Overlord - Light Novel, Band 03 (eBook)
352 Seiten
Tokyopop Verlag
978-3-8420-9842-8 (ISBN)
1
»Was ist denn das für ein Fraß?«
Der schrillen, hysterischen Stimme folgte das harte Klappern von Besteck, das man auf Teller fallen ließ.
Mehrere Personen im Speiseraum drehten sich zu der Frau um, die der Ursprung des Tumults war. Das Wort schön wurde ihr nicht mal ansatzweise gerecht. Möglicherweise war sie sogar der Goldenen Prinzessin, der größten Schönheit des Königreichs, ebenbürtig. Sogar wütend war sie hinreißend. Und selbst während sie eine Szene machte, wirkte jede ihrer Bewegungen grazil und bemessen. Sie musste eine Adelige sein – die Tochter einer Persönlichkeit von Rang und Namen. Während sie sich die Locken zurückstrich, betrachtete sie missbilligend das Essen vor sich.
Der Tisch war voller Teller. In einem Korb lagen weiche, weiße Brötchen, so frisch aus dem Ofen, dass sie noch dampften. Auf einem Teller lag neben Zuckermais und mit viel Butter zubereitetem Kartoffelpüree ein dickes Stück rosig gebratenes Fleisch verlockend im eigenen Saft. Der Salat bestand aus frischem, knackigem Gemüse, das dazugehörige Dressing verströmte einen belebenden Zitronenduft.
Die Mahlzeiten im Pavillon zum goldenen Glanz, dem besten Gasthaus der Festungsstadt E-Rantel, wurden mit Zutaten zubereitet, auf die man Preservation gewirkt hatte, um sie frisch zu halten – und selbstverständlich von einem Meisterkoch. Diese Mahlzeit war ein Kunstwerk, geschaffen aus den erlesensten Zutaten durch die angesehensten Köche. Nur Gäste von königlichem Geblüt, Adelige und erfolgreiche Händler konnten sich Derartiges leisten – und diese Frau zeigte unverblümte Unzufriedenheit.
Es war nur natürlich, dass diese Frage die anderen Gäste nicht nur überraschte, sie begannen auch über das Essen nachzudenken, das sie bislang ohne weitere Überlegungen verspeist hatten.
»Das ist widerlich.« Das klang dermaßen unangebracht, dass es alle Anwesenden einen Moment lang verblüffte.
Nur einer beobachtete diese ganze Szenerie, ohne mit der Wimper zu zucken, der betagte Diener, der hinter ihr bereitstand. Selbst als sie mit funkelndem Blick zu ihm herumfuhr, verzog er keine Miene, als wäre er zu keinem anderen Gesichtsausdruck fähig.
»Ich ertrage diese Stadt nicht! Bereite alles für meine sofortige Abreise vor!«
»Aber Herrin, es ist bereits na…«
»Halt die Klappe! Ich sage, wir gehen, also gehen wir! Verstanden?«
Als Antwort auf ihren kindischen Wutausbruch rührte sich der Diener zum ersten Mal, indem er den Kopf neigte. »Zu Befehl, Herrin. Ich bereite sofort alles Notwenige vor.«
»Hmpf! Wenn du verstehst, Sebas, dann beeil dich!« Sie schleuderte ihre Gabel weg, die irgendwo klirrend auf dem Boden landete. Dann stürmte sie entrüstet aus dem Speiseraum.
In der angespannten Atmosphäre, die sie zurückließ, erhob sich, der Ruhe nach einem Platzregen gleich, eine würdevolle Stimme: »Ich bitte die Anwesenden, den Vorfall zu entschuldigen.« Nachdem er den Stuhl, der beim Aufstehen der Frau fast umgekippt wäre, wieder an seinen Platz gestellt hatte, verneigte sich der Diener langsam vor den anderen Gästen. Der alte Mann erntete für diese geradezu perfekte Entschuldigung mitleidige Blicke.
»Sir …«
»Ja?« Ein Mann, der bisher unauffällig im Hintergrund gestanden hatte, trat neben den Diener.
»Verzeiht. Ich denke, eine einfache Entschuldigung wird nicht ganz ausreichen, darum gestattet mir, die Kosten aller Anwesenden zu übernehmen.«
Auf den Gesichtern der Gäste, die ihn gehört hatten, breitete sich unverhohlene Freude aus. Im besten Gasthaus der Stadt war jede einzelne Mahlzeit kostspielig. Bei einer solchen Entschädigung war eine solch kleine Störung nicht weiter der Rede wert.
Der Inhaber hingegen zeigte sich unbeeindruckt und reagierte auf das Angebot des Dieners mit einer Verneigung. Die Natürlichkeit dieses Austauschs legte nahe, dass es seit der Ankunft dieses Gespanns aus Herrin und Untergebenem bereits mehrfach zu derartigen Situationen gekommen war.
Sebas sah zu einem Mann, der in einer Ecke des Speiseraums vor seinem eigenen Teller saß. Als er das bemerkte, stand der Mann hastig auf, um zu Sebas zu trotten.
Er passte so gar nicht zu den anderen Gästen. Zum einen mangelte es seiner Erscheinung gänzlich an Format und Würde. Seine Kleidung war das Einzige, worin er den übrigen Anwesenden ähnelte, aber es wirkte mehr, als würde sie ihn tragen, als andersherum. Es war schon beinahe komisch, wie sehr er einem herausgeputzten Clown glich.
»Sebas, Sir …«
»Was gibt es, Zach?«
Zachs unterwürfige Art zu sprechen sorgte bei den anderen Gästen für Stirnrunzeln. Bei einem solchen Tonfall rechnete man zwangsläufig damit, dass er sich jeden Moment gierig die Hände rieb.
Sebas dagegen verzog keine Miene.
»Auch wenn es sich für mich als einfachen Handlanger nicht schickt, das zu sagen, würde ich davon abraten, um diese Zeit aufzubrechen.«
»Weil eine nächtliche Kutschfahrt schwierig ist?«
»Nun, das und ich … ähm … brauche ein, ich meine … ich muss mich auf die Reise vorbereiten, Sir.« Zach kratzte sich am Kopf. Zwar sah er frisch gewaschen aus, trotzdem verteilte er, was immer er dabei löste, um sich herum. Das Stirnrunzeln der Umsitzenden wurde tiefer. Ob er es bemerkte oder nicht, er kratzte sich noch heftiger.
»Allerdings glaube ich, dein Vorschlag wird der jungen Dame nicht gefallen. Nein, angesichts ihrer Laune bezweifle ich, dass sie es sich anders überlegen wird«, erklärte Sebas mit stählernem Blick. »Uns bleibt also keine andere Wahl, als abzureisen.«
»Also, ja …« Zachs Blick zuckte auf der vergeblichen Suche nach einer Ausrede umher und er verzog das Gesicht.
»Selbstverständlich können wir nicht sofort aufbrechen. Ich muss erst noch das Gepäck der jungen Dame in die Kutsche laden, dafür benötige ich etwas Zeit. Bitte triff währenddessen die notwendigen Vorbereitungen.«
Als er wieder das Wort ergriff, trat ein verschlagenes Funkeln in den Blick des ärmlich wirkenden Mannes, aber Sebas ignorierte es einfach – immerhin verlief alles nach Plan. »Wann werden wir dann abreisen?«
»Hm. Wie wäre es in zwei oder drei Stunden? Länger lässt es sich vermutlich nicht aufschieben, da es auf den Straßen stockfinster sein wird.«
Da war wieder dieses berechnende Funkeln. Und auch dieses Mal gab sich Sebas alle Mühe, es zu ignorieren. Zach leckte sich mehrmals die Lippen, bevor er sagte: »He he. Das wird wahrscheinlich ausreichen.«
»Gut. Dann mach dich bitte bereit.«
Nachdem Zach gegangen war, wedelte Sebas durch die Luft – er fühlte sich schmutzig, als würde Dreck an ihm kleben.
Dank seiner stoischen Haltung schaffte er es, den Drang zu seufzen niederzuringen. Er konnte sich nicht dazu überwinden, niedere Wesen zu mögen. Seine Kameraden, beispielsweise Demiurge und Shalltear, fanden ein gewisses Vergnügen darin, mit ihnen zu spielen, aber Sebas wollte nicht einmal in ihrer Nähe sein.
Innerhalb der Großen Gruft von Nazarick herrschten die einhelligen Meinungen: »Wer nicht aus Nazarick stammt, ist ein niederes Wesen« und »Abgesehen von sehr wenigen Ausnahmen sind Menschliche und Halbmenschliche Schwächlinge, die man zerquetschen sollte«. Für Sebas, der den Worten seines Schöpfers: »Man kann sich nicht anmaßen, stark zu sein, wenn man die Schwachen nicht beschützt«, zustimmte, war diese Denkweise unbegreiflich. Wenn er allerdings mit jemandem wie Zach zu tun hatte, war er geneigt, zu denken, die grundlegenden Ansichten von Nazarick wären vielleicht doch gerechtfertigt.
»Du liebe Zeit. Und angeblich sind die Menschlichen so wunder-volle Kreaturen …« Sebas strich sich über den penibel gestutzten Bart und überlegte, was er als Nächstes zu tun hatte.
Der Plan schritt gut voran, aber er musste sich mit dem Aufseher treffen. Noch während er nachdachte, bemerkte er einen näher kommenden Mann.
»Sieht so aus, als würdet Ihr in arger Bedrängnis stecken, wenn eine sofortige Abreise nötig ist.« Er war vermutlich in seinen späten Vierzigern. Weiße Strähnen durchzogen das ordentlich geschnittene schwarze Haar. Dank seines Alters und eines gesunden Appetits hatte er etwas Speck angesetzt. Sein gepflegtes Auftreten verlieh ihm ein kultiviertes Aussehen und seine Kleidung war protzig, aber seinem hohen Stand angemessen.
»Wenn das nicht Baldo ist. Sir.« Sebas verneigte sich leicht.
Baldo hielt ihn wohlwollend zurück. »Ach, nein, nein. Bitte, nicht so förmlich.«
Dieser Mann, Baldo Lauffray, war ein Händler, der einen großen Teil der Nahrungsversorgung der Stadt kontrollierte, und hatte sich bereits mehrmals mit Sebas unterhalten. Während Kriegszeiten war er für die Festungsstadt E-Rantel von unschätzbarem Wert, was ihn zu einem der mächtigsten Händler machte.
Sobald man über Zehntausende Soldaten verfügte, wurde es zu teuer und mühsam, jeden seinen eigenen Proviant mit sich führen zu lassen. Aus diesem Grund war es Standardvorgehensweise des Königreichs, die Truppen bei Ablösungen und Versetzungen nur mit dem Notwendigsten zur Stadt marschieren zu lassen und sie dann vor Ort zu versorgen. Darum genossen Händler für Nahrung und Waffen hier, anders als in anderen Städten, einen enormen Einfluss.
Ein Mann, den man zu den mächtigsten in E-Rantel zählen konnte, sprach niemanden an, nur weil man im selben Speiseraum aß. Es musste einen Grund geben. Aber auch darauf hatten Sebas und die anderen gehofft.
»Sebas, der ist ein Taugenichts.«
»Ist das so?«...
Erscheint lt. Verlag | 13.12.2023 |
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Reihe/Serie | Overlord – Light Novel | Overlord – Light Novel |
Illustrationen | so-bin |
Verlagsort | Hamburg |
Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Fantasy / Science Fiction |
Schlagworte | Dark Fantasy • Dungeons • Isekai • Kämpfe • Light Novel • Magie • MMORGP • Monster • Novel • Overlord • Shonen • Shounen |
ISBN-10 | 3-8420-9842-1 / 3842098421 |
ISBN-13 | 978-3-8420-9842-8 / 9783842098428 |
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