsa Fremden gegenüber jedoch von Natur aus schüchtern war und nicht gewusst hätte, wie sie diesen Vergleich erklären sollte, ohne unerträglich kitschig zu klingen, war sie froh, dass niemand sie auf die Mimik ihres Chefs ansprach.

Der hatte in diesem Moment genug von dem Halbdunkel, stand auf und brüllte, in der Hoffnung, den Beleuchter und seine Techniker gehörig zu erschrecken, zu den Scheinwerfern hinauf:

»Licht! Sofort! Damit ich diesen verdammten Saal verlassen kann, ohne über meine eigenen Füße zu stolpern.«

Von der Lichtbühne kam kein Lebenszeichen, doch einen Augenblick später erhellte ein sanfter Schein das dunkle Meer der Stuhlreihen des Teatre Nacional de Catalunya. Und obwohl Elsa bereits in einigen der berühmtesten Theater Europas gearbeitet hatte, beeindruckte die Erhabenheit dieses imposanten leeren Raumes sie einmal mehr.

Max, dessen schlechte Laune das Ende des Halbdunkels überdauert hatte, legte das Schreibzeug zur Seite – er pflegte seine Textbücher von oben bis unten mit Notizen zu bekritzeln –, zog den Mantel über das Jackett mit den Lederflicken im Stil eines Oxford-Professors und brummte einen Abschiedsgruß. Bei jedem anderen hätte Max es bei diesem Brummen belassen, da Elsa aber nicht irgendjemand war, wandte...

Erscheint lt. Verlag 29.2.2024
Übersetzer Anja Rüdiger
Verlagsort München
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Romane / Erzählungen
Schlagworte Edinburgh • Liebe • Schottland • Shakespeare • Theater
ISBN-10 3-492-60768-3 / 3492607683
ISBN-13 978-3-492-60768-1 / 9783492607681
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