Euterpes Hermäon (eBook)
220 Seiten
Books on Demand (Verlag)
978-3-7578-5021-0 (ISBN)
Markus Gerhard Pichler wurde am 25. Oktober 1985 in Bruck an der Mur geboren.
WIELAND
Einst im Land der Ingwäonen
War die Armut denkbar klein,
Da ein König saß am Throne,
Der als Herrscher gut und rein.
Allen in dem großen Reich
War er teuer und genehm,
Schien, den Landesgöttern gleich,
Alles würdig anzugeh’n.
Wieland, dessen Stammeshalter,
Zog ins weite Land hinaus,
Um im besten Jünglingsalter,
Fern der Eltern Königshaus,
Selbst sich mutig zu beweisen,
Dass er jede Not und Leiden
Auf gefährlich Jünglingsreisen
Durch Geschicke könne meiden.
Wie Heroen in Gesängen
Sollte es dem Spund gelingen,
Furchtlos sich ins Volk zu mengen,
Kühn Gefahren zu bezwingen,
Bis er sich den Ängsten stellte,
Die in seinem Busen harrten,
Dass er nicht als Feigling gelte
Für die, die zu Hause warten.
Denn der tapfre Sohne dachte,
Dass nach Qualen und Entbehren
Es gelinge, wenn er’s machte,
Stolzer Miene heimzukehren.
Seinen Eltern nicht behagte
Insgeheim, doch weithin schweigend,
Dass er sich ins Fremde wagte,
In der Ängste Abgrund steigend.
Wenig sprach der Vater mahnend,
Doch dies tat er sehr bedächtig,
Die Gefahren wohl erahnend,
Zu dem Sohn, der eigenmächtig:
„Ehre dem, dem sie gebühre,
Aber tief in meiner Brust,
Wisse, Sohn, dass ich dort spüre,
Dass du nichts beweisen musst.“
Und der Mutter sanfte Stimme
Sprach zu Wieland kurz darauf:
„Dass mein Herz mir nicht ergrimme –
Ach, so ist der Weltenlauf!
Gestern warst du noch ein Knabe,
Der das Glück als Fügung nimmt –
Heut hast du am Wanderstabe
Selbst dein Schicksal vorbestimmt!“
„Doch bedenk vor allen Dingen“,
Hörte man sie leise mahnen,
„Wenn du hörst die Lerchen singen,
Müd und krank, am Tor der Ahnen,
Denke, dass dem Königssohne
Nicht bloß alles wohlgemut,
Da schon bald du auf dem Throne
Sitzest mit des Königs Blut.“
Also ließ er Schloss und Mauer
Hinter sich für fremde Ferne
Für die unbestimmte Dauer,
Dass die Welt er kennen lerne.
Stolz das Heimatland verließ
Mit dem Jüngling bloß ein Pferd,
Das mit Namen Rosa hieß,
Bis er redlich wiederkehrt.
Jenes Rosse, das bescheiden –
Und das Wieland Rosi nannte –
Musste mit dem Prinzen scheiden,
Dem das Wagnis Mut entbrannte.
Also sattelt’ er das Pferde,
Stieg hinan und gab das Zeichen,
Dass die Wehmut nimmer werde
Hinterlistig ihn beschleichen.
Über manche goldne Felder
Zogen sie in Windeseile,
Nah der üppig grünen Wälder
An der Riesenberge Steile.
Hart war aber manche Stunde,
Da’s Gelände oftmals schlicht
Nur dem Manne großer Kunde
Nicht als Müh’ entgegensticht.
Als sie in ein Brachland kamen,
Nach dem Tage, der geschunden,
Sich die zwei die Freiheit nahmen,
Nach den langen Wanderstunden
Eine Rast fürs kurze Ruhen
Einzulegen, und behände
Stieg er aus den Wanderschuhen
Innerhalb der Höhlenwände.
Als sich Wunsch zu speisen regte,
Hörte Wieland plötzlich Laute,
Unbekannt, und leise legte
Fremdes sich ins Altvertraute –
Und das furchterregend Toben
In dem schwarzen Höhlenschlund
Gab dem Prinzen just im Groben
Von Gefahr und Unglück kund.
Sind’s womöglich freundlich Klänge,
Die den Schmerz ins Ohr ihm tragen?
Zur Begrüßung Lustgesänge,
Die sich unbegründet schlagen?
Oder sind es Resonanzen,
Die bedrohlich anzuhören,
Von noch nicht bekannten Pflanzen,
Die der Fremden Ruhe stören?
Schwarze Biester aber flogen
Plötzlich aus dem dunklen Schlund
Auf die beiden zu und zogen
An dem wohlgenährten Fund!
Auch an Kleidern und den Haaren
Schlugen sie die Krallen ein –
Zerrten, zogen, bis die klaren
Leiber stöhnten unter Pein.
Während Wieland hilflos klagte,
Schrie und mit den Viechern zankte,
Kaum sich selbst zu wehren wagte
Und zu seinem Schwerte langte,
Wurd’ der schwarzen Diebe Raub
Ausgedehnt auf Wielands Essen,
Das in Windeseiles Staub
Hurtig wurde weggefressen!
Nach dem Angriff jener Plage,
Als die Not vorbeigeglaubt,
Wieland war mit einem Schlage
Der Verpflegung all beraubt.
Also zog er schwach und ärmlich,
Ohne Gut in Prinzenhand,
Abgemagert und erbärmlich,
Durch das weite, brache Land.
Ob des wilden Raubes stöhnte
Auch der treuen Rosa Magen,
Der vom Heimatstall verwöhnte,
Stimmend ein in Wielands Klagen.
Hungrig, durstig – ohne Speise
Mühten sich die beiden bang
Auf der Bettler schäbig Weise
Wild zerlumpt drei Tage lang.
Doch am dritten grausen Morgen,
Als die Brache sie verließen,
Schwanden ihre schlimmsten Sorgen,
Die den Hungertod verhießen.
Denn am Horizont erschienen
Grüne Bäume, grüne Haine,
Die die wackren, schlanken Mienen
Neu belebten – und die Beine.
Jener Bäume süßer Segen,
Der des Himmels güt’ger Lohn,
Ließ des Jünglings Kraft erbeben,
Die des Willens erster Sohn.
Auch das brave Rösslein schluckte
Artig, was zum Maul ihm kam,
Bis von neuen Kräften zuckte,
Was zuvor von Schwäche lahm.
Und sie blieben in dem Grünen,
Bis die beiden satt und heiter
Von der Götter fruchtbarst Bühnen
Zogen in die Fremde weiter.
Da der Weg des Wanderns Ziel,
Wieland, was er sah, behagte,
Wenn der Schwermut Folter fiel
Und erneut der Morgen tagte.
Wenn der Blumen Blütenpracht
Ihn umgab, wenn er erwachte,
Oder wenn in klarer Nacht
Mancher Stern vom Himmel lachte –
Wenn die Sonne wärmend schien,
Dann war Wieland ungelogen,
In dem Herze spürt’ er’s zieh’n,
Glücklich, dass er ausgezogen.
Als er eines Tages tränkte
Sein getreues Ross am Bache,
Seine großen Augen lenkte
Etwas hin zur fließend Lache.
Unbekleidet, leise keuchte,
Halb dem tiefen Blau enthoben,
Eine Nixe in der Feuchte,
Halb ins kühle Nass geschoben.
Und dem starren Jünglingsblicke
Folgten triebhaft auf dem Fuße
Ob des Wasserwesens Tricke
Füße, die dem Fluss der Muße
Unwillkürlich, aber eitel,
Doch gehorchten, bis vom Bein
Wieland bis zum Haaresscheitel
Sank ins Himmelsbild hinein.
In dem trüben Wasser schnaubte
Wieland, da die Nixe drückte
Und ihm Luft zum Atmen raubte,
Als sie über ihm sich bückte –
Kleine Bläschen im Gemenge
Stiegen, als der Sinne Schlachten
In der dunklen, blauen Enge,
Wieland in Bedrängnis brachten.
Doch im Kampfe mit dem Tode
Hat sich schrill und neu erhoben
Seines Lebenswillens Ode,
Bis es Wieland trieb nach oben.
Und durch letzte Kraft und Härte
Zog es ihn aus Grab und Moder,
Ob des Eifers regsam Werte,
Neuentfachend heiß Geloder.
An dem Ufer lag der Zarte,
Odem spürend, Raum und Zeit,
Der am Grase keuchend harrte,
Grad entfloh’n der Ewigkeit.
Denn da Unvernunft ihn lenkte,
War’s der Schwäche krummes Ding,
Das ihn zu der Nixe drängte
Und dass er ins Wasser ging.
Rosa nahm den schweren Streit
Schwach nur wahr und blickte platt,
Gänzlich ohne Ängstlichkeit
Unbewegt an seiner statt.
Nun, nachdem der Not Sekunden
Und der Schrecken abgeklungen,
War dem Prinzen auch entschwunden
Jener Drang, der eingedrungen.
Nach Erholung von dem Wahne
Stieg er auf, das Ross zu reiten,
Führte neuerstarkt die Fahne
Und des Herzens Emsigkeiten.
Laut ertönte sein Gesang
Furchtlos, da dem Tod entronnen,
Der des Jünglings Mut entsprang,
Nicht zu werden Fang der Wonnen.
Langsam ritt er in das kleine
Wäldchen, das am Weg gelegen,
Das mit sanfter Stimm’ die feine
Kühle pries als Göttersegen.
Frischer Atem lockt’ den Wandrer
Tief hinein in Wäldchens Dunkel,
Wo der dicken Rinden andrer
Segensruf ihm neu Gemunkel.
Mühsal wurd’ ihm bald das Schreiten
In des dichten Waldes Engen,
Bis der lange Marsch zur breiten
Lichtung führte aus den Fängen.
„Endlich“, sprach er, „eine Stelle,
Die des dunklen Waldes Bäumen
Mutig nicht sich beugt in Schnelle,
Da sie nicht bloß Wipfel...
Erscheint lt. Verlag | 8.7.2023 |
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Sprache | deutsch |
Themenwelt | Literatur ► Lyrik / Dramatik ► Lyrik / Gedichte |
Schlagworte | Ästhetik • Epik • klassisch • Liebeslyrik • Romantik |
ISBN-10 | 3-7578-5021-1 / 3757850211 |
ISBN-13 | 978-3-7578-5021-0 / 9783757850210 |
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