Marie Schönbeck hat sich in das Nordfriesische Wattenmeer verliebt. Für sie sind die Küsten und Inseln Sehnsuchtsorte. Oft fährt sie mit ihrem Mann und ihren Hunden an die Nordsee, um lange Spaziergänge am Strand zu machen und die wildromantische Natur zu genießen. Nach dem Erfolg ihrer Reihe um die malerische Inselpension »Lüttes Glück« legt sie nun mit der Geschichte um die Bonbon-Manufaktur »Dat Bontjehuus« die zweite große Nordsee-Saga vor.
Kapitel 1
Als Christin Horvat abends von der Arbeit nach Hause kam und die Haustür ihres Reihenhauses aufschloss, hörte sie drinnen schon das Telefon klingeln. Rief Franjo etwa an, um ihr mitzuteilen, dass er keine Überstunden machen und also doch rechtzeitig zum Abendessen zu Hause sein würde?
Sein Smartphone benutzte er fast nie. Er besaß es nur für Notfälle und mochte es nicht, dass viele Menschen nur noch auf ihr Mobiltelefon starrten. Er arbeitete im Pfandleihhaus seiner Eltern und regte sich oft auf, dass so manch ein Kunde seinen Ehering oder das goldene Babyarmband, das er zur Geburt seines Kindes geschenkt bekommen hatte, versetzte, um seine Handyrechnung bezahlen zu können.
Voller Hoffnung beeilte sie sich trotz der Hitze, die Köln in einen Backofen verwandelt hatte. Christin trat ins Haus, warf die Tür hinter sich zu und eilte ins Wohnzimmer, das nach den Vanilleduftkerzen, die im Raum verteilt standen, roch.
Die Telefonnummer, die auf dem Display aufleuchtete, war nicht die von Franjo. Christin ließ die Mundwinkel hängen, doch dann erkannte sie die Vorwahl von Föhr, und ihre Enttäuschung wich großer Freude. Anja rief an!
Aufgeregt riss Christin das Telefon aus der Station und meldete sich: »Hallo Anja. Wie schön, von dir zu hören!«
»Moin, Christin«, schallte es fröhlich durch die Leitung. »Hast du Zeit zum Schnacken?«
Christin legte ihren Schlüsselbund und ihre Handtasche auf den Schuhschrank. »Du klingst schon norddeutsch.«
»Das sehen die Norddeutschen bestimmt anders«, erwiderte ihre beste Freundin mit einem Lächeln in der Stimme. »Ich hatte dir doch versprochen, mich zu melden, wenn die ersten Gäste da sind.«
»Und? Sind sie nett? Fühlen sie sich im Lüttes Glück wohl? Wie ist es, eine eigene Pension zu führen? Ist es so, wie du es dir vorgestellt hattest? Erzähl schon! Ich platze vor Neugier«, sprudelte es aus Christin heraus, während sie die Bluse, die an ihrem verschwitzten Rücken klebte, von ihrer Haut wegzog. Sie beneidete ihre Freundin um ihren Mut. Sie hätte es sich nicht getraut, ihr altes Leben in Köln über Bord zu werfen und auf einer Nordseeinsel noch einmal neu anzufangen.
Ihr Blick fiel auf ihr erhitztes Gesicht im Spiegel, der über dem Sideboard hing, damit das kleine Wohnzimmer größer wirkte. Plötzlich kam sie sich furchtbar langweilig vor. Sie trug ihr hellblondes Haar noch immer glatt, wie schon als Kind, nur dass es ihr inzwischen nicht mehr bis zu den Hüften reichte, sondern zu den Schultern. Sie arbeitete noch immer in der Bank, in der sie ihre Ausbildung gemacht hatte, und war mit ihrem Schulfreund Franjo verheiratet.
»Alles ist neu für mich, was irre spannend, aber auch anstrengend ist«, erzählte Anja. »Mir fehlt die Routine. Ich bin froh, dass Hilde den Frühstücksservice übernommen hat und mir mit Rat und Tat zur Seite steht.«
»Dann verstehst du dich mit der Vorbesitzerin jetzt besser als am Anfang?«, fragte Christin. Sie setzte sich auf die Couch und streifte sich die Ballerinas und Söckchen von den Füßen. In der Bank musste sie auch im Hochsommer geschlossene Schuhe tragen, was im temperierten Gebäude erträglich, aber draußen eine Qual war. Ihre Freundin dagegen lebte nach ihren eigenen Regeln. Christin beneidete sie um diese Freiheit.
»Ja.« Amüsiert fuhr Anja fort: »Manchmal denkt sie noch, sie hätte das Kommando, aber wir sitzen öfters zusammen auf der Holzbank im Garten. Früher hat sie nur zu Beuteltee gegriffen. Inzwischen weiß sie meinen losen Tee zu schätzen, gibt es aber nicht zu. Typisch Hilde eben. Manchmal lässt sie beiläufig fallen, dass sie eine Tasse mittrinken würde, sollte ich zufällig eine Kanne zubereiten.«
»Sag mir nicht, dass du komplett auf Kaffee verzichtest?«, fragte Christin überrascht und machte sich plötzlich Sorgen, dass sie sich mehr als nur räumlich voneinander entfernt haben könnten. Sie musste daran denken, wie oft sie hier auf dem Sofa nebeneinandergesessen und Milchkaffee mit köstlich süßem Sirup getrunken hatten. Sie sehnte sich nach diesen Zeiten.
»Nein, auf keinen Fall. Das könnte ich niemals.« Anscheinend empfand Anja dieselbe Sehnsucht wie Christin, denn sie fügte mit sanfter Stimme hinzu: »Ich vermisse unseren Kaffeeklatsch.«
Christin setzte sich auf die Couch und sah auf den leeren Platz neben sich. »Und ich vermisse dich, sehr.«
»Ich dich auch, Süße. Wir müssen uns dringend mal wiedersehen. Wann kommst du mich auf Föhr besuchen?« Stille am anderen Ende der Leitung.
Dann antwortete Christin zögerlich: »Bald, bestimmt.«
Der nächste Urlaub stand erst im Herbst an, weil nach den Schulferien die Preise fielen und Franjo ein Sparfuchs war. Zudem war er ein Gewohnheitsmensch und hatte schon dasselbe Zimmer in dem Hotel in Dubrovnik gebucht, wie jedes Jahr. Sie konnte ihn einfach nicht davon überzeugen, mal woanders hinzufahren. Er hatte schon als Junge die Sommerferien mit seinen Eltern an der Adria verbracht.
Petar, sein Vater, hatte dort das Licht der Welt erblickt und einundzwanzig Jahre später in der malerischen Altstadt Dubrovniks Monika, die aus Köln stammte und im Süden Kroatiens Urlaub machte, kennengelernt. Ein Jahr später war er zu seiner großen Liebe nach Deutschland gezogen, und sie hatten geheiratet.
Schon wegen der Liebesgeschichte seiner Eltern hatte Franjo ein besonderes Verhältnis zu der Küstenstadt. Außerdem brauchte er Beständigkeit, das wusste Christin. Veränderungen verunsicherten ihn.
Christin war auch kein Freund von Überraschungen und fuhr gerne in gewohnten Gewässern, aber in diesem Fall sehnte sie sich nach Abwechslung.
»Ich habe mich nicht vollkommen verändert, falls das deine Sorge ist«, kam Anja auf ihr Gespräch über ihren gestiegenen Teekonsum zurück. »Tee habe ich schon immer getrunken, aber nicht mit dir, weil du ihn ja nicht magst. Inzwischen brauche ich meine tägliche Tasse zum Wohlfühlen, genauso wie meinen Becher Kaffee am Morgen.«
»Damit kann ich leben«, erwiderte Christin und lachte.
»Vielleicht solltest du dem Tee doch noch eine Chance geben«, schlug Anja vor.
»Nein, ich denke eher nicht. Ich habe ihm noch nie etwas abgewinnen können.« Bestimmt sagte Christin: »Ich gehöre vollkommen zum Team Kaffee.«
»Wenn du herkommst, werde ich dir einen leckeren Ostfriesentee mit Sahnewölkchen und Kluntje machen«, kündigte Anja fröhlich an. »Das schmeckt köstlich! Den wirst selbst du mögen.«
»So habe ich ihn noch nie getrunken«, gab Christin zu.
»Dann wird es aber Zeit«, zwitscherte Anja heiter.
Christin fragte sich, wann sie das letzte Mal etwas Neues ausprobiert hatte, und da fiel ihr bloß eine Schokolade vom Discounter ein, weil Franjo sie ermahnt hatte, preisgünstiger einzukaufen.
Die Miete für das Reihenhaus war immer mehr gestiegen und hatte astronomische Höhen erreicht, aber Franjo wollte unbedingt neben seinen Eltern wohnen bleiben. Christin hatte vorgeschlagen, in den Speckgürtel von Köln zu ziehen oder noch weiter raus, wo die Mieten zwar immer noch hoch waren, man aber beim Blick auf die Abbuchung keine Schweißausbrüche bekam. Zudem war das Umland grüner, und es gab weniger Verkehrslärm. Doch Franjo hatte sich nicht überzeugen lassen.
Die Schokolade war viel zu süß und krümelig gewesen, also kaufte Christin heimlich wieder ihre alte Marke, die Quittungen verlangte Franjo schließlich nicht. Er war sparsam, aber kein Kontrollfreak.
»Wie läuft Martinas Gartencafé an?«, wollte Christin wissen und wünschte sich, sie könnte das Café auf der Terrasse der kleinen Inselpension, das Anja nach ihrer verstorbenen Mutter benannt hatte, mit eigenen Augen sehen.
Ihre Freundin hatte ihr zwar Fotos vom Lüttes Glück und von Walsum mit der großen Trauerweide auf dem Dorfanger geschickt, doch sie hätte gerne selbst herausgefunden, ob tatsächlich ständig Schafsgeruch vom Stall des Nachbarn Sören Schippmann durch den kleinen Ort zog. Sie wollte den dicken schwarzen Kater Kimi, der so etwas wie das Maskottchen der kleinen Gemeinde war, streicheln und Maikes hochgelobten Blechkuchen kosten. Und sie wollte endlich Joris Graf, Anjas neuen Freund, kennenlernen.
»Es ist noch Luft nach oben, und wir müssen viel Kuchen selbst essen.« Anja lachte verlegen. »Aber es finden immer wieder Gäste zu uns. Maikes Nordseewellen stehen hoch im Kurs, und auch meine Waffeln und Heiße Liebe werden oft bestellt. Dazu werden Kaffee und Tee getrunken, oder Pharisäer und Tote Tante.«
Obwohl es viel zu heiß war, um etwas zu essen, lief Christin das Wasser im Mund zusammen. »Tote Tante kenne ich als Lumumba. Aber was ist Heiße Liebe?«
»Vanilleeis mit heißen Himbeeren, auf Wunsch mit viel Schlagsahne«, erklärte ihre Freundin. »Für die Erwachsenen gibt’s einen Schuss Himbeergeist, wenn sie möchten.«
»Jetzt habe ich Lust auf was Süßes! Ich wünschte, ich wäre im Lüttes Glück und könnte dir helfen, die Reste zu verspeisen«, sagte Christin schmunzelnd. Sie glaubte, das Rauschen des Meeres durch die Leitung zu hören.
»Alles Schöne hat auch eine Schattenseite. Durch die zusätzlichen Kalorien nehme ich immer mehr zu, und das, obwohl ich auf der Insel viel mit dem Fahrrad unterwegs bin.« Anjas Stimme wurde so weich wie Samt, als sie den Namen ihres Freundes erwähnte: »Joris liebt jedes Pfund an mir, ich aber nicht.«
»Wie süß von ihm! Wenn du von ihm sprichst, klingst du richtig verträumt. Dich hat es voll erwischt, oder?«,...
Erscheint lt. Verlag | 15.5.2024 |
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Reihe/Serie | Lüttes Glück | Lüttes Glück |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Romane / Erzählungen |
Schlagworte | 2024 • Brüder • eBooks • Feelgood-Roman • Föhr • Frauenromane • Jenny Colgan • karin könig • kleine Pension • Liebe • Liebesroman • Manuela Inusa • Meike Werkmeister • Neuanfang • Neuerscheinung • Nordfriesland • Nordsee • Nordseeinsel • Romane für Frauen • roman highlights 2024 • roman neuerscheinung 2024 • Romantik • schokolade am meer • schokoladen-reihe • Wohlfühlroman |
ISBN-10 | 3-641-28246-2 / 3641282462 |
ISBN-13 | 978-3-641-28246-2 / 9783641282462 |
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