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Mord kennt keine Feiertage (eBook)

Ein Weihnachtskrimi

*****

eBook Download: EPUB
2023 | 1. Auflage
Verlagsgruppe Lübbe GmbH & Co. KG
978-3-7517-4816-2 (ISBN)

Lese- und Medienproben

Mord kennt keine Feiertage -  Christian Humberg
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Zimtgebäck, Schnee und ein rätselhafter Mord auf Crannock Hall

Eigentlich ist Chief Inspector Timothy Smart schon auf dem Weg zu Frau und Festtagsbraten, als sein dandyhafter Freund Robin Chandler ihn bittet, nach Crannock Hall zu kommen. Auf diesem vor Cornwalls Küste gelegenen Landsitz haben sich einige der Reichsten und Schönsten des Landes eingefunden, eingeladen vom mysteriösen Lord Bainbridge persönlich. Chandler fürchtet nahendes Unheil - mörderischer Art, wohlgemerkt! Smart gibt dem Drängen nach. Mit ihm kommt ein Sturm, der die Insel von der Außenwelt abschneidet. Und nicht nur das: Bald ist Lord Bainbridge mausetot. Der Täter muss sich unter den Anwesenden auf Crannock Hall befinden - und kann jederzeit wieder zuschlagen!



<p><strong>Christian Humberg</strong>wurde 1976 in Gerolstein geboren und studierte in Mainz Buch- und Literaturwissenschaft. Er arbeitet als freier Autor von Büchern und Theaterstücken, als Comicszenarist, Literaturübersetzer und Lektor. Seine Werke erreichen Leser:innen auf der ganzen Welt und wurden bereits mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Humberg lebt in der Eifel.</p>

Christian Humberg wurde 1976 in Gerolstein geboren und studierte in Mainz Buch- und Literaturwissenschaft. Er arbeitet als freier Autor von Büchern und Theaterstücken, als Comicszenarist, Literaturübersetzer und Lektor. Seine Werke erreichen Leser:innen auf der ganzen Welt und wurden bereits mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Humberg lebt in der Eifel.

Kapitel 2


»Crannock Hall?«, fragte der Bärtige ungläubig. Sein Küstenakzent war dicker als der Londoner Nebel. »Was in aller Welt woll’n Se denn da? Noch dazu jetzt um die Zeit?«

Smart schlug den Kragen seines Mantels höher und erklärte sich erneut. »Ich komme von Scotland Yard. Ein alter Freund hat mich vorhin inständig gebeten, auf die Insel zu kommen. Es geht angeblich um Leben und Tod.«

Der Bärtige schnaubte. Einen schlechteren Scherz schien er noch nie gehört zu haben.

Seit Robin Chandlers mysteriösem Anruf waren mehrere Stunden vergangen. Smart hatte den Großteil der Zeit auf dem Motorway verbracht und seinen spontan organisierten Leihwagen von Bristol aus weiter südwestlich gesteuert. So schnell er nur konnte, war er gefahren – bis hierhin, an den wohl äußersten Zipfel von Cornwall. Und an einen Hafen, der den Namen kaum verdiente.

Der von nur wenigen alten Lampen beleuchtete Platz oberhalb des schmalen Sandstreifens war klein und nur noch fleckenweise geteert. Gras und Unkraut wucherten aus breiten Rissen in seinem Belag, und kleine Nagetiere verkrochen sich in den Schatten. Mehrere Lagerhallen säumten die ebene Fläche und wirkten mit ihren schmutzigen Fassaden, den trüben Fenstern und den windschiefen Toren allesamt, als hätte sie schon seit den Jugendjahren der verstorbenen Queen Elizabeth II. kein Mensch mehr betreten.

Eine Handvoll Fischerboote lag schräg gegenüber an nicht minder alt aussehenden Stegen vertäut, und kaltes, dunkles Wasser leckte im Takt, den die Wellen vorgaben, über die groben Steine am Ufer. Der Mann mit dem Bart war die einzige Person weit und breit, abgesehen von Smart selbst. Alle anderen Bewohner des kleinen Ortes waren wohl vernünftig genug, sich im Warmen aufzuhalten.

Der Mann von der Fährgesellschaft war von undefinierbarem Alter. Er hatte rotes Haar, das ihm unter der Kapuze zottelig ins Gesicht fiel, und einen nicht minder wild wuchernden Bewuchs an Kinn, Wangen und Mundpartie. Er trug gelbes Ölzeug zu grünen Gummistiefeln, und die Träger seiner Hose lagen so straff gespannt auf den knochigen Schultern, dass sie dort Striemen hinterlassen mussten. Ein aufgenähtes Schild an der Brustpartie seiner Latzhose wies ihn als S. Bigsby aus.

Als Smart vorhin angekommen war, hatte Bigsby schon wie selbstverständlich am Fähranleger gestanden, einem etwas breiteren Steg mit einem Schild der Fährgesellschaft. Und auch jetzt noch sah er den Chief Inspector an, als bewiese dieser schon allein durch seine bloße Anwesenheit, wie schlecht es um seinen Verstand bestellt sein musste.

»Leben und Tod«, wiederholte Bigsby und brummte spöttisch. »Auf Crannock Hall. Nee, is’ klar.« Ein Lachen schloss sich an, kehlig und rau wie der Wind. »Das Einzige, was da draußen verreckt, Meister, das ist Ihr Geduldsfaden. Vor Langeweile, verstehen Se? Da ist doch nix und niemand außer dem ollen Bainbridge.«

Smart musste zugeben, dass seine Ortskenntnis minimal war. Alles, was er über das Ziel seiner Reise wusste, war das, was Chandler ihm vorhin am Telefon beschrieben hatte. Eigentlich hatte er längst auf dem Heimweg sein wollen. Ein Abstecher ans Meer war in seinem ursprünglichen Reiseplan nicht vorgekommen. Auch das bisschen Reisegepäck, das er nach Bristol mitgenommen hatte, bewies es.

Doch ein wenig hatte er seit Chandlers Anruf bereits recherchiert. Crannock Hall war ein altes Anwesen, das mutterseelenallein vor der Küste Cornwalls lag – auf einer Insel, die so unbedeutend schien, dass sie nicht einmal über einen Namen verfügte. Aus Gründen, über die sein Freund am Telefon nicht hatte sprechen wollen, hielt Chandler sich aktuell dort auf. Und wie er Smart deutlich gemacht hatte, brauchte er Unterstützung.

Smart nahm die kleine Reisetasche von einer Hand in die andere und wandte sich erneut an Bigsby. »Können Sie sich vorstellen, was auf Crannock Hall vielleicht sonst noch gefährlich sein mag? Außer der Langeweile?«

»Pff.« Der Rothaarige sah ihn kritisch an. »Vielleicht das Wetter?«

Das kam tatsächlich hin, fand Smart. Die Laune der Natur hatte sich seit seiner Abfahrt aus Bristol jedenfalls deutlich verschlechtert. Der Nieselregen von vorhin war von dicken, eisigen Tropfen abgelöst worden, die, von kurzen Unterbrechungen wie dieser abgesehen, nahezu ununterbrochen fielen. Auch der Wind hatte gehörig an Kraft gewonnen und schlug Smart nun vom offenen Wasser her entgegen wie ein Preisboxer, der sich langsam für den Kampf warm machte.

Am Himmel war kein Platz mehr für Sonnenstrahlen. Stattdessen türmten sich Unwetterwolken übereinander, eine dunkler als die andere. Sturm lag in der Luft, das spürte Smart genau. Oder wenigstens gewaltiger Schneefall.

Deswegen ruft Chandler mich aber sicher nicht her. Nicht wegen des Winters. Die Toten, von denen er gesprochen hat, können damit nichts zu tun haben.

Er wusste nicht, was seinen Freund umtrieb. Smart hatte ihn nie zuvor von einem Anwesen namens Crannock Hall sprechen hören, und auch vorhin am Telefon hatte er sich nicht lange darüber auslassen können. Selbst der Grund für seine Anwesenheit an der Küste war dem Chief Inspector unbekannt, hätte er Chandler dieser Tage doch weit eher in irgendwelchen Londoner Gentlemen’s Clubs, auf den VIP-Tribünen von Polo-Turnieren oder auf den Dinnerpartys der High Society vermutet.

Doch Smart kannte den jüngeren Mann gut. Mehrfach schon hatten sie einander in brenzligen Situationen zur Seite gestanden, Gefahren ins Auge geblickt und Rätsel gelöst, die ebenso perfide wie abscheulich gewesen waren. Sie konnten einander vertrauen, zur Not sogar blind. Chandler würde ihn nie um einen Gefallen wie diesen bitten, wenn die Lage nicht ernst wäre.

Erst recht nicht so kurz vor den Feiertagen, dachte Smart. Es muss ihm wichtig sein, was immer es ist. Wichtig … und todernst.

»Die Fähre kommt aber noch, ja?«, fragte er den Bärtigen.

Sie warteten nun schon seit zwanzig Minuten. Der Mann hatte ihm versprochen, dass man ihn problemlos auf die Insel ohne Namen bringen konnte. Die kleine Fähre, zu dessen Team er gehörte, kutschierte ja schließlich tagtäglich Pendler und Touristen zu den Inseln vor der Küste und zurück. Doch allmählich spürte Smart die Kälte in den Knochen. Es wurde allerhöchste Zeit, dass er ins Warme kam.

»Na sicher«, antwortete Bigsby. Er zog eine Taschenuhr aus den Untiefen seines Ölzeugs, was regelrecht bizarr wirkte, und studierte deren Ziffernblatt. »Die sollten Se sehen in genau … Jetzt!«

Smart hob den Blick und dann verblüfft die Brauen. Draußen auf dem Wasser war tatsächlich exakt in diesem Moment ein Schiff erschienen. Noch war es wenig mehr als ein Schemen in der diesigen Ferne, doch Smart war, als könnte er den dazugehörigen Motor bereits tuckern hören.

Als das schwimmende Gefährt näher kam, folgten weitere Details ins Feld seiner Wahrnehmung. Die Fähre war weiß und länglich, kaum breiter als ein Londoner Linienbus. Sie hatte ein Ober- und ein Unterdeck, eine winzige Kommandobrücke und einen schief aussehenden Schornstein, aus dem in dicken Wolken dunkler Qualm aufstieg. Der Union Jack flackerte an ihrem Heck, und zwei Männer standen an der Reling, beide in ähnlicher Kluft wie Bigsby. Neben ihnen hingen ein roter Rettungsring und eine Art Planke aus ockerfarbenem Material. Plastik?

»Na also«, freute sich Bigsby und steckte die Uhr wieder in die Tasche. »Unsere alte Lissy ist pünktlicher als jeder Steuereintreiber. Machen Se sich da mal keine Sorgen, Meister. Die hat noch jeden ans Ziel gebracht, ohne die geringste Verspätung.«

Smart sah zu, wie die Fähre anlegte. Tatsächlich prangte der schmutzig-weiße Schriftzug LISSY an ihrer Seite. Die beiden Männer an Bord warfen Bigsby ein Tau zu, das dieser an einem Poller befestigte. Dann öffneten sie eine Art Gatter in der Reling und fixierten die Plastikplanke dazwischen. Das Boarding konnte beginnen.

Während die Männer arbeiteten, zog Smart das Handy aus der Manteltasche. Schon in Bristol hatte er versucht, seine geliebte Mildred zu erreichen, und die Gelegenheit schien günstig für einen zweiten Anlauf. Er wollte seiner Frau wenigstens mitteilen, dass sich seine Heimkehr noch ein wenig verzögerte. Vorhin war sie leider nicht zu Hause gewesen – sondern unterwegs zum Supermarkt, wie er vermutet hatte. Nun wagte er einen neuen Vorstoß und wählte die vertraute Nummer.

»Geh’n Se ruhig schon an Bord, Meister«, meinte Bigsby. »Sie sind ja eh der einzige Passagier heute Abend. Wir brauchen zwar noch ’nen Moment, bis Lissy wieder ablegt. Aber ich bezweifle, dass bei dem Wetter sonst noch jemand kommt.«

Smart umfasste den Griff seiner Reisetasche fester und setzte vorsichtig einen Fuß auf die Planke, dann einen zweiten. Zu seiner eigenen Überraschung trug das Plastikkonstrukt ihn mühelos; dabei war er bei Weitem kein Schmalhans. Im Gegenteil: Gillicuddy klagte schon seit vielen Jahren über sein Gewicht und seinen Leibesumfang, der zwar nicht nennenswert wuchs, aber leider konstant zu groß war – zumindest aus Sicht eines Mediziners. Was Gillicuddy dabei aber außer Acht ließ, war eine Wahrheit, die dem erfahrenen Kriminalermittler Smart jedoch lieb und teuer war: Die Welt konnte ein grässlicher Ort sein, und süße, salzige und vor allem sämig-sahnige Köstlichkeiten machten sie automatisch schöner. Erst recht in der Vorweihnachtszeit.

Es tutete in der Leitung. Smart hielt sich das Handy dicht ans Ohr, um den Wind...

Erscheint lt. Verlag 29.9.2023
Reihe/Serie Ein Fall für Timothy Smart
Ein Fall für Timothy Smart
Verlagsort Köln
Sprache deutsch
Themenwelt Literatur Krimi / Thriller / Horror Krimi / Thriller
Schlagworte Agatha Christie • Closed Setting • Cornwall • Cyril Hare • detektivroman • Dorothy Sayers • Einsame Insel • England • Krimis • Landhaus • Landhauskrimi • locked room • Scotland Yard • Weihnachten • Weihnachtskrimi
ISBN-10 3-7517-4816-4 / 3751748164
ISBN-13 978-3-7517-4816-2 / 9783751748162
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